Amerika Dienst - Amerika Haus Archiv

Werbung
cimcrikci
dienet
U.S. Information Service
Embassy of the United States of America
28. Oktober 1992
43
>
i
GUS-HILFE
IRAK
WAHLEN '92
BUSH UNTERZEICHNET FREEDOM
SUPPORT ACT
Erklärung des Präsidenten
USA VERNEINEN UNTERSTÜTZUNG
IRAKISCHER RÜSTUNGSPROGRAMME
Offener Brief von Eagleburger an
New York Times
DIE VERTEILUNG DER WAHLMANNERSTIMMEN NACH BUNDESSTAATEN
Neue Verteilung bei gleicher Anzahl
PRÄSIDENTSCHAFTSKANDIDATEN VERTRETEN ÄHNLICHE ANSICHTEN
ZU VERTEIDIGUNGSPOLITIK
Sprecher verweisen auf wenige bedeutende
Unterschiede
SCHARFE UNTERSCHIEDE ZWISCHEN CLINTON
UND BUSH BEI UMWELTPOLITIK
Engagierte Umweltschützer unterstützen Clinton
WACHSENDES INTERESSE DER WÄHLER
IN USA, ZUNEHMENDE REGISTRIERUNG
VERZEICHNET
Rezession, ungewisser Wahlausgang als
Hauptfaktoren
MEDIEN WICHTIGER FAKTOR BEI
PRÄSIDENTSCHAFTSWAHLEN
Aktuelle Berichte und Anzeigen als
wichtigste Elemente
UNABHÄNGIGE KANDIDATEN UND
PRÄSIDENTSCHAFTSBEWERBER VON
DRITTPARTEIEN
von Robert E. Mutch
Um Übersendung von
Belegexemplaren
wird gebeten
Postfach 20 03 00
D 5300 Bonn 2
Tel.:0228-3392372
Telex: 8-85432
GUS - H I L F E
28. Oktober 1992
BUSH UNTERZEICHNET FREEDOM SUPPORT ACT
Erklärung des Präsidenten
BILLINGS (MONTANA) - (AD) - Nachfolgend veröffentlichen wir eine Erklärung von Präsident Bush zur Hilfe für
die ehemalige Sowjetunion. Sie wurde am 25. Oktober in Billings (Montana) von der Pressestelle des Weißen
Hauses herausgegeben.
Heute habe ich mit meiner Unterschrift S. 2532, dem
"FREEDOM Support Act", Gesetzeskraft verliehen.
Dieses historische Gesetz bewilligt ein breites Spektrum von Programmen zur Förderung freier Marktwirtschaften und demokratischer Reformen in Rußland,
der Ukraine, Armenien und den anderen Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion. Insbesondere
werden mit diesem Gesetz die Anhebung des amerikanischen Anteils am Internationalen Währungsfonds
(IWF) um 12 Milliarden Dollar und 410 Millionen Dollar
an bilateraler amerikanischer Hilfe freigegeben. Darüber hinaus beseitigt das Gesetz eine Reihe überholter gesetzlicher Beschränkungen der amerikanischen
Beziehungen mit den neuen unabhängigen Staaten,
die noch aus der Zeit des Kalten Krieges stammen.
Staaten einbezieht. Verschiedene Bestimmungen dieses
Gesetzes werden die speziellen Fähigkeiten und das
Fachwissen der amerikanischen Privatwirtschaft nutzen. S. 2532 wird Unterstützung für die Handels- und
Investitionstätigkeit amerikanischer Unternehmen
gewähren, die zum Aufbau des wirtschaftlichen und
kommerziellen Fundaments beitragen sollen, auf dem
die neuen Demokratien ruhen werden. Dies ist eine
Investition in unsere ebenso wie in deren Zukunft.
Die Quotenaufstockung des IWF wird sicherstellen,
daß dem IWF angemessene Mittel zur Förderung
freier Märkte in der ehemaligen Sowjetunion ebenso
wie andernorts in der ganzen Welt zur Verfügung
stehen. Durch seinen Beitrag zu einer blühenderen
Wertwirtschaft wird der IWF Märkte für amerikanische
Ich bin stolz darauf, daß die Vereinigten Staaten diese Exporteure erweitern und zusätzliche Arbeitsplätze für
historische Chance haben, Demokratie und freie Märkte amerikanische Arbeitnehmer schaffen.
in diesem entscheidenden Teil der Werl zu unterstützen. Obwohl allen klar ist, daß die Zukunft der neuen Dieses Gesetz wird uns darüber hinaus gestatten, im
unabhängigen Staaten der ehemaligen Sowjetunion in kommenden Winter humanitäre Hilfe bereitzustellen,
deren eigenen Händen liegt, stellt die Verabschiedung die demokratischen Reformen und freie Marktwirtdes FREEDOM Support Act das Engagement der schaften zu unterstützen, Handel und Investitionen zu
Vereinigten Staaten zur Unterstützung dieses Vorha- fördern, bei Vorhaben in den Bereichen Gesundheit
und Arbeitswesen zu helfen, zur Überwindung von
bens unter Beweis.
Problemen im Energiebereich, bei der Sicherheit ziviler
Kernreaktoren, des Verkehrswesens und der TeleWieder einmal hat sich das amerikanische Volk zukommunikation
beizutragen, bei der Bewältigung der
sammengeschlossen, um die Sache der Freiheit vorschweren
Umweltprobleme
in der Region mitzuwirken
anzutreiben, um Frieden zu erlangen und um dazu
und
ein
breites
Spektrum
an
persönlichen Austauschbeizutragen ehemalige Gegner zu friedlichen Partnern
programmen
ins
Leben
zu
rufen,
deren Ziel die endgülzu machen. Dieser demokratische Frieden wird auf
tige
Beseitigung
des
Mißtrauens
und
der Mißverständdem soliden Fundament politischer und wirtschaftlinisse
ist,
die
unsere
Beziehungen
mit
der Sowjetunion
cher Freiheit in Rußland und den anderen unabhängiin
der
Vergangenheit
geprägt
haben.
gen Staaten gründen. Wir müssen die Reformer in
Rußland, der Ukraine, Armenien und den anderen
Das Gesetz sieht außerdem weitere Mittel und Befugneuen Staaten weiterhin unterstützen.
nisse vor, um Bemühungen zur Zerstörung nuklearer
Ich freue mich darüber, da ß dieses Gesetz wie niemals und anderer Waffen zu unterstützen und die Produkzuvor unseren Privatsektor bei der Bereitstellung tech- tionseinrichtu ngen dieser Waffen für friedliche Zwecke
nischer Hilfe für Rußland und die anderen neuen umzurüsten.
AMERIKA DIENST 43
Seite 1
Wir führen diese Hilfsprogramme durch, weil wir uns
für mehr Sicherheit von uns selbst, von unseren Verbündeten und den Völkern der neuen unabhängigen
Staaten engagieren. Diese Programme werden unsere Sicherheit durch Demilitarisierung sowie humanitäre und technische Hilfe fördern.
Eine Reihe von Bestimmungen in diesem Gesetz
geben jedoch Anlaß zu verfassungsrechtlichen Bedenken. Einige Bestimmungen beabsichtigen, mir
oder meinen Bevollmächtigten Anweisungen im Hinblick auf die Beteiligung an internationalen Institutionen zu geben. Unserem Verfassungssystem zufolge
ist allein der Präsident in solchen Angelegenheiten
zuständig. Ich werde solche Bestimmungen deshalb
nur als beratend betrachten.
Darüber hinaus könnte das Gesetz mit meiner Aufsichtskompetenz für die Exekutive kollidieren, indem
ein untergeordneter Beamter des Außenministerium
bevollmächtigt wird, gewisse interministerielle Streitfälle zu lösen und indem es regelt, wie andere Behörden Lizenzanträge der nationalen Raumfahrtbehörde
(NASA) behandeln sollen. Ich werde diese Bestimmungen im Licht meiner verfassungsmäßigen Pflichten interpretieren.
Das Gesetz gestattet femer die Einrichtung angeblich
nichtstaatlicher Gebilde - des Democracy Corps und
einer Stiftung, die wissenschaftliche Aktivitäten und
Austauschprogramme durchführen wird -, die staatlichen Anweisungen unterliegen würden, überwiegend
zur Ausführung staatlicher Maßnahmen geschaffen
und großenteils auf staatliche Finanzierung angewiesen wären. Wie ich bereits erklärt habe, untergraben
Gebilde, die weder eindeutig staatlichen noch eindeutig privaten Charakter haben die Prinzipien der Gewaltenteilung und der politischen Rechenschaftspflicht.
Bei der Entscheidung über die Ausübung der mit
diesem Gesetz gewährten Vollmacht werde ich berücksichtigen - und ich weise auch den Direktor der
Nationalen Wissenschaftsstiftung an dies zu berücksichtigen -, ob diese Gebilde im Einklang mit diesen
Grundsätzen geschaffen und betrieben werden können.
Ferner melde ich einen Vorbehalt bezüglich der Bestimmung an, dergemäß Gerichtsverfahren nach dem
Datenschutzgesetz (Freedom of Information Act) im
Hinblick auf das Democracy Corps in der "Zuständigkeit" des Amts für Internationale Entwicklung liegen.
Diese Zuständigkeit sollte nicht als Antastung der
allgemeinen Prozeßvollmacht des Justizministers
aufgefaßt werden. Deshalb weise ich das Amt für
Internationale Entwicklung an, alle Angelegenheiten
dieser Art im Einklang mit dessen gültiger Vollmacht an
den Justizminister zu überweisen.
* * * *
Seite 2
*
AMERIKA DIENST 43
IRAK
28. Oktober 1992
USA VERNEINEN UNTERSTÜTZUNG
IRAKISCHER RÜSTUNGSPROGRAMME
Offener Brief von Eagleburger an New York Times
WASHINGTON - (AD) - Das US-Außenministerium hat Behauptungen in aller Schärfe zurückgewiesen, wonach
die Vereinigten Staaten vor dem Golfkrieg die Rüstungsprogramme Saddam Husseins unterstützt hätten. Zu
diesem Thema veröffentlichte das US-Außenministerium am 20. Oktober 1992 einen Brief des amtierenden
Außenministers, Lawrence Eagleburger, der am 21. Oktober in der New York Times erschienen ist.
"Der Gedanke, daß wir ihm Waffen geliefert haben, ist
völlig unzutreffend", erklärte der Sprecher des Außenministeriums, Richard Boucher, am 21. Oktober 1992
bei einer Pressekonferenz, in deren Verlauf er eine
detaillierte Widerlegung aus der Luft gegriffener Behauptungen über eine amerikanische Unterstützung
der Rüstungsprogramme des Irak abgab.
Nach mehreren Anhörungen im Kongreß, Hunderten
von Fragen und 45 Inspektionen der Vereinten Nationen "ist unseres Erachtens die Bilanz eindeutig", erklärte Boucher.
