20.10.2010 Architektonischer Uni-Rundgang

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ARCHITEKTONISCHER RUNDGANG AN DER TU BS
Einleitung
Das Altgebäude .........................1
Der Grotrian ..............................2
Die elektrotechnischen Institute ...3
Das Haus der Wissenschaft .......4
Die Mensa
...............................5
...............6
Das Forumsensemble
BS4
.........................................7
BS8
.........................................8
Das APM
.................................9
Die Chemischen Institute .........10
Der Ausstellungspavillon
Die Kita
........11
................................12
Das Hörsaalgebäude
Literaturverzeichnis
Übersichtsplan
..............13
ECKDATEN DER HOCHSCHULE
EINLEITUNG
1745 Gründung des Collegium Carolinum im
Herzogtum Braunschweig durch Herzog Karl
I. und seinen Berater Abt Jerusalem, besucht
von Söhnen Adliger sowie reicher Bürger,
zwecks Vorbereitung auf die Braunschweigische Landesuniversität Helmstedt, aber auch
für berufsbezogene Ausbildung interessierter
Landeskinder.
1835 Reorganisation: zum humanistischen
und volkswirtschaftlichen Zweig kommt eine
technische Abteilung hinzu, in der Ingenieure, Chemiker, Pharmazeuten, Landwirte und
Baumeister ausgebildet werden. 1862 Umwandlung in ein Polytechnikum.
1878 Die Bildungsinstitution wird zur Technische Hochschule mit dem Namen „CaroloWilhelmina“. Unterstützt vom Verein deutscher Ingenieure wird das Niveau an jenes
der Universitäten angeglichen.
1924 Nach wirtschaftlich schwierigen Zeiten
der Hochschule, in der die Forschung inzwischen zum zweiten Standbein geworden war,
Einwerbung von Mitteln aus der Industrie
unter Carl Mühlenpfordt und Ausbau sowie
Modernisierung der Hochschule.
1968 Nach inhaltlicher Erweiterung Umbenennung in „Technische Universität“.
1997 – 2008 Die Zahl der Studierenden sinkt
von 18.000 auf 12.000. Zeitgleich finden
einschneidende Umstrukturierungen statt:
Abkehr vom Humboldtschen Bildungsbegriff,
Einführung verschulter Bachelor- / Masterstudiengänge, Sparprogramme des Landes
und in Folge dessen mehr Einfluss der Wirtschaft auf Universitätsentscheidungen z.B.
über Drittmittel und nicht zuletzt politische
Durchsetzung von Studiengebühren.
ECKDATEN BAULICHER ENTWICKLUNG
1745 Das Collegium startet seinen Betrieb
mitten in der noch mittelalterlich geprägten
Stadt zwischen Fürstenresidenz und Hagenmarkt. Es bezieht ein bestehendes Gebäudeensemble am Bohlweg. In der Folgezeit
werden zahlreiche Um-, An- und Neubauten
vorgenommen, die zum einen die Bedeutung der Institution hervorheben sollen, zum
anderen den Bedürfnissen der Lehranstalt
Rechnung tragen, deren Raumbedarf immer
weiter steigt.
1933 Entlassungsbeginn zahlreicher jüdischer und politisch missliebiger Hochschullehrer unter nationalsozialistischer Regierung sowie Verlust zahlreicher Studenten,
die für den Kriegsdienst eingezogen werden.
Außerdem Ausrichtung auf „kriegswichtige“
Projekte, z.B. durch die Gründung eines
„Luftfahrtlehrzentrums“. Umfangreiche Pläne
zum Ausbau der Hochschule scheitern.
1873 Schließlich wird ein 1,7 Hektar großes
Terrain zwischen Wenden- und Fallersleber
Tor gekauft wird. Bis 1877 entsteht daraufhin
an der heutigen Pockelsstraße ein für 450
Studenten ausgelegter Neubau (↑ Altgebäude der TU), dem ein Bedarf von bis zu 130
Studienplätzen gegenübersteht. Die Planung
des Neubaus zielt auch auf eine deutliche
Erhöhung der Studentenzahlen. Um die Attraktivität der Institution zu erhöhen soll die
Fächervielfalt sowie die Ausbildungsqualität
erhöht werden.
1945 Große Kriegszerstörungen und die
Eingliederung des bisher selbstständigen
Landes Braunschweig in das Land Niedersachsen, führen zu Überlegungen, die TH
Braunschweig mit der TH Hannover zusammenzulegen. Ab Mitte der 50er Jahre dann
aber doch rasanter Wiederaufbau der TH
Braunschweig, der in den 60er und 70er
Jahren in eine weitreichende Expansion
übergeht, um dem „Bildungsnotstand“ zu begegnen.
1925 Carl Mühlenpfordt übernimmt die Hochschulleitung und geht die erneut auftretende
eklatante Raumnot an. Innerhalb von nur vier
Jahren gelingt es durch Einwerbung großer
Summen aus der Industrie zwei Neubauten
und zwei umfangreiche Ausbauten zu realisieren (↑ elektrotechnische Institute). Die
starke Konzentration auf die Ausstattung
der technischen Fächer geht allerdings zu
Lasten naturwissenschaftlicher, geistes- und
sozialwissenschaftlicher Fächer.
1935 Baubeginn der Rusthochschule zur
Lehrerbildung. Ursprünglich als Teil der TH
geplant, setzen sich führende Personen der
NSDAP erfolgreich für eine eigenständige Institution ein, um mehr ideologischen Einfluss
zu gewinnen. Auch in der Architektur spiegelt
sich dieses Ansinnen wieder (↑ Haus der
Wissenschaft). 1978 gehen die Gebäude
schließlich in den Besitz der TU über.
1939 Umfangreiche Erweiterungspläne im
Nordosten der bestehenden Bauten beginnen. Zu deren Verwirklichung werden Grundstücke gekauft bzw. enteignet, was zu ersten
Verzögerungen führt. Durch den Krieg wird
eine Bebauung schließlich unmöglich.
1945 Im Juli beginnt unter dem neuen Rektor
Gustav Gassner die Koordination aller notwendiger Wiederherstellungs- und Baumaßnahmen der stark zerstörten TH-Gebäude.
Um den Bestand der Hochschule nicht durch
lange Bauzeiten zu gefährden, wird die Idee
der Errichtung einer kompletten Neuanlage
verworfen. Wegen des Arbeitskräftemangels
werden alle Studenten verpflichtet, am Wiederaufbau mitzuwirken. Bereits im November
sind die Instandsetzungsmaßnahmen so weit
fortgeschritten, dass der Lehrbetrieb wieder
aufgenommen werden kann.
