"Präsident Obama zur Lage der Nation", 23. Januar 2015

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POLITISCHER BERICHT AUS DEN
VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA
Richard Teltschik
Leiter der Verbindungsstelle Washington
Nr. 2 /2015 – 23. Januar 2015
IMPRESSUM
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Präsident Obama zur Lage der Nation
Am 20. Februar hielt Präsident Obama seine sechste Rede zur Lage der Nation und er hatte Gutes zu
berichten: Nach Jahren harter Arbeit hätten die Amerikaner den Schatten der Finanzkrise
überwunden. Er stellte klar, dass die USA unter seiner Führung auf einem guten Weg seien. Die
wirtschaftliche Situation entwickle sich positiv, es würden mehr neue Arbeitsplätze geschaffen, mehr
Menschen seien krankenversichert und die Energiekosten würden sinken. Gleichzeitig sei die
Neuverschuldung um zwei Drittel reduziert worden und die Preissteigerungen im Gesundheitswesens
seien so niedrig wie seit 50 Jahren nicht mehr. Dies seien die Ergebnisse seiner Politik, die er gegen
seine republikanischen Kritiker durchgesetzt habe.
Das siegesbewusste Auftreten des Präsidenten, der sich bisher bei der Beurteilung der
wirtschaftlichen Lage eher zurückgehalten hatte, verärgerte die Republikaner. Diese hatten im
November vergangenen Jahres bei den Zwischenwahlen des Kongresses eine überwältigende
Mehrheit in Senat und Repräsentantenhaus errungen und dies aufgrund seiner miserablen
Zustimmungswerte auch auf ein Versagen der Politik des Präsidenten zurückgeführt. Viele Vertreter
der demokratischen Partei hatten sich während des Wahlkampfes von Obama distanziert und sogar
vorgezogen, ohne Unterstützung des Präsidenten Wahlkampf zu machen.
Obamas Lippenbekenntnisse zur parteiübergreifenden Zusammenarbeit mit dem Kongress wurden
konterkariert durch den Ton seines Vortrags und die Inhalte, die im Kongress keinerlei Chance auf
Umsetzung haben. Ein republikanischer Kongress wird kaum Steuern und Abgaben für die reichsten
Amerikaner und Finanzinstitute erhöhen, um damit die Gebühren für zwei Jahre Community College
vollständig zu streichen oder verheirateten Paaren, die beide arbeiten, eine Steuergutschrift zu
gewähren. Derartige Ideen hat der Kongress nicht einmal in Erwägung gezogen, als er noch
vollständig in der Hand der Demokraten war.
Ein zentrales Thema seiner Rede war eine Politik, die auf eine verunsicherte, wirtschaftlich
schwächer dastehende Mittelklasse abzielt. Er verglich die USA mit anderen westlichen Staaten und
stellte fest, dass es in den USA bisher kein Recht auf bezahlte Krankentage oder Mutterschutz gibt
und dass sich viele Familien eine qualitativ hochwertige Betreuung von Kleinkindern nicht mehr
leisten können. Dafür wird er von konservativen Kritikern auf den erdrückenden Schuldenberg der
USA hingewiesen und als Linksideologe sowie radikaler Umverteiler dargestellt.
Analysten werfen dem Präsidenten vor, gar kein Interesse an der politischen Arbeit zu haben, die
normalerweise erforderlich ist, um bei wichtigen Themen Kompromisse mit dem Kongress zu finden.
Er versuche vielmehr, durch exekutive Anordnungen am Kongress vorbeizuregieren, was von
Republikanern als Verfassungsbruch dargestellt und als „imperiale Präsidentschaft“ beschrieben
wird. Obama ignoriere den Willen der Wähler, heißt es immer wieder, wenn er zum Beispiel illegale
Einwanderer vor der Ausweisung schütze, diplomatische Beziehungen zu Kuba aufnehme oder ein
Klima-Abkommen mit China unterschreibe.
Weite Teile seiner Rede klangen vielmehr so, als bereite der Präsident schon jetzt die Agenda und
Themen für den Präsidentschaftswahlkampf 2016 vor. Er möchte sicherstellen, dass sein
Versprechen, das Leben einfacher Amerikaner zu verbessern, als eingelöst wahrgenommen wird. Den
Republikanern drohte er, alle Gesetze mit seinem Veto zu verhindern, die versuchen würden, seine
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politischen Errungenschaften rückgängig zu machen. Dazu zählen die Gesundheitsreform, die strikte
Finanzregulation oder der Schutz illegaler Einwanderer. Um politisch Wichtiges zu bewegen, hätte er
Themen identifizieren müssen, bei denen Kompromisse möglich sind. Dies hat er gänzlich versäumt.
Mit seiner “State of the Union”-Rede hat Präsident Obama dem Kongress keinerlei Anreiz zur
Kooperation gegeben, die innenpolitischen Gräben vertieft und eine überparteiliche Zusammenarbeit
weiter erschwert. Beobachter bedauerten, dass der Präsident kein Staatsmann sei, sondern sich
weiter mit kleinkarierter Parteipolitik beschäftige.
Außenpolitisch versuchte der Präsident, sein zögerliches Vorgehen angesichts der Vielzahl der
Krisen, die seine Administration erleben musste, zu rechtfertigen. Er nannte dieses Vorgehen
intelligenter, da militärische Macht nur in multilateralen Koalitionen eingesetzt und von Diplomatie
begleitet werde. Seine Aussage, unter amerikanischer Führung sei das Vorrücken von ISIS gestoppt
worden, erscheint vielen Kommentatoren etwas voreilig.
Angesichts der Situation im Nahen Osten und vor allem auch aktuell im Jemen, sei der
Entwicklungstrend der weltweiten Lage eher negativ, was sicher kein Anlass zu einem Optimismus,
wie Obama ihn an den Tag lege, sei. In seiner Rede zur Lage der Nation vor einem Jahr bezeichnete
Obama die Entwicklung im Jemen als Erfolgsstory, heute droht dort der Staat zu zerfallen.
Auch für die Schwächung Russlands ist weniger Amerikas Diplomatie verantwortlich als der
drastische Verfall des Ölpreises.
Den größten Widerspruch löste Obamas Ankündigung aus, neue Sanktionen gegen den Iran während
der Verhandlungen über das Nuklear-Abkommen per Veto zu verhindern. Der Sprecher des
Repräsentantenhauses, John Boehner, lud danach sofort Benjamin Netanyahu ein, vor dem Kongress
zu sprechen, woraufhin Präsident Obama es ablehnte, Netanyahu zu einer Unterredung zu
empfangen.
Einer der wenigen Punkte, zu dem Obama auch von Republikanern Applaus erhielt, war seine
Aufforderung an den Kongress, ihm die Trade Promotion Authority (TPA) zu erteilen, um die
wichtigen Handelsabkommen mit Asien und der EU (TTIP) verhandeln zu können. Um eine klare
Mehrheit im Kongress zu erhalten, ist es nun wichtig, dass die Administration demokratische
Senatoren überzeugt, die durch ihre Nähe zu den Gewerkschaften oft protektionistische Positionen
vertreten. Die Republikaner unterstützen weitgehend den Freihandel, so dass die Chancen für TPA
recht gut stehen.
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