Fakultät Chemie Physikalische Chemie I Einstiegstraining für die Chemie-Olympiade 2013 in Russland Physikalische Chemie • Einheiten und Größen • Ableiten und Integrieren • Ideale Gase • Thermodynamik chemischer Reaktionen • Kinetik chemischer Reaktionen • Elektrochemie Prof. Dr. Claus Czeslik, Technische Universität Dortmund, 27. April 2012 1 Fakultät Chemie Sommerfest der TU Dortmund Do, 28. Juni 2012 Tag der offenen Tür der TU Dortmund Sa, 27. Oktober 2012 www.tu-dortmund.de www.chemie.tu-dortmund.de 2 Literatur P. W. Atkins, J. de Paula Physikalische Chemie, 4. Auflage Wiley-VCH, 2006. C. Czeslik, H. Seemann, R. Winter Basiswissen Physikalische Chemie, 4. Auflage Vieweg+Teubner, 2010. 3 Einheiten und Größen SI-Einheiten: von SI-Einheiten abgeleitet: • Länge m • Frequenz Hz = s-1 Hertz • Masse kg Kilogramm • Kraft N = kg m s-2 Newton • Zeit s • Druck Pa = N m-2 Pascal • elektr. Strom A Ampere • Energie J=Nm Joule • Temperatur K • Leistung W = J s-1 • Stoffmenge mol Mol • elektr. Ladung C =As Coulomb • elektr. Potenzial V = J C-1 Volt Meter Sekunde ? Kelvin ? • elektr. Widerstand W = V A-1 andere Einheiten: Watt Ohm Zehnerpotenzen: • Länge Å = 10-10 m Ångström 102 h 10-2 c • Volumen L = 10-3 m3 Liter 103 k 10-3 m • Energie eV = 1,602·10-19 J Elektronenvolt 106 M 10-6 µ • Energie cal = 4,184 J Kalorie 10-9 n • Druck bar = 105 Pa Bar 10-12 p • Temperatur x °C = (273+x) K Grad Celsius 4 Einheiten und Größen Größe = Zahl · Einheit Beispiele: Länge = 27 Å = (27/10) · (10 Å) = 2,7 nm = 2,7·10-9 m Energie = 13 eV = 2,08·10-18 J = 4,98·10-19 cal In physikalischen Formeln sind Einheiten echte Faktoren, die man zusammenfassen und kürzen kann: Beispiele: m · m = m2 As /C =1 Zur Berechnung einer Formel sollten alle Größen mit SI-Einheiten eingesetzt oder in SI-Einheiten umgewandelt werden: Beispiele: Ekin 1 1 mv 2 (1026 kg) (200 m s1)2 2 1022 J 2 2 p V 1013 mbar 1L 1013 hPa 0,001m3 101,3 J Besonders merken: molare Masse in kg mol-1 Temperatur in K Druck in Pa Volumen in m3 5 Ableiten und Integrieren y = f(x) Dx Ableitung entspricht der Steigung der Funktion: Steigungsdreieck Dy f '(x) Tangente Ableitung als dy / dx schreiben: - physikalisch anschaulich Funktion x Integration = Umkehrung der Ableitung: g ( x )dx G( x ) C y dy dG( x ) g( x ) dx dx dy denn : dx dy y dx Dy dy Dx dx - Einheit ergibt sich automatisch wichtige Beispiele: Funktion: Ableitung: Stammfunktion: x 1 ? (1/2) x2 x2 2x ? (1/3) x3 ekx k ekx ? (1/k) ekx ln x 1/x ? x ln x - x Bestimmte Integrale entsprechen der Fläche unter der Kurve. 6 Ideale Gase Annahmen: - Alle Gasteilchen (Atome oder Moleküle) sind punktförmig. - Es gibt keine Anziehungs- oder Abstoßungskräfte zwischen ihnen. Isobare Zustandsänderung eines Gases (Druck = konst.): V~T (Gay-Lussac‘sches Gesetz) Isochore Zustandsänderung eines Gases (Volumen = konst.): p~T Isotherme Zustandsänderung eines Gases (Temperatur = konst.): p ~ 1/V (Boyle-Mariotte‘sches Gesetz) Alle drei Beziehungen kann man zum idealen Gasgesetz zusammenfassen: pV=nRT n: Stoffmenge R = 8,314 J K-1 mol-1 : Gaskonstante 7 Ideale Gase Mischungen idealer Gase: Jede Gaskomponente hat einen Partialdruck (= Druck, wenn nur Teilchen dieser Komponente vorliegen würden). Alle Partialdrücke addieren sich zum