1946 Es entsteht eine Hochschulgesamtplanung, deren Mittelpunkt das alte Hauptgebäude darstellt. Im Folgejahr haben sich
die Planungen auf das südlich angrenzende
Gelände bis hin zur Fallersleber Straße ausgedehnt. Dieses Konzept scheitert jedoch an
interner Kritik sowie an der privaten Wiederbebauung der benötigten Grundstücke. Eine
großflächige Bausperre kann mangels einer
vom Land gebilligten Hochschulplanung nicht
durchgesetzt werden.
1950 Die im „Dritten Reich“ erworbenen Flächen zwischen langem Kamp und Bültenweg
kommen erneut ins Blickfeld der Erweiterungspläne. Die Verdopplung der Studentenzahlen auf 4.437 in den fünfziger Jahren
macht diesen Schritt notwendig. Die zugehörigen städtebaulichen Direktiven werden
maßgeblich vom Braunschweiger Stadtbaurat Johannes Göderitz geprägt, der für „auf-
gelockerte, verkehrsgerechte, funktional und
hygienisch gegliederte“ Großstädte eintritt.
Dieses Konzept wird in ganz Braunschweig
großflächig umgesetzt, allerdings durchbrochen von sogenannten „Traditionsinseln“, zu
denen nun auch der Zentralbereich der TH
gezählt wird. Bis 1959 entstehen erste Institutsbauten auf dem Erweiterungsgelände
„Langer Kamp“, die hauptsächlich dem Maschinenbau zugeordnet sind.
1957 Der Ausbau beschleunigt sich in dem
Maße wie die Studentenzahlen wachsen.
Neben den der Lehre vorbehaltenen Bauten
entstehen jetzt auch verstärkt Forschungslaboratorien auf dem Areal „Der Bülten“.
1958 Beginn des Ausbaus im Zentralbereich
(↑ Forumsensemble).
1960 Die Planungen gehen inzwischen von
einem Maximum von 6000 Studenten aus.
Dennoch werden keine Einrichtungen für
soziale Infrastruktur eingeplant. Vielmehr erfolgt eine aufgelockerte Institutsbebauung mit
reichlich Grünraum im Bereich „Der Bülten“.
Das Verkehrskonzept orientiert sich an den
Prognosen einer zunehmenden Intensivierung des PKW-Verkehrs.
1970 Mit dem Bau des Elektrotechnikhochhauses fällt die bisher mit der Hans-Sommer-Straße definierte südliche Grenze des
Erweiterungsbereiches. Es zeichnet sich die
Entwicklung eines bandartigen Hochschulbereiches ab. Außerdem fallen die entstehenden Neubauten durch radikalen Funktionalismus in der Außengestaltung auf und treten
als städtebauliche Dominanten hervor.
1976 Die bisher letzte große Ausbauphase
beginnt. Kernstück der Planung bildet die
Prognose einer dramatischen Zunahme der
Studentenzahlen von 5.018 im Jahr 1970 auf
12.700 im Jahr 1980, was auch tatsächlich
annähernd eintrifft. Eine postmoderne Architektur hält Einzug. Die Dimensionierung
der Baukörper orientiert sich nun an der
vorhandenen Bebauung, zerstört diese aber
zugleich durch massive Expansion. Aus wirtschaftlichen Gründen fällt die Erweiterung
letztendlich weitaus geringer aus als geplant.
1......
DAS ALTGEBÄUDE DER TU
Architekt: Constantin Uhde
Bauzeit: 1874 - 1877
ARCHITEKTEN: Mit der Ausarbeitung des
Entwurfes sowie des technischen Ausbaus
wird der Architekt Constantin Uhde beauftragt, während Karl Körner die Planung der
chemischen Laboratorien übernimmt. Beide
lehren zugleich am Polytechnikum.
ENTWURF: Die Grundlage des historisierenden Neubaus bildet ein nahezu quadratischer
Baukörper, der einen fast 50 x 50 m großen Innenhof umschließt. Der Ostflügel bildet noch
heute die Hauptfront aus. Die nördlichen und
südlichen, zweigeschossigen Seitenflügel
binden den eingeschossigen Chemietrakt als
westlichen Hofabschluss ein. Die Planung
eines geschlossenen Baukörpers emöglicht
die Realisierung eines „Technischen Museums“ mit Ausstellungsräumen entlang eines
Rundgangs im Erdgeschoss. Diese zusätzliche Nutzung schafft zwar Akzeptanz in der
Bevölkerung für den kostspieligen Neubau,
ist aber aufgrund der auftretenden Emissionen im Chemietrakt sowie der resultierenden
räumlichen Zwänge heiß umstritten.
EINORDNUNG IN DIE ZEITGENÖSSISCHE
ARCHITEKTUR: Die Anordnung der Gebäude stellt in der Reihe der zeitgenössischen
Hochschulbauten eine Ausnahme dar. Allerdings sind stilistische Verwandtschaften
mit der von Semper entworfenen Eidgenössischen Hochschule in Zürich (1858-1862)
sowie starke Ähnlichkeiten in der Fassadengestaltung mit dem Hauptgebäude des
Aachener Poytechnikums von Cremer und
Esser (1865-70) nachweisbar.
INNEN UND AUßEN: Die Ostfassade wird
als repräsentatives Antlitz des Gebäudekomplexes ausgebildet. Formen und Proportionen sind deutlich der norditalienischen
Hochrenaissance entlehnt. Die Front gliedert
sich symmetrisch durch den überhöhten Mittelrisalit (= ein auf ganzer Höhe hervorspringender Gebäudeteil) und die begrenzenden
Eckrisaliten. Kämpfer- (obere vorspringende
Platte einer Stütze) und Gurtgesims (vorkragendes Bauelement zwischen zwei Stockwerken) binden die Fassade in der Horizontalen zusammen.
Die Planung des Gebäudeinneren hingegen
ordnet sich funktionalen Zwängen unter. So
muss u. a. die zunächst zentral geplante Vertikalerschließung zwei Treppenaufgängen an
den Enden eines mittig gelegenen Erschließungsganges weichen. Erst die nach dem
Wiederaufbau geschaffene Situation mit der
zweiarmigen Treppenanlage im Mittelbau
und einer hofseitigen Verglasung verwirklicht
den ursprünglich anvisierten Gedanken. Besonders großzügig zeigt sich der Architekt in
der Bemessung von Zeichen- und Hörsälen
sowie in deren Belichtung.
