Juli 2012 - Funktionelle Genomforschung der Mikroorganismen

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AUSGABE 02 | 2012
MAGAZIN
DER HEINRICH-HEINE-UNIVERSITÄT DÜSSELDORF
CEPLAS:
Spitze bei der
Exzellenzinitiative!
GESCHICHTE EINER
ERFOLGSSTORY:
Business School
vor 10 Jahren gegründet
DER 1. WELTKRIEG
IM COMIC:
„Tout le monde
kaputt…“
FORSCHUNGSPROJEKT
ZU CHLAMYDIEN:
Erreger mit
hohem Risikofaktor
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE FAKULTÄT
Chlamydien: kaum bekannte
Erreger mit vielfachen Risiken
BMBF-gefördertes Forschungsprojekt unter Düsseldorfer Leitung
C
hlamydien sind heimtückische Erreger, die kaum
verstanden sind. Sie können unter anderem junge
Frauen unfruchtbar machen und werden mit chronischen Erkrankungen wie der Alzheimer-Demenz in Verbindung gebracht. Das Team um Prof. Dr. Johannes Hegemann forscht mit Kollegen anderer Hochschulen an neuen
Strategien gegen Chlamydien.
dringliches Problem. Viel relevanter sind hierzulande Chlamydien-Infektionen des Genitaltraktes: Mit weltweit jährlich
90 Millionen Neuinfektionen handelt es sich um die häufigste sexuell übertragbare Erkrankung in den Industrienationen.
Aktuelle Studien zeigen, dass etwa in Berlin bis zu 10 Prozent
der weiblichen Jugendlichen im Alter von 16 und 17 Jahren
betroffen sind. Da die Infektionen relativ unspezifisch und
ohne ernsthafte akute Symptome verlaufen, spricht man von
der „heimlichen Seuche junger Frauen“. Indes: Eine Seuche
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Die Gruppe der Chlamydien unterscheidet sich erheblich von
allen anderen Bakterienarten. Sie sind „obligat intrazelluläre
Bakterien“, die sich nur innerhalb von menschlichen Zellen
90 Millionen Chlamydienvermehren können. In menschlichen Zellen verborgen, können Chlamydien sehr lange Zeit – Monate, manchmal Jahre
Infektionen jährlich weltweit
– unerkannt im Körper verharren, um dann in einem Moment
aus den Zellen hervorzubrechen und eine akute Infektion
auszulösen. Einmal in eine menschliche Zelle eingedrungen, mit ernsten Folgen. Die akute Chlamydieninfektion verurnehmen die Chlamydien die Zelle unter ihre Kontrolle: Sie sacht Vernarbungen im Genitalbereich, die in weiterer Folge
lassen sich mit Nährstoffen versorgen und schalten den zum Verschluss der Eileiter und damit zur Unfruchtbarkeit
Selbstzerstörungsmechanismus der Zelle ab. Denn normalerweise löst jede
Zelle den kontrollierten Zelltod aus,
wenn sie von einem Fremdorganismus
befallen wird, und zerstört den Eindringling damit.
Ernst wird es, wenn sich die Chlamydien von ihrer Verweilform in die infektiöse Form umwandeln und aus der geschützten Hülle der menschlichen Zelle
ausbrechen. Diese Infektionen sind für
den Menschen zwar in der Regel akut
nicht lebensbedrohlich, verursachen
aber Langzeitschäden. Jährlich erkranken weltweit 100 Millionen Menschen
an einer durch Chlamydia trachomatis
verursachten Bindehautentzündung.
Wiederholte Entzündungen vernarben
die Bindehaut, was langfristig bei bis
zu 10 Millionen Menschen zur Erblindung führt. Dies ist die häufigste Ursache für vermeidbare Erblindungen in
der Dritten Welt.
Aufgrund besserer HygienebedinDipl.-Biologin Sonja Stallmann arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Rahmen ihrer Promotion im
gungen ist die Augeninfektion (Tra- BMBF-Projekt „CHI“. Neben ihr der Sprecher des Projektes, Prof. Dr. Johannes Hegemann. Das Foto zeigt die
chom) in der westlichen Welt kein vor- Reinluftbank, in der die Doktorandin humane Zellen mit Chlamydien infiziert.