Gesamtdruck: pi pges Dalton‘sches Partialdruckgesetz i Für jeden Partialdruck gilt das ideale Gasgesetz: pi ni RT V (T ist die Temperatur und V das Volumen der Mischung) Stoffmengenbruch der Komponente i: xi ni nges Nach ni auflösen und in Partialdruck einsetzen: pi xi nges RT xi pges V 8 Ideale Gase Gas i löst sich in flüssiger Phase: Henry-Gesetz Partialdruck pi xi KH pi Partialdruck von i xi Stoffmengenbruch von i (Konzentration) in der flüssigen Phase KH Henry-Konstante Zusammensetzung der flüssigen Mischung 9 Thermodynamik chemischer Reaktionen Erster Hauptsatz der Thermodynamik: Die Änderung der inneren Energie eines geschlossenen Systems erfolgt durch Austausch von Wärme oder durch Verrichtung von Arbeit: DU Q W Wärme Q Reaktionsmischung DU „innere Energie“ U Arbeit W (Volumenarbeit, elektrische Arbeit) Wenn keine Arbeit verrichtet wird, dann gilt: DU Q Die bei einer chemischen Reaktion gemessene Wärmemenge Q entspricht der Änderung der inneren Energie DU, wenn V = konst. (innere Reaktionsenergie DrU). Aber: In der Regel verwendet man offene Reaktionsgefäße. Es wird Volumenarbeit verrichtet. Wenn nur Volumenarbeit verrichtet wird und p = konst., dann gilt: DH Q Die bei einer chemischen Reaktion gemessene Wärmemenge Q entspricht der Änderung der Enthalpie DH, wenn p = konst. (Reaktionsenthalpie DrH). 10 Thermodynamik chemischer Reaktionen Berechnung von Reaktionsenthalpien: Eine Reaktionsenthalpie ist unabhängig vom Reaktionsweg (Hess‘scher Satz). Reaktion kann formal in Teilreaktionen zerlegt werden, deren Reaktionsenthalpien bekannt sind. Reaktionsenthalpie der Gesamtreaktion ist die Summe der Reaktionsenthalpien der Teilreaktionen. Beispiel: Gesucht ist DrH der Reaktion H2(g) + 0,5 O2(g) H2O(g) Zerlegung in Teilreaktionen: H2(g) + 0,5 O2(g) H2O(l) H2O(l) H2O(g) Summe: DrH = -285,8 kJ mol-1 DrH = + 44,0 kJ mol-1 DrH = -241,8 kJ mol-1 Standard-Bildungsenthalpie DfH° Reaktionsenthalpie der Bildung von 1 mol einer Substanz aus den Elementen bei 1 bar. Standard-Bildungsenthalpien sind i. d. R. für 25 °C tabelliert. („Standard“ = „1 bar“ = „°“) Beispiele: H2(g) + S(s) + 2O2(g) H2SO4(l) DfH° = -811,3 kJ mol-1 Ag(s) + 0,5 Cl2(g) AgCl(s) DfH° = -127,0 kJ mol-1 s solid l liquid g gaseous 11 Thermodynamik chemischer Reaktionen Berechnung einer Reaktionsenthalpie aus Bildungsenthalpien Beispiel: 2 HN3 (l) + 2 NO (g) → H2O2 (l) + 4 N2 (g) DrH° = DfH° (Produkte) - DfH° (Edukte) DrH° = DfH° (H2O2) + 4 DfH° (N2) - 2 DfH° (HN3) - 2 DfH° (NO) DrH° = [ (-187,8) + 4 (0) - 2 (264,0) - 2 (90,25) ] kJ mol-1 DrH° = -896,3 kJ mol-1 12 Thermodynamik chemischer Reaktionen Es gibt exotherme (DrH < 0) und endotherme (DrH > 0) chemische Reaktionen. System gibt Wärme an Umgebung ab oder nimmt Wärme aus Umgebung auf. Was entscheidet über die Richtung einer chemischen Reaktion? Welche Größe bestimmt, ob ein Prozess spontan abläuft? Bei einem spontanen Prozess kommt es zu einer ungeordneteren Verteilung der Gesamtenergie. Maß dafür: Entropiezunahme DS > 0 Gesamtenergie ist als potenzielle Energie im Ball lokalisiert. Entropie klein Gesamtenergie verteilt sich auf die Atome im Boden und Ball als ungeordnete Wärmebewegung. Entropie groß 13 Thermodynamik chemischer Reaktionen 2 Beiträge: • Entropieänderung im Reaktionsgefäß: