Ursache und Häufigkeit der Pfänderwinde

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Ursache und Häufigkeit der
Pfänderwinde
Bachelorarbeit
Bachelorstudium Atmosphärenwissenschaften
Fakultät für Geo- und Atmosphärenwissenschaften
der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck
Modul 22, Seminar mit Bachelorarbeit
von
Maria Siller
Betreuer
Assoz.-Prof. Dr. Alexander Gohm
Innsbruck, Juni 2013
ii
Zusammenfassung
In der vorliegenden Arbeit werden die Bregenzer „Pfänderwinde“ untersucht. Der Pfänder ist
ein 1064 m hoher Berg östlich von Bregenz, dessen südlicher Ausläufer mit dem 598 m
hohen Gebhardsberg abschließt. Aber welcher Zusammenhang besteht zwischen diesem
Gebirgsstock und der nach ihm benannten Winde? Zunächst wird analysiert, wie häufig
Pfänderwinde auftreten und ob es jahres- oder tageszeitliche Abhängigkeiten gibt. Weiters
werden die lokalen und regionalen Windverhältnisse sowie Temperaturunterschiede
zwischen Bregenz und den umliegenden Stationen betrachtet. Auch erste Erkenntnisse über
die Entstehung dieser Winde werden gewonnen. Hierfür stehen Daten von 42
Wetterstationen im Rheintal- und Bodenseegebiet zur Verfügung. Analysen zeigen, dass
Pfänderwinde in zwei unterschiedlichen Formen auftreten und daher werden sie als zwei
Typen getrennt voneinander betrachtet. Zunächst werden Kriterien festgelegt, mit denen die
Pfänderwinde in einer 11-jährigen Datenreihe identifiziert werden. Um zu zeigen, wie sich
diese Winde in Bregenz äußern, und um zu verdeutlichen, dass es sich bei den beiden Typen
tatsächlich um zwei unterschiedliche Phänomene handelt, wird im Anschluss für jeden
Pfänderwind-Typ ein kurzes Fallbeispiele präsentiert. In weiterer Folge werden Häufigkeiten,
Wind- und Temperaturverhältnisse aller, durch die definierten Kriterien gefundenen Fälle,
ausgewertet. Es wird festgestellt, dass beide Pfänderwindtypen sehr wahrscheinlich durch
föhnartige Absinkprozesse über das Pfändermassiv hervorgerufen werden. Die beiden Typen
treten bei konträren synoptischen Strömungssituationen auf, und auch in Bregenz
unterscheiden sie sich, sowohl in Windgeschwindigkeit und Windrichtung, als auch im
Ausmaß der Temperaturerhöhung infolge des Absinkens. Der klassische, oder Typ-1Pfänderwind tritt bei großräumiger Nordostströmungen auf, wohingegen bei Typ-2-Winden
eine großräumige Westsüdwestströmung vorherrscht. Beim ersten Typ wird der
Pfändergipfel überströmt, was in Bregenz zu Ost- bzw. Nordostwinden führt. Beim zweiten
Typ wird hingegen der südliche Ausläufer des Pfänders überströmt, wodurch in Bregenz
Südostwinde registriert werden. Typ-1-Pfänderwinde bringen vergleichsweise hohe
Windgeschwindigkeiten um 7.3 m s-1 mit sich, wobei durch ein Kriterium bei der
Identifikation der Ereignisse Geschwindigkeiten unter 6 m s-1 ausgeschlossen werden. Die
Windstärken sind während Typ-2-Ereignissen mit durchschnittlich 4.3 m s-1 geringer, dafür
weist sich dieser Typ durch bemerkenswerte potentielle Temperaturunterschiede zwischen
Bregenz und den umliegenden Stationen aus. Diese erreichen im Schnitt 3 bis 5 K, wobei in
manchen Fällen auch Unterschiede von mehr als 10 K auftreten. Die hohen
Temperaturdifferenzen zu umliegenden Stationen werden durch einen nächtlichen
Kaltluftsee, welcher lediglich in Bregenz erodiert wird, hervorgerufen. Bei Typ-1-Ereignissen
ist Bregenz nur um etwa 1 K wärmer als umliegende Stationen. Typ-1-Pfänderwinde treten
im Schnitt 13 Mal pro Jahr, bevorzugt an Abenden von März bis Mai auf. Typ-2-Winde sind
mit rund 41 Ereignissen pro Jahr wesentlich häufiger und hängen nur geringfügig von der
Jahreszeit ab. Sie sind vorwiegend in den frühen Morgenstunden anzutreffen. Beiden Typen
ist gemeinsam, dass sie zumeist nur wenige Stunden andauern.