"Es gibt keinerlei Beweise, daß amerikanische Technologie einen bedeutsamen Beitrag zu den militärischen Fähigkeiten des Irak oder seinen Programmen
zur Entwicklung von Massenvernichtungswaffen geleistet hat", stellte der Sprecher fest. Tatsächlich
entharte die Bilanz der Inspektionen Beweise dafür,
daß in den Vereinigten Staaten beschaffte Ausrüstung
und Technologie keinen bedeutsamen Beitrag darstellten.
Seit der Schaffung des Regimes zur Kontrolle von
Raketentechnologie (MTCR) im Jahr 1987 wurden
Boucher zufolge keine Lizenzanträge für die Ausfuhr
von dem MTCR unterliegenden Gütern - Raketen,
wichtigen Subsystemen oder Komponenten, darunter
auch Mehrzweckgerät - in den Irak genehmigt.
Exportlizenzen für alle in chemischen oder biologischen Waffen verwendbaren Wirkstoffe, die auf der
amerikanischen Munitionskontrolliste stehen, wurden
dem Irak verweigert, erklärte Boucher und verwies
darauf, daß seit 1984 eine wachsende Liste chemischer Grundstoffe bestanden habe, die durch eine
eindeutige Verweigerungspolitik gegenüber dem Irak
gestützt wurde.
"Irak war der Schwerpunkt der amerikanischen Bemühungen gegen die Weiterverbreitung, besonders in
den Jahren 1989 und 1990", erklärte der Sprecher. Zu
diesen Bemühungen gehörten die Verbesserung der
Kontrollen in multilateralen Foren sowie eine neue
Initiative, die chemischen und biologischen Waffen
sowie Raketenprojekten galt. Ausländische Regierungen wurden aufgefordert, keine Technologien dieser
Art an den Irak zu liefern.
Die amerikanische Exportkontrollpolitik gegenüber dem
Irak vor dem Golfkrieg war "schärfer als die jedes
anderen Industriestaates, und sowohl die Reagan- als
auch die Bush-Administration verfolgten eine strikte Zwischen 1985 und 1990 wurden sogenannte MehrPolitik, den Export von Waffen oder Waffensystemen zweckexporte in Höhe von rund 500 Millionen Dollar
in den Irak zu verwehren", erklärte Boucher.
von den Vereinigten Staaten an den Irak geliefert,
während tatsächlich Exportlizenzen für Lieferungen in
Darüber hinaus hätten die Vereinigten Staaten seit Höhe von 1,5 Milliarden Dollar erteilt wurden. Dabei
langem eine Politik betrieben, die eine nukleare Zu- handelte es sich um Gegenstände, "die im konventiosammenarbeit mit dem Irak ausschließe. "Die Verei- nellen und nichtkonventionellen militärischen Sinne
nigten Staaten haben keine Exporte von Gerät oder als unbedenklich betrachtet wurden", erklärte er.
Technologie in den I rak genehmigt, die für Kernreaktoren, Urananreicherung oder die Wiederaufarbeitung "Es waren Mehrzweckgüter", so der Sprecher. "Viele
von Plutonium genutzt werden könnten."
davon waren einfache Computer, schwere Lastkraftwagen und dergleichen. Die amerikanische Regierung
AMERIKA DIENST 43
Seite 1
hat im allgemeinen versucht, unschädliche Verkäufe
von Mehrzweckgerät zu gestatten - von Dingen, die
auch andernorts frei verfügbar sind und bei denen es
keinen großen Unterschied macht, ob man sie exportiert oder nicht."
Ob absichtlich oder nicht, die Redaktion der New York
Times - wie auch zahlreiche Kolumnisten der Zeitung
- entstellen weiterhin die Tatsachen im Hinblick auf die
amerikanische Politik gegenüber dem Irak vor dem
Golfkrieg. Das jüngste Beispiel dieser Neigung zu
verzerrter Darstellung findet sich in Ihren Leitartikeln
vom 6. und 14. Oktober. Erlauben Sie mir, für Sie und
Ihre Leser die Dinge zurechtzurücken.
Keines dieser Güter diente "nuklearen, chemischen,
biologischen oder anderen einschlägigen Zwecken",
erklärte Boucher. "Es handelte sich um Mehrzweckgüter, die allgemein erhältlich waren und wenig - oder Erstens, bis heute hat keine Untersuchung - vom
praktisch gar keine- Auswirkungen auf die Programme Kongreß, vom US-Staatsanwalt in Atlanta oder von
des Irak hatten."
irgendeiner Bundesbehörde - Beweise für einen irakischen Mißbrauch von Kreditbürgschaften zum Kauf
Inspektionsteams der Sonderkommission der Verein- von Waffen, noch für eine Umleitung von an den Irak
ten Nationen (UNSCOM) und der Internationalen verkauften Waren in Drittstaaten erbracht.
Atomenergie-Organisation (IAEO), die den Irak besucht haben, "haben in irakischen Rüstungsbetrieben Zweitens, die Banca Nazionale del Lavoro (BNL) war
eine sehr begrenzte Menge von Mehrzweckgerät nie in irgendeiner Weise mit den 500 Millionen Dollar
amerikanischen Ursprungs vorgefunden", so Boucher. an Kreditbürgschaften befaßt, die von der Bush"Aber weder die Menge noch der Charakter dieser Administration tatsächlich für den Ankauf amerikaniGegenstände deuten darauf hin, daß amerikanische scher Agrarprodukte durch den Irak genehmigt wurGüter einen bedeutsamen Beitrag zu den Rüstungs- den.
programmen des Irak geleistet haben."
Drittens, die Exportkontrollpolitik der amerikanischen
In dieser Hinsicht führte erdas irakische Programm zur Regierung gegenüber dem Irak war schärfer als die
Herstellung von Kernwaffen an, dessen Kosten auf bis jedes anderen Industriestaates - und sie funktionierte.
zu 10 Milliarden Dollar geschätzt wurden. Der Wert Während der Operation Wüstensturm stießen die
von Gütern amerikanischer Herkunft, die von den Koalitionsstreitkräfte auf dem Schlachtfeld auf keinerUNO-Inspektoren in dem irakischen Kernwaffenpro- lei von den Vereinigten Staaten gelieferte Waffen oder
gramm entdeckt wurden, betrage hingegen weniger irgendwelche anderen amerikanischen Exporte. Die
über 40 seit dem Golfkrieg von der Internationalen
als 15 Millionen Dollar.
Atomenergie-Organisation und der UNO-SonderkomObwohl der Irak einige Güter legal durch von den USA mission im Irak durchgeführten Inspektionen haben
genehmigte Exportlizenzen beschaffte, "erwarb er eine darüber hinaus überzeugend bewiesen, daß amerikaMenge Material von anderen Personen, und er erwarb nische Technologie keinen bedeutsamen Beitrag zu
einige Waren illegal", erklärte Boucher.
den militärischen Fähigkeiten des Irak geleistet hat.
Er bekräftigte die Erkenntnisse der UN-Inspektionen,
wonach die Waren, die der Irak - legal oder illegal - aus
den Vereinigten Staaten bezogen hat, keinen großen
Einfluß auf seine militärischen Fähigkeiten gehabt
hätten.
"Die Inspektoren waren dort draußen. Sie haben ein
wenig amerikanische Ausrüstung gefunden, darunter
einiges unwichtige Material, für das eine Lizenz erteilt
worden war sowie Dinge, die Saddam illegal beschafft
hatte. Das Material ist vorhanden, aber es hat keinen
großen Einfluß gehabt", erklärte er. "Es gibt keine
Beweise dafür, daß auf dem Schlachtfeld entdecktes
Material amerikanische Technologie war - illegal, legal
oder was auch immer - oder amerikanische Waffen",
so Boucher. "Die Vorstellung, daß wir ihm Waffen
geliefert haben, ist eindeutig unzutreffend."
viertes, bei d?r amerikanischen Politik gegenüber
dem Irak gab «s weder Geheimnisse noch Verschleierungen. Unser Ziel bestand schlicht darin, durch eine
Mischung aus begrenzten Anreizen und starker Abschreckung ein gemäßigtes Verhalten des Irak anzustreben.
Schließlich, die Beschuldigung einer Vertuschung durch
die amerikanische Regierung entbehrt jeder Grundlage. Wir haben dem Kongreß buchstäblich Tausende
von Dokumenten auf Kosten von Zehntausenden von
Arbeitsstunden und Hunderttausenden Dollar zur
Verfügung gestellt. Die Administration hat dem Kongreß den Zugang zu keinem einzigen Dokument in
Zusammenhang mit der amerikanischen Politik gegenüber dem Irak verweigert.
Dies sind die schlichten Tatsachen zur amerikaniDer Brief des amtierenden Außenministers, Lawrence schen Politik gegenüber dem Irak vor dem Golfkrieg.
Eagleburger, an die New York Times zum selben Unabhängig von den Einwänden, die die New York
Thema hat folgenden Wortlaut:
Times gegen diese Politik vorbringen mag, sind Sie es
Ihren Lesern schuldig, die Fakten korrekt darzustellen.
•
Seite 2
* * * *
AMERIKA DIENST 43
WAHLEN
«9 2
28. Oktober 1992
DIE VERTEILUNG DER WAHLMÄNNERSTIMMEN
NACH BUNDESSTAATEN
Neue Verteilung bei gleicher Anzahl
WASHINGTON - (AD) - Nachfolgend veröffentlichen wir eine Liste der Gesamtzahl von Wahlmännerstimmen,
die jedem Bundesstaat und dem District of Columbia bei der Wahl des Präsidenten und des Vizepräsidenten der
Vereinigten Staaten zufallen.
Das Gewicht eines Bundesstaates im Wahlmännergremium entspricht seiner Vertretung im Kongreß - seinem
proportionalen Anteil an der Zahl der Mitglieder im Repräsentantenhaus plus zwei, um der für jeden Bundesstaat
gleichen Zahl der Senatoren gerecht zu werden.
Diese tabellarische Darstellung, in der die Neueinteilung zum Ausdruck kommt, wie sie bei der letzten der alle
zehn Jahre durchgeführten Volkszählungen im Jahr 1990 festgelegt wurde, ist zum ersten Mal am 3. November
1992 gültig.
Die Gesamtzahl der Stimmen im Wahlkollegium liegt jedoch unabhängig von demographischen Veränderungen
immer bei 538 - für die 535 Mitglieder des Kongresses plus drei für den District of Columbia, der keinen
Bundesstaat sondern eher eine Bundesenklave darstellt. Für den Sieg im Wahlkollegium ist eine einfache
Mehrheit von 270 Stimmen erforderlich.
