Infoblatt 16 Subependymale - Tuberöse Sklerose Deutschland eV

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Tuberöse Sklerose Deutschland e.V.
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I N F O R M AT I O N S B L AT T 1 6
Subependymale
Riesenzellastrozytome (SEGA)
bei Tuberöse Sklerose (TSC)
1. Welche Hirnveränderungen sind bei der
Tuberösen Sklerose typisch?
Das Gehirn, als Teil des Zentralnervensystems, ist bei
der Tuberösen Sklerose besonders häufig betroffen.
Dabei kann es zu drei charakteristischen krankhaften
Veränderungen im Gehirn kommen:
• Kortikale Tubera: Diese höckerartigen Veränderungen befinden sich im Bereich der Hirnrinde.
• Subependymale Noduli (SEN): Darunter versteht
man kleine Knötchen, die sich unter der Wandauskleidung (Ependym) der mit Hirnwasser gefüllten
Hirnkammern befinden.
können. In der Literatur sind Wachstumsraten zwischen etwa 1 mm und 12 mm pro Jahr beschrieben
(Braffmann et al. 1992, Cuccia et al. 2003, Fujiwara
et al. 1989, Kim et al. 2001, Morimoto und Mogami
1986, Nabbout et al. 1999, Telfeian et al. 2004).
3. Mit welchen Komplikationen ist bei einem
SEGA zu rechnen?
Eine für den Krankheitsverlauf wichtige Besonderheit
dieser Tumoren ist ihre Lage an der Verbindungsöff-
• Subependymale Riesenzellastrozytome (SEGA):
Diese Veränderungen gehen von den Hirnstützzellen, den so genannten Astrozyten, aus. Außerdem
bestehen die Tumoren aus sehr großen Neuralzellen, die für diesen Tumortyp sehr typisch sind. Als
unterschiedlich große Knoten befinden sie sich
ebenfalls unter der Wandauskleidung der Hirnkammern.
2. Wie häufig sind diese Veränderungen?
Die kortikalen Tubera und die subependymalen Knötchen kommen bei 90 % der Erkrankten vor. Es handelt
sich dabei um hamartöse Veränderungen, also „Webfehler der Natur“.
Die Subependymalen Riesenzellastrozytome sind seltener und bei mehr als 10 % der Patienten anzutreffen.
Es handelt sich bei diesen Veränderungen um gutartige Tumoren, die mehr oder minder schnell wachsen
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Abb. 1: schematische Darstellung eines frontalen (stirnparallelen) Schnittes durch den Kopf mit Gehirn, Hirnkammern
sowie einem kleinen SEGA (hellgrün). Normale Weite der beiden seitlichen Hirnkammern (kein Hydrozephalus).
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nung zwischen den beiden seitlichen und der dritten Hirnkammer (Abb. 1). Diese Verbindungsöffnung wird auch als Foramen Monroi bezeichnet.
(Baron und Barkovich 1999, Clarke et al. 2006,
Nabbout et al. 1999). In typischer Weise nehmen
Riesenzellastrozytome Kontrastmittel auf.
Hierzu muss man wissen, dass in den Hirnkammern (Ventrikeln) das Hirnwasser (Liquor cerebrospinalis) gebildet wird. Über einige anatomische
„Engstellen“ fließt das Hirnwasser aus den Hirnkammern in die sog. äußeren Hirnwasserräume.
Das Gehirn und das Rückenmark werden auf diese Weise regelrecht umspült. Schließlich wird das
Hirnwasser über feine Häute der äußeren Hirnwasserräume wieder aufgenommen bzw. resorbiert.