iii
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung ........................................................................................................... iii
Inhaltsverzeichnis .............................................................................................................iv
1
Einleitung ......................................................................................................... 1
1.1
Motivation................................................................................................................ 1
1.2
Untersuchungsgebiet ............................................................................................... 2
1.3
Aktueller Stand der Forschung................................................................................. 3
1.3.1 Pfänderwind .................................................................................................. 3
1.3.2 Föhntheorie .................................................................................................. 3
1.3.3 Bise .............................................................................................................. 13
1.4
2
Ziele und Gliederung .............................................................................................. 14
Datengrundlage .............................................................................................. 16
2.1
Verwendete Datensätze ........................................................................................ 16
2.2
Identifikation der Pfänderwindereignisse ............................................................. 19
2.2.1 TYP 1: Klassischer Pfänderwind .................................................................. 21
2.2.2 TYP 2: Südost-Pfänderwind......................................................................... 22
2.2.3 Kritischer Hinweis ....................................................................................... 24
3
4
Fallbeispiele.................................................................................................... 25
3.1
TYP 1: 25. Mai 2012 ............................................................................................... 25
3.2
TYP 2: 25. November 2012..................................................................................... 31
Statistische Auswertung ................................................................................. 37
4.1
TYP 1: Klassischer Pfänderwind ............................................................................. 37
4.1.1 Häufigkeit .................................................................................................... 37
4.1.2 Lokale Windverhältnisse in Bregenz ........................................................... 41
4.1.3 Regionale Windverhältnisse ....................................................................... 44
4.1.4 Regionale Temperaturunterschiede ........................................................... 48
4.2
TYP 2: Südost Pfänderwind .................................................................................... 52
4.2.1 Häufigkeit .................................................................................................... 52
4.2.2 Lokale Windverhältnisse in Bregenz ........................................................... 57
4.2.3 Regionale Windverhältnisse ....................................................................... 59
4.2.4 Regionale Temperaturunterschiede ........................................................... 63
5
Diskussion ...................................................................................................... 68
6
Schlussfolgerung ............................................................................................. 72
Literaturverzeichnis ........................................................................................................ 74
Danksagung .................................................................................................................... 77
iv
1 Einleitung
1.1 Motivation
Die Windverhältnisse am Bodensee werden schon seit langer Zeit untersucht. Die besondere
Lage des Bodensees mit Flachland im Norden und den Alpen im Süden bringen die
unterschiedlichsten lokalen Windsysteme, beispielsweise auch den sogenannten
„Pfänderwind“, mit sich. Obwohl es bereits einige Arbeiten über die allgemeinen
Windverhältnisse (zB. Huss und Stranz 1970; Wagner 2003) sowie über Starkwinde an und
um den Bodensee gibt (zB. Mühleisen 1977; Piper 2011), wird das Phänomen „Pfänderwind“
kaum beachtet. Lediglich in einer alten Schrift des Vereins für Geschichte des Bodensees und
seiner Umgebung wurde von Seyffertitz (1897) ein Artikel zu diesem Thema verfasst.
Weitere kurze Anmerkungen sind in Kopfmüller (1924) zu finden. Basierend auf den Inhalten
dieser beiden Arbeiten definiert Schamp (1964) den Pfänderwind als östlichen bis
nordöstlichen föhnartigen Wind, der über den Gebhardsberg und den Pfänder herab weht.
Die Informationen der genannten Studien stimmen nicht immer mit Erfahrungsberichten
überein. Während nach obiger Definition föhnartige Ost- bis Nordostwinde in Bregenz als
Pfänderwinde bezeichnet werden, spricht beispielsweise Neururer (ZAMG Innsbruck,
persönliche Mitteilung) von Südostwinden und markanten Temperaturunterschieden
zwischen Bregenz und den umliegenden Stationen. Möglicherweise handelt es sich auch um
zwei unterschiedliche Formen des Pfänderwindes. Obwohl Pfänderwinde im Allgemeinen
nur selten Gefahren mit sich bringen, wurde bei Ost- bis Nordostwinden bereits von
kenternden Schiffen berichtet (Tschofen, ZAMG Techniker in Bregenz, persönliche
Mitteilung). Die, von Neururer als Pfänderwind bezeichneten Südostwinde überraschen
hingegen, wie oben bereits angedeutet, mit Temperaturdifferenzen zwischen Bregenz und
umliegenden Stationen, die auf den ersten Blick unerklärlich erscheinen. Diese Tatsachen,
sowie auch die Uneinigkeit, welche Eigenschaften, wie z.B. Windrichtung und
Temperaturunterschiede zwischen Bregenz und den umliegenden Stationen, die
Pfänderwinde ausmachen, lassen den Wunsch aufkommen, mehr über sie zu lernen.
Mit dieser Arbeit sollte erstmals anhand von Daten von Messstationen im Rheintal- und
Bodenseegebiet analysiert werden, wie häufig Pfänderwinde auftreten. Weiters wird
untersucht welche Bedingungen zu ihrer Entstehung beitragen und welche Wind- und
Temperaturverhältnisse sie auszeichnen. Das von Pfänderwinden betroffene Gebiet wird im
folgenden Kapitel beschrieben.
1
1.2 Untersuchungsgebiet
Der Pfänderwind ist ein sehr lokales, nur Bregenz und seine nächste Umgebung
betreffendes, Phänomen. An dieser Stelle werden kurz die Lage und die topographischen
Bedingungen beschrieben, da einige Bezeichnungen bereits im hierauf folgenden Kapitel
erwähnt werden.
Bregenz ist die Landeshauptstadt Vorarlbergs. Sie liegt direkt am Ostufer des Bodensees auf
427 m ü. NN. Nach Osten wird Bregenz vom 1064 m hohen Pfänder begrenzt, welcher Teil
der Allgäuer Alpen ist (Abb. 1.1). Den südlichen Ausläufer des Pfänders bildet ein etwa 700 m
hoher Bergrücken, der an seinem südwestlichsten Ende mit dem 598 m hohen Gebhardsberg
abschließt. Südlich von Bregenz öffnet sich das breite Rheintal. Durch seine besondere Lage
wird Bregenz von unterschiedlichsten lokalen Windsystemen, wie Land-SeewindZirkulationen (Bodensee), Hangwinden (Pfänder) und Talwinden sowie auch Südföhn
(Rheintal) beeinflusst.