Alabama
9
Kansas
6
Alaska
3
Kentucky
8
Arizona
8
Louisiana
9
Arkansas
6
Maine
4
Kalifornien
54
Maryland
10
Colorado
8
Massachusetts
12
Connecticut
8
Michigan
18
Delaware
3
Minnesota
10
District of Columbia
3
Mississippi
7
Florida
25
Missouri
11
Georgia
13
Montana
3
Hawaii
4
Nebraska
5
Idaho
4
Nevada
4
Illinois
22
New Hampshire
4
Indiana
12
New Jersey
15
7
New Mexico
5
Iowa
AMERIKA DIENST 43
Seite 1
New York
33
Tennessee
11
North Carolina
14
Texas
32
North Dakota
3
Utah
5
21
Vermont
3
Oklahoma
8
Virginia
13
Oregon
7
Washington
11
Pennsylvania
23
West Virginia
5
Rhode Island
4
Wisconsin
11
South Carolina
8
Wyoming
3
South Dakota
3
Ohio
* * * *
Seite 2
*
AMERIKA DIENST 43
WAHLEN
'92
28. Oktober 1992
PRÄSIDENTSCHAFTSKANDIDATEN VERTRETEN
ÄHNLICHE ANSICHTEN ZU VERTEIDIGUNGSPOLITIK
Sprecher verweisen auf wenige bedeutende Unterschiede
WASHINGTON - (AD) - Bei der von den Präsidentschaftskandidaten der drei großen Parteien vertretenen Haftung zur Zukunft der amerikanischen Verteidigungsstrategie bestehen mehr Gemeinsamkeiten als
Unterschiede.
Der Umfang der Streitkräfte muß sich an den möglichen Bedrohungen orientieren, erklärte Bingaman.
Das Verteidigungsministerium könne nicht als Behörde geführt werden, deren einzige Aufgabe die Verteilung von Arbeitsplätzen ist.
Im Zeitalter nach dem Kalten Krieg betonen sowohl die
republikanischen als auch die demokratischen Kandidaten die Notwendigkeit einer anhaltenden technologischen Überlegenheit der Vereinigten Staaten, der
Beibehaltung hochqualifizierten Militärpersonals und
einerstarken Rüstungsindustrie. Beide Seiten fordern
die Aufrechterhaltung einer starken Verteidigung und
scheinen sich über die wahrscheinlich zu erwartenden
künftigen Bedrohungen einig zu sein. In der Frage
jedoch , wie man sich darauf am besten vorbereiten
sollte, gehen ihre Meinungen auseinander.
Bingaman, der Vorsitzender des Senatsunterausschusses für Rüstungsindustrie und militärische Technologie ist, verteidigte den Plan seines Kandidaten, ab
1996 nur noch 100.000 Soldaten in Europa zu stationieren. Die Bush-Administration geht davon aus,
150.000 seien eine angemessene Zahl. Der Senator
verwies darauf, es werde schwierig sein, einen hohen
Truppenbestand in Europa auf unbegrenzte Sicht
politisch zu rechtfertigen.
Der ehemalige Direktor des US-Amts für Rüstungskontrolle und Abrüstung unter der Regierung Reagan,
Präsident Bush und Gouverneur Clinton möchten in Ken Adelman, erklärte der ADPA, Clinton wolle die
den kommenden Jahren über kleinere Streitkräfte und amerikanischen Truppen in Europa reduzieren, um
Militärhaushalte verfügen, wenn auch in unterschied- damit Einsparungen zugunsten anderer von dem
Gouverneur befürworteter großer innenpolitischer
lichem Ausmaß.
Ausgabenprogramme zu identifizieren. Adelman verDer Plan der Demokraten sieht im Zeitraum von 1993 wies jedoch darauf, es sei billiger, Truppen im Ausland
bis 1997 Einsparungen von 60 Milliarden Dollar zu- zu stationieren als im Inland. Darüber hinaus erläutersätzlich zu den von den Republikanern angekündigten te er, es werde kostspieliger sein, in Zukunft Truppen
Kürzungen vor. Das Pentagon hat für den gleichen von den Vereinigten Staaten zu Krisenherden - etwa
Zeitraum bereits geplante Einsparungen von 63,8 im Nahen Osten - zu verlegen als dies von Europa aus
Milliarden Dollar bekanntgegeben. Die Demokraten zu tun.
wollen die weitere Senkung durch die zusätzliche
Auf die Frage zur Truppenstärke im Pazifikraum deuDemobilisierung von 200.000 Soldaten erreichen.
tete Bingaman an, unter einer Clinton-Administration
Senator Jeff Bingaman, der Clinton bei einer Zusam- werde es "gewisse Verringerungen" geben. Der
menkunft des Ortsvereins Washington der American Gouverneur wolle jedoch die heutige Zahl amerikaniDefense Preparedness Association (ADPA) am 21. scher Truppen in Südkorea beibehalten, bis die SpanOktober 1992 vertrat, stellte fest, der demokratische nungen auf der koreanischen Halbinsel abgebaut seiKandidat schlage "keine einseitige Abrüstung vor". en.
Obwohl in Zukunft weniger amerikanische Truppen in
Übersee stationiert würden, werde die von Clinton Adelman, der zur Zeit Vizepräsident des Institute for
beabsichtigte Beibehaltung von 1,4 Millionen aktiven Contemporary Studies in Washington ist, erklärte, es
Soldaten die Vereinigten Staaten als "bei weitem fähig- gebe "einen grundlegenden Unterschied" zwischen
ste Militärmacht der Welt" erhalten. (Dem Bush-Plan den Kandidaten im Hinblick auf die Zukunft der Stratezufolge würden im Jahr 1993 schätzungsweise 1,7 gischen Verteidigungsinitiative (SDI). Unter Hinweis
darauf, daß Clintons Programm von weltraumgestützMillionen aktive Soldaten beibehalten.)
AMERIKA DIENST 43
Seite 1
ten Verteidigungssystemen wie "Brilliant Pebbles"
abgerückt sei, stellte Adelman fest, die Bush-Administration befürworte die Entwicklung land- und weltraumgestützter Systeme, weil die Hauptbedrohung für
die Vereinigten Staaten von ballistischen Raketen
ausgehe. Darüber hinaus verlieh er seiner Besorgnis
Ausdruck, Länder der Dritten Welt könnten "Waffen
der Ersten Welt" erlangen.
Zum Thema Lastenteilung erklärte Bingaman, die im
Kalten Krieg an einigen amerikanischen Verbündeten
geäußerte Kritik wegen unzureichender Beiträge sei
"eine legitime Klage" gewesen. Heute, so Bingaman,
ist es "unsererseits nicht länger produktiv, sie zu
drängen, mehr zu tun". Statt dessen wäre es dem
Senator zufolge wichtiger, die amerikanischen militärischen Fähigkeiten "besser mit den Realitäten der Welt
in Einklang zu bringen". Die Vereinigten Staaten
Bingaman stellte fest, die Clinton/Gore-Kampagne trügen "einen zu großen Teil der Lasten, aber das ist
unterstütze zwar gefechtsfeldgebundene Raketenab- unser eigener Fehler... Wir müssen diesen Anteil
wehrprogramme wie Patriot und Arrow, lehne jedoch - senken."
wie beide Kandidaten bereits seit 1983 betonten - die
Verschwendung von "Milliarden und Abermilliarden Vertreter der Bush-Administration haben die amerikaDollar" für nichtfunktionierende oder nicht besonders nischen Verbündeten wiederholt beim Thema Lastenwirtschaftliche exotische SDI-Programme ab. Er teilung verteidigt. Adelman erklärte lediglich, die Verappellierte für Realismus bei der Einschätzung der bündeten sollten "Sicherheitsfragen mit mehr VerantZukunft von SDI und verwies auf landgestützte Syste- wortungsbewußtsein handhaben" und verwies auf die
me, die am vielversprechendsten seien.
Fehlschläge im Hinblick auf das ehemalige Jugoslawien.
Adelman erklärte, das Ziel solle es sein zu versuchen,
die SDI-Forschungsarbe'rten so rasch wie möglich In bezug auf die konventionellen Streitkräfte stellte
abzuschließen, um ein System herzustellen, das im Bingaman fest, eine Clinton-Administration werde die
größtmöglichen Ausmaß Schutz vor künftigen Verringerung der Flugzeugträgergruppen von 12 auf
Raketenangriffen bieie.
10 vorschlagen (die Republikaner verringern die Zahl
von 14 auf 12). 10 seien ausreichend, um auf "regioZum Thema der Waffenverkäufe und Exporte ameri- nale Krisen" zu reagieren.
kanischer Technologie meinte Adelman, Rüstungsexporte seien erforderlich, um die rüstungsindustrielle Die Bush-Administration hat festgestellt, aufgrund des
Basis zu erhalten und Arbeitsplätze zu sichern. Das Fehlens der sowjetischen Bedrohung werde das
Bush/Quayle-Lager unterstütze dieses Konzept, so- Angriffsunterseeboot Seawolf nicht mehr benötigt,
lange die Technologie "für die schlechten Burschen während Clinton das Programm befürwortet. Bingaaußer Reichweite" bleibt. Der Empfänger des Sy- man zufolge untermauert Clintons Entscheidung desstems ist wichtiger, stellte er fest, als die eigentlichen sen Verpflichtung zur Bewahrung der industriellen
Fähigkeiten des Systems.
Basis. Adelman kritisierte dies als "Bevorzugung"
bestimmter Gemeinden, die auf die Produktion der
Bingaman zufolge unterstützt Clinton "aggressivere Seawolf angewiesen sind und erklärte, wenn die EntBemühungen" zur Förderung aller Arten von Industrie' Verringerung der Verteidigungsausgaexporten, einschließlich von Rüstungsgütern.
ben gefaiien sei, könnten Programme ohne echten
Zweck nicht fortgesetzt werden.
* *
* *
i
;
Seite 2
AMERIKA DIENST 43
WAHLEN
'92
28. Oktober 1992
SCHARFE UNTERSCHIEDE ZWISCHEN CLINTON
UND BUSH BEI UMWELTPOLITIK
Engagierte Umweltschützer unterstützen Clinton
WASHINGTON - (AD) - George Bush schien im
Wahlkampf 1988 eine ganz eindeutige Position zu
vertreten, als er versprach, er werde der "Umweltpräsident" sein. Innerhalb weniger Monate nach Amtsantritt schlug er dann ein durchgreifendes Gesetz zur
Reinhaltung der Luft vor.
um 50 Prozent, Smog um 40 Prozent und Emissionen
toxischer Schadstoffe um 75 Prozent reduzieren würde. Nach harten Verhandlungen wurde es ein Jahr
später vom Kongreß gebilligt. Das heißt, der Präsident
erreichte ein Gesetz, das Umwehschützer 10 Jahre
lang gefordert hatten.
Umweltschützer begrüßten das Versprechen und den
Vorschlag, beklagen aber seither, der Präsident habe
mehr Schaden angerichtet als Gutes getan. Der Sierra
Club, eine der größten Umweltorganisationen in den
Vereinigten Staaten, ist nur eine der Gruppen, die
Bushs Gegner im Jahr 1992, den seit 12 Jahre amtierenden Gouverneur von Arkansas, Bill Clinton, unterstützt haben.