Wenn aber nun Hirnwasser in einer Hirnkammer
produziert wird und nicht ablaufen kann, weil ein
Tumor den Abfluss blockiert, steigt der Druck in
dieser Kammer an. Die Hirnkammer weitet sich
auf und verdrängt und komprimiert umliegendes
Hirngewebe. Es entsteht ein sog. „Wasserkopf“,
der in der Fachsprache auch als Verschluss-Hydrozephalus oder Okklusivhydrozephalus (Abb. 2)
bezeichnet wird. Dieser Zustand ist lebensgefährlich! Typische Symptome können Kopfschmerzen,
Erbrechen, Sehstörungen, Bewusstseinsstörungen
bis zum Koma, Krampfanfälle u. a. m. sein. Unbehandelt kann ein Verschluss-Hydrozephalus zu
bleibenden neurologischen Störungen führen oder
sogar tödlich enden.
Klinisch wird ein solcher Tumor bei TuberöseSklerose-Kranken in der Regel erst durch die Zeichen des erhöhten Schädelinnendrucks beim Verschluss-Hydrozephalus (s. o.) auffällig. Bestätigt
werden können die Symptome durch eine Spiegelung des Augenhintergrunds. Dabei zeigt sich im
fortgeschrittenen Stadium des Hirndrucks eine
typische Stauungspapille. Darunter versteht man
eine Schwellung und Gewebswasserbildung im
Bereich der Austrittsstelle des Sehnervs aus dem
Augapfel. Die genannten Verfahren (MRT, CT) bestätigen dann den Befund und geben die genaue
Lokalisation des Tumors wieder.
4. Wie können subependymale Riesenzellastrozytome diagnostiziert werden?
Die Diagnose eines subependymalen Riesenzellastrozytoms bzw. eines „Wasserkopfs“ wird durch
Kerspintomografie (Magnetresonanztomografie,
MRT) oder auch Computertomografie (CT) gestellt
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Abb. 2: schematische Darstellung eines frontalen (stirnparallelen) Schnittes durch den Kopf mit Gehirn, Hirnkammern sowie einem großen SEGA, das den Hirnwasserabfluss aus den
seitlichen Hirnkammern in die dritte Hirnkammer blockiert.
Die beiden seitlichen Hirnkammern sind stark aufgeweitet
(Verschluss-Hydrozephalus).
5. Wie sieht die Therapie eines subependymalen Riesenzellastrozytoms aus?
Als Therapie steht die operative Entfernung des
Tumors, als neurochirurgische Maßnahme, zur
Verfügung (Cuccia et al. 2003, de Ribaupierre et
al. 2007). Insbesondere bei akutem Hydrozephalus mit Erhöhung des Schädelinnendrucks, ist die
neurochirurgische Therapie durch keine andere
Behandlung zu ersetzen.
Wird das subependymale Riesenzellastrozytom
als Zufallsbefund, im Rahmen eines Routine-MRTs,
entdeckt und ist die Tumorgröße noch klein und
sind die Hirnwasserräume noch nicht aufgeweitet, kann abgewartet werden. Der Patient hat zu
diesem Zeitpunkt noch keine Beschwerden. Es
wird ein halbjährliches Kontroll-MRT empfohlen,
um das Tumorwachstum zu beobachten. Stetiges
Tumorwachstum, auch ohne Aufweitung der
Hirnwasserräume, kann einen operativen Eingriff
rechtfertigen (vgl. folgende Fallbeispiele). Bereits
aufgeweitete Hirnwasserräume zeigen die Dringlichkeit eines operativen Eingriffs an und erleichtern dem Operateur den Zugangsweg zum Tumor.
Bei Fehlen eines Hydrozephalus und gleichzeitigem
Nachweis eines Tumorwachstums kann neben der
operativen Therapie auch eine medikamentöse Behandlung mit der Substanz Everolimus/RAD001,
im Rahmen einer internationalen Studie, in Erwägung gezogen werden. Diese von der Firma Novartis betriebene Studie läuft im Frühjahr 2009 an
und schließt Patienten mit SEGA bei TSC ab dem
3.Lebensjahr ein. Hintergrund der Studie sind u.
a. Ergebnisse aus individuellen Heilversuchen, bei
denen es zu einer Größenreduktion von Riesenzellastrozytomen bei TSC-Patienten im Kindes- und
Erwachsenenalter, gekommen ist (Franz et al.