47.6
60
0
N
80
0
Lindau
10
0
60
Latitude (deg N)
Bodensee
Rohrspitz
47.5
00
Bregenz Pfänder
1064 m
Gebhardsberg
Altenrhein
598 m
60
0
600
800
0
80
Dornbirn
47.4
9.5
9.6
9.7
80
10
RHEINTAL
00
0
1000
9.8
9.9
Longitude (deg E)
Abbildung 1.1: Gebietsübersicht von Bregenz. Die rechte Abbildung bietet eine großräumige
Übersicht, wobei die dünne rote Linie die Staatsgrenzen darstellt. Das rote Rechteckt zeigt jenen
Kartenausschnitt, welcher in der linken Abbildung im Detail zu sehen ist. Höhenlinien im 100 mIntervall.
2
1.3 Aktueller Stand der Forschung
1.3.1
Pfänderwind
Zum Thema „Pfänderwind“ gibt es bisher kaum wissenschaftliche Arbeiten. Seyffertitz
widmet dem sogenannten „Bregenzer Fallwind“ jedoch bereits 1897 einen Artikel. Laut
Seyffertitz (1897) befindet sich bei Pfänderwind nördlich von Bregenz ein Hoch, während
über dem Mittelmeer tiefer Luftdruck herrscht. Die resultierende Ostströmung fällt föhnartig
vom Pfänder herab. Dabei kommt es in und um Bregenz sehr lokal zu hohen
Windgeschwindigkeiten und häufig zu 2 bis 3 °C höheren Temperaturen. Die
Temperaturerhöhung findet laut Seyffertitz allerdings nicht immer statt. Kopfmüller (1924)
spricht ebenfalls von einem starken Ostwind, welcher bei antizyklonaler Wetterlage mit
starkem Gradienten auftritt und über das Pfändermassiv herabstürzt. In seiner Arbeit
bezeichnet Kopfmüller dieses Phänomen bereits als „Pfänderwind“. Er bestätigt die
föhnartigen Eigenschaften und untermauert diese mit einem Fallbeispiel: Am Abend des
27. April 1916 trat Pfänderwind auf, wobei in Bregenz Ostwind mit 4 Bf (5.5 bis 7.9 m s-1) und
eine um 2.3 °C höhere Lufttemperatur als in Lindau registriert wurde. In Lindau herrschte zur
selben Zeit Nordostwind mit Stärke 3 Bf (3.4 bis 5.4 m s-1). Laut Schamp (1964) tritt
Pfänderwind am häufigsten im Frühjahr bei nordöstlicher Luftströmung auf. Nach Kreuter
(Windsurfingclub Rheindelta, persönliche Mitteilung) herrscht an Pfänderwindtagen
Nordost-Bise. Der Pfänderwind selbst tritt meist erst abends auf und erreicht
Windgeschwindigkeiten um 5 bis 6 Bf (8 bis 13.8 m s-1). Auch Thüringer (Segelclub Bregenz,
persönliche Mitteilung) spricht von starken Ost- bis Nordostwinden mit Geschwindigkeiten
um 5 bis 7 Bf (8 bis 17.1 m s-1). Meist bläst der Pfänderwind an mehreren Tagen in Folge, je
von ungefähr 16:00 bis 19:00 MEZ. Er gilt als Schönwetter-Garant. Pfänderwind tritt laut
Thüringer vorwiegend von Frühling bis Herbst und im Schnitt 3- bis 4-mal pro Jahr auf.
Nach Neururer (ZAMG Innsbruck, persönliche Mitteilung) tritt Pfänderwind, anders als bei
den vorangegangenen Beschreibungen, bei südöstlicher- bis südwestlicher Strömung auf.
Sein wichtigstes Merkmal ist ein massiver Temperaturunterschied von 5 bis 8 K zwischen
Bregenz und Rohrspitz bzw. zwischen Bregenz und vielen Rheintalstationen. Gleichzeitig
treten Böen aus südöstlicher Richtung auf. Beiden Schilderungen liegen föhnartige
Eigenschaften zu Grunde. Deshalb wird im Folgenden darauf eingegangen, wie Föhn
entsteht.
1.3.2
Föhntheorie
Trifft eine dynamisch angetriebene Strömung auf orographische Erhebungen, so können die
Luftmassen das Gebirge entweder überströmen, durchströmen (gap flow) oder umströmen.
Beim Überströmen können sich unter bestimmten Bedingungen (siehe unten)
Schwerewellen bilden, welche wiederum zu Leewellen, Rotor-Zirkulationen und Föhnwinden
3
führen können (Jackson et al. 2013). Föhn wird 1992 von der World Meteorological
Organisation (WMO) wie folgt definiert:
„Föhn ist ein Wind, der - im Allgemeinen - auf der Leeseite von Gebirgen durch Absinken
wärmer und relativ trockener wird.“
Um die Entstehung von Föhnwinden nachvollziehen zu können, werden im nächsten
Abschnitt die Grundlagen der Schwereoszillation besprochen.
(a)
Schwereoszillation
Wird ein Luftpaket aus seiner Ursprungshöhe vertikal ausgelenkt, so kommt es bei Hebung
zu adiabatischer Expansion und bei Senkung zu adiabatischer Kompression. Sofern keine
Kondensation einsetzt, bleibt die potentielle Temperatur des Luftpaketes dabei konstant.