Bald darauf wurden die Haushalte des Bundesamts für
Umweltschutz (EPA) aufgestockt, ein 10jähriges
Moratorium der Öl-und Erdgasexploration vor weiten
Teilen der Atlantik- und Pazifikküste sowie freiwillige
Programme eingeführt, um Unternehmen in Bemühungen zur Senkung des Energieverbrauchs und toxischer Emissionen einzubinden.
Clinton selbst erklärt, seine Sorge um den Zustand der
Erde werde am besten durch seine Wahl von Albert
Gore Jr. als Vizepräsidentschaftskandidat unterstrichen. Gore ist einerderführenden Umweltschützer im
US-Senat.
Präsident Bush und insbesondere Vizepräsident Quayle
haben Clinton wegen dessen auch von seinen Anhängern eingeräumten dürftigen Umweltbilanz als Gouverneur angegriffen. Im Fall von Gore behauptet die
Wahlpropaganda von Bush, die Positionen, die dieser
im Senat und in einem von ihm verfaßten Buch vertreten habe, seien so extrem, daß sie viele Arbeitsplätze
kosten würden, falls sie Gesetzeskraft erlangten.
Der unabhängige Kandidat Ross Perot, ein wohlhabender Geschäftsmann, und dessen Vizepräsidentschaftskandidat, der Admiral a.D. James Stockdale,
haben über ihr umweltpolitisches Programm wenig
gesprochen. In einem von Perot geschriebenen Buch
über seine Wahlkampfvorschläge betont dieser Anreize für die Industrie zur Verringerung der Schadstoffbelastung sowie Investitionen im rasant wachsenden
Bereich der Umwelttechnologie.
Innerhalb von fünf Monaten nach seinem Amtsantritt
im Januar 1989 legte Bush dem Kongreß ein Gesetz
vor, das innerhalb von 10 Jahren den sauren Regen
AMERIKA DIENST 43
Auf internationaler Ebene beschleunigte Bush die
Beendigung des Einsatzes von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW), die die den Menschen vor Hautkrebs schützende Ozonschicht abbauen, schlug einen
Waldschutzvertrag vor und führte Bemühungen an,
um die in großem Stil betriebene Treibnetzfischerei
und den Handel mit Elfenbein von afrikanischen Elefanten zu verbieten.
Zu Beginn des Jahres 1991 setzte sich Bush jedoch für
die Erschließung der allgemein vermuteten erheblichen ö l - und Gasvorkommen in einem WikJschutzgebiet am Polarmeer in Alaska ein. Er teilte dem Kongreß
mit, die Bohrungen würden die Umwelt nicht schädigen, wohingegen Umweltschützer und ihre Verbündeten im Kongreß seinen Plan erbittert bekämpften und
seine Streichung aus dem vorgesehenen Energiegesetz erwirkten. Der Preis, den sie dafür zahlten, war
die Ausklammerung einer anderen, von Bush abgelehnten Maßnahme, die den Automobilherstellern
schärfere Grenzwerte für den Energieverbrauch der
von ihnen hergestellten Fahrzeuge vorgeschrieben
hätte.
Die Frage, ob man die Hersteller zwingen sollte, verbrauchsgünstigere Automobile zu produzieren, war
eines der wenige Umweltthemen, die von den Kandidaten oder ihren Fragestellern in den vier Fernsehdebatten des Jahres 1992 zur Sprache gebracht wurden.
Seite 1
Bush behauptete, die amerikanische Automobilindustrie würde schwer angeschlagen, wenn sie versuchen
müßte, schärfere Grenzwerte für den Treibstoffverbrauch von Automobilen einzuhalten. Clinton wiederholte seinen Standpunkt, daß die amerikanischen
Hersteller schärfere Normen erfüllen und damit einen
Wettbewerbsvorteil erringen könnten. Er ließ sich
jedoch nicht darauf festlegen, wie scharf die neuen
Grenzwerte sein sollten.
Während der erbittert geführten Debatte des Jahres
1991 über die Erschließung von Bodenschätzen in
Alaska und die Verbrauchsnormen schwächte sich die
Konjunktur infolge der 1990 begonnenen Rezession
weiter ab, und Präsident Bush begann, die Notwendigkeit zur Erhaltung von Arbeitsplätzen und Hilfe für
Unternehmen zu betonen, die durch einen Abbau
belastender staatlicher Vorschriften erreicht werde.
Bald darauf begann ein Ausschu ß des Wei ßen Hauses
unter dem Vorsitz von Vizepräsident Quayle die vom
EPA vorgeschlagenen Vorschriften unter die Lupe zu
nehmen. Ein Ergebnis war die Änderung einer vom
EPA vorgelegten Verfügung, um es den Industrien zu
gestatten, "geringfügige" Steigerungen umweltbelastender Emissionen ohne staatliche Genehmigung
oder öffentliche Anhörungen vorzunehmen.
Bush wandte sich erfolgreich gegen die vertragliche
Festlegung rechtlich verbindlicher Verpflichtungen zur
Stabilisierung des wichtigsten Treibhausgases, des
Kohlendioxids, auf dem Niveau von 1990 bis zum Jahr
2000. Als einziger Industriestaat vertraten die Vereinigten Staaten die Ansicht, es sei voreilig, die in einer
Volkswirtschaft erforderlichen einschneidenden Veränderungen zur Stabilisierung von Kohlendioxidemissionen vorzunehmen, weil die Wissenschaftler noch
nicht sicher seien, wie stark die Erwärmung in verschiedenen Regionen ausfallen wird.
Gore stimmte mit amerikanischen Umweltschützem
und europäischen Regierungen überein, die der Meinung waren, daß Volkswirtschaften durch Stabilisierungsmaßnahmen nicht geschädigt würden und daß
die Stabilisierung eine gewisse Sicherheit vor den
Auswirkungen möglicher Klimaveränderungen gewährleisten werde. Seine Position ist heute fester Bestandteil von Clintons Programm.
In einer kürzlich veranstalteten Debatte von Anhängern der verschiedenen Kandidaten erklärte Michael
Deland, Vorsitzender des Rats für Umweltqualität des
Präsidenten, der Ausschuß des Weißen Hauses zur
Überprüfung der von Bundesbehörden empfohlenen
Bestimmungen solle seine Arbeit fortsetzen. Er stelle
Als ein Bundesgericht ein Gesetz bestätigte, das den sicher, daß die jährlich von Staat und Wirtschaft zum
Holzeinschlag in einem unberührten Waldgebiet unter- Schutz der Umwelt ausgegebenen 130 Milliarden Dollar,
sagte, weil dadurch der Lebensraum einer gefährde- "was mehr ist, als die Ausgaben jedes anderen Lanten Eulenart zerstört würde, forderte Bush eine Ge- des", klug verwendet werden.
setzesänderung. Er bat darum, daß die wirtschaftlichen Auswirkungen des Schutzes bedrohter Arten bei Die Anwältin Cathleen Stone, die das Clinton-Team
jeder Maßnahme zu deren Rettung einbezogen wer- vertritt, stellte fest, dies sei ein wichtiger Unterschied
zwischen den beiden Lagern. Der Ausschuß habe der
den sollten.
Großindustrie dabei geholfen, rechtliche BestimmunBei Beginn des Wahlkampfs 1992 gab es unter gen zur Verringerung der Umweltverschmutzung zu
Umweltschützern wenig Unterstützung für die Bush- VÖI meiden, "bubl. hat eine Bilanz der Versäumnisse
Administration.
bei der Verwirklichung geltender Rechtsnormen vorzuweisen", erklärte sie vor einem Publikum von RechtsAls Gouverneur Clinton seinen Wahlkampf startete, anwälten.
verwiesen Umweltschützer und seine Gegner bei den
Vorwahlen der Demokratischen Partei darauf, daß er Deland konzentrierte sich auf eine Punkt-für-Punktals Gouverneur von Arkansas bisweilen Wirtschaftsin- Verteidigung der Umweltbilanz Bushs und versicherte,
teressen nachgegeben habe. Das schlagendste Bei- Umweltschutz werde auch in einer neuen Administraspiel ist die Erlaubnis, Abfälle aus der Hühnerzucht in tion hohe Priorität genießen. "Kein Präsident seit Teddy
Flüsse seines Bundesstaates einzuleiten.
Roosevelt hat so viel für den Schutz der Umwelt
getan", erklärte er. Roosevelt war zu Beginn des
Er und seine Anhänger erkennen an, daß dies ein Jahrhunderts Präsident und förderte die Einrichtung
Fehler war und erklären, das Problem werde positiv von Nationalparks, Naturschutz und Forschungsvorgelöst. Was ihn bei Umweltschützern jedoch am haben.
beliebtesten machte, war die Wahl Gores als Vizepräsidentschaftskandidat.
Stone versprach, eine Clinton-Gore-Administration
werden ein Spektrum von Reformen durchführen,
Gore ist seit langem ein hartnäckiger und scharfer darunter Anreize für die Industrie zur Verringerung der
Kritiker von Bushs Umweltpolitik. Dies traf insbeson- Abfallproduktion und Förderung des Recycling, ein
dere während der von großer öffentlicher Aufmerk- schärferes Gesetz zur Wasserreinhaltung, Bewahsamkeit begleiteten internationalen Verhandlungen zu, rung größerer Feuchtgebiete und verstärkte Nutzung
die Mitte 1992 mit einem Vertrag zur Kontrolle von von Erdgas in Fahrzeugen, um die Emissionen von
Treibhausgasen ihren Höhepunkt erreichten, die das Treibhausgasen einzudämmen.
Erdklima erwärmen und große klimatische Veränderungen hervorbringen könnten.
Seite 2
AMERIKA DIENST 43
Perot fordert in seinem Buch die Einstellung von
Subventionen für umweltschädigende Maßnahmen in
der Bergbau- und Holzindustrie, den Einsatz von An-
*
AMERIKA DIENST 43
*
reizen anstatt Vorschriften zur Erlangung von Umweltzielen sowie Hilfen für andere Länder zur Stabilisierung des Bevölkerungswachstums und zum Abbau
der Armut.
* *
Seite 3
WAHLEN
'9 2
28. Oktober 1992
WACHSENDES INTERESSE DER WÄHLER IN USA,
ZUNEHMENDE REGISTRIERUNG VERZEICHNET
Rezession, ungewisser Wahlausgang als Hauptfaktoren
WASHINGTON - (AD) - In der Endphase des Wahlkampfes 1992 erschüttert die amerikanische Öffentlichkeit die gängige Vorstellung vom apathischen und
desinteressierten Bürger.
Anekdotenhaftes Material und die zur Verfügung stehenden ersten statistischen Daten enthalten eine gemeinsame Aussage: Eine wachsende Zahl von
Amerikanern interessiert sich für den Wahlprozeß und
hat sich entschieden, selbst dabei mitzuwirken.