2006). Auf der Website des TSD e. V. unter www.
tsdev.org sind laufend aktualisierte Informationen
zur SEGA-Studie zu finden.
Fallbeispiele:
• Bei einem 14-jährigen Jungen war im Alter von
4 Monaten die Diagnose Tuberöse Sklerose gestellt worden. Regelmäßige MRT-Kontrollen
zwischen 1992 und 2000 hatten zwar vielfache
subependymale Knötchen, aber kein subependymales Riesenzellastrozytom im Bereich der
Hirnwasserräume ergeben (Abb. 3). Daraufhin
wurde über mehrere Jahre kein Kernspintomogramm mehr angefertigt. Im Jahr 2006 traten
Sehstörungen mit Gesichtsfeldausfällen und
Minderung der Sehschärfe auf. Im daraufhin
angefertigten MRT zeigte sich auf der linken
Seite ein großes subependymales Riesenzellastrozytom mit erheblichem Hirnwasseraufstau (Abb. 4). Daraufhin wurde der Tumor neurochirurgisch komplett und ohne zusätzliche
neurologische Ausfälle entfernt, wodurch auch
der Hydrozephalus ohne weitere Operation
zurückging (Abb. 5). Der Patient wurde sieben
Tage nach der Operation praktisch beschwerdefrei nach Hause entlassen. Allerdings haben
sich die Sehstörungen bis über zwei Jahre danach nicht wieder komplett zurückgebildet.
Abbildung 6 zeigt schematisch den operativen
Zugang durch die Hirnkammer zum Tumor.
Abb. 5a und b: MRT zwei Jahre nach der Operation, Schnittführung wie in Abb. 3. Das SEGA ist komplett entfernt, die
Hirnkammern sind wieder deutlich enger.
Abb. 6: schematische Zeichnung des operativen Zuganges
mit Schädeleröffnung und Hirnspateln.
Abb. 3a und b: Kernspintomogramm (MRT) eines 7-jährigen Jungen mit TSC in axialer (schädelbasisparalleler) (a)
und frontaler (stirnparalleler) (b) Schnittführung. Man erkennt mehrere Knötchen (subependymale Noduli) in den
Hirnkammerwänden, jedoch kein SEGA. Die Hirnkammern
sind normal weit.
Abb. 4a und b: MRT des gleichen Patienten im Alter von
14 Jahren, Schnittführung wie in Abb. 3. Man erkennt
jetzt ein großes SEGA, das den Abfluss aus den seitlichen
Hirnkammern in die dritte Hirnkammer blockiert. Die
Hirnkammern sind entsprechend gestaut.
• Bei einem 9-jährigen Jungen war im Alter von
zwei Jahren eine Tuberöse Sklerose diagnostiziert worden. Es folgten regelmäßige MRTUntersuchungen des Schädels, die im Alter von
6 Jahren ein kleines, 5 mm im Durchmesser
großes subependymales Riesenzellastrozytom
ergaben, allerdings ohne Verschluss-Hydrozephalus und ohne klinische Symptome (Abb. 7).
In den darauffolgenden Jahren wurde der Tumor stetig größer und wuchs von 5 mm auf 18
mm an (Abb. 8). Daher entschloss man sich zur
Operation, wobei der Tumor wegen der natürlicherweise sehr engen Hirnkammern mit einem
speziellen, in der Neurochirurgie gängigen
technischen Verfahren (Stereotaxie), „angezielt“ wurde. Die Entfernung gelang problemlos und der Patient wurde drei Tage nach der
Operation nach Hause entlassen. Es bestanden
zu keinem Zeitpunkt neurologische Störungen
und zwei Jahre nach dem Eingriff ist der Junge nach wie vor beschwerdefrei. Es ist weiterhin kein subependymales Riesenzellastrozytom
mehr nachweisbar (Abb. 9). Abbildung 10 zeigt
schematisch den operativen Zugang entlang
eines Führungskatheters zum Tumor.
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6. Ist bei einem neurochirurgischen Eingriff
mit Komplikationen zu rechnen?