In einer stabil geschichteten Atmosphäre nimmt die potentielle Temperatur mit der Höhe
zu, wodurch ein ausgelenktes Luftpaket potentiell kälter/ wärmer als seine Umgebung ist.
Nachdem ein Luftpaket expandiert (Auslenkung nach oben), ist dieses somit dichter und
schwerer als seine Umgebung und erfährt eine negative Auftriebskraft, welche das Paket in
seine Ursprungslage zurückzubringen versucht. Aufgrund der Trägheit überschießt dieses
jedoch nach unten. Dort ist das Luftpaket wärmer als seine Umgebung und bekommt erneut
Auftrieb nach oben. Das Luftpaket oszilliert somit um seine Ausgangslage. Die Frequenz
dieser Oszillation entspricht der Brunt-Väisälä-Frequenz
=
(1.1)
wobei g die Schwerebeschleunigung, z die Höhe und
die potentielle Temperatur ist
(Durran 1990). Mit zunehmender Stabilität wird der vertikale Gradient
/
der
potentiellen Temperatur größer. Ein ausgelenktes Luftpaket oszilliert daher umso schneller,
je stabiler die Atmosphäre geschichtet ist. Trifft eine Strömung auf ein Gebirge, so wird nicht
nur ein einzelnes Luftpaket ausgelenkt, sondern eine ganze Schicht. Unter bestimmten
Bedingungen können sich dabei Schwerewellen bilden.
(b)
Lineare Wellentheorie
Für folgende Betrachtungen werden die Bewegungsgleichungen linearisiert (siehe, z.B
Kapitel 7.4 in Holton, 2004). Dazu werden alle Variablen in einen Grundzustand und eine
Abweichung davon zerlegt. Produkte zweier Abweichungen werden vernachlässigt, wodurch
die Bewegungsgleichungen zu linearen Differentialgleichungen reduziert werden. Mit dieser
Annahme kann die Vertikalkomponente w der Geschwindigkeit der Wellen analytisch
berechnet werden. Weiters werden Windgeschwindigkeit und Stabilität des Grundzustandes
als konstant angenommen.
4
Wie eine Strömung auf eine Auslenkung durch ein Gebirge reagiert, hängt davon ab, wie
lange die Gebirgsüberströmung im Vergleich zur Oszillation dauert (Durran 1990). Die
Periodendauer
der Oszillation ergibt sich aus der Brunt-Vaisälä-Frequenz:
=
2π
(1.2
In der Standardatmosphäre dauert eine Oszillation etwa 10 Minuten, in stabiler Schichtung
deutlich kürzer. Die Überströmungszeit
1.3
sagt aus, wie lange die Strömung mit der Geschwindigkeit U braucht um die Distanz a zu
überwinden. Wenn die Überströmungszeit länger dauert als eine Oszillation können sich
Schwerewellen bilden. Um Schwerewellen zu erzeugen sind folglich 3 Faktoren bestimmend:
•
•
•
Stabilität
Anströmungsgeschwindigkeit
Bergbreite
Ein Gebirge, das Schwerewellen anregt, muss breit genug sein oder langsam angeströmt
werden. Auch eine stabil geschichtet Strömung begünstigt Schwerewellen. Werden diese
Anforderungen erfüllt, breiten sich die Wellen vertikal aus, ohne dass ihre Amplitude
abgeschwächt wird. Die Lösung der linearisierten Wellengleichung zeigt, dass sich die
Vertikalkomponente w der Geschwindigkeit mit der Höhe sinusperiodisch ändert. Dadurch
verlagert sich der Punkt mit der höchsten Auslenkung stromaufwärts (Abb. 1.2a). Im Lee
kommt es zu einer Drängung der Stromlinien, und somit zu höheren Geschwindigkeiten
(Durran 1990). Da nicht-hydrostatische Effekte bei dieser Betrachtungsweise
vernachlässigbar sind und sich die vertikale Auslenkung durch die gesamte Troposphäre
a)
b)
Abbildung 1.2: Stromlinien einer gleichmäßigen Strömung über eine Reihe von sinusförmigen
Gebirgsketten mit (a)
und (b)
. Die gestrichte Linie in (b) zeigt die
Stromaufwärtsneigung der Schwerewellen am Punkt ihrer höchsten Auslenkung (nach Durran 1990).
5
fortpflanzt, wird diese Art von Schwerewellen auch als hydrostatische vertikal propagierende
Schwerewelle bezeichnet.
Dauert eine Oszillation länger als die Überströmung, so können sich keine Schwerewellen
ausbilden. Die Stromlinien werden symmetrisch ausgelenkt und mit zunehmender Höhe
exponentiell gedämpft (Abb. 1.2b). Die Windgeschwindigkeiten sind daher im Luv und im Lee
gleich hoch. Lediglich am Gipfel können höhere Geschwindigkeiten auftreten. In diesem Fall
entwickeln sich jedoch keine Föhnwinde.