Dieser Schluß läßt sich aus der großen Zahl von
Menschen ziehen, die die jüngste Serie von Femsehdebatten der drei Hauptkandidaten für das Präsidentenamt mitverfolgten ebenso wie aus der steigenden
Registrierung von Wählern im ganzen Land vorder am
3. November stattfindende Wahl.
Beobachter betrachten diesen offenkundigen sprunghaften Anstieg der Wählerbeteiligung als Reaktion auf
die schweren wirtschaftlichen Zeiten im Verein mit
einem sehr offenen Rennen um die Präsidentschaft,
das der einzelnen Wählerstimme mehr Bedeutung
verleiht. Darüber hinaus habe das Auftreten eines
dynamischen unabhängigen Kandidaten, Ross Perot,
dazu beigetragen, das Interesse der Öffentlichkeit zu
wecken.
Die Registrierung von Wählern hat dem Komitee zur
Untersuchung der amerikanischen Wählerschaft
(Committee for the Study of the American Electorate)
zufolge, einer überparteilichen Forschungsgruppe, die
statistische Daten sammelt und auswertet, dieses
Jahr in 9 von den 10 Verwaltungsbezirken zugenommen, die als erste ihre offiziellen Gesamtzahlen bekanntgaben. (Da jeder Bundesstaat sein eigene Verfahren und Zeitpläne fürdie Registrierung festlegt, sind
umfassendere landesweite Ergebnisse noch nicht verfügbar.)
Die Gruppe berichtete, daß zumindest in drei dieser
Verwaltungsbezirke - den Bundesstaaten Louisiana
und North Carolina sowie dem District of Columbia - bei
der Registrierung Rekordmarken erreicht wurden. Ein
AMERIKA DIENST 43
neuer Höchststand könnte auch im Staat Mississippi
erzielt worden sein, obwohl die Nachlässigkeit bei der
Führung der in diesem Staat erstellten Wählerverzeichnisse einen Vergleich mit früheren Jahren erschweren mag.
Nur in Alaska ging die Registrierung zurück.
Der Analyse zufolge stieg die Registrierung in den 10
erfaßten Verwaltungsbezirken 1992 auf 70,85 Prozent
der Bevölkerung im Wahlalter, gegenüber 69,0 Prozent im Jahr 1988. Damit wurde der höchste Stand seit
den 72,98 Prozent registrierter Wähler im Jahr 1964
erzielt.
Der Direktor der Forschungsgruppe, Curtis Gans, gibt
an, die ersten Resultate veranlaßten ihn zu der Überzeugung, daß in vielen Staaten ein weiterer Zuwachs
zu erwarten sei, der jedoch relativ bescheiden ausfallen und keine neuen nationalen Rekordmarken erreichen werde.
Gans führt den diesjährigen Zuwachs auf drei klar
definierbare Gründe zurück: die Rezession, die Einführung von Verfahren in zahlreichen Bundesstaaten,
die eine Registrierung durch die Verbindung mit der
Beantragung eines Führerscheins erleichtern sowie
"wahrscheinlich aber nicht sicher die Registrierung
vordem nicht eingetragener Perot-Anhänger, die sich
registrieren lassen mußten, um Petitionen zu unterschreiben", mit denen ihr Kandidat auf die Stimmzettel
der Bundesstaaten gelangte.
"Die Rezession ist einer der Faktoren, die die Leute
veranlassen - entweder aus Angst oder aus Verärgerung - zu den Wahlurnen zu gehen. Dieses Jahr
scheint es von beidem etwas zu sein", erklärt Gans.
Der letzte Anstieg der Wahlbeteiligung wurde 1982
verzeichnet, als es ebenfalls eine Rezession gab.
Gans zufolge wird der sprunghafte Anstieg in der
Wählerregistrierung am 3. November eine höhere
Wahlbeteiligung nach sich ziehen. Das könnte jedoch
ausbleiben, "wenn die republikanischen Angriffe auf
Seite 1
Gouverneur Clinton andauern und seine Negativeinschätzungen so hochtreiben, daß den Menschen nur
eine unattraktive Auswahl bleibt", warnt er.
ten, dann hoffen sie, mit dem Urnengang ihr Leben
verändern zu können."
Die Rolle der Konjunkturschwäche für den Anstieg der
Wahlbeteiligung wird auch von dem Kolumnisten Charles
Krauthammer angeführt. In einem von der Washington Post am 23. Oktober veröffentlichten Beitrag
erklärt Krauthammer, eine hohe Wahlbeteiligung am
3. November "wird nur schwerlich als ein plötzlicher
Anstieg staatsbürgerlichen Bewußtseins oder eine
jähe Erneuerung des Vertrauens in den demokratischen Prozeß erklärt werden können."
Über 100 Millionen Zuschauer schalteten ihr Fernsehgerät zumindest bei einer dieser Debatten ein, wie
ABC Research herausfand. Tatsächlich deutet eine
Untersuchung der von allen Fernsehsendern gelieferten Zahlen darauf hin, daß allein bis zu 96 Millionen
Zuschauer die letzte Debatte der Präsidentschaftskandidaten mitverfolgten.
Welche Gründe sie auch haben mag, die Tatsache der
Ein weiterer Veteran unter den Wahlbeobachtern, stärkeren Registrierung ist unbestreitbar. "Praktisch
William Kimberling, betrachtet die Gründe für die dies- überall erklären die Beamten, mit denen wir gesprojährige Zunahme in der Registrierung unter ähnlichen chen haben, sie scheine hoch zu sein", erklärt KimberGesichtspunkten.
ling. Darüber hinaus habe es eine starke Nachfrage
nach Briefwahlunterlagen gegeben, wobei in einigen
Kimberling, der stellvertretender Leiter des Büros für Gegenden den Verwaltungen sogar die Formulare
die Durchführung von Wahlen der amerikanischen ausgegangen seien.
Bundeswahlkommission ist, stimmt der Ansicht zu, der
Hauptauslöser sei die Tatsache, daß "es der Wirt- Die beiden großen Parteien haben ebenso wie verschaft schlecht geht und sich die Menschen persönlich schiedene ethnische Gruppen im ganzen Land große
davon betroffen fühlen. Es gibt kein wichtigeres Pro- Erfolge mit ihren Kampagnen zur Wählerregistrierung.
blem als die Bedrohung des eigenen Geldbeutels."
In einem Bundesstaat, Texas, könnte die WahlbeteiliDies werde noch durch die Tatsache ergänzt, daß die gung überdies durch ein Verfahren gesteigert werden,
Wahl "dieses Mal wirklich ein Kopf-an-Kopf-Rennen ist demzufolge registrierte Wähler ihre Stimme bis zu 20
- ein Rennen, bei dem die einzelne Wählerstimme Tage vor dem eigentlichen Wahltag in Wahllokalen
wirklich einen U nterschied bewirken kann". Kimberling abgeben können, die über jeden Landkreis verteilt
zufolge hat darüber hinaus "der Eintritt Perots... einige sind.
Leute angeregt, die sonst von den beiden großen
Daß das Interesse hoch ist, kommt auch in der großen
Parteien abgeschreckt würden".
Zahl von Zuschauern zum Ausdruck, die die in einem
Wie Gans erwartet auch Kimberling nach 20 Jahren Zeitraum von neun Tagen im Oktober ausgestrahlten
des Rückgangs, der im Jahr 1988 zu einem Tiefstand drei Fernsehdebatten der Präsidentschaftskandidaten
von lediglich 50,15 Prozent der wahlfähigen Bevölke- sowie eine Debatte der Vizepräsidentschaftskandidarung führte, dieses Jahr eine höhere Wahlbeteiligung. ten am Bjldschirm verfolgten.
Diese fahlen steiior. im Vergleich zu den 73 Millionen
Zuschauern, die im Jahr 1988 die erste Debatte zwiSie wird wesentlich leichter als Funktion der Unzufrie- schen dem damaligen Vizepräsidenten Bush und seidenheit zu erklären sein", so Krauthammer. "Wenn nem demokratischen Herausforderer, Gouverneur
sich die Dinge negativ entwickeln, wenn die Menschen Michael Dukakis, erlebten.
arbeitslos sind oder sich vor der Arbeitslosigkeit fürch-
* * * * *
Seite 2
AMERIKA DIENST 43
WAHLEN
'92
28. Oktober 1992
MEDIEN WICHTIGER FAKTOR
BEI PRÄSIDENTSCHAFTSWAHLEN
Aktuelle Berichte und Anzeigen als wichtigste Elemente
WASHINGTON - (AD) - Die Berichterstattung der
Massenmedien über die amerikanische Präsidentschaftswahl umfaßt zwei besonders wichtige Elemente - aktuelle Nachrichten und bezahlte Anzeigen.
Gemeinsam machen sie die Medien zu einem bedeutenden - und einflußreichen - Faktor im Wahlprozeß.
Die Medien - Zeitungen, Illustrierte, Fernsehen und
Rundfunk - zählen auf die Wahlkampagnen, um Nachrichten und Einnahmen zu erzielen. Die Kandidaten
wiederum zählen auf die Medien, um die größtmögliche Zahl von Wählern zu erreichen.
Die meisten Amerikaner beziehen ihre Informationen
über Politik und aktuelle Fragen aus den Medien, und
das Fernsehen ist die dominierende Kraft. Über
Wahlkampfereignisse wird in den Abendnachrichten
berichtet, und die Kandidaten treten nicht nur in Interviews der Nachrichtenprogramme auf, sondern auch
im Rahmen von tagsüber ausgestrahlten Talkshows.
Debatten und Parteikonventen wird viel Sendezeit
eingeräumt. Und das betrifft lediglich die nationale
Ebene.
Auf Bundesstaats- und Gemeindeebene räumt ein
Kandidat bei jedem Aufenthalt während einer Wahlkampfreise Zeit für ein Exklusivinterview mit Journalisten in der betreffenden Region ein. Die Kandidaten
haben im Lauf der Jahre erkannt, daß die nationalen
Medien, die stets auf der Suche nach schlagzeilenträchtigen Berichten sind, häufig dazu neigen, sich auf
die kontroversen Aspekte des Wahlkampfs zu konzentrieren, während die Berichterstattung auf lokaler Ebene
oft positiver ist.
sorgfältig inszenierte Medienereignisse an solch photogenen Orten wie Fahnenfabriken oder nationalen
Denkmälern veranstalten, mit Ballons und Transparenten im Hintergrund. Dabei geben sie sogenannte
"sound bites" ab - kurze, sorgfältig formulierte Sätze,
die in der Nachrichtensendung einen bleibenden Eindruck hinterlassen sollen.
