Folgen und Reihen

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Schülerzirkel Mathematik
Fakultät für Mathematik. Universität Regensburg
Folgen und Reihen
Wenn jemand der Frage Eins, drei, sechs, zehn, fünfzehn ..., was kommt dann?“
”
nachgeht, setzt er sich mit Zahlenfolgen auseinander. Auch in Intelligenz- oder Einstellungstests wird man oft aufgefordert, bestimmte Muster in solchen Folgen zu
erkennen und diese fortzusetzen. Dies gilt offenbar als eine grundlegende mathematische Fähigkeit. Folgen und Reihen sind tatsächlich auch ein wichtiger Bestandteil
eines mathematischen oder naturwissenschaftlichen Studiums. Eine Frage ist dabei
zum Beispiel, ob sich allgemeine Formeln für solche Zahlenfolgen finden lassen.
Beispiel 1. Beispiele für Zahlenfolgen:
a) 2, 4, 8, 16, 32, 64, 128, 256, ...
b) −4, −7, −10, −13, −16, −19, −22, ...
c)
1 1 1 1 1
1, 2, 3, 4, 5,
...
d) 1, −1, 1, −1, 1, −1, 1, −1, ...
Thema vom 19. Januar 2015. Einsenden der Lösungen bis 13. März 2015.
Schülerzirkel Mathematik, Fakultät für Mathematik, 93040 Regensburg
http://www.mathematik.uni-r.de/schuelerzirkel, [email protected]
1
Folgen
Definition 1. Eine Folge ist eine Zuordnung, bei der jeder natürlichen Zahl ein sogenanntes Folgenglied zugeordnet wird.1 Die natürliche Zahl 1 wird dabei dem
Folgenglied a1 zugeordnet, die natürliche Zahl 2 dem Folgenglied a2 , usw.
Die Schreibweise für eine Folge ist (an )n∈N (oder kurz: an ), wobei n die jeweilige
natürliche Zahl bezeichnet, die einem Folgenglied an zugeordnet wird.
Dieser Zuordnungscharakter lässt sich z.B. mit Hilfe einer Tabelle für die beiden
Folgen (an )n∈N und (bn )n∈N verdeutlichen:
1
n
an =
bn =
1
n
n2
2
3
1
2
a1 = 1
a2 =
b1 = 1
b2 = 4
a3 =
4
1
3
b3 = 9
a4 =
5
1
4
b4 = 16
a5 =
...
1
5
b5 = 25
...
...
1000
a1000 =
1
1000
b1000 = 1.000.000
...
...
...
Die formale Schreibweise für die Folge an ist:
(an )n∈N = ( n1 )n∈N = (1, 12 , 13 , 14 , 15 , ...).
Dabei wird jedem Element n der natürlichen Zahlen das Folgenglied an =
net.
2
1
n
zugeord-
Spezielle Folgen
Die obige Folge (an )n∈N = ( n1 )n∈N hat einen speziellen Namen. Sie heißt harmonische
Folge.
Wir besprechen im Folgenden weitere wichtige Beispiele von speziellen Folgen.
Arithmetische Folgen
Die Folge (bn )n∈N = (4, 7, 10, 13, 16, 19, 22, ...) ist eine typische arithmetische Folge.
Arithmetische Folgen sind dadurch charakterisiert, dass die Differenz d zweier benach1
Wenn du die Begriffe Abbildung“ und reelle Zahlen R“ bereits kennst, lautet die formale Definition:
”
”
Eine Folge (an )n∈N ist eine Abbildung f : N → R. Zu jedem n ∈ N exisitiert also ein an ∈ R mit
f (n) = an
2
barter Folgenglieder immer gleich groß ist. Im Falle der Folge bn ist diese Differenz
immer 3.
Diese Differenz d kann auch negativ sein. Damit ist z.B. bn = 13, 7, 1, −5, −11, ...
auch eine arithmetische Folge mit Differenz d = −6.
Um das n-te Folgenglied einer arithmetischen Folge zu bestimmen, kann man zum
ersten Folgenglied (n − 1)-mal die Differenz addieren. Für arithmetische Folgen
(an )n∈N gilt also: Es gibt ein d, so dass für alle n ∈ N gilt:
an = a1 + (n − 1)· d.
Geometrische Folgen
Die Folge (cn )n∈N = (2, 4, 8, 16, 32, 64, 128, ...) ist ein Beispiel für eine geometrische
Folge. Geometrische Folgen sind dadurch charakterisiert, dass der Quotient q zweier
benachbarter Folgenglieder immer gleich groß ist. Es gibt also ein q, so dass für alle
n ∈ N gilt: cn+1
cn = q.