Die Lösung der linearen Theorie beachtet zwar unterschiedliche Windgeschwindigkeiten im
Luv und im Lee von Gebirgen, allerdings werden in der Realität massiv höhere
Windgeschwindigkeiten gemessen als durch diese Annahme zu erwarten wären. Es muss
also auch nicht-lineare Prozesse geben, welche die Luftmassen Leeseitig derart
beschleunigen. Nach Smith (1980) ist die lineare Wellentheorie nur gültig ist, solange die
dimensionslose Gebirgshöhe
=ℎ
(1.4)
mit der Berghöhe ℎ und der Geschwindigkeit des Grundzustandes kleiner als 1 ist. Bei
größeren dimensionslosen Gebirgshöhen werden nicht-lineare Prozesse wichtig. Wenn
≫ 1 werden Luftmassen im Luv von Gebirgszügen blockiert. Eine weitere für Föhnwinde
entscheidende Folge dieser Prozesse wird im nächsten Abschnitt besprochen.
(c)
Wellenbrechen
Modellierungen, die nicht-lineare Effekte berücksichtigen, zeigen, dass vertikal
propagierende Schwerewellen brechen können, wenn die dimensionslose Gebirgshöhe
einen bestimmten Schwellenwert übersteigt. Nach Huppert und Miles (1969) liegt dieser
Schwellwert für ein zwei-dimensionales Gebirge (d.h. Bergrücken, der normal zur Strömung
unendlich weit ausgedehnt ist) bei 0.85. Isolierte, dreidimensionale Gebirge führen laut
Smith und Gronas (1993) zu Wellenbrechen, wenn die dimensionslose Gebirgshöhe größer
als 1 ± 0.1 ist. Wie aus Gleichung 1.4 ersichtlich ist, ist dies der Fall wenn
•
•
•
der Berg hoch ist
die Schichtung stabil ist und/ oder
die Windgeschwindigkeiten gering sind.
Richtungsweisend für das Verständnis des Mechanismus von Wellenbrechen sind vor allem
Studien von Clark und Peltier (1977), Peltier und Clark (1979, 1983) sowie Clark und Farley
(1984). Die Lösung der nicht-linearen Gleichung ist anfangs der linearen sehr ähnlich. Die
Isentropen beginnen jedoch zu kippen, wodurch sich potentiell kühlere Luft über potentiell
wärmere Luft schiebt. Folglich wird die Schicht instabil und eine große, turbulent
durchmischte Zone bildet sich. In dieser Zone ist die potentielle Temperatur konstant.
Diese Schicht wird auch als kritische Schicht bezeichnet. Sie wirkt wie eine Grenzfläche und
6
reflektiert nach oben propagierende Wellen zurück an die Oberfläche. Unterhalb dieser
durchmischten Schicht sind die Isentropen stark gedrängt. Beide, der zuletzt genannten
Tatsachen, führen im Lee zu stark erhöhten Windgeschwindigkeiten.
(d)
Leewellen und Rotoren
Wenn sich Stabilität und Windgeschwindigkeiten in der Troposphäre mit der Höhe ändern,
können sich Leewellen bilden (Durran 1990). Während Schwerewellen im wesentlichen auf
den Bereich oberhalb des Gebirges beschränkt sind, breiten sich Leewellen stromabwärts
aus (Abb. 1.3). Der Scorer-Parameter
=
(1.5
ist im Allgemeinen eine Funktion der Höhe. Leewellen treten dann auf, wenn der ScorerParameter mit der Höhe stark abnimmt. Wie aus Gleichung 1.5 ersichtlich, ist dies der Fall,
wenn entweder
•
•
der Wind mit der Höhe zunimmt oder/ und
die Stabilität mit der Höhe abnimmt
Die Wellen werden am Übergang zu einer Schicht mit anderer Stabilität oder
Windgeschwindigkeit sowie am Boden reflektiert (Durran 1990). Sie bleiben in dieser Schicht
Abbildung 1.3: Schematische Darstellung von Leewellen. Die Energie der vertikal propagierenden
Wellen wird am Übergang zu einer Schicht mit höheren Windgeschwindigkeiten und/ oder geringerer
Stabilität reflektiert. Zusätzlich ist ein Rotor eingezeichnet (nach Jackson et al. 2013).
7
gefangen, weshalb sie auch als „trapped waves“ oder „gefangene Wellen“ bezeichnet
werden. Im Gegensatz zu Schwerewellen hängt die Wellenlänge einer Leewelle nicht
zwingend von der Bergbreite ab, sondern ist vielmehr eine Funktion der stromaufwärtigen
Profile der Stabilität und der Windgeschwindigkeit (Jackson et al. 2013). Unterhalb der
Leewellen kann es zu Rotor-Zirkulationen kommen.
Doyle und Durran (2002) haben Rotoren erstmals anhand Computersimulationen analysiert.
Ihre Ergebnisse weisen auf ein Zusammenwirken aus Bodenreibung und positiver
Druckstörung unterhalb des Wellenberges hin. Durch Bodenreibung entsteht im Lee von
Gebirgen eine Schicht mit starker vertikaler Scherung. Diese Schicht löst sich in einem
Bereich mit positiver Druckstörung, welche unterhalb eines Wellenberges auftritt, vom
Boden ab. In Bodennähe kommt es zur Windumkehr (Abb. 1.3). Die hohen
Geschwindigkeiten im Lee eines Gebirgszuges lassen sich auch durch eine Analogie zu
Wasserströmungen über ein Hindernis erklären.