Im Jahr 1992 gab es einen dramatischen Anstieg bei
den tagsüber ausgestrahlten Talkshows als politischem
Forum, was hauptsächlich auf die Bereitschaft der
Kandidaten zurückzuführen ist, Einladungen zu Interviews von den Moderatoren dieser Programme anzunehmen. Der unabhängige Kandidat Ross Perot leitete dieses Phänomen im Februar ein, als er während
eines Auftritts in der CNN-Talkshow Larry King Live, an
der sich Zuschauer mit Telefonanrufen beteiligen können,
die Bedingungen erläuterte, unter denen er eine Präsidentschaftskandidatur erwägen würde.
Solche Shows sind für Fernsehzuschauer, Rundfunkhörer und das Studiopublikum ein Mittel, um mehr von
den Kandidaten zu sehen als die von den Sendern
ausgestrahlten Kurzstatements gestatten. Durch das
direkte Gespräch mit den Kandidaten haben die Wähler
darüber hinaus eine Möglichkeit, ihre eigene Meinung
auszudrücken.
Die Präsidentschaftskandidaten sind vielleicht die
wichtigsten Medienereignisse in einem Wahlkampf,
weil die Wähler erleben können, wie die Kandidaten
unter Stress reagieren und danach zahlreiche Artikel
mit Analysen der Debatten erscheinen.
Die Zeitungen räumen dem Wahlkampf jedoch im
allgemeinen
mehr Platz ein als das Fernsehen, weil sie
Die Medien "neigen dazu, sich auf negative Aspekte zu
nicht
unter
den
gleichen zeitlichen und finanziellen
konzentrieren", erklärt der politische Analyst Norman
Beschränkungen
arbeiten wie letzteres. Die ZeitunOrnstein vom American Enterprise Institute, "um am
gen
können
außerdem
eine tiefgreifendere Berichterschärfsten die Amtsinhaber oderdie in Führung liegenstattung
bieten,
weil
sie
in der Lage sind, eine größere
den Kandidaten zu kritisieren und Skandale zu betoZahl
von
Reportern
für
den
Wahlkampf abzustellen.
nen".
Die Kandidaten versuchen dem entgegenzuwirken
und benutzen die Medien zu ihrem Vorteil, indem sie
AMERIKA DIENST 43
Die neue Computertechnik gibt den Zeitungen darüber
hinaus den Vorteil des von dem politischen Analysten
Seite 1
Stephen Hess von der Brookings Institution so bezeichneten "Korrektivjournalismus". Anstatt an einem
Tag die Erklärung eines Kandidaten abzudrucken, am
nächsten Tag eine Gegendarstellung der Opposition
und am dritten Tag einen damit in Zusammenhang
stehenden Kommentar verleiht die Technik, indem sie
unmittelbaren Zugang zu Informationen bietet, den
Journalisten Hess zufolge heute die Fähigkeit, Behauptungen, Gegenbehauptungen, Hintergrundmaterial und Analysen in ein und demselben Artikel zu
liefern.
jedoch darauf, daß seit dem Abschluß der Vorwahlen
im Juni die negative Beurteilung des Präsidenten in
den Nachrichten im Verhältnis von 3:2 überwog, während
bei Clinton ein ausgewogeneres Verhältnis bestand.
Infolgedessen wurden die Demokraten in den Fernsehnachrichten dieses Jahr gegenüber den Republikanern tendenziell bevorzugt.
Eine weitere Forschungseinrichtung, das in New York
ansässige Freedom Forum Media Studies Center, hat
in seiner Bewertung der Berichterstattung über den
Präsidentschaftswahlkampf durch die Medien erklärt,
Hess verweist jedoch darauf, daß diese Veränderung ein Hauptkritikpunkt sei dieses Jahr die Betonung der
im Journalismus, obwohl sie Kandidaten zu schärferen "Charakterfrage" gewesen.
Erklärungen veranlassen und zur Informierung der
Wähler beitragen wird, bisher zu verstärkter Kritik an Gegen Clinton vorgebrachte Beschuldigungen der
den Medien wegen Voreingenommenheit und wach- Untreue, des Drogenmißbrauchs und der Drückebergerei haben die Frage aufgeworfen, welches Material
sendem Zynismus unter den Wählern geführt hat.
für die Medien zur Einschätzung eines Kandidaten
In einer Untersuchung von über 1.600 Wahlkampfbe- herangezogen werden sollte. Ein Querschnitt vom
richten, die in diesem Jahr bereits in den Abendnach- Freedom Forum Center befragter politischer Journalirichten der Fernsehsender ausgestrahlt wurden, kam sten erklärte, die Konzentration auf den Charakter
das Zentrum für Medien und öffentliche Angelegenhei- liefere den Wählern einen Maßstab, um die Integrität
ten (Centerfor Media and Public Affairs), eine überpar- und Führungskraft eines Kandidaten zu beurteilen.
teiliche Forschungseinrichtung in Washington, zu dem
Schluß, daß die politischen Positionen der Kandidaten Im Bereich der Werbung werden Millionen von Dollar
unter allen Wahlkampfaspekten die größte Aufmerk- an Spendengeldern der Kandidaten für Zeitungsanzeisamkeit erhielten und in über einem Drittel der Berichte gen und Fernseh- oder Rundfunkwerbung ausgegebesonders hervorgehoben wurden. Dies geschah ben, besonders für das Fernsehen. Diese Sendungen
nahezu doppelt so häufig wie im Präsidentschafts- reichen von den gegenwärtig von Bush und Clinton
eingesetzten 30-Sekunden-Spots, in denen der Chawahlkampf 1988.
rakter des Gegners in Frage gestellt wird - sogenannter
"Angriffswerbung"- bis zu den von Perot eingekaufDagegen war das am meisten behandelte Einzeltheten
30-Minutensendungen, um sein Wirtschaftsproma im Wahlkampf 1988 das sogenannte "Pferderengramm
anhand von Tabellen und Grafiken zu erläunen", nämlich an welcher Stelle die Kandidaten lagen
tern.
und welche Aussichten sie hatten. Dieses Thema
rangierte 1992 an vierter Stelle.
Negativ« Gpots cc^ecken viele Wähler ab, aber dem
Zwei andere Aspekte des Wahlkampfs - die Strategie Politikwissenschafiler William Rosenberg von der Drexel
und Kontroversen wie etwa Skandale und Fehlleistun- University zufolge sind "Negativspots nicht per definigen - erhielten etwa gleich viel Aufmerksamkeit wie vor tionem uninformativ. Sie können Informationen über
vier Jahren, stellte das Zentrum fest.
einen Gegenkandidaten enthalten, die man in einem
Wahlkampf vernünftigerweise weitergeben sollte."
Darüber hinaus wurde festgestellt, daß während der
Vorwahlen sowohl Präsident Bush als auch dem Und das ist es, was die Medien in einem Präsidentdemokratischen Kandidaten Bill Clinton in den Fern- schaftswahlkampf sowohl durch Reportagen als auch
sehnachrichten mehr negative Berichterstattung zuteil durch bezahlte Anzeigen zu tun versuchen - vernünfwurde als ihren Gegnern. Das Zentrum verweist tige Informationen weiterzugeben.
* *
Seite 2
* *
AMERIKA DIENST 43
WAHLEN
'92
28. Oktober 1992
UNABHÄNGIGE KANDIDATEN UND PRÄSIDENTSCHAFTSBEWERBER VON DRITTPARTEIEN
von Robert E. Mutch
In dem nachfolgenden Beitrag untersucht der Verfasser die erfolgreicheren Bewerbungen amerikanischer
Präsidentschaftskandidaten seit dem frühen 19. Jahrhundert. Dagegen seien in diesem Jahrhundert unabhängige Kandidaten und Bewerber von Drittparteien für das Präsidentenamt "zunehmend politische Randfiguren"
gewesen.
Robert Mutch ist freiberuflicher Schriftsteller in Washington.
Seit George Washington im Jahr 1797 seine Amtszeit
beendete, waren die meisten Präsidentschaftswahlen
in den Vereinigten Staaten Wettbewerbe zwischen
zwei Kandidaten der beiden großen politischen Parteien. Zwar gab es bei jeder Wahl noch weitere Bewerber, aber diese konnten nurwenige Wähler für sich gewinnen. Wenn ein solcher Kandidat auch nur fünf
Prozent der Gesamtstimmen erhält, ist dies bereits ein
Zeichen der Unzufriedenheit mit den beiden großen
Parteien und häufig ein Vorbote politischen Wandels.
Die spektakuläre Kandidatur des texanischen Milliardärs Ross Perot im Jahr 1992 bietet einen guten Anlaß
für eine Rückschau auf relativ erfolgreiche Kandidaturen solcher Drittkandidaten.
drei Bewerbern auswählt, die die meisten Stimmen
erhalten haben. Nach längeren internen politischen
Auseinandersetzungen wählte das Repräsentantenhaus John Quincy Adams. General Andrew Jackson,
einer der Verlierer, war so verbittert, daß er und seine
Anhänger die nächsten vier Jahre damit verbrachten,
die Demokratische Partei zu organisieren, die ihm bei
der Wahl von 1828 zum Einzug ins Weiße Haus
verhalf. Damit schuf er die heute älteste Partei der
Welt. Die weniger gut organisierten Gegner des
Generals scharten sich um einen seiner Rivalen aus
dem Jahr 1824.
Die erste dritte Partei, die Anti-Masons, war wenig
mehr als ein Sammelbecken von Jackson-Gegnern in
Die erste Gründung einer dritten Partei in Amerika fand New York, Pennsylvania und Massachusetts. Die
statt, als sich das erste Zweiparteiensystem des Lan- Partei entlehnte ihren Namen einer kurzlebigen Volksdes gerade aufgelöst hatte und das zweite im Entste- bewegung, die nach dem Verschwinden eines unzuhen begriffen war. Die erfolglose Bewerbung von friedenen Freimaurers im Bundesstaat New York im
Präsident John Adams von der Federalist Party um die Jahr 1826 entstand, derein Buch geschrieben hatte, in
Wiederwahl im Jahr 1800 leitete den Abstieg der dem die Geheimnisse dieses Ordens enthüllt wurden.