WIEDERAUFBAU: Bereits Ende 1945 wird
mit Ausbesserungsarbeiten des stark zerstörten Gebäudes begonnen und der Lehrbetrieb in den nutzbaren Räumen wieder
aufgenommen. Während Ost- und Nordtrakt
weitestgehend unverändert wieder hergestellt werden, unterliegt der Bau bis 1959
folgenden wichtigen Änderungen: Verlegung
der Haupterschließung in die Achse des
Hauptportals und hofseitige Verglasung, partielle Einfügung von Zwischengeschossen
zur Gewinnung zusätzlichen Nutzraumes,
Neugliederung des Chemietraktes sowie
Einrichtung eines Hörsaals als Auditorium
Maximum durch Dieter Oesterlen, dessen
ansteigendes Volumen die massive Wand
zum Hof durchbricht. Der Südtrakt entfällt. An
seiner Statt plant Oesterlen ein 17-geschossiges scheibenartiges Hochhaus mit nur 10
m Tiefe für die Fakultät Bauwesen, das zwischen 1958 und 1960 entsteht. Mit seiner
flächigen, konstruktionsbetonenden Fassade und einem „Flugdach“ bildet es einen architektonischen Kontrapunkt zum Altbau. Ein
aufgeständerter Glasgang verbindet die beiden Gebäudevolumen in Ost-West-Richtung.
Auf diese Weise wird das umlaufende Wegesystem des Uhde-Baues wiederhergestellt.
2......
DER GROTRIAN
Architekten: Architekten Rasche,
Kratsch und Dr. Lassen
Bauherr: Klavierbaufirma
Grotrian-Steinweg
Bauzeit: 1889 - 1924
GESCHICHTE: Interessanterweise war
auch die Klavierbaufirma Grotrian-Steinweg,
ähnlich dem Collegium Carolinum, im 19.
Jahrhundert am Bohlweg angesiedelt. 1889
entsteht aus Platzgründen das erste Fabrikgebäude in der Zimmerstraße. Bis 1924
kommen fünf weitere Gebäude hinzu, von
denen nur die beiden zuletzt gebauten bis
heute erhalten sind.
ENTWURF: Der nördliche Trakt wird 1911
von den Architekten Rasche und Kratsch geplant. Die tragenden Außenmauern werden
in Mauerwerk ausgeführt, Stützen und Decken in Stahlbeton. Anders als bei den Vorgängerbauten werden die Fassaden recht
aufwändig gestaltet. Während das Erdgeschoss ohne Versprünge auskommt, finden
sich in den drei Obergeschossen Pfeilervorlagen, welche die Fenster in der Vertikalen
zu Gruppen zusammenfassen. Kurz unter
der Traufe wird die Fassade durch eine Art
Gebälk erneut zusammengebunden. Im Erdgeschoss finden sich tonnengewölbte, in den
Obergeschossen hingegen gerade Fensterstürze. Mit dem 1924 fertig gestellten Südtrakt addiert sich die Geschossnutzfläche
der Anlage auf stattliche 10.500 m². Das Gebäude wird dreigeschossig ausgeführt und
ähnelt in Konstruktion und Gestaltung dem
Nordtrakt. Die unteren Geschosse erhalten
drei Stützenreihen, das oberste bleibt stützenfrei, wird allerdings wesentlich niedriger
ausgeführt.
ZERSTÖRUNG UND WIEDERAUFBAU:
Nach einem Großbrand 1926 werden die zerstörten Teile der Anlage fast identisch wieder
aufgebaut. 1944 wird die Fabrik bei Luftangriffen stark zerstört. Nach anfangs kleineren
Reparaturen erfolgt der Wiederaufbau in den
60er Jahren. Ab 1966 bekommen der erste
und zweite Bauabschnitt zwei neue Obergeschosse in moderner Formensprache, die
vom Architekten Dr. Lassen geplant werden.
1974 siedelt die Fabrik in neue Produktionsstätten an der Hamburger Straße um. Das
Gelände an der Zimmerstraße samt der Gebäude wird an die Universität verkauft, die
einen Chemieneubau plant. Ein Gutachten
von Dr. Lassen ergibt, dass eine Umnutzung
der bestehenden Anlage kostspieliger als ein
gleichwertiger Neubau ausfallen würde. Nach
Studentenprotesten gegen den geplanten
Abriss und Besetzung der Gebäude wird eine
Kompromisslösung umgesetzt. Die östlichen
Bauten werden 1980 sämtlichst zu Gunsten
des heutigen ↑Chemieneubaus abgerissen,
die beiden westlichen Trakte erhalten und
saniert. Heute werden sie als Zeichensäle
für Architekturstudierende, als Klausursäle,
Fachschaftsräume sowie von Werkstätten
und zwei Instituten genutzt. An die Gesamtanlage erinnert hingegen kaum mehr als der
Stempel der Fachschaft Architektur.
ARCHITEKTEN: Carl Mühlenpfordt beginnt
1926, nur ein Jahr nach Antritt des Rektorenamtes, die Planung von drei neuen Instituten
der Elektrotechnik.
3...... EL EKT R O T EC H NI S C H E I NS T I T U T E
Architekt: Carl Mühlenpfordt
Bauzeit: 1926-1929
ENTWURF: Aus Kostengründen wird ein
bestehendes Fabrikgebäude westlich des
Hauptgebäudes in Teilen umgebaut und
durch Anbauten ergänzt. Es entsteht ein linearer Baukörper in Nord-Süd-Ausrichtung.
Technisch fortschrittliche Versuchsaufbauten
bestimmen sowohl die Innen- als auch die
Außenraumgestaltung. So legt denn auch
die notwendige lichte Höhe von 14 m für die
Hochspannungsversuchshalle die gesamte
Gebäudehöhe fest. Daneben gliedern wuchtige Treppentürme die aneinandergefügte
Anlage an der Ostseite.
INNEN UND AUßEN: Der Neubau wird in
einem dunklen Mauerwerk ausgeführt, der
ehemalige Fabrikteil gelblich verputzt. Im
Erdgeschoss bindet eine vorgesetzetzte
Sichtmauerksschale mit spitzbogigen gotisierenden Fensteraussparungen die beiden
Teile zusammen. Gekonnt werden traditionelle Backsteinmotive mit einer schlichten
Fassadengestaltung verknüpft, in der sich
Funktion und Konstruktion abzeichnen. Besonders hervorstechend sind die vertikalen
Pfeiler, die den massiven Sockel mit dem
auskragenden Flachdach verbinden sowie
die außen angebrachten kreisrunden Isolatoren. Anders als noch beim Hauptgebäude
bilden bei diesem Bau Innenaufbau, Funktion und äußeres Erscheinungsbild eine architektonische Einheit.
EINORDNUNG IN DIE ZEITGENÖSSISCHE
ARCHITEKTUR: Die Arbeiten Mühlenpfordts
sind einerseits dem traditionellen norddeutschen Bauweisen verhaftet, gewinnen aber
Eigenständigkeit aus der schlichten Baukörpergestaltung, welche die Funktionalität zum
gestalterischen Prinzip erhebt. Es lassen
sich Parallelen ziehen zum gotisch-romantisierenden Backseinexpressionismus von
Fritz Höger (Chilehaus, Hamburg, 1924/25),
zur Industriearchitektur von Peter Behrens
(AEG-Turbinenhalle, Berlin, 1908/09) oder
auch zur Funkstation Nauen (1917-19) von
Hermann Muthesius.