(e)
Flachwassertheorie
Folgende Erläuterungen basieren auf Durran (1990). Flachwasserströmungen über ein
Hindernis können einen hydraulischen Sprung hervorrufen. Die zugrundeliegende Dynamik
dieser Strömung lässt sich auch auf Luftströmungen über ein Gebirge anwenden, sofern die
Strömung nur gering vertikal ausgedehnt, und durch eine sogenannte freie Oberfläche von
der darüber liegenden Atmosphäre entkoppelt ist. Als freie Oberfläche kann beispielsweise
eine Stufe in der potentiellen Temperatur (z.B. eine Inversion) agieren. Ein wichtiger
Parameter für diese Betrachtungsweise ist die Froude-Zahl
"r =
U
% &
(1.6)
mit der Tiefe D des Mediums. Sie beschreibt das Verhältnis zwischen
Strömungsgeschwindigkeit und Phasengeschwindigkeit von linearen Schwerewellen am
Oberrand des Flachwassers. Ist die lokale Froude-Zahl überall größer als 1,so ist die
Strömung überkritisch. Beim Überwinden eines Hindernisses wird die Schicht höher und
verlangsamt sich, da sich kinetische Energie in potentielle Energie umwandelt. Die geringste
Geschwindigkeit wird am höchsten Punkt der Barriere erreicht. Ist diese Stelle überwunden,
wird die Strömung durch Umwandlung potentieller Energie in kinetische Energie wieder
beschleunigt (Abb. 1.4a). In unterkritischem Zustand (lokale Froude-Zahl überall kleiner als 1)
verhält sich die Strömung umgekehrt. Beim Auftreffen auf das Hindernis wandelt sich
potentielle Energie in kinetische Energie um, wodurch es zur Beschleunigung kommt. Nach
der Barriere nimmt die Geschwindigkeit wieder ab (Abb. 1.4b). In Abb. 1.4c ist die Strömung
anfangs unterkritisch. Durch Umwandlung potentieller Energie in kinetische Energie kann ein
bestimmten Schwellenwert überschritten werden, wodurch der Strömungszustand von
unterkritisch zu überkritisch übergeht. Wie oben besprochen beschleunigen die
8
Abbildung 1.4: Verhalten einer Flachwasserströmung über ein Hindernis: (a) überall überkritische
Strömung, (b) überall unterkritische Strömung, (c) Übergang von unter- zu überkritisch am Gipfel mit
hydraulischem Sprung im Lee (nach Durran 1990).
Wassermassen bei überkritischen Verhältnissen hinter dem Hindernis. Leeseitig werden sehr
hohe Geschwindigkeiten erreicht, da folglich während der gesamten Überströmung
potentielle Energie in kinetische Energie umgewandelt wird. Die Strömung wird also stets
beschleunigt. Durch einen turbulenten hydraulischen Sprung erlangt die Strömung wieder
dieselben Bedingungen, die in der Umgebung herrschen.
Analogien zur Flachwasserströmung können die hohen Leegeschwindigkeiten sehr gut
erklären und wurden beispielsweise auch mit Segelflugzeug-Sondierungsflügen im Raum
Innsbruck nachgewiesen (Reinhardt 1963). Auch numerische Simulationen von Gohm und
Mayr (2004) weisen für dieselbe Gegend eine gute Übereinstimmung der wichtigsten
Strömungsmuster mit den Boden-Beobachtungen auf. Die hohen Temperaturen, welche bei
Föhn beobachtet werden, versucht (unter anderem) eine der ältesten und bekanntesten
Theorien zum Thema Föhn, die thermodynamische Föhntheorie, zu begründen. Obwohl
diese Theorie weitgehend widerlegt wurde oder nur minimal zur Erklärung des Phänomens
„Föhn“ beiträgt, wird sie der Vollständigkeit halber erwähnt.
9
(f)
Thermodynamische Föhntheorie
Die thermodynamische Föhntheorie hat ihren Ursprung im 19. Jahrhundert und wird dem
österreichischen Wissenschaftler Julius von Hann zugeschrieben. Abbildung 1.5 erläutert
diese, rein thermodynamische Sichtweise. Feuchte Luft strömt auf ein Bergmassiv zu und
wird gehoben. Anfangs kühlt sie sich trockenadiabatisch, das heißt mit einer
Temperaturabnahme von einem Kelvin pro 100 Meter, ab. Wenn die Luftmassen ihr
Sättigungsniveau erreicht haben, wird durch Kondensation latente Wärme freigesetzt, was
die Abkühlungsrate dämpft. Die Luft kühlt daher nur mehr feuchtadiabatisch, also um
0.6 Kelvin pro 100 Meter, ab. Gleichzeitig formen sich Wolken und Niederschlag fällt aus. Im
Lee sinken die Luftmassen wieder ab. Da die Niederschlagsteilchen ausgefallen sind, wird
keine Energie für Verdunstung benötigt, weshalb sich die Luftmassen während des gesamten
Absinkvorgangs trockenadiabatisch erwärmen. Folglich herrschen im Lee höhere
Temperaturen und eine geringere Feuchte als stromaufwärts. Da die Luft leeseitig sehr
trocken ist, ist die Sicht hervorragend. Dieser Bereich wird daher auch als „Föhnfenster“
bezeichnet. Zum Thema thermodynamische Föhntheorie, vergleiche z.B. Richner und
Hächler (2013).
Das Prinzip dieser Theorie funktioniert allerdings nur, wenn tatsächlich Niederschlag ausfällt.
