Tumorstoffwechsel als potenzieller Ansatzpunkt

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| referat
Hämatologie & Onkologie 3 I 2012
Grundlagenforschung
Tumorstoffwechsel als potenzieller Ansatzpunkt
Katabolismus von Fettgewebe und
Muskel charakterisiert die Tumorkachexie, die bei einem Großteil
der Tumorpatienten beobachtet
wird. Dabei lässt sich eine enge
Verknüpfung mit dem Lipidstoffwechsel nachweisen. Univ.-Prof.
Dr. Gerald Höfler, Graz, stellte im
Rahmen der Grand Rounds des
Comprehensive Cancer Centers der
Medizinischen Universität Wien
Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet vor.
Allgemeiner Abbau durch
Zytokine
Eine Tumorkachexie wird bei 30–80%
der Krebspatienten beobachtet und
führt in mindestens 15–20% der Fälle
zum Tod. Es findet ein progressiver
Verlust von Körpermasse statt, der
sich sowohl auf das Fettgewebe als
auch auf die Skelettmuskulatur erstreckt. Anders als bei Anorexie kann
dieser Prozess nicht durch verstärkte
Nahrungsaufnahme aufgehalten werden. „Der Tumor sezerniert Botenstoffe wie TNF-alpha und IL-6, die
Fett mobilisieren“, erklärte Univ.-Prof.
Dr. Gerald Höfler, Institut für Pathologie, Medizinische Universität Graz.
Die freigesetzten Fettsäuren werden
von der Leber aufgenommen und
können vom Tumor für seine Zwecke
in Anspruch genommen werden. In
vergleichbarer Weise führen Zytokine
zur verstärkten Freisetzung von Aminosäuren aus dem Muskelgewebe.
Insgesamt resultierten eine Reduktion
der anabolen und eine Steigerung
der katabolen Prozesse (Tab.).1, 2
Der Metabolismus der Tumorzelle ist
weniger auf die Herstellung von Energie ausgerichtet als auf Wachstum,
wobei Fettsäuren als Membranbausteine eine essenzielle Rolle spielen.
In Zellen gespeicherte Triglyzeride
können nur durch das Enzym adipose
Triglyzeridlipase (ATGL) freigesetzt
werden. Die Forscher überprüften unter Verwendung zweier Modelle, des
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Lewis-Lungenkarzinoms und des
M16-Melanoms, ob eine Tumorkachexie auch bei Mäusen mit einer Defizienz der ATGL bzw. der hormonsensitiven Lipase (HSL)
eintritt. 3 Durch die Injektion maligner Zellen
wurde in den Tieren ein
Tumorwachstum induziert. „Bei vergleichbarer Tumorgröße entwickelten Mäuse mit
dem Wildtyp ein Vollbild
der Kachexie“, berichtete Höfler. Die MuskelG. Höfler, Graz
masse nahm um 50%
ab, im Muskelgewebe fand sich eine
Apoptose bei herabgesetzter proteosomaler Aktivität. Dagegen verloren
ATGL-defiziente Tiere kein Gewicht,
ebenso blieb bei ihnen die Muskelmasse vollständig erhalten. Einen
intermediären Befund zeigten
HSL-defizienten Mäuse, indem sie
zwar ebenfalls eine Kachexie mit
entsprechenden Anomalien auf mikroskopischer Ebene entwickelten,
die Veränderungen waren aber nicht
so ausgeprägt wie beim ATGL-Wildtyp. „Die Triglyzeridhydrolyse ist bei
ATGL-Defizienz unter Tumorbedingungen unverändert, beim Wildtyp
dagegen deutlich gesteigert“, fasste
Höfler zusammen.
Klinische Implikationen
Um zu untersuchen, inwieweit diese
Beobachtungen beim Menschen relevant sind, führte Höflers
Team Messungen der
Tr i g l y z e r i d h y d r o l a s e
beim Menschen durch.
„Wir konnten zeigen,
dass auch Tumorpatienten im Vergleich zu
gesunden Probanden eine stärkere Freisetzung
von Fettsäuren aufweisen, noch höher ist
diese aber bei Tumorpatienten mit Kachexie.“ Dasselbe Phänomen wurde für die ATGL-Aktivität
und die HSL-Aktivität beobachtet,
wenngleich die Unterschiede nicht so
deutlich ausfielen. Darüber hinaus
konnte eine negative Korrelation der
Lipaseaktivität bei Tumorpatienten mit
dem BMI hergestellt werden.
Aus der Erkenntnis, dass ATGL-Knockout-Mäuse gegen Tumorkachexie resistent sind, lässt sich möglicherweise
ein neuer therapeutischer Ansatzpunkt ableiten. „Wir postulieren, dass
die pharmakologische ATGL-Hemmung die Kachexie anhalten oder sogar verhindern kann und somit die
Lebensqualität steigert“, betonte Höfler abschließend.
Referenzen:
Grundlegende Mechanismen
1
Tisdale MJ, Nat Rev Cancer 2002; 2(11): 862–
871
Erhöhung von
2
Tisdale MJ, Curr Opin Gastroenterol 2010; 26(2):
146–151
3
Das SK et al, Science 2011; 333(6039): 233–238
Lipolyse
Lipidmobilisierung
Proteolyse
■
Grundumsatz
Reduktion von
Lipogenese
Aktivität der Lipoproteinlipase
Proteinsynthese
Tab.: Grundlegende Mechanismen der
Tumorkachexie1, 2
Bericht: Dr. Judith Moser
Quelle: Vortrag „Cancer Cachexia and the
Role of Lipid Metabolism in Tumor Growth”
im Rahmen der Grand Rounds des Comprehensive Cancer Centers (CCC) an der MedUni
Wien, 18. März 2012, Wien
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universimed.com
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