Federalists als nationaler Partei ein und bildete den Politiker machten sich die Gelegenheit zunutze, um
Anfang vom Aufstieg der Democratic-Republtcans, der Bewegung politische Inhalte zu geben und sie auf
der Partei des neugewählten Präsidenten Thomas Nachbarstaaten auszudehnen. Um eine breitere ÖfJefferson. Da wegen des Fehlens einer politischen fentlichkeit zu gewinnen, spielten diese Politiker die
Opposition die Grenzen der Democratic-Republicans Angriffe auf die Freimaurer herunter. In der Folgezeit
als Partei immer verschwommener wurden, wurde wurden zahlreiche Vertreter der Partei in Ämter auf
auch das System der Parteiversammlungen zur Gemeinde- und Bundesstaatsebene gewählt. Als die
Nominierung von Präsidentschaftskandidaten immer Führer der Anti-Masons 1832 beschlossen, sich an
weniger angewandt. Infolgedessen gab es bei der der Präsidentschaftswahl zu beteiligen, entdeckten
Präsidentschaftswahl von 1824 vier selbstnominierte sie, daß ihr einziger gemeinsamer Nenner die AblehKandidaten, von denen keiner eine Stimmenmehrheit nung Jacksons war, und sie konnten sich nur mit
erreichte. Dies war der erste und bisher einzige Schwierigkeiten auf einen Präsidentschaftskandidaderartige Fall in der amerikanischen Geschichte. ten einigen. Trotzdem hat die Partei gerade in diesem
Aufgrund dieses Vorgangs wurde auf eine Bestim- Bereich einen dauerhaften Beitrag zur amerikanischen
mung der US-Verfassung zurückgegriffen, derzufolge Politik geleistet.
das Repräsentantenhaus den Präsidenten unter den
AMERIKA DIENST 43
Seite 1
Die Anti-Masons hatten zuwenige Vertreter im Kongreß, um eine Nominierungsversammlung abzuhalten, selbst wenn dieses System noch existiert hätte.
Auf der Suche nach einem Weg, um jemanden auf für
alle als legitim akzeptierte Weise zu nominieren, griff
die Parteiführung den Gedanken des Konvents auf.
1831 veranstaltete sie in Baltimore (Maryland) einen
nationalen Konvent und forderte die Bundesstaaten
auf, eine ihrer Zahl von Kongreßabgeordneten entsprechende Zahl von Delegierten zu entsenden. Dies
war der erste Nominierungskonvent für eine Präsidentschaftswahl in der Geschichte des Landes, der
von den Anti-Masons darüber hinaus benutzt wurde,
um das erste Parteiprogramm zu verfassen. Andere
Parteien übernahmen umgehend beide Praktiken, die
bis heute benutzt werden.
Nachdem Abraham Lincoln, der Präsidentschaftskandidat der Republikaner im Jahr 1860, im Norden eine
Stimmenmehrheit erhalten hatte, gelangten die führenden Politiker der Südstaaten zu der Überzeugung,
daß sie ihre Interessen nicht mehr innerhalb der Union
verteidigen könnten. Sie spalteten sich von den Vereinigten Staaten ab, und dieser Beschluß löste den
vierjährigen Bürgerkrieg aus.
Die Republikanische Partei beherrschte nicht nur die
Politik des Nordens, sondern auch die Unionsarmee.
Als diese Armee dann nach dem Krieg die besiegten
konföderierten Staaten des Südens regierte, dominierten die Republikaner auch die Politik in diesen Bundesstaaten. Die Demokraten behielten nur wenige der
Mitglieder, die sich vor dem Krieg gegen die Sklaverei
gewandt hatten, und nach dem Krieg erstand die
Demokratische Partei neu als eine schwache nationale Partei, in der sich Wähler aus den Städten des
Nordens, insbesondere von der Begünstigung der
Einheimischen durch die Republikaner abgestoßene
Einwanderer aus Irland und anderen Staaten, mit
wegen des Kriegsrechts aufgebrachten Südstaatlern
zusammenfanden. Für über einhundert Jahre nach
Einstellung der Feindseligkeiten blieben die weißen
Südstaatler nahezu geschlossen demokratisch. Die
Farmer im Westen und Mittelwesten blieben nahezu
ebenso hundertprozentige Republikaner. Die ländlichen Protestparteien des ausgehenden 19. Jahrhunderts stellten Farmergegen Eisenbahngesellschaften
und Banken. Dieser Konflikt hatte auch eine ausgeprägte regionale Dimension zwischen Ost und West
und brachte den einzigartigen Charakter der amerikanischen Entwicklung zum Vorschein: die Landwirtschaft hatte sich nach Westen ausgedehnt, während
sich gleichzeitig eine wachsende, städtisch geprägte
lndu«*"esf,?eii<«haft in den älteren Staaten des Nordostens entwickelte.
Der Partei gelang es nicht, einen landesweit anerkannten Politiker zur Annahme der Nominierung zu bewegen , ein Problem, das auch später andere dritte Parteien belastete. Schließlich nominierten die Anti-Masons
den ehemaligen Justizminister William Wirt, der an
dem Konvent überhaupt nicht teilgenommen hätte,
wenn er nicht zufällig in seiner Heimatstadt stattgefunden hätte. Wirt errang 1832 nur knapp acht Prozent
der abgegebenen Stimmen, und zwei Drittel davon
stammten aus einem Bundesstaat, aus Pennsylvania.
Wenige Jahre danach vereinigte sich die Partei mit
zwei anderen Gruppen und bildete die Whig Party. Die
Whigs hatten kaum begonnen, sich als Partei zu
organisieren, als sie und die Demokraten unter dem
Druck der Sklavenfrage bereits wieder auseinanderbrachen. Im Jahr 1848 hatten beide Parteien wegen
der Haltung zur Ausdehnung der Sklaverei auf neue
Bundesstaaten Anhänger im Norden verloren. In
jenem Jahr schlössen sich abtrünnige Fraktionen von
Whigs in Neu-England und Demokraten aus New York
mit Gruppen von Abolitionisten (deren Ziel die Abschaffung der Sklaverei war) zur Free Soil Party zuSeit den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts wandsammen.
ten sich die Farmer der Präriestaaten hilfesuchend an
Die Partei nominierte den ehemaligen Präsidenten die Parlamente der Bundesstaaten, um den EisenMartin Van Buren, der die Ausdehnung der Sklaverei bahngesellschaften die Frachtraten für den Transport
ablehnte und dessen eigene Demokratische Partei ihrer Produkte zu den Märkten des Ostens vorzu1848 seine Nominierung abgelehnt hatte. Van Buren schreiben. Da sie außerstande waren, sich gegen die
schnitt im Norden gut ab, erhielt jedoch landesweit nur Macht der Eisenbahnmagnaten in den großen Partei10 Prozent der Stimmen. Der Mißerfolg der Partei die en durchzusetzen, gründeten die Bauern ihre eigenen
Wähler im Norden davon zu überzeugen, daß sie ein Parteien und brachten Kandidaten in Staatsämter von
wirksames politisches Instrument darstellte, veranlaß- Indiana bis Kalifornien. Die Forderung der Landwirte
te die ehrgeizigen Politiker, die sie erst vor wenigen nach einer Inflationswährung, die sie als "Greenbacks"
Monaten ins Leben gerufen hatten, wieder zu ihren bezeichneten und die den Farmern bei der Begleialten Parteien zurückzukehren. Trotzdem blieb die chung ihrer Schulden bei Banken im Osten helfen
Free Soil Party bis 1854 intakt, als das Problem der sollte, gewann nach dem finanziellen Zusammenbruch und der Depression der siebziger Jahre des 19.
Sklaverei erneut zum heißen Eisen wurde.
Jahrhunderts wachsende Anziehungskraft. GewerkIn diesem Jahr schlössen sich die Anhänger der Free schaftliche und städtische Reformgruppen schlössen
Soil Party mit die Sklaverei ablehnenden Whigs und sich mit den Farmerparteien im Westen zur GreenDemokraten zur Republikanischen Partei zusammen. back-Partei zusammen, die auf Gemeinde- und BunBei den Kongreßwahlen des Jahres 1854 errangen die desstaatsebene sehr erfolgreich abschnitt.
Republikaner sogleich den Status einer großen Partei.
Seite 2
AMERIKA DIENST 43
Diese Bündnisse zwischen Stadt und Land, zwischen
Bauern und Industriearbeitern waren stets brüchig,
aber sie blieben angesichts des Schweigens der großen Parteien in den Fragen der Monopole und Regulierung der Eisenbahnen sowie ihres Engagements für
eine harte Währung hartnäckig bestehen. Schließlich
schlössen sich im Jahr 1891 Bauernorganisationen
des Südens und Westens mit den Knights of Labor
zusammen, um mit der People's Party die stärkste
dritte Partei der amerikanischen Geschichte zu gründen.
sen sich ebenso den Republikanern an. Diese Reform-Republikaner und populistischen Demokraten
trugen auf unterschiedliche Weise zur Fortschrittsbewegung des frühen 20. Jahrhunderts bei.
Wie bereits bei früheren politischen Bewegungen bestand
die Basis der Fortschrittsbewegung aus Bauern und
Arbeitern. Im Gegensatz zu früheren Bewegungen
erhielt sie beispiellose Unterstützung wohlhabender
Unternehmer, was zu einer politischen Richtung führte, die davon ausging, daß die Regierung wie ein
Unternehmen geführt werden sollte. Die Progressiven
Am 4. Juli 1892 nominierten die Populisten zwei Generäle begannen ebenfalls nicht als dritte Partei, sondern
aus dem Bürgerkrieg, je einen von der Union und den arbeiteten innerhalb der beiden großen Parteien. Es
Konföderierten, als Präsidentschafts- und Vizepräsi- war eine Spaltung der Republikanischen Partei, die zur
dentschaftskandidaten. Der Präsidentschaftskandi- ersten Kandidatur der Fortschrittspartei führte, der
dat, James B. Weaver, war ein Demokrat, der sich der Kandidatur des ehemaligen Präsidenten Theodore
Free Soil Party und den Republikanern angeschlossen RooseveK im Jahr 1912.
hatte, bevor er 1880 zum Präsidentschaftskandidaten
der Greenback-Partei nominiert worden war. Sowohl Zwischen 1908 und 1912 hatte sich zwischen Konserdie Greenback-Partei als auch die Populisten befür- vativen und Progressiven in der Republikanischen
worteten eine progressive Einkommenssteuer, Bun- Partei eine tiefe Kluft gebildet. Roosevelt hatte enge
desvorschriften für den Verkehr zwischen den Bun- Bindungen zu beiden Lagern, aber seine Fehde mit
desstaaten, einen achtstündigen Arbeitstag und das Präsident William Howard Taft, seinem Nachfolger im
Weißen Haus und Anführer der Konservativen, veranallgemeine Wahlrecht.
laßte ihn dazu, die Progressiven unter seinem eigenen
Weaver erhielt bei der Wahl von 1892 8,5 Prozent der Banner aus der Partei herauszuführen. Roosevelt
Wählerstimmen. Wichtiger war jedoch, daß der Partei errang 27,4 Prozent der Wählerstimmen und verzeichdie Wahl von Gouverneuren in drei Bundesstaaten nete damit das beste jemals von einem dritten Kandigelang, sie eine Mehrheit der Sitze im Parlament von daten erzielte Ergebnis. Der Preis dieses Erfolges war
Nebraska errang und in anderen Bundesstaaten die die Spaltung der republikanischen Wählerschaft, die
Republikaner oder Demokraten als wichtigste Opposi- zum Wahlsieg eines anderen Progressiven führte, des
tionspartei ablöste. Darüber hinaus stellte die Partei - demokratischen Kandidaten Woodrow Wilson. Im
bisweilen auf gemeinsamen Listen mit den Demokra- Jahr 1916 war Roosevelt wieder Mitglied
ten - drei US-Senatoren und 11 Mitglieder des Repräsentantenhauses. Keine andere dritte Partei hat jemals An der Wahl von 1912 nahm noch eine weitere "dritte"
Partei teil, die Socialist Party of America. Diese Partei
auf allen Ebenen so gut abgeschnitten.