Ansonsten wird die stromaufwärts frei gewordene latente Wärme beim Absinken durch
Verdunstung wieder verbraucht. Abkühlung und Erwärmung sind daher im Luv und Lee
symmetrisch und es kommt zu keiner Netto-Erwärmung. In der Realität werden jedoch viele
Föhnereignisse ohne Niederschlag beobachtet (Seibert 1990). Des Weiteren wären zum Teil
unrealistische Niederschlagssummen nötig, um beobachtete Temperaturerhöhungen zu
erreichen. Seibert (1990) errechnet für eine 100 km breite Region bei Niederschlagsraten
von 1 mm/h bei Südföhn in den Ostalpen eine Erwärmung von etwa 1.5 bis 2 Kelvin durch
Abbildung 1.5: Schematische Darstellung der thermodynamischen Föhntheorie (nach Richner und
Hächler 2013).
10
rein thermodynamische Effekte. Im Mittel liegt der potentielle Temperaturunterschied
jedoch bei 6 bis 7 K zwischen Trento und Innsbruck. Die thermodynamische Föhntheorie
kann das Phänomen also nicht erklären. Außerdem begründet diese Theorie die hohen
Windgeschwindigkeiten im Lee nicht.
Nach heutigem Kenntnisstand stammt die Föhnluft nicht vom Boden von stromaufwärts,
sondern steigt in Folge von Schwerewellen aus größerer Höhe ab (Seibert 1990). Da die
potentielle Temperatur in einer stabilen Schichtung mit der Höhe zunimmt, sinkt im Lee
potentiell wärmere Luft ab. Dies erklärt die höheren Temperaturen, die bei Föhnereignissen
gemessen werden. Hinzu kommt häufig ein Kaltluftsee, der sich vor Föhndurchbruch in den
Tälern hält und den Temperaturanstieg bei Föhn noch extremer erscheinen lässt. Ein
Vergleich von Föhn und Bora zeigt, dass die zugrundeliegenden Mechanismen sehr ähnlich
sind (Smith 1987). Steinacker (2006) bezeichnet Föhn daher als nichts anderes als eine
„maskierte Bora“, die eine vorher vorhandene, noch kältere Luft (Kaltluftsee) im Tal ersetzt.
Für die Interpretation der Ergebnisse ist auch die Unterscheidung zwischen seichtem und
hochreichendem Föhn von Bedeutung.
(g)
„Seichter“ und „hochreichender“ Föhn
Seichter und hochreichender Föhn unterscheiden sich in erster Linie im Verhalten der
Strömung oberhalb des Kammniveaus. Der Begriff des „seichten“ Föhns wurde erstmals von
Kanitscheider (1932) erwähnt, wobei dieser Föhntyp heute auch häufig als „gap flow“
bezeichnet wird (Mayr et al. 2004). Wie in Abb. 1.6a zu erkennen, strömt dabei nur die
unterste Schicht durch Gebirgseinschnitte, wohingegen die Strömung oberhalb des
Kammniveaus parallel zum Gebirgszug verläuft. Bei seichtem Südföhn in den Alpen wehen
die geostrophischen Winde oberhalb des Kammniveaus folglich aus westlicher Richtung.
a)
b)
Abbildung 1.6: Schematische Darstellung des Unterschieds zwischen (a) seichtem und (b)
hochreichendem Föhn. Die Strömung oberhalb des Kammniveaus ist bei seichtem Föhn von der
Strömung unterhalb entkoppelt (nach Mayr et al. 2004).
11
Dennoch weist diese Föhnströmung alle typischen Föhneigenschaften auf (vgl. z.B. Mayr et
al. 2007, Seibert 1990). Bei hochreichendem Föhn hat der geostrophische Wind über
Kammniveau eine Komponente senkrecht zur Gebirgskette. Das Gebirge wird hierbei sowohl
durchströmt als auch überströmt (Abb. 1.6b).
Nach Mayr et al. (2007) werden „gap flows“ durch unterschiedliche Luftmassen beiderseits
der Gebirgseinschnitte verursacht. Im Falle des seichten Südföhns in den Alpen befindet sich
südlich der Alpenkette relativ kältere Luft als im Norden. Diese Verteilung der Luftmassen
kann nach Mayr et al. (2007) durch mehrere Prozesse hervorgerufen werden. Zumeist wird
jedoch an der Vorderseite eines Troges Warmluft an die Alpennordseite advehiert. Die
Poebene wird hingegen durch den Alpenbogen abgeschirmt und verbleibt in relativ kälterer
Luft. Durch die Temperaturunterschiede zwischen der Nord- und der Südseite der Alpen
baut sich ein Druckgradient auf, der eine seichte Föhnströmung durch Gebirgseinschnitte
hervorrufen kann. Auch der synoptische Druckgradient zeigt nach Norden. Durch diesen
alleine kann jedoch kein seichter Föhn entstehen (Zängl 2002). Da seichte Föhnströmungen
nur eine geringe vertikale Ausdehnung aufweisen und häufig durch Inversionen von der
Atmosphäre darüber entkoppelt sind, können sie gut als Flachwasserströmung beschrieben
werden (Gohm und Mayr 2004).
Hochreichender Föhn wird durch die synoptische Strömungssituation senkrecht zum Gebirge
hervorgerufen und die Luftmassen sinken aus einem Höhenbereich oberhalb des
Kammniveaus in die Täler ab. Eine Entkoppelung, wie sie bei seichtem Föhn beobachtet
wird, ist bei hochreichendem Föhn kaum gegeben. Daher lässt er sich durch die
Schwerewellentheorie besser beschreiben als anhand der Flachwassertheorie (Mayr und
Gohm 2006). Wie bereits erwähnt, wird eine Art des Pfänderwindes bei nordöstlicher
Abbildung 1.7: Typische Winde in Mitteleuropa, die durch postfrontale Kaltluftadvektion,
Blockierung und Kanalisierung auftreten. Im umrahmten Gebiet ist der Name "Bise" gebräuchlich
(nach Wanner und Furger 1990).