GESCHICHTE: In der Weimarer Zeit bemühen sich sozialdemokratische Bildungspolitiker, die traditionellen Lehrerseminare,
die in der Regel durch konfessionelle Enge
gekennzeichnet sind, abzubauen. Im Land
Braunschweig wird 1927 die sechssemestrige Lehrerbildung an der Technischen Hochschule eingeführt. Ein Neubau soll diesen
Bildungszweig aufnehmen.
D A S H A U S D ER W I S S ENS C H A F T
Die Nationalsozialisten drängen jedoch erfolgreich auf die Verwirklichung einer unabhängigen Einrichtung zur Lehrerausbildung,
um auf diesem Wege frühzeitig weltanschaulichen Einfluss auf die Jugend nehmen zu
können. 1935 wird dem Baurat Emil Herzig,
der bereits 1931 in die NSDAP eintrat, von
seinem Parteifreund, dem Ministerpräsidenten Dietrich Klagges die Planung eines dazu
geeigneten Gebäudekomplexes übertragen.
ENTWURF: Der Neubau ist mit ca. 400
Räumen für etwa 300 Studenten ausgelegt,
denen ein tatsächlicher Bedarf von 100 Studienplätzen gegenübersteht. Herzig plant
sechs einzelne Baukörper. Drei den Innenhof
umfassende, einbündig erschlossene, niedrige Gebäudeabschnitte verbinden die solitärartig, locker gruppierten drei Hauptbaukörper mit dem Hörsaalbau (Turmbau), dem
Bau für das Naturhistorische Museum und
dem Turnhallenbau. Die Zwischentrakte nehmen Instituts- und Verwaltungsräume auf.
Die Idee eines von Erschließungsgängen
umschlossenen Hofes knüpft an wiederbeschworene Leitbilder der Antike an. Der fehlende Abschluss im Norden ist Aufmarschzwecken geschuldet. Erschlossen wird der
Komplex durch senkrecht gerichtete Hauptvolumen im Westen der Anlage.
Die Einweihung erfolgt 1937 als pompöse
Propagandaveranstaltung der Nationalsozialisten im Beisein des damaligen Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und
Volksbildung, Bernhard Rust, der auch als
Namensgeber für die neue Hochschule fungiert.
Architekt: Baurat Emil Herzig
Bauzeit 1935 – 1937
......4
EINORDNUNG IN DIE ZEITGENÖSSISCHE
ARCHITEKTUR: Erneut treten bei einem
braunschweiger Hochschulbau Ungereimtheiten zwischen Konstruktion und Gestaltung auf. Dem Tragwerk eines modernen
Stahlbetonskeletts steht die Architektursprache der Nationalsozialisten entgegen, die auf
Versatzstücken konservativer Architekturströmungen basiert. Die Wahl des Klinkers
als optisch bestimmendes Material soll traditionelle Bauweisen aufnehmen. Die Steine sind allerdings nur vorgesetzt. Die steil
aufragenden Dächer sowie die Zwerchgiebel
mit zugespitzten Giebelfenstern im Turmbau
erinnern an den norddeutschen Sakralbau
der Backsteingotik.
Deutliche Referenzen sowohl in Bezug auf
die vertikalen Klinkergliederungen als auch in
Bezug auf die krönende Planetariumskuppel
finden sich bei dem Architekten Fritz Höger.
Die Betonung der Vertikalen, monumentale
Baukörper sowie die monotone Aneinanderreihung einzelner Bauglieder sind als
deutliche Zeichen der nationalsozialistischen
Führerideologie erkenntlich, wie sie am deutlichsten bei dem Architekten Albert Speer zu
Tage tritt. Die Innengestaltung orientiert sich
an klassisch gestalteten Bauten. Die Anwendung emotionsstarker Architekturzitate dient
dem Zweck, den heroischen Charakter der
NS-Ideologie hervorzuheben.
NACHKRIEGSZEIT: Der Gebäudekomplex
wird nur geringfügig zerstört. Schon im November 1945 kann der Lehrbetrieb in der von
nun an als „Kant-Hochschule“ betitelten Einrichtung wieder aufgenommen werden. Kurz
darauf wird der Turmaufsatz in veränderter
Form in Stand gesetzt. 1956 widmet sich die
Hochschule der Beseitigung der restlichen
Schäden. Zwischen 1963 und 1965 wird die
Anlage um den Nordtrakt ergänzt, der nunmehr als Hofabschluss dient. Seit 1978 nehmen die Gebäude verschiedene Funktionen
der TU Braunschweig auf.
ARCHITEKTIN: Ein zwischen den Assistenten der Architekturfakultät ausgelobter Wettbewerb bot die Chance, die Alltagskenntnisse der Planenden in die Entwurfslösungen
mit einzubeziehen. In den Jahren 2001 bis
2008 als wissenschaftliche Mitarbeiterin der
TU beschäftigt – zunächst am Institut von
Prof. Auer und nach dessen Emeritierung bei
Prof. Wagner – wusste die Architektin Denise
Dih diese Chance für das Studierenden-Service-Center in bezaubernder Art und Weise
zu nutzen.
ENTWURF: Ebenenübergreifende Fenster
auf der Hofseite des Gebäudes machen die
Beratungsstelle zum lichtdurchfluteten Raum,
wo einstmals finstere Schalter zur schlechten
Laune verleiteten. Darüberhinaus überzeugt
der Entwurf durch inspirierende Formen,
denen es weder an Funktionalität noch an
klarer Ästhetik mangelt. Zu den bestimmenden Elementen gehören die nach oben geschwungene Zwischendecke aus Sichtbeton
sowie die geschlängelten Beratungstresen.
Dass den Krümmungen ein strenges Raster
zu Grunde liegt, wird über den harmonischen
Gesamteindruck erlebbar. Auf der Westseite
verschwinden Stauraum wie Heizkörper hinter einer unaufdringlichen Verkleidung. Die
Stufen der nach oben führenden Wendeltreppe sowie die Sitzgelegenheiten für die Studierenden sind in einem gewöhnungsbedürftigen Giftgrün ausgeführt. Diese Farbtupfen
sind zwischen den sonst vorherrschenden
Grau- und Weißtönen jedoch unverzichtbar.
Im Galeriegeschoss lenken schräg gestellte
Wände den Blick der Gäste auf die zur Einzelberatung vorgesehene Büros. Ihnen gegenüber bildet die zur Brüstung geschwungene Zwischendecke die Rückenlehne einer
den gesamten Raum überspannenden Bank
für die Wartenden.
EINORDNUNG IN DIE ZEITGENÖSSISCHE
ARCHITEKTUR: Nicht nur die Nutzer von
Gebäuden, auch die Architekten scheinen
die Einöde allzu reduzierter Formen und
Farben leid zu sein, wie sich an zahlreichen
aktuellen Architekturbeispielen ablesen lässt.
