Abstracts of the article “Mehr Götterkind als man ertragen kann

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Abstracts of the article “Mehr Götterkind als man ertragen kann”
Written by Thomas Steinfeld
On Süddeutsche Zeitung, May 5th 2009
Hier leuchtet der hellste Komet des frühen sechzehnten Jahrhunderts: Der junge Raffael in Urbino.
(…) “Das Porträt der Elisabetta Gonzaga hängt gegenwärtig, neben dem Bildnis ihres Gatten
Guidubaldo da Montefeltro, in einem hohen, hellen Raum, der vor fünfhundert Jahren zu den
Gemächern der Herzogin gehörte. Ließen sich die Fenster öffnen, man schaute auf eine Landschaft,
die der Maler allenfalls ein wenig komprimierte, die aber deutlich dieselbe ist: eine kleinteilige
Gegend, in der es beständig auf und ab geht, lauter Hügel und Berge, durchzogen von ein paar
steinigen Flusstälern, ein wenig fruchtbares Land, und läge das Meer nicht dort, wo die Sonne
gerade zu versinken scheint, so gut wie abgeschnitten von der Welt. Urbino und die Renaissance das ist eine Verknüpfung wider die Wahrscheinlichkeit und die Bestätigung eines Traums, dass sich
das Gute und Schöne zu solchem Glanz und solcher Macht verbinden können, dass man sie selbst in
den Metropolen wahrnimmt und achtet. Und dann Raffael, ‘Raphael Urbinas’, wie er zeit seines
Lebens und bis heute auch heißt - in die Mitte dieser kleinen Stadt hineingeboren, Sohn eines
Goldschmieds, Dichters und Malers, der selbst schon eine respektable Werkstatt unterhielt,
aufgezogen an diesem Hof. Und wie es dann hinaufging mit diesem jungen Mann, einem veritablen,
geschmeidigen, geschickten Kunstunternehmer, nach Perugia, Florenz und Rom, mit lauter Bildern
von lichten, reinen Figuren, so weit hinauf, dass er selbst Michelangelo in Rom gefährlich wurde.
Noch gefährlicher wäre er ihm geworden, wäre er nicht schon 1520 gestorben, gerade
siebenunddreißig Jahre alt.” (…)
“Beim Volk ist Raffael immer beliebt gewesen, bei Künstlern und Gelehrten weniger, und das gilt
vor allem für das zwanzigste Jahrhundert, das stets das ‘Wesen’ der Dinge dargestellt sehen wollte
und nicht deren schönen Schein. So verblasste Raffaels heller Glanz, der noch das ganze
neunzehnte Jahrhundert begeistert hatte, und wich dem weitaus spröderen Reiz der Individualität,
den Faltenwürfen Michelangelos vor allem, in denen immer auch etwas Hässliches steckt - denn
wer, wie Raffael, solche Idiosynkrasien fortlässt, der gerät in den Verdacht, zu heucheln, zu
beschönigen und die ‘Wahrheit’ verbergen zu wollen. Die "Wahrheit" ist natürlich immer schwach,
und in ihrem Innersten wohnt immer das Leid. Mit Götterkindern dagegen weiß die Moderne nicht
viel anzufangen. Dabei sind Raffaels Gestalten - diese Madonnen, diese Engel - ja nicht einmal
triumphal, sondern zart, milde, entgrenzt.” (…)
(…) “Raffaels früher Tod ist eine Entlastung: Durch ihn erhält dieses Werk eine Zuspitzung zur
kurzen, heftigen Einmaligkeit, die dann durch die Geschichte, durch den Einfall deutscher Söldner
im Vatikan, den ‘sacco di Roma’, im Jahr 1527, durch die Wendung der italienischen Renaissance
zum Manierismus bestätigt wurde. Nicht minder groß aber ist die Entlastung, die nun in Urbino
gewährt wird: Denn die Ausstellung ‘Raffaello e Urbino’ zeigt ja nicht nur eine Vielzahl von
Werken des jungen Künstlers, sondern auch die seiner räumlichen und intellektuellen Umgebung.
Und gewiss, an Giovanni Santi, am Vater, der über Jahrhunderte hinweg als inferiorer Maler gelten
musste, ist kulturhistorisch einiges wiedergutzumachen, vor allem im Hinblick auf die
Menschendarstellung.”(…)
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