Im Falle der Folge (cn )n∈N ist dieser Quotient q immer gleich 2.
Der Quotient q kann auch zwischen 0 und 1 liegen oder auch negativ sein. Damit
ist z.B. auch (dn )n∈N = (8, −4, 2, −1, 21 , − 14 , ...) eine geometrische Folge mit Quotient
q = − 12 .
Um das n-te Folgenglied einer geometrischen Folge zu bestimmen, kann man das
erste Folgenglied (n − 1)-mal mit dem Quotienten multiplizieren. Für geometrische
Folgen an gilt also: Es gibt ein q, so dass für alle n ∈ N gilt:
an = a1 · q n−1
Obige geometrische Folge (dn )n∈N ist außerdem alternierend, da die einzelnen Folgenglieder abwechselnd positiv und negativ sind.
3
Fibonacci-Folge
Die berühmte Zahlenfolge (fn )n∈N = (1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, ...) heißt Fibonacci-Folge.
Die ersten beiden Folgenglieder a1 und a2 sind 1. Jedes weitere Folgenglied ist gleich
der Summe der beiden vorhergehenden Folgenglieder.
Für die Fibonacci-Folge (fn )n∈N gilt also für alle n ∈ N:
fn+2 = fn+1 + fn .
Diese Folge wurde nach dem italienischen Mathematiker Leonardo da Pisa benannt,
der auch Fibonacci genannt wurde. Er beschrieb mit dieser Folge in seinem 1202
erschienenen Werk Liber Abaci“ das Wachstum einer Kaninchenpopulation.
”
Aufgabe 1 (∗ ).
Gib jeweils an, ob es sich um eine arithmetische oder geometrische Folge handelt
(gib d oder q an) und bestimme die gesuchten Folgenglieder:
a) (an )n∈N = (7, −4, −15, ...);
gesucht: a75
b) (bn )n∈N = (36, 186, 961, ...);
gesucht: b4
c) (cn )n∈N = (−5, 25, −125, 625, ...);
gesucht: c8
d) (dn )n∈N = ( 12 , 65 , 67 , 23 , ...);
gesucht: d16
Aufgabe 2 (∗ ).
a) Das wievielte Glied einer arithmetischen Folge mit a1 = 12 und d = 22 ist das
erste, das größer als 10000 ist?
b) Zwischen den Zahlen 1 und 256 sollen drei Zahlen so eingeschoben werden, dass
eine geometrische Folge entsteht. Welche Zahlen sind es?
c) Ab welchem Folgenglied ist der Unterschied zwischen zwei benachbarten Folgengliedern der Fibonacci-Folge größer als 100?
Begründe jeweils deine Antwort!
3
Bildungsgesetz
Wie wir bereits gesehen haben, gibt es im Wesentlichen zwei verschiedene Möglichkeiten, die Bildungsregel für das n-te Glied einer Folge anzugeben.
4
Explizit
Das Bildungsgesetz wird so formuliert, dass man das n-te Folgenglied sofort durch
Einsetzen der natürlichen Zahl n in eine Formel erhalten kann.
Beispiel 2. Die harmonische Folge (an )n∈N = ( n1 )n∈N .
Rekursiv
Das Bildungsgesetz wird mithilfe vorheriger Folgenglieder formuliert. Hierbei muss
ein oder mehrere Startwerte vorgegeben werden.
Beispiel 3. Sei (an )n∈N gegeben durch den Startwert a1 = 700 und die Rekursion
an = an−1 + 16 für alle n ∈ N.
Beispiel 4. Sei (an )n∈N gegeben durch die Startwerte a1 = 1, a2 = 1 und die FibonacciFolge an+2 = an+1 + an für alle n ∈ N.
(Der Begriff der Rekursion wurde bereits in einem der vorhergehenden SchülerzirkelArbeitsblätter2 thematisiert.)
Aufgabe 3 (∗ ).
a) Gib jeweils ein Bildungsgesetz explizit an!
(an )n∈N = ( 22 , 34 , 46 , 58 , ...)
(bn )n∈N = (2, 32, 162, 512, 1250, ...)
b) Gib jeweils zugehörige Bildungsgesetze sowohl rekursiv als auch explizit an!
(cn )n∈N = (1, −4, −9, −14, ...)
1
(dn )n∈N = (1, 12 , 14 , 18 , 16
, ...)
c) Gib das Bildungsgesetz der rekursiv definierten Folge in expliziter Form an!