Auch der rechte Winkel verliert nach jahrzehntelanger dogmatischer Verwendung zusehends seinen Alleinvertretungsanspruch.
D A S S T U D IER END E N- S ER V I C E - C ENTER
( I M H A U S D ER W I S S ENS C H A F T )
Architekten: Dih / Klingemann
Bauzeit 2008 – 2009
......4
5......
DIE MENSA
ENTWURF: Die Entstehung der Massenunis
in den 1960er Jahren macht auch eine entsprechende Verpflegungsmöglichkeit für die
Studierenden erforderlich. 4.000 – 5.000 Essen sollen pro Tag an die Universitätsangehörigen in Braunschweig ausgegeben werden – ein Bedarf, der sich bis heute gehalten
hat. Die in vielen Bereichen automatisierte
Großküche schöpft die technischen Möglichkeiten ihrer Zeit in einzigartiger Weise aus.
Dennoch will der Architekt den Eindruck einer Massenabfertigung unbedingt vermeiden. Diesem Anspruch wird er durch die
Unterteilung der Mensa in folgende Teilbereiche gerecht: großer Saal zum Verzehr eines
Standardessens mit 600 Sitzplätzen, kleiner
Saal mit Essen à la carte und Bedienung für
250 Personen, Gästezimmer mit gleichem
Service für 60 Personen, Klause zur Einnahme des Abendessens mit 190 Plätzen sowie
eine Milchbar für kleinere Pausen.
Architekt: Walter Henn
Bauzeit: 1961-1962
Alle Speiseräume gruppieren sich um den
Küchenkern, um den Ablauf möglichst effizient zu gestalten. Zwischen den beiden Sälen
ermöglicht eine Bühne große Abendveranstaltungen wie den beliebten „Ball der Nationen“. Besonderer Beliebtheit erfreut sich
dabei der Parkettboden. Nur für das Gästezimmer wählt der Architekt einen anderen
Fußbodenbelag, was dem Raum schnell den
Spitznahmen „Teppichmensa“ einträgt.
INNEN UND AUßEN: Die Mensa wird in
den Katharinenfriedhof integriert, dessen
parkartiger Charakter die Entwurfsgestaltung
maßgeblich beeinflusst. Dem Architekten
gelingt es, sämtliche Funktionen ebenerdig
anzuordnen, so dass der Baukörper von den
umstehenden Kastanienbäumen überragt
wird. Durch großzügige Verglasung der Außenhaut und umlaufende Terrassenanlagen
entsteht zudem der Eindruck, dass Innenund Außenraum miteinander verschmelzen.
EINORDNUNG IN DIE ZEITGENÖSSISCHE
ARCHITEKTUR: Der an der Architektursprache der Moderne orientierte Mensabau von
Henn avanciert in der Folgezeit zum Prototyp für zahlreiche weitere Mensabauten. Eine
derart gelungene Verzahnung von Innen- und
Außenraum gelingt sonst nur einem Mies van
der Rohe oder einem Manfred Lehmbruck.
UMBAU: 2001 wird eine Sanierung des Gebäudes notwendig. Zwei Jahre lang dient
eine Zeltmensa als Provisorium, während
der Mensabau komplett entkernt und neu
strukturiert wird. Die beiden großen Säle
werden zusammengefasst. Wo einst die
Milchbar zu finden waren, wird heute vegetarisches Essen ausgeschenkt, die Klause wird
zur Ausgabe für drei Standardessen. Dafür
wird parkseitig eine eigenständige Cafeteria
ergänzt, die sich zwar der Architektursprache
des Altbaus anpasst, die einstmals 74 Meter
lange Längsfront aber zerschneidet.
6......
DAS FORUMS ENSEMBLE
GESCHICHTE: In den 50er Jahren wenden
sich die Planer von der traditionellen Aneinanderreihung der Institute ab. In dem Anliegen, der Aufspaltung der Wissenschaften in
immer speziellere Einzelbereiche entgegenzuwirken, sollen grundlegende Funktionen
eigene Bauten in zentraler Lage erhalten.
Dieses Konzept liefert die Basis des ab
1957 von dem Architekten Friedrich Wilhelm
Krämer entworfenen Braunschweiger Hochschulforums.
ENTWURF: Der Architekt entscheidet sich
für drei neue Quadervolumen, die er über
eine Terrassenebene miteinander verbindet. Die dadurch entstehenden Kolonnaden
rahmen einen langgestreckten Platz, dessen
westlichen Abschluss das Altgebäude bildet.
Die axiale Verschiebung zwischen Alt und
Neu belebt die Volumen.
Architekt: Friedrich Wilhelm Krämer
Bauzeit: 1958 - 1971
Zunächst entsteht von 1958 bis 1960 das
neue Auditorium Maximum mit einem Hörsaal für 1000 Studierende sowie dem darunter liegenden Physikhörsaal mit 700 Plätzen.
Ab 1961 schließt sich im Norden das siebengeschossige Rektoratsgebäude inklusive
Verwaltung, mathematischer und physikalischer Institute an. Von hier aus erfolgt auch
der Zugang zu der unter dem Platz gelegenen zweigeschossigen Tiefgarage. Die Bibliothek als nördlicher Abschluss kann erst
1971 nach mehreren Umplanungen fertig
gestellt werden. Ihre asymmetrische Fassadengestaltung fällt aus dem gestalterischen
Rahmen des Ensembles. Alle drei Gebäude
sind in Skelettbauweise aus teils vorgefertigten Stahlbetonteilen errichtet.
Die Höhe der flankierenden Gebäude orientiert sich am bestehenden Bau von Constantin Uhde. Darüber hinaus arbeitet der
Architekt hingegen größtmögliche Kontraste
zwischen Alt und Neu heraus. Der vorhandenen Präsentationsfassade im Rennaissance-Stil setzt er absolute Schlichtheit gegenüber, die in Monotonie abzugleiten droht
und den menschlichen Maßstab vermissen
lässt. Durch diese Geste sowie durch die
Ausformung des Platzes gewinnt der Altbau bewusst an Aufmerksamkeit. Hans Arps
„Wolkenzug über nachtschwarzem Himmel“
an der Westseite des Audimax bildet ein verspieltes Gegenüber. Leider fallen die Durchgänge zu beiden Seiten des mittleren Baues
bedrückend eng und dunkel aus. Auch nehmen sie weder die Mittelachse des Altbaues
noch jene der Spielmannstraße auf und erschweren damit unnötig die Durchwegung in
Ost-West-Richtung.
EINORDNUNG IN DIE ZEITGENÖSSISCHE
ARCHITEKTUR: Die Fassadengestaltung
des Rektoratsgebäudes weckt mit ihren horizontalen Fensterbändern Erinnerungen an
ein von Mies von der Rohe in Berlin errichtetes Bürohaus. Auch der fließende Raum
zwischen Innen und Außen, wie ihn Krämer
durch einheitliche Pflasterung und Transparenz der Foyerzonen zu erreichen sucht,
trägt dessen Handschrift. Beispiele für die
kompromisslose Veranschaulichung von
Konstruktion und Material finden sich vor allem bei Le Corbusier.