Magazin 2 | 2012
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MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE FAKULTÄT
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Eine infizierte Menschenzelle. Blau: DNA der Zelle,
rot, grün und gelb die Chlamydien. In den rotumrandeten „Säcken“ befinden sich die Bakterien.
führen. Für rund ein Drittel aller Unfruchtbarkeiten bei Frauen sind Chlamydien verantwortlich. In Deutschland können
schätzungsweise 100.000 Frauen aufgrund einer Chlamydieninfektion keine Kinder bekommen.
Aufgrund des unspezifischen Verlaufs werden Chlamydieninfektionen oft nicht oder zu spät erkannt. Chlamydien werden vor allem über ungeschützten Geschlechtsverkehr übertragen. Um junge Frauen zu schützen, gibt es kostenlose
Vorsorgeuntersuchungen bis zum 25. Lebensjahr.
Eine weitere Form, die Chlamydia pneumoniae, verursacht
Erkrankungen der Atemwege. Akute Infektionen äußern sich
in chronischem Husten und schlimmstenfalls Lungenentzündungen. Diese Chlamydienform bringt man auch mit anderen chronischen, entzündlich bedingten Krankheiten wie Ar-
Bei Über-70-Jährigen sind rund
80 Prozent betroffen
teriosklerose und Alzheimer in Verbindung. Mit dieser
Variante kommt im Laufe des Lebens der Großteil der Bevölkerung in Verbindung. Bei Personen über 70 Lebensjahren
sind rund 80 Prozent betroffen.
Erst in der letzten Zeit können Chlamydien durch moderne
Gentests einfach nachgewiesen werden. Früher war die Diagnose wesentlich schwerer. So ist auch zu erklären, warum Ärzte lange Zeit kaum gezielt nach Chlamydien als Krankheitsursache gesucht haben. In der Bevölkerung sind sie auch heute
noch kaum bekannt. „Selbst unter Medizinstudenten kann nur
eine kleine Minderheit etwas mit dem Begriff Chlamydien
anfangen“, berichtet Prof. Dr. Johannes Hegemann über die
erschreckende Unkenntnis in der Bevölkerung.
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Ist eine akute Chlamydieninfektion
erkannt, kann sie relativ einfach mit
Antibiotika behandelt werden. Allerdings wirken Antibiotika nur gegen die
infektiöse Variante, nicht aber gegen
die Verweilform in den menschlichen
Zellen. Deshalb sind Impfstoffe wichtig, die bereits den ersten Befall mit Chlamydien und das Einnisten in der menschlichen Zelle verhindern. Zukünftig soll ein solcher Impfstoff
Jugendlichen vor dem ersten Geschlechtsverkehr gegeben
werden.
Trotz der hohen medizinischen Relevanz ist die Biologie
der Chlamydien, sind vor allem ihre Wechselwirkungen mit
den menschlichen Zellen, kaum verstanden. Insbesondere
auch Forscher der Universität Düsseldorf wollen hier Licht
ins Dunkel bringen und damit die Grundlage für einen
Impfstoff legen.
Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung
geförderte Projekt „CHI“ (Chlamydia Host Interactom; Sprecher: Prof. Dr. Johannes Hegemann) erforscht seit 2009 an
verschiedenen Hochschulen diese Wechselwirkungen. In Düsseldorf konzentriert man sich auf den ersten Infektionsschritt: Wie bindet sich die infektiöse Chlamydienform an
die menschliche Zelle? Gesucht werden spezielle Oberflächenstrukturen („Adhäsine“), mit denen die Chlamydien
an die menschliche Zelle ankoppeln. Diese Adhäsine sind
gute Ansatzpunkte für Impfstoffe, da mit ihnen das menschliche Immunsystem konditioniert werden kann.
Neben weiteren Arbeitsgruppen in Freiburg, München,
Jena, Lübeck und Wien ist ein Lübecker Unternehmen beteiligt. Dieses will eine Differentialdiagnostik entwickeln, mit
der zwischen einer akuten Infektion und der Verdauerungsform von Chlamydien unterschieden werden kann.
Arne Claussen
Kontakt: Prof. Dr. Johannes Hegemann, Funktionelle Genomforschung der Mikroorganismen, Tel. 0211 81-13733
Infos zum CHI-Projekt: www.genomforschung.hhu.de/
chi.ht
Magazin 2 | 2012
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