Selen Substanz und Vorkommen Selen kommt in der Natur in verschiedenen organischen und anorganischen Verbindungen vor. Wie wirkt die Substanz? Selen ist ein lebensnotwendiges Spurenelement. Es beeinflusst verschiedene Enzyme im Körper. Hierzu gehören insbesondere Enzyme, die für die Entgiftung schädigender Substanzen und deren Ausscheidungen zuständig sind. Ob die in der Natur in verschiedenen organischen und anorganischen Verbindungen vorkommenden Formen gleich wirksam sind oder eine zu bevorzugen ist, ist noch umstritten. In der Tumortherapie werden für Selen verschiedene Wirkungen angenommen: eine schützende Wirkung vor der Entstehung von Tumoren, eine Hemmung des Wachstums von Tumorzellen, die Einleitung des programmierten Zelltodes von Tumorzellen (sog. Apoptose) und eine Hemmung der Durchblutung von Tumoren. Selen hat Einfluss auf die Differenzierung und das Wachstum von Zellen und auf die Kontrolle der Zellteilung. Erst sehr hohe Dosierungen führen den programmierten Zelltod herbei, können aber auch giftige Auswirkungen haben. Die Wirkung von Selen im menschlichen Körper ist vermutlich dosisabhängig. Dosierungen in Höhe der normalen Nahrungszufuhr wirken antioxidativ, höhere Dosierungen führen zu einer Verbesserung der Immunantwort. Selenmangel kann zu einer verminderten Aktivität von Killerzellen (spezielle Formen von weißen Blutkörperchen) führen, die eine wichtige Aufgabe in der Tumorabwehr haben. Höher dosierte Selengaben führen zu einer Verbesserung der Aktivität von natürlichen Killerzellen und anderen an der Tumorabwehr beteiligten Zellen. Bei verschiedenen bösartigen Tumoren wurden verminderte Selenspiegel der Patienten festgestellt (Brustkrebs, nicht kleinzelliger Lungenkrebs, Darmtumoren, Magentumoren, gynäkologische Tumoren, Kopf-Hals-Tumoren und Prostatakrebs). Die Konzentration von Selen im Blut hat eine Bedeutung für Krebspatienten, wie erste Untersuchungen zeigen. Niedrige Selenspiegel bei Diagnosestellung waren in einigen Fällen ein Hinweis für einen schlechteren Krankheitsverlauf. Bisher wurde nicht untersucht, ob die gezielte Selengabe in diesen Fällen die Therapie günstig beeinflussen kann. Selen beeinflusst Enzyme, die an der Verstoffwechselung von Medikamenten beteiligt sind. Hierdurch können theoretisch Wechselwirkungen zwischen Selen und Medikamenten entstehen, über die wir noch wenig wissen. Zahlreiche Laborexperimente belegen eine Wirksamkeitssteigerung der Chemotherapeutika durch Selen. Hierzu gehören 5-Fluorouracil, Oxaliplatin und Irinotecan sowie Adriamycin und Taxol®. Diese Daten konnten im Tierversuch bestätigt werden. Auch die Wirksamkeit einer Strahlentherapie kann Laborexperimenten zufolge möglicherweise erhöht werden. Selen kann die Nebenwirkungen der Chemo- und Strahlentherapie abschwächen. Es vermindert die nierenschädigende Wirkung von Cisplatin, ebenso die herzmuskelschädigende Wirkung von Anthracyclinen. Möglicherweise trägt Selen auch zur Stabilisierung des Blutbildes während einer Chemotherapie bei. In verschiedenen Untersuchungen besserten sich Ödeme. Dies gilt sowohl für die Entstehung von Ödemen unter einer Strahlentherapie als auch für Lymphödeme nach Operationen. Der gezielte Einsatz von Selen wird aber nicht einheitlich empfohlen, da einzelne Untersuchungen ein verbessertes Überleben von Karzinomzellen durch Hinzugabe von Selen im Laborexperiment ergeben. In sehr hohen Dosierungen kommt es zu einer Vergiftung mit Selen, zu Übelkeit, Erbrechen und Gewichtsverlust sowie zu einer vermehrten Erregbarkeit. Was empfiehlt Ihr Arzt? ________________________________________________________________ Zusammenfassend ist Selen ein wesentliches Spurenelement mit einer hohen Bedeutung für Tumorpatienten. Neben dem Schutz vor der Entwicklung eines Tumors kann Selen auch zu seiner Bekämpfung beitragen. Selen kann zur Prävention (50-100 ug täglich) empfohlen werden. Eine Einnahme während einer Chemo- oder Strahlentherapie sollte mit dem Arzt besprochen werden. Die Dosierungen zur Abschwächung von Nebenwirkungen sind noch unklar. Oft werden 200-300 (bis 1 000) ug täglich empfohlen. Diese hohen Dosierungen dürfen längerfristig nicht ohne Kontrolle der Blutspiegel eingenommen werden, da es auch zu Vergiftungen kommen kann!