DrS • Entropieänderung in der Umgebung: DrH / T Entropieänderung insgesamt: DrH / T + DrS > 0 oder D rH T D rS <0 Reaktions-Gibbs-Energie DrG = DrH T DrS < 0 bei chemischen Reaktionen. DrS Reaktionsentropie DrS° Standard-Reaktionsentropie (bei 1 bar) kann aus tabellierten Standard-Entropien S° von Stoffen berechnet werden. Beispiel: Pb + 2AgCl PbCl2 + 2Ag Pb AgCl PbCl2 Ag S° = 64,91 J K-1 mol-1 S° = 96,10 J K-1 mol-1 S° = 136,4 J K-1 mol-1 S° = 42,69 J K-1 mol-1 DfH° = 0 DfH° = -127,03 kJ mol-1 DfH° = -359,1 kJ mol-1 DfH° = 0 DrS° = S°(PbCl2) + 2·S°(Ag) S°(Pb) 2·S°(AgCl) DrH° = DfH°(PbCl2) 2·DfH°(AgCl) = 35,33 J K-1 mol-1 = 105,04 kJ mol-1 DrG° = DrH° 298 K · DrS° = 94,51 kJ mol-1 14 Thermodynamik chemischer Reaktionen Chemische Reaktionen laufen häufig nicht glatt von links nach rechts ab. Es stellt sich dann ein chemisches Gleichgewicht ein: A+B C+D Gleichgewichtskonstante: K CD A B Standard-Reaktions-Gibbs-Energie entscheidet über die Lage des Gleichgewichts: DrG RT ln K DrG° < 0 K>1 Produkte im Überschuss DrG° > 0 K<1 Edukte im Überschuss • Je negativer DrG°, desto größer ist K und desto vollständiger läuft die Reaktion ab. • Entweicht ein Produkt (z. B. ein Gas), dann kann der Wert von K nicht erreicht werden, so dass die Reaktion quantitativ abläuft. 15 Kinetik chemischer Reaktionen Beispiel: A + 3B E + 2F Reaktionsgeschwindigkeit = Zunahme der Konzentrationen an E und F pro Zeit = Abnahme der Konzentrationen an A und B pro Zeit v dcE 1 dcF dc 1 dcB A dt 2 dt dt 3 dt Geschwindigkeitsgesetz kann nicht aus der Reaktionsgleichung abgelesen, sondern muss experimentell ermittelt werden: v k c A cB k Geschwindigkeitskonstante Reaktionsordnung Methoden: • Probenentnahme in regelmäßigen Zeitabständen und chemische Analyse der Proben • Abbruch der Reaktion nach bestimmten Zeiten und chemische Analyse des Reaktionsgemisches • kontinuierliche Messung der Konzentrationen durch spektroskopische Methoden oder durch Ermittlung von Volumen, Druck, elektrische Leitfähigkeit, Brechungsindex, ... 16 Kinetik chemischer Reaktionen Einfache Methode zur Aufstellung eines Geschwindigkeitsgesetzes: • Annahme einer Reaktionsordnung • Berechnung der Zeitabhängigkeit der Konzentrationen • Vergleich mit gemessenen Daten v Annahme: Reaktion 1. Ordnung A P v dc A k cA dt 1 dcA k dt cA Geschwindigkeitsgesetz cA Trennung der Variablen cA t 1 c dcA k dt c A A 0 c ln A kt c A c A c A exp( kt ) Integration cA Exponentielle Abnahme der Konzentration mit der Zeit. c°A t 17 Kinetik chemischer Reaktionen Reaktionen in der Gasphase • zeigen oft Verlauf 1. Ordnung • Mechanismus besteht aus drei Elementarreaktionen (Lindemann und Hinshelwood): k 1 A A AA* k Aktivierung eines Moleküls durch Kollision 1 A A A A * k 2 P A * v Deaktivierung eines Moleküls durch Kollision Produktbildung dcP k2 c A * dt dcA * 2 k1 c A k 1 c A c A * k2 c A * 0 dt Konzentration des Zwischenprodukts sei konstant (Bodenstein). 2 k1 c A cA * k 1 c A k2 v 2 k1 k2 c A k 1 c A k2 Wenn die Produktbildung sehr langsam ist (geschwindigkeitsbestimmender Schritt), dann gilt wegen k2 << k-1cA: k k v 1 2 cA k 1 18 Kinetik chemischer Reaktionen Temperaturabhängigkeit der Geschwindigkeitskonstante Von Arrhenius stammt der Ansatz: k A exp( Ea / RT ) E ln k ln A a RT bzw. T=0Kk=0 T= k=A Geradengleichung mit Steigung –Ea/R Zahl der Kollisionen mit Energie E A: „Häufigkeitsfaktor“, maximaler Wert von k Ea: Aktivierungsenergie Anteil der Moleküle, die mindestens die Energie Ea haben, entspricht dieser Fläche. 