Sei (en )n∈N mit e1 = 1 und en+1 = en + 2 für alle n ∈ N.
2
siehe das Blatt über Induktion:
http://www-app.uni-regensburg.de/Fakultaeten/MAT/schuelerzirkel/pmwiki/uploads/
Thema_2012-13-4_Induktion.pdf
5
4
Eigenschaften von Folgen
Beschränktheit
Definition 2. Eine Folge (an )n∈N ist nach oben beschränkt, wenn es eine Zahl b gibt,
so dass für alle n ∈ N gilt: an ≤ b. Dementsprechend ist sie nach unten beschränkt,
wenn es eine Zahl c gibt, so dass für alle n ∈ N gilt: an ≥ c.
Beispiel 5. Die Folge (an )n∈N = ( n1 )n∈N ist nach unten durch 0 beschränkt. Alle
Folgenglieder an sind größer als 0.
Weiterhin ist die Folge durch 1 nach oben beschränkt. Das erste Folgenglied a1 = 1
ist das größte Glied der Folge. Alle weiteren Folgenglieder sind kleiner als a1 , so dass
für alle natürlichen Zahlen n gilt: a1 ≥ an .
Man sagt auch, die Zahl 0 ist eine untere Schranke und die Zahl 1 ist eine obere
Schranke der Folge ( n1 )n∈N .
Beispiel 6. Die Folge (bn )n∈N = (3n)n∈N ist nach unten durch die Zahl 3 beschränkt.
Die Folge ist aber offensichtlich nicht nach oben beschränkt, da sie beliebig groß“ (al”
so größer als jede Zahl) werden kann. Es kann also keine obere Schranke gefunden
werden.
Monotonie
Definition 3.
• Eine Folge ist monoton steigend, wenn gilt a1 ≤ a2 ≤ a3 ≤ ... Das heißt, nachfolgende Folgenglieder sind stets größer oder gleich den vorherigen Folgegliedern:
Für alle n ∈ N gilt also an ≤ an+1 .
• Sie heißt streng monoton steigend, wenn die Folgenglieder stets echt größer
sind als die vorherigen Folgenglieder (a1 < a2 < a3 < ...).
• Dementsprechend ist eine Folge monoton fallend, wenn gilt a1 ≥ a2 ≥ a3 ≥ ...,
d.h. für alle n ∈ N gilt: an ≥ an+1 .
• Sie heißt streng monoton fallend, wenn die Folgenglieder stets echt größer sind
als die folgenden Glieder (a1 > a2 > a3 > ...).
Beispiel 7. Wir überprüfen die Folge (an )n∈N = n1 auf die Eigenschaft streng monoton
”
fallend“:
Dazu kann man die explizite Formel der Folge ( n1 )n∈N in die Ungleichung an+1 < an
6
1
einsetzen. Man erhält: n+1
< n1 . Diese Aussage ist für alle natürlichen Zahlen n wahr.
1
Die Folge ( n )n∈N ist also streng monoton fallend.
Aufgabe 4 (∗∗ ).
Untersuche die Zahlenfolgen auf Beschränktheit und gib gegebenenfalls eine Schranke
an:
a) (an )n∈N mit an =
n
2n+3
b) (bn )n∈N mit bn =
n2
n+1
für alle n ∈ N
für alle n ∈ N
c) (cn )n∈N mit cn = (−1)n für alle n ∈ N
Aufgabe 5 (∗∗ ).
Untersuche die Zahlenfolgen auf Monotonie:
a) (an )n∈N mit an =
n2 +2
2
b) (bn )n∈N mit bn =
n2 −10n+25
n2 +4n+4
c) (cn )n∈N mit cn =
2n+1
3n
für alle n ∈ N
für alle n ∈ N
für alle n ∈ N
Hinweis: Oft ist es hilfreich, den Quotienten an+1
an bzw. die Differenz an+1 − an zu
bilden und zu untersuchen, ob dieser Quotient stets größer (oder kleiner) als 1 bzw.
die Differenz stets größer (oder kleiner) als 0 ist.
5
Reihen
Sei (an )n∈N eine Folge. Man kann aus dieser Folge nun eine sogenannte Reihe (sn )n∈N
konstruieren, indem man im n-ten Schritt die ersten n Folgenglieder addiert.
