POLITISCHER BERICHT AUS DEN VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA Richard Teltschik Leiter der Verbindungsstelle Washington Nr. 2 /2015 – 23. Januar 2015 IMPRESSUM Herausgeber Copyright 2015, Hanns-Seidel-Stiftung e.V., München Lazarettstraße 33, 80636 München, Tel.: +49 (0)89 1258-0, E-Mail: [email protected], Online: www.hss.de Vorsitzende Prof. Ursula Männle Staatsministerin a.D. Hauptgeschäftsführer Dr. Peter Witterauf Verantwortlich Ludwig Mailinger Leiter des Büros für Verbindungsstellen Washington, Brüssel, Moskau, Athen / Internationale Konferenzen Hanns-Seidel-Stiftung e.V. Tel.: +49 (0)89 1258-202 oder -204 Fax: +49 (0)89 1258-368 E-Mail: [email protected] Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung, Verbreitung sowie Übersetzung, vorbehalten. 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Gleichzeitig sei die Neuverschuldung um zwei Drittel reduziert worden und die Preissteigerungen im Gesundheitswesens seien so niedrig wie seit 50 Jahren nicht mehr. Dies seien die Ergebnisse seiner Politik, die er gegen seine republikanischen Kritiker durchgesetzt habe. Das siegesbewusste Auftreten des Präsidenten, der sich bisher bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Lage eher zurückgehalten hatte, verärgerte die Republikaner. Diese hatten im November vergangenen Jahres bei den Zwischenwahlen des Kongresses eine überwältigende Mehrheit in Senat und Repräsentantenhaus errungen und dies aufgrund seiner miserablen Zustimmungswerte auch auf ein Versagen der Politik des Präsidenten zurückgeführt. Viele Vertreter der demokratischen Partei hatten sich während des Wahlkampfes von Obama distanziert und sogar vorgezogen, ohne Unterstützung des Präsidenten Wahlkampf zu machen. Obamas Lippenbekenntnisse zur parteiübergreifenden Zusammenarbeit mit dem Kongress wurden konterkariert durch den Ton seines Vortrags und die Inhalte, die im Kongress keinerlei Chance auf Umsetzung haben. Ein republikanischer Kongress wird kaum Steuern und Abgaben für die reichsten Amerikaner und Finanzinstitute erhöhen, um damit die Gebühren für zwei Jahre Community College vollständig zu streichen oder verheirateten Paaren, die beide arbeiten, eine Steuergutschrift zu gewähren. Derartige Ideen hat der Kongress nicht einmal in Erwägung gezogen, als er noch vollständig in der Hand der Demokraten war. Ein zentrales Thema seiner Rede war eine Politik, die auf eine verunsicherte, wirtschaftlich schwächer dastehende Mittelklasse abzielt. Er verglich die USA mit anderen westlichen Staaten und stellte fest, dass es in den USA bisher kein Recht auf bezahlte Krankentage oder Mutterschutz gibt und dass sich viele Familien eine qualitativ hochwertige Betreuung von Kleinkindern nicht mehr leisten können. Dafür wird er von konservativen Kritikern auf den erdrückenden Schuldenberg der USA hingewiesen und als Linksideologe sowie radikaler Umverteiler dargestellt. Analysten werfen dem Präsidenten vor, gar kein Interesse an der politischen Arbeit zu haben, die normalerweise erforderlich ist, um bei wichtigen Themen Kompromisse mit dem Kongress zu finden. Er versuche vielmehr, durch exekutive Anordnungen am Kongress vorbeizuregieren, was von Republikanern als Verfassungsbruch dargestellt und als „imperiale Präsidentschaft“ beschrieben wird. Obama ignoriere den Willen der Wähler, heißt es immer wieder, wenn er zum Beispiel illegale Einwanderer vor der Ausweisung schütze, diplomatische Beziehungen zu Kuba aufnehme oder ein Klima-Abkommen mit China unterschreibe. Weite Teile seiner Rede klangen vielmehr so, als bereite der Präsident schon jetzt die Agenda und Themen für den Präsidentschaftswahlkampf 2016 vor. Er möchte sicherstellen, dass sein Versprechen, das Leben einfacher Amerikaner zu verbessern, als eingelöst wahrgenommen wird. Den Republikanern drohte er, alle Gesetze mit seinem Veto zu verhindern, die versuchen würden, seine 1 politischen Errungenschaften rückgängig zu machen. Dazu zählen die Gesundheitsreform, die strikte Finanzregulation oder der Schutz illegaler Einwanderer. Um politisch Wichtiges zu bewegen, hätte er Themen identifizieren müssen, bei denen Kompromisse möglich sind. Dies hat er gänzlich versäumt. Mit seiner “State of the Union”-Rede hat Präsident Obama dem Kongress keinerlei Anreiz zur Kooperation gegeben, die innenpolitischen Gräben vertieft und eine überparteiliche Zusammenarbeit weiter erschwert. Beobachter bedauerten, dass der Präsident kein Staatsmann sei, sondern sich weiter mit kleinkarierter Parteipolitik beschäftige. Außenpolitisch versuchte der Präsident, sein zögerliches Vorgehen angesichts der Vielzahl der Krisen, die seine Administration erleben musste, zu rechtfertigen. Er nannte dieses Vorgehen intelligenter, da militärische Macht nur in multilateralen Koalitionen eingesetzt und von Diplomatie begleitet werde. Seine Aussage, unter amerikanischer Führung sei das Vorrücken von ISIS gestoppt worden, erscheint vielen Kommentatoren etwas voreilig. Angesichts der Situation im Nahen Osten und vor allem auch aktuell im Jemen, sei der Entwicklungstrend der weltweiten Lage eher negativ, was sicher kein Anlass zu einem Optimismus, wie Obama ihn an den Tag lege, sei. In seiner Rede zur Lage der Nation vor einem Jahr bezeichnete Obama die Entwicklung im Jemen als Erfolgsstory, heute droht dort der Staat zu zerfallen. Auch für die Schwächung Russlands ist weniger Amerikas Diplomatie verantwortlich als der drastische Verfall des Ölpreises. Den größten Widerspruch löste Obamas Ankündigung aus, neue Sanktionen gegen den Iran während der Verhandlungen über das Nuklear-Abkommen per Veto zu verhindern. Der Sprecher des Repräsentantenhauses, John Boehner, lud danach sofort Benjamin Netanyahu ein, vor dem Kongress zu sprechen, woraufhin Präsident Obama es ablehnte, Netanyahu zu einer Unterredung zu empfangen. Einer der wenigen Punkte, zu dem Obama auch von Republikanern Applaus erhielt, war seine Aufforderung an den Kongress, ihm die Trade Promotion Authority (TPA) zu erteilen, um die wichtigen Handelsabkommen mit Asien und der EU (TTIP) verhandeln zu können. Um eine klare Mehrheit im Kongress zu erhalten, ist es nun wichtig, dass die Administration demokratische Senatoren überzeugt, die durch ihre Nähe zu den Gewerkschaften oft protektionistische Positionen vertreten. Die Republikaner unterstützen weitgehend den Freihandel, so dass die Chancen für TPA recht gut stehen. *** 2