7....
Das M e h r z w e c k g e bä u de B S 4
ENTWURF: Ursprünglich umfassen die Planungen 3 miteinander verzahnte Türme (13-,
10- und 8-geschossig). Aufgrund massiver
Probleme mit dem statisch ungeeigneten
Baugrund bleibt es jedoch bei dem 13-Geschosser für die Architekturfakultät. Der Bedarf wird mit 12.000 m² Nutzfläche angesetzt,
was den Baukörper maßstabslos erscheinen
lässt.
Die Konstruktion besteht aus einem sandgestrahlten Stahlbetonskelett. Dem Zeitgeist
entsprechend wird die Fassade als Vorhangkonstruktion aus silberfarbenen Leichtmetall
und raumhoher Verglasung ausgeführt. Hellgraues Granitpflaster verbindet den Außenraum mit dem Foyer.
INNENRAUM: Ein funktionales Ausbauraster
von 80/80 cm soll Großraumstrukturen und
freie Grundrissgestaltung ermöglichen. Die
einzelnen Räume werden dieser Logik folgend lediglich durch leichte Zwischenwände
abgeteilt.
Architekten: Pysall –
Jensen – Starenberg
Bauzeit: 1971 – 1976
SANIERUNG: 1998 führt das Institut für Gebäude- und Solartechnik in den selbstgenutzten Räumen im 10. OG ein Pilotprojekt zur
energie- und komfortgerechten Sanierung
des BS 4 durch. Eine aufwändige Analyse
bildet die Grundlage, um die notwendigen
Änderungsanforderungen genau zu fassen.
Daraus resultieren insbesondere folgende
Vorschläge: Grundrissumgestaltung ohne
abgetrennte Fluchtwege zur besseren Belichtung und Belüftung sowie zur effizienteren Platznutzung, Einbringung von Deckensegeln zur Lichtlenkung, Aktivierung
freigelegter Speichermassen durch automatisierte Nachtlüftung gegen sommerliche
Überhitzung, Innendämmung der Stützen,
neue Verglasung mit zeitgemäßen Dämmund Sonnenschutzwerten und ggf. Ausführung einer Doppelfassade, um die Dichtigkeit
der Fassade sicherzustellen.
Aufgrund der desaströsen Unterfinanzierung
niedersächsischer Bausubstanz im Hochschulbereich können diese Sanierungsvorschläge allerdings bis heute nicht umgesetzt
werden.
ENTWURF: Das 15geschossige Hochhaus
ist Teil eines Gebäudeensembles, dem auch
ein zweigeschossiger Werkstättentrakt im
Süden und eine Laborhalle mit Sheddach
im Westen angehören. Acht Institute werden
in der Anlage untergebracht; das Hochhaus
enthält vor allem Labor- und Arbeitsräume,
Büchereien, Räume für Rechneranlagen und
Seminarräume.
D a s E- t e c h n i k - H o c h h a u s B S 8
Die Eingangshalle des Hochhauses wird
als Knotenpunkt für alle Verkehrswege des
Gebäudeensembles ausgebildet. Im Erdgeschoss springt die Fassade zurück und bildet
einen deutlich erkennbaren Sockel aus.
KONSTRUKTION: Wie selbstverständlich
beruht der Bau auf einer Stahlbetonkonstruktion mit quadratischem Raster, dessen Kantenlängen 7,20 m betragen. Der innenliegende Erschließungskern aus Ortbeton umfasst
nicht nur Treppen, Fahrstühle und Toiletten,
sondern auch einen Müllabwurfschacht. Als
zusätzliches Tragelement fungiert ein Stützenkranz vor der Fassade. Die unterschiedlich großen Räume reihen sich zwangsweise
auf allen Etagen entlang der Fassade und
hinterlassen einen lichtlosen Erschließungsgang rund um den zweigeteilten Kern.
INNEN UND AUßEN: Den Innenraum prägen triste Grundrisse, wofür die Nutzer_innen allerdings durch einen grandiosen Blick
entschädigt werden. Außen werden mit den
geschossweise aus der Fassade herausragenden Betonkassetten die Errungenschaften der Fertigbauweise präsentiert. Durch
den Mangel an Farbe und die durchgehende
Reihung der Elemente entsteht jedoch auch
hier ein recht freudloser Eindruck.
EINORDNUNG IN DIE ZEITGENÖSSISCHE
ARCHITEKTUR: In den 70er Jahren gilt fast
ausschließlich die optimierte Funktion als
gültiges Qualitätsmerkmal. Konsequenterweise rücken konstruktive Details optisch
in den Fokus. Nicht selten führt das wie in
diesem Beispiel zu Monotonie in der Grundrissgestaltung. Die schlechte Dokumentation
der in diesem Jahrzehnt für die TU erstellten
Bauten verdeutlicht die damals geringe Wertschätzung für räumliche Qualitäten.
Architekt: Karl Otto /
Neue Heimat Städtebau
Bauzeit: 1970-1975
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DAS APM
Architekt: Giesler und Giesler
Bauzeit: 1973 – 1976
STÄDTEBAULICHE EINBINDUNG: Das
sogenannte Apartmenthaus Mühlenpfordt
(APM) grenzt westlich an das Herzstück der
Universität und ist verkehrstechnisch ideal
über Bus und Straßenbahn, Ring- und Ausfallstraße angebunden. Das Gebäudevolumen bildet mit seinen bis zu 14 Geschossen
einen Kontrapunkt zum gegenüberliegenden
Bürohochhaus am Wendenring. Den vier
straßenseitigen Aufgängen sind Einzelhäuser zugeordnet (↑ nebenstehende Grafik),
deren funktionale Trennung sich von außen
jedoch kaum ablesen lässt. Die ungebrochene Monumentalität des Wohnheimes gekoppelt mit den nach oben abgetreppten
Volumen - verleiht dem Gebäude schon bald
den Spitzamen „Affenfelsen“.
ENTWURF: Drei Parkebenen bilden den
Sockel des Gebäudes. Sie sollen dem Trend
zum Individualverkehr gerecht werden, tragen jedoch nichts zur Belebung des Straßenraumes bei. Die darüberliegenden Wohngeschosse werden aus Lärmschutzgründen
zurückgesetzt. Weiter verbessert wird der
Lärmschutz durch die gefalteten Außenwände, welche zugleich als Sichtschutz und zur
Richtungsorientierung dienen. Drei nach Süden orientierte, teilbegrünte Wohnhöfe auf
dem Dach des obersten Parkdeckes sind als
ruhiger Rückzugsort für die Bewohner_innen gedacht. Auf Gemeinschaftsräume wird
zugunsten unabhängiger Wohneinheiten
größtenteils verzichtet. Ausnahmen bilden
ein Waschkeller, einzelne Partyräume sowie
eine selbstverwaltete Kneipe namens „Monkey Island“.