Beispiel 8. Sei die Folge (an )n∈N = ( n1 )n∈N . Dann lauten die entsprechenden Glieder
der Reihe (sn )n∈N :
n
1
2
an
a1 = 1
a2 =
sn
s1 = 1
s2 = 1 +
3
1
2
1
2
a3 =
=
3
2
s3 = 1 +
1
2
1
3
+
1
3
=
11
6
...
n
...
an =
...
sn = 1 +
1
2
+
1
3
1
n
+ ... +
1
n
Eine Reihe ist eine spezielle Folge, die durch sukzessive Addition der Glieder einer
zugrundeliegenden Folge (an )n∈N entsteht. Die (unendliche) Folge (sn )n∈N wird
deshalb auch als Folge der Partialsummen sn bezeichnet.
7
= ...
6
Spezielle Reihen
Die Reihe (sn )n∈N aus obigem Beispiel heißt harmonische Reihe. Legt man die Folge
(an )n∈N = (−1)n−1 · n1 zugrunde, erhält man die alternierende harmonische Reihe.
Arithmetische Reihen und Geometrische Reihen
Bei einer arithmetischen Reihe werden die Glieder einer arithmetischen Folge addiert
und bei einer geometrischen Reihe entsprechend die Glieder einer geometrischen
Folge (vergleiche dazu Abschnitt 2).
Die n-te Partialsumme einer geometrischen Reihe lässt sich mit folgender Formel
berechnen:
(
a1 · n
für q = 1
Für alle n ∈ N gilt sn =
1−q n
a1 · 1−q
für q 6= 1
Dabei ist a1 das erste Glied der zugrunde liegenden Folge und q der konstante
Quotient zweier benachbarter Folgenglieder (siehe Abschnitt 2).
Beispiel 9. Die zugrunde liegende geometrische Folge (an )n∈N sei
(an )n∈N = (1, 2, 4, 8, 16, 32, 64, 128, ...) = (2n−1 )n∈N .
Die Partialsumme s5 ist dann s5 = 1 ·
1−25
1−2
= 31.
Aufgabe 6 (∗∗ ).
a) Berechne s7 für die alternierende harmonische Reihe und untersuche diese auf
Monotonie.
b) Zeige, dass die harmonische Reihe keine obere Schranke besitzt.
n
c) Leite die Formel sn = a1 · 1−q
1−q für q 6= 1, n ∈ N der geometrischen Reihe (s. oben)
her.
d) Sei (an )n∈N = (n)n∈N . Berechne s100 möglichst geschickt.
e) Welche Besonderheit fällt dir auf, wenn du die Reihe (sn )n∈N zur Folge aus
Aufgabe 3c) betrachtest? (Kein Beweis erforderlich)
8
7
Ausblick
Was passiert nun mit den Gliedern der von uns bislang betrachteten Folgen, wenn
n gegen unendlich läuft“? Beschäftigt man sich noch etwas weitergehend mit Folgen
”
und Reihen, stößt man in diesem Zusammenhang sehr bald auf den Begriff der
Konvergenz, der in der Analysis (einem Teilgebiet der Mathematik) sehr wichtig
ist. Man nennt eine Folge konvergent, wenn sich die einzelnen Folgenglieder immer
”
mehr“ einem sogenannten Grenzwert annähern.
Die Folge (an )n∈N = n1 hat beispielsweise den Grenzwert 0 und ist somit konvergent.
Manchmal haben Folgen aber auch keinen Grenzwert, wie zum Beispiel die Folge
(n)n∈N = (1, 2, 3, 4, 5, ...).
Konvergente Folgen sind immer beschränkt. Tatsächlich genügt es beispielsweise zu
zeigen, dass eine Folge an z.B. nach oben beschränkt und monoton steigend ist. Dann
muss sie konvergent sein und einen Grenzwert besitzen.
Wenn Folgen Folgen folgen
Wir werden in einem der nächsten Schülerzirkelarbeitsblätter das Thema Folgen
”
und Reihen“ wieder aufgreifen. In diesem neuen Blatt werden wir zeigen, wie man
Folgen auf Konvergenz untersuchen kann und wie man gegebenenfalls Grenzwerte
konvergenter Folgen bestimmen kann. Dabei werden wir auch sehen, dass es sogar
unendliche Reihen gibt (mit unendlich vielen positiven Summanden), die dennoch
einen endlichen Summenwert besitzen.
Weiterführende Links
http://www.mathe-online.at/lernpfade/FolgenundReihen/
http://www.matheprisma.uni-wuppertal.de/Module/Rekurs/index.htm
http://www.br.de/fernsehen/ard-alpha/sendungen/mathematik-zum-anfassen/
mathematik-zum-anfassen-fibonacci-zahlen100.html
http://www.staff.uni-giessen.de/~g013/goldfibo/goldfibo.pdf
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