Abb. 7a und b: Kernspintomogramm (MRT) eines 6-jährigen
Jungen mit TSC in axialer (schädelbasisparalleler) (a) und
frontaler (stirnparalleler) (b) Schnittführung. Man erkennt
ein kleines SEGA am rechten Foramen Monroi (Übergang von
der seitlichen zur dritten Hirnkammer) ohne Blockade des
Hirnwasserablusses. Die Hirnkammern sind normal weit.
Natürlich hat die neurochirurgische Entfernung
dieser Tumoren auch ihre Risiken und Komplikationsmöglichkeiten. Wie bei allen Operationen am
Gehirn kann es zu Blutungen, Hirnhautentzündungen, Lähmungen, Gedächtnisstörungen etc.
kommen. Allerdings sind die Chancen einer kompletten Entfernung dieser Tumoren ohne Komplikationen bzw. ohne zusätzliche neurologische Ausfälle gut und die Gefahr eines Rezidivs, also eines
erneuten Tumorwachstums, gering. Aus neurochirurgischer Sicht ist eine Operation bei Hirnwasseraufstau zwingend erforderlich, bei Nachweis
eines Tumorwachstums wird sie angeraten, wenn
nicht alternativ eine Behandlung mit Everolimus
im Rahmen der erwähnten Studie erwogen wird.
Allerdings sei darauf hingewiesen, dass sich in
den bisherigen Studien, beispielsweise unter dem
Vorgängerpräparat „Rapamycin“, die Riesenzellastrozytome zwar verkleinerten, nach Absetzen
der Medikation aber erneut anwuchsen, was eine
Dauertherapie notwendig machen würde. Dabei
sind die möglichen Nebenwirkungen des Medikaments zu berücksichtigen und genau gegenüber
einer Operation abzuwägen.
Abb. 8a und b: MRT des gleichen Patienten im Alter von 9
Jahren, Schnittführung wie in Abb. 7. Es zeigt sich eine deutliche Größenzunahme des SEGA, allerdings ohne Blockade
des Hirnwasserabflusses (kein Hydrozephalus).
Abb. 10 a
Abb. 9a und b: MRT vier Monate nach der Operation, Schnittführung wie in Abb. 7. Das SEGA ist komplett entfernt, die
Hirnkammern sind erwartungsgemäß weiterhin eng. Außer
dem schmalen Zugangsweg sind keine Operationsfolgen
sichtbar.
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Die beiden Beispiele verdeutlichen, wie wichtig regelmäßige Kernspintomografie-Kontrollen bei dieser Erkrankung sind, insbesondere wenn ein subependymales Riesenzellastrozytom nachgewiesen
wurde. Das Übersehen eines Hydrozephalus kann
zu u. U. bleibenden neurologischen Ausfällen führen.
Abb.10 b
Abb. 10 c
Abb. 10 d
Abb. 10 a - d: schematische Zeichnung des operativen Zuganges mit Schädeleröffnung, stereotaktisch geführtem Einbringen
eines Katheters als „Führungsschiene“ zum SEGA und Hirnspateln zur Schaffung eines schmalen Operationskorridors.
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a patient with tuberous sclerosis. Case report.
J Neurosurg (Pediatrics) 100 (5 Suppl): 498501
5
Autor und Ansprechpartner bei neurochirurgischer Behandlung eines SEGA
Univ.-Prof. Dr. med. W. Wagner
Neurochirurgische Universitätsklinik
Langenbeckstraße 1
55101 Mainz
Ansprechpartner für die SEGA-Studie
Dr. med. Christoph Hertzberg
Tuberöse Sklerose-Zentrum Berlin
Diagnose- und Behandlungszentrum für
Entwicklung und Neurologie des Kindes
und Jugendalters
Vivantes Klinikum Neukölln
Rudowerstraße 48
12351 Berlin
Redaktionelle Bearbeitung
Dr. med. Carmen Gallitzendorfer
Mitglied des Bundesvorstandes des TSD e. V.
Layout & Grafik
Sandra Welz
Mit freundlicher Unterstützung der
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Stand: 24.03.2009
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