INNENAUSSTATTUNG: Das Wohnheim bietet insgesamt 857 Studierenden die Möglichkeit, ein preiswertes, wenn auch beengtes
Miniappartment mit kompletter Ausstattung
zu bewohnen. Jede Einheit verfügt über
eine winzige Küchenzeile. Durch den Einbau
eines Bades mit durchgehender Kunststoffverkleidung kann der Platzbedarf noch weiter minimiert werden. Insgesamt beträgt die
nutzbare Fläche des normalen Wohnungstypes nur etwas mehr als 14 m². Etwa ein
Dutzend verschiedene Wohntypen werden
im APM umgesetzt, darunter auch einzelne
Mehrraumwohnungen.
EINORDNUNG IN DIE ZEITGENÖSSISCHE
ARCHITEKTUR: Durchaus nicht untypisch
für die Bauweise der 1970er Jahre ist die
Fokussierung auf funktionale Aspekte (↑
Texte zu den Hochhäusern BS4 und BS8).
Dies drückt sich beim APM vor allem in der
Offenlegung der verwendeten Fertigbetonteile aus, denen die gelben Holzfensterrahmen nur wenig Belebung entgegenzusetzen
haben. Darüberhinaus lässt der dringende
Raumbedarf sowie ein neu gewachsenes
Selbstbewusstsein nur wenige Architekten
davor zurückschrecken, in monumentale
Bauweisen abzugleiten.
10.... DIE CHEMISCHEN INSTITUTE
Architekt: Husemann / Wiechmann
Bauzeit: 1982 - 1985
GESCHICHTE: Mit dem Chemieneubau am
Hagenring erhält die TU erstmals nach dem
2. Weltkrieg wieder einen zusammenhängenden und voll funktionstüchtigen Gebäudekomplex der anorganischen und organischen Chemie. Darüber hinaus werden ein
Teil der naturwissenschaftlichen Bibliothek
und ein neues Messzentrum in den Neubau
integriert.
ENTWURF: Die Gebäudevolumen gruppieren sich spiralförmig um einen zentralen
Erschließungshof, der mit seiner liebevoll
angelegten Sitzrotunde auch zum Verweilen
einlädt. Durch die Ausbildung von Teilarkaden vor dem Haupteingang am Hagenring
und die dahinterliegende verglaste Halle entsteht eine gelungene Verbindung zwischen
der viel befahrenen Straße und der Hofanlage, die bis in den Grotrian hineinreicht. Forschung und Lehre sind in zwei voneinander
getrennten Flügeln untergebracht aber über
die Haupterschließung sowie über einen Brückengang im Hof verbunden.
UMGANG MIT DEM BESTAND: Entgegen
den rücksichtslosen Planungen der vergangenen Jahrzehnte, soll der Neubau die vorhandene Blockrandbebauung ergänzen und
sich in die umliegende kleinteilige Baustruktur einpassen. Neben der geringen Traufhöhe
zeugen auch die in der Zimmerstraße ausgeführten Fassadenrücksprünge im Abstand
einer üblichen Hausbreite eindrucksvoll von
dieser Absicht. Konsequenterweise wählen
die Architekten den seit Jahrhunderten im
Hochbau verwendeten roten Backstein als
fassadenprägendes Baumaterial. Bei all
den Bestrebungen, möglichst behutsam in
die vorhandene Stadtstruktur einzugreifen,
erscheint es als ironisch, dass dem neuen
Institutsbau Industriebauten aus Vorkriegszeiten weichen müssen (↑ Grotrian).
EINORDNUNG IN DIE ZEITGENÖSSISCHE
ARCHITEKTUR: Das Planungsbüro zeichnet
auch für die Gestaltung des Biozentrums verantwortlich. Bei genauerer Betrachtung werden deutliche Parallelen in der Anordnung
der Volumen, der Materialwahl sowie der
Ausarbeitung einzelner Details erkennbar.
ARCHITEKT: Der Architekt Meinhard von
Gerkan schließt 1964 sein Architekturstudium an der TH Braunschweig ab und kehrt nur
zehn Jahre später an die TU Braunschweig
als Professor zurück, wo er bis 2002 das
Institut für Baugestaltung leitet. Seit über 40
Jahren führt er zusammen mit Volkwin Marg
ein überaus erfolgreiches Architekturbüro.
ENTWURF: Der Architekturpavillon steht
zentral aber ein wenig versteckt im Innenhof
des Hauptgebäudes der TU. Ein Brückensteg
verbindet das Treppenpodest im Altbau mit
der Galerieebene des Neubaus. Folgerichtig
setzt sich auch die vorhandene Mittelachse
bis in den Neubau fort. Hofseitig ist der Pavillon durch eine Freitreppe erschlossen. Eine
flexible Ausstellungsgestaltung mit 280 m²
Hängefläche wird durch mobile 4 m² große
Wandsegmente ermöglicht. Die Reduktion
auf einfache Materialien (Sichtbeton, Stahl
und Glas), Geschosshöhen von 3 m und
15 x 15 m Grundfläche lassen den Pavillon
als lichten Kubus wirken. Die zweischalige
Fassade aus Glasstegplatten, in die eine
transluszente Wärmedämmung eingefügt ist,
bedingt den für Ausstellungszwecke geeigneten indirekten Lichteinfall. Das Gebäude
zeigt sich tagsüber schillernd-reflektierend,
nachts als leuchtender Kubus.
EINORDNUNG IN DIE ZEITGENÖSSISCHE
ARCHITEKTUR: Einfache geometrische
Grundformen haben die Architekturschaffenden von Boullée bis in unsere Zeit immer von
Neuem begeistert. Die verglaste Variante hat
Ludwig Mies von der Rohe mit der Neuen
Nationalgalerie meisterhaft in Szene gesetzt.
Die Verwendung von grünlich gefärbten
Glasstegplatten ist eher ungewöhnlich und
hat dem Bau den Spitznamen „Gurkenglas“
eingebracht.
DER ARCHITEKTURPAVILLO N ......11
Architekt: Meinhard von Gerkan
Bauzeit: 1999 - 2000
12......
DIE KINDERTAGESSTÄTTE
ENTWURF: Auffällig ist die Ausarbeitung
des größtmöglichen Kontrastes zu dem benachbarten ↑Haus der Wissenschaft. Dem
roten Backstein stellen die Architekten eine
grüne Eternitfassade gegenüber, dem Turmbau einen langgestreckten Flachbau. Die
Kindertagesstätte wurde für zwei Gruppen
mit insgesamt 30 Kindern ausgestaltet, eine
spätere Erweiterung aber von vornherein mitbedacht. Durch Einrückungen der ansonsten
glatt durchlaufenden Straßenfront werden
die Ankommenden zu den beiden Eingängen
geführt.