war 1897 von Eugene V. Debs gegründet worden, der
Die Populisten gewannen jedoch nur wenige Arbeiter damals Präsident der amerikanischen Eisenbahnerin den Städten des Ostens für sich, deren Unterstüt- gewerkschaft war. Die Einbeziehung von Bauern
zung für den Erfolg einer wirklich landesweit vertrete- durch die Partei stellte diese in die Tradition der
nen dritten Partei von solch entscheidender Bedeu- Versuche im 19. Jahrhundert, eine Verbindung zwitung war. Auch gelang es ihnen nicht, den tiefverwur- schen Stadt und Land herzustellen, aber sie wurde
zelten Partikularismus des Parteiensystems der Zeit auch von europäischen Einwanderern beeinflußt, die
nach dem Bürgerkrieg zu überwinden. Mitglieder aus sich in den Städten des Ostens niedergelassen hatten.
den Südstaaten lehnten den Weg einer dritten Partei Die Kombination aus eingewanderten Industriearbeiab, da sie wahrscheinlich die Demokraten spalten und tern und im Land geborenen Bauern schuf darüber
den Republikanern eine neue Chance eröffnen werde. hinaus unterschiedliche Definitionen des Sozialismus:
Die Mitglieder aus dem Westen und mittleren Westen Erstere befürworteten die europäische Idee, Sozialiswaren bereit, mit den Demokraten zusammenzuarbei- mus bedeute die Verstaatlichung der Produktionsmittel, während die letzteren, insbesondere die Parteimitten ohne sich mit ihnen zu vereinigen.
glieder aus Oklahoma, die amerikanische Erfahrung
1896 kooptierte die Demokratische Partei die Populi- einbezogen und Sozialismus als gleichmäßigere Versten, indem sie sich deren Parteiprogramm zu eigen teilung privaten Eigentums betrachteten. Debs errang
machte. Diese Maßnahme trieb die Populisten aus 1912 sechs Prozent der Wählerstimmen, das erste
dem Westen erneut den Republikanern in die Arme und letzte Mal, daß er so gut abschnitt. Die Partei
und provozierte den "Wall-Street-Flügel" der Demo- errang darüber hinaus in diesem und folgenden Jahren
kraten, in diesem Jahr einen eigenen Versuch zur Hunderte von Mandaten auf Gemeindeebene, aber
Schaffung einer dritten Partei zu starten. Viele Refor- ihre sehr verschiedenartige Wählerschaft ging schließmer aus der Oberschicht des Ostens, die bereits früher lich getrennte Wege.
in Drittparteibewegungen aktiv gewesen waren, schlösAMERIKA DIENST 43
Seite 3
Vordem Beginn der Depression wurde noch ein letzter
Versuch unternommen, um Bauern und Arbeiter in
einer dritten Partei miteinander zu verbinden. 1922
bildeten die Eisenbahnergewerkschaften, die Sozialistische Partei, verärgerte RooseveR-Progressive und
eine Bauernorganisation aus dem Mittelwesten (die
heute noch unter dem Namen Minnesota DemocraticFarmer-Labor Party existiert) die Conference for Progressive Political Action. Diese Organisation beabsichtigte lediglich Progressive in beiden Parteien zu
unterstützen und nicht, eine dritte Partei zu gründen.
Erst als sowohl die Republikaner als auch die Demokraten im Jahr 1924 konservative Präsidentschaftskandidaten aufstellten, startete die Conference eine
eigene Kampagne für den Einzug ins Weiße Haus.
Man wählte einen Kandidaten, den man bereits sehr
gut kannte - Senator Robert M. LaFollette, den meistbekannten republikanischen Progressiven des Landes. Die erfahrene Organisation der Sozialisten auf
lokaler Ebene war im Wahlkampf hilfreich, ebenso wie
die demokratischen Progressiven, die den von der
eigenen Partei nominierten Rechtsanwalt aus der Wall
Street ablehnten. LaFollette blieb mit nur 16,5 Prozent
der Wählerstimmen weit unter dem Resultat Roosevelts. Er verstarb im folgenden Jahr, und mit ihm
verschwand auch die Partei.
und Progressiven. Sie löste sich schlicht auf. Bis zum
Jahr 1982 hatte sich das politische Klima so sehr
verändert, daß Wallace bei seiner erfolgreichen Kampagne für eine vierte Amtszeit als Gouverneur von
Alabama selbst erfolgreich um schwarze Wählerstimmen warb. (Wallace hat jedocn 1968 einen Wandel
beschleunigt: Seine Kampagne führte gemeinsam mit
der Entfremdung liberaler Demokraten wegen der
Unterstützung ihrer Partei für den Vietnamkrieg zu
einem knappen Wahlsieg des republikanischen Kandidaten Richard M. Nixon.
Die unabhängige Präsidentschaftskampagne des
republikanischen Kongreßabgeordneten John Anderson 1980 paßt nicht in das Schema früherer Kandidaturen unabhängiger Bewerber. Wie andere zuvor,
scheint Anderson bei den Vorwahlen angetreten zu
sein, um seine Ablehnung der von seiner Partei eingeschlagenen Richtung auszudrücken. Solche Kandidaten möchten im allgemeinen lediglich eine Plattform,
um ihre Meinung kundzutun und streben nicht ernsthaft nach einer Nominierung. Doch anstatt seine
Kampagne einzustellen, als deutlich wurde, daß Ronald Reagan von den Republikanern nominiert werden
würde, startete Anderson einen unabhängigen Wahlkampf fürden Einzug ins Weiße Haus. Anderson hatte
weder ein Thema noch eine persönliche Gefolgschaft.
Über vierzig Jahre vergingen, bevor erneut ein unab- Er hatte sich bestenfalls mit einer Stimmung identifihängiger Kandidat - der Gouverneur von Alabama ziert, die von gemäßigten und liberalen Republikanern
George C. Wallace - so viele Stimmen auf sich verei- und Demokraten geteilt wurde, die mit den von ihren
nigen konnte wie die obengenannten Kandidaten. Parteien Nominierten unzufrieden waren. Damit erWallace hatte zum ersten Mal landesweit Aufmerk- rang er 1980 6,6 Prozent der Stimmen.
samkeit erregt, als er sich im Jahr 1963 in die Tür d?s
Verwaltungsgebäudes der University of Alabama stell- Ross Perots Einbruch in die Politik der Präsidentte, um die Einschreibung von zwei schwarzen Studen- schaftswahlen unterscheidet sich noch stärker von
ten zu verhindern. Er erklärte sich selbst zum Symbol frühere.i Bewerbungen dritter Kandidaten. Perot baut
des Widerstands gegen die gerichtlich erzwungene seine Kandidatur nicht auf einem öffentlichen Amt,
Rassenintegration, und fünf Jahre später benutzte z; 3«i wörri aui seil .er? ^«atus als erfolgreicher Unternehsein gewonnenes nationales Ansehen um eine unab- mer aüt. Auen er identifiziert sich mit einer Stimmung
hängige Kandidatur für das Präsidentenamt zu beflü- und hat umgehend eine große Anhängerschaft von
Menschen um sich geschart, die von den Politikern
geln.
genug haben. Die unabhängigen Kandidaten hatten
Wallaces Wahlkampf im Jahr 1968 demonstrierte, daß sich zur Rekrutierung von Wahlkampfhelfern und
ein einstmals regional begrenztes Thema zu einem Beratern auf lokale oder regionale Parteiorganisationationalen Anliegen geworden war. Es hatte sich nen gestützt, selbst wenn diese zu Parteien gehörten,
inzwischen eine große schwarze Bevökerung im Norden aus denen die Anhänger dieser unabhängigen Kandigebildet, und deshalb gab es auch dort eine Opposition daten gerade austraten. Perot stützt sich statt dessen
gegen die Integrationspolitik der Bundesregierung. auf seinen immensen Reichtum, um aus seinen so
Nur durch die Gewinnung von Anhängern im Norden verschiedenen unpolitischen Bewunderern eine neue
gelang es Wallace, mit 13,5 Prozent der abgegebenen politische Organisation zu schmieden.
Stimmen ein zweistelliges Ergebnis zu erzielen. Indem er zeigte, daß sich der Widerstand gegen die Im 19. Jahrhundert repräsentierten Drittkandidaten
Integration auch im Norden ausgebreitet hatte, ver- echte Parteien. Weder die Anti-Masons noch die Free
deutlichte er gleichzeitig jedoch ebenfalls, daß die Soil Party kamen der Wahl eines Präsidenten nahe,
Unterstützung dafür auch den Süden erfaßt hatte. Die aber beide schufen Netze auf Gemeinde- und BundesProtestbewegung, die seine unabhängige Kandidatur staatsebene, die den Grundstein für Präsidentschaf1968 angetrieben hatte, wurde weder zur Grundlage ten der großen Parteien legten. Das Programm der
einer neuen Partei - wie im Falle der Anti-Masons und Free Soil Party wurde zum Programm der Republikader Free Soil Party -, noch wurde sie von einer der nischen Partei, und die Demokraten nahmen das
großen Parteien einverleibt, wie bei den Populisten Programm der Populisten auf.
Seite 4
AMERIKA DIENST 43
Im 20. Jahrhundert waren die Kandidaten von Drittpar- was seiner Kandidatur nahezu Zufallscharakter verteien, ausgenommen Eugene V. Debs, mehr oder leiht. Perot handelte völlig außerhalb des Parteiensyweniger charismatische Persönlichkeiten anstatt stems und nominierte sich selbst zum Kandidaten der
Unpolitischen.
Bannerträger wirklicher Parteien. Theodore RooseveK und Robert LaFollete verbrachten Jahre damit,
Im 20. Jahrhundert vollzog sich eine Entwicklung hin
einen Ruf als republikanische Progressive aufzubauzu
Kandidaten, die sich zunehmend als politische
en, bevor sie die Partei verließen, um als Unabhängige
Randfiguren
erwiesen. Ross Perots Kandidatur jezu kandidieren. George Wallace bereitete seine
doch
bezeugt
ein weiteres Mal die anhaltende Stärke
Kandidatur vor, indem er einen Protest gegen die
jener
Art
progressiven
Denkens, die die Politik verabPolitik seiner Partei anführte. John Anderson fand bis
scheut
und
bestrebt
ist,
Probleme des Regierens mit
zum Beginn seiner Kampagne keine Gefolgschaft,
unternehmerischen Methoden zu lösen.
*
AMERIKA DIENST 43
*
*
*
Seite 5
Herunterladen