19 Kinetik chemischer Reaktionen Komplexe Reaktionen: Belousov-Zhabotinsky-Reaktion BrO3- + 5 Br- + 6 H+ → 3 Br2 + 3 H2O Br2 + CH2(COOH)2 → BrCH(COOH)2 + H+ + BrBrO3- + 2 CH2(COOH)2 + 4 Ce4+ → 4 Ce3+ + BrCH(COOH)2 + 3 CO2 + 3 H+ + H2O BrO3- + CH2(COOH)2 + 5 H+ + 4 Ce3+ → 4 Ce4+ + BrCH(COOH)2 + 3 H2O Ce4+ gelb, Ce3+ farblos Ferroin: Fe2+/Phenanthrolin rot, Ferriin Fe3+/Phenanthrolin blau Mathematisches Modell für oszillierende Reaktionen: Brüsselator (Progogine u. Lefever, Brüssel) A→X B+X→Y+C 2X + Y → 3X X→D -------------------A+B→C +D d[ X ] k1[ A] k2 [B ][ X ] k3 [ X ]2 [Y ] k 4 [ X ] dt d [Y ] k2 [B ][ X ] k3 [ X ]2 [Y ] dt Y X 20 Elektrochemie Elektrochemische Zellen Oxidations- und Reduktionsprozess einer Redoxreaktion laufen in zwei Halbzellen räumlich getrennt ab: linke Halbzelle: Oxidation an der Anode Zn Zn2+ + 2erechte Halbzelle: Reduktion an der Kathode Cu2+ + 2e- Cu Redoxreaktion: Zn + Cu2+ Zn2+ + Cu Gemessene Spannung ist die Differenz der Elektrodenpotenziale der beiden Halbzellen: D rechts links (elektromotorische Kraft, EMK, wenn stromlos gemessen) Zusammenhang mit Reaktions-Gibbs-Energie: DrG zFD z Zahl der ausgetauschten Elektronen F = 96485 C mol-1 Faraday-Konstante D 0 DrG 0 Reaktion läuft spontan ab D 0 DrG 0 21 Elektrochemie Berechnung von Elektrodenpotenzialen RT c / c 0,0591 V c / c ln ox lg ox zF cred / c z cred / c c° = 1 mol L-1 Beispiele: Zn2+ + 2e- Zn Fe3+ + e- Fe2+ am Pt-Blech H+ + e- 0,5 H2 am Pt-Blech 0,0591 V lg(c 2 / c ) Zn 2 Reine Substanzen (Zn) werden nicht berücksichtigt. c 3 0,0591 V lg Fe c Fe 2 0,0591 V lg c H / c 0,5 ( pH2 / p) Gase werden über ihre Partialdrücke berücksichtigt (p° = 1 bar). 22 Elektrochemie Standard-Elektrodenpotenziale wenn alle Konzentrationen = 1 mol L-1 und alle Partialdrücke = 1 bar „unedle Metalle“ leichte Elektronenabgabe leicht oxidierbar Definition „edle Metalle“ erschwerte Elektronenabgabe schwer oxidierbar 23 Elektrochemie Konzentrationsketten D Kupfer Brücke CuSO4 clinks Kupfer CuSO4 crechts Potenzialdifferenz: D rechts links rechts links 0 0,0591 V c lg rechts 0 für crechts clinks z clinks Es läuft keine chemische Reaktion ab. Es findet ein Konzentrationsausgleich statt. 24 Elektrochemie Elektrolyse Umkehrung einer freiwillig ablaufenden Reaktion durch Anlegen einer Spannung e- eCu Zn Zn2+ linke Halbzelle: Oxidation an der Anode Cu Cu2+ + 2erechte Halbzelle: Reduktion an der Kathode Zn2+ + 2e- Zn Redoxreaktion: Cu + Zn2+ Cu2+ + Zn Cu2+ Benötigte Mindestspannung: Zersetzungsspannung = Spannung der galvanischen Zelle + Überspannung Wenn mehrere Reaktionen denkbar sind, läuft die mit der kleinsten Zersetzungsspannung ab. Elektrolyse des Wassers: 1,23 V + Überspannung 25 Elektrochemie Chloralkali-Elektrolyse: Amalgamverfahren [onlineenzyklopaedie.de] Anode: Oxidation H2O 2H+ + 0,5O2 + 2eCl- 0,5Cl2 + 1eKathode: Reduktion Na+ + 1e- Na H+ + 1e- 0,5H2 +0,82 V +1,36 V an Graphit + 1,91 V + 1,61 V -2,71 V -0,41 V an Quecksilber –1,80 V –1,85 V kleinste Zersetzungsspannung 26