INNEN UND AUßEN: Zur Straße präsentiert
sich die Kindertagesstätte als geschlossener Baukörper mit vergleichsweise kleinen,
horizontal ausgerichteten Fensteröffnungen.
Dahinter verbergen sich vor allem Betriebsräume wie Küche und Büro. Ganz anders
auf der straßenabgewandten Seite: Hier verzahnen sich die Gruppenräume der Kinder
mit dem Außenrraum, der ihnen als Spielhof
dient. Großflächige Verglasungen verstärken
den Austausch zwischen Innen- und Außenraum. Selbstverständlich darf bei einem solchen Neubau auch die Akustikdecke in den
Spielräumen nicht fehlen. Nur so lässt sich
der Lärmpegel für alle auf ein verträgliches
Maß reduzieren.
Architekten: Springmeier /
Boulkroune / Kraatz
Bauzeit: 2008 - 2009
EINORDNUNG IN DIE UMLIEGENDE ARCHITEKTUR: Am Fuße des siebengeschossigen Turmbaus vom heutigen Haus der
Wissenschaft und gegenüber fünfgeschossigen Wohnbauten lässt die geringe Höhe den
neuen Baukörper unterdimensioniert wirken.
Als Zwerg unter Riesen, kann die Kubatur
des Neubaus aber auch als Hinweis auf seine Nutzung als Kita verstanden werden.
GESCHICHTE: 2003 entsteht auf einem
ehemaligen Kasernengelände am Bienroder
Weg ein neues Universitätsareal unter dem
Namen Campus Nord. Durch die Unterbringung der Geistes- und Sozialwissenschaften an diesem Standort wird eine räumliche
Trennung zu den Ingenieurswissenschaften
vollzogen. Drei Jahre später wird mit dem
Neubau eines Hörsaalgebäudes begonnen,
das auf dem neu gewonnenen Areal dringend benötigt wird.
ENTWURF: Das Gebäude präsentiert sich
als eingeschossiger, quadratischer Baukörper mit einer Kantenlänge von 33,6 m. Dabei erreicht der nicht unterkellerte Bau eine
Traufhöhe von gerade einmal 5,4 m. Aufgesattelt auf einem 1,4 m hohen Plateau, wird
das Foyer über einen großzügig angelegten
Kranz von Treppen und Sitzstufen erschlossen. Weiterhin sind auf dieser Ebene mehrere Versorgungsräume angesiedelt. Die
beiden multimedial augestatteten Hörsäle
sind für 348 bzw. 138 Personen ausgelegt.
Hier springt das Niveau mit dem fallenden
Gestühl nach unten und erlangt im Podiumsbereich wieder Terrainhöhe.
EINORDNUNG IN DIE UMGEBENDE ARCHITEKTUR: Schlicht und funktional gestaltet, gliedert sich der Baukörper gut in die
umgebende Kasernenarchitektur ein. Die
außenliegenden Treppenanlagen verleihen
dem Bau einen landschaftlichen Charakter,
der dem weitläufigen Gelände gerecht wird.
Über einen verglasten Gang im Hochparterre
wird der Neubau an einen vorhandenen Gebäuderiegel angeschlossen. Hier entstehen
nach Umbauarbeiten zahlreiche Seminarräume.
INNEN UND AUßEN: Innen wie außen herrschen funktionale Aspekte vor. Durch den
großzügigen Einsatz von Glas und Holz
sowie das Setzen einzelner Farbakzente
gelingt die optische Auflockerung des vom
Sichtbeton geprägten Baus. Beim Innenausbau wurde besonderer Wert auf Maßnahmen
zur Verbesserung der Akustik gelegt. Neben
Holzpaneelen an den Innenwänden der Hörsäle finden sich Schallsegel und gelochte
Gipskartonplatten in den Deckenbereichen.
DAS H ÖRSA ALGEBÄUDE
Architekten: Matzke / Dahlberg
Bauzeit: 2006 – 2009
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Alle aufgeführten Bücher sind in der
Universitätsbibliothek ausleihbar. Viel
Spaß beim Weiterlesen!
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Literatur verzeichnis
„Braunschweig... Wie man eine Großstadt
plant - 25 Jahre Stadtentwicklung“
1990 braunschweiger forum, Verein zur
Förderung bürgernaher Stadtplanung e. V.
„Technische Hochschule Carolo Wilhelmina
zu Braunschweig“
Prof. Dr. Wolfgang Schneider
1963 Länderdienstverlag Berlin-West / Basel
„Vom Bildungspalast zum
Forschungslaboratorium“
Dissertation Holger Pump-Uhlmann
1997 Technische Universität Delft
„Architekturführer Braunschweig –
Architektur 19. - 21. Jahrhundert“
BDA, Bezirksgruppe Braunschweig
2001 Appelhans Verlag, Braunschweig
„Dschungelbuch 2007 - Erstsemesterheft“
Fachschaft Architektur der TU Braunschweig
„Die Klavierfabrik Grotrian-Steinweg in der
Zimmerstraße, Braunschweig“
1995 Seminararbeit von Matthias Gütschow
„Dieter Oesterlen, Bauten und Planungen“
1964 Verlangsanstalt Alexander Koch
GmbH Stuttgart
„Gesetz und Freiheit – Der Architekt Friedrich Wilhelm Kraemer (1907 – 1990)“
Karin Wilhelm und Olaf Gisbertz, Detlef
Jessen-Klingenberg, Anne Schmedding
2007 jovis Verlag GmbH Berlin
„Städteforum. Stadt Braunschweig“
1973, 1979 und 1988
„von Gerkan, Marg und Partner –
Architecture 1999 – 2000“
Meinhard von Gerkan
2002 Birkhäuser Verlag
Diverse Zeitschriftenartikel und Planungsunterlagen der neueren Bauten
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Das Altgebäude
Der Grotrian
Die elektrotechnischen Institute
Das Haus der Wissenschaft
Die Mensa
Das Forumsensemble
BS4
BS8
Das APM
Die Chemischen Institute
Der Ausstellungspavillon
Die Kita
Das Hörsaalgebäude
Lageplan
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Das Projekt eines architektonischen Unirundgangs für Erstemester_innen wurde 2008 vom Allgemeinen Studentenausschuss der TU
Braunschweig ins Leben gerufen und 2010 überarbeitet. Dieses Heft soll den Rundgang begleiten und zum Nachschlagen anregen.
Erstellung und Druck des Heftes wurden aus Studiengebühren finanziert. Die Verfasserin spricht sich an dieser Stelle dennoch mit
Nachdruck für deren Abschaffung aus!
Christina Albrecht, Dipl.-Ing. Architektur
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