12
Anströmung erwartet. Da diese Anströmungsrichtung auch zu Bise führt, wird im Folgenden
kurz auf die Entstehung von Bisen-Lagen eingegangen.
1.3.3
Bise
Die sogenannte „Bise“ ist einer von vielen regionalen Winden im Alpenraum. Es handelt sich
dabei um einen starken, synoptisch angetriebenen Nord- bis Ostwind im nördlichen
Alpenvorland (Wanner und Furger 1990). Der Begriff „Bise“ wird vor allem im Jura-Gebiet
und im Schweizer Mittelland verwendet (Abb. 1.7). Dort werden die Luftmassen durch die
Orographie kanalisiert und dadurch beschleunigt.
Abbildung 1.8: Synoptische Situationen, die zu Bise führen: (a)-(c) Vorphase, Beginn und Hauptphase
der klassischen Bise; (d)-(e) Beginn und Hauptphase einer starken Winter-Bise; (f) Winter-Bise mit
Niederschlag ("Bise Noir"). bi = Bise; bo = Bora; f = Föhn; m = Mistral. Gestrichte Linie: 500 hPa
Isohypsen; Pfeile: Bodenströmung. (Nach Wanner und Furger 1990)
13
Wanner und Furger (1990) erläutern in ihrer Klimatologie über Bise die synoptischen
Bedingungen, die zu solchen Winden führen. Dabei werden drei Arten von Bise
unterschieden. Erstens die „klassische“ Bise, zweitens eine starke Winter-Bise und drittens
Bise mit Niederschlag („Bise Noir“). Im Allgemeinen befindet sich während Bise ein Hoch
nördlich der Alpen, was zu einem stärkerem Nord-Süd oder Nordost-Südwest
Bodendruckgradient führt. Häufig entwickelt sich auch ein Genua-Tief, dies ist jedoch nicht
zwingend der Fall. Abbildung 1.8a-c zeigt die Entwicklung der klassischen Bise. Zunächst
bewegt sich ein Frontensystem auf die Alpen zu. Westwinde dominieren und schwacher,
prefrontaler Föhn weht (Abb. 1.8a). Die Kaltfront legt sich an den Alpenbogen an, die
Luftmassen werden blockiert und umströmen die Gebirgskette (Abb. 1.8b). In der Regel
formt sich anschließend über dem Golf von Genua ein Leetief. Folglich kommt es zu einer
nördlichen bis nordöstlichen Anströmung und die Luftmassen werden, wie in Abb. 1.8c zu
erkennen, zwischen Jura und Alpen kanalisiert. Über dem Schweizer Mittelland und dem
oberen Rhonetal herrscht nun Bise. Diese Art der Zyklonenaktivität ist im Frühjahr am
höchsten, weshalb auch Bise in dieser Zeit am häufigsten auftritt. Im Winter kann Bise oft 4
bis 7 Tage anhalten, da Antizyklonen sehr stabil über Skandinavien und Osteuropa bestehen
bleiben. Abbildung 1.8d und 1.8e veranschaulichen die Entwicklung einer solchen WinterBise. Kaltluft aus Nord bis Nordost strömt auf Jura und Alpen zu. Der nachfolgende
Druckanstieg nördlich der Alpen führt wiederum zu Bise, Mistral und auch Bora. Wenn ein
Genua-Tief auf die nördlichen Alpen übergreift, kann durch Advektion feuchter Luftmassen
auch Niederschlag fallen (Abb. 1.8f). Dieses Phänomen tritt hauptsächlich im Winter auf und
wird auch als „Bise Noir“ oder „schwarze Bise“ bezeichnet. Meist geht Bise jedoch mit
antizyklonalen Wetterbedingungen einher.
1.4 Ziele und Gliederung
Ziel dieser Arbeit ist es, erstmals anhand einer 11-jährigen Datenreihe die Häufigkeit von
Pfänderwinden zu analysieren. Weiters sollen lokale und regionale Windverhältnisse sowie
potentielle Temperaturdifferenzen zwischen Bregenz und den umliegenden Stationen
untersucht werden. Ferner sollen erste Erkenntnisse über Bedingungen, die zur Entstehung
von Pfänderwinden führen, gewonnen werden.
In Kapitel 2 wird zunächst das verwendete Messnetz vorgestellt. Wie bereits angedeutet gibt
es zwei unterschiedliche Typen von Pfänderwind. Diese werden im Anschluss gesondert
betrachtet. Kriterien zur Identifikation der Pfänderwindereignisse werden im nächsten
Kapitel festgelegt. Bevor die damit als Pfänderwind klassifizierten Daten in Kapitel 4
ausgewertet werden, wird in Kapitel 3 für beide Typen des Pfänderwindes ein kurzes
Fallbeispiel gezeigt. Diese sollen in erster Linie dem Leser dienen, sich ein Bild davon zu
machen, wie sich Pfänderwinde äußern. Auch wird klar, dass es sich tatsächlich um zwei
unterschiedliche Phänomene handelt. In den Analysen in Kapitel 4 wird untersucht wie
häufig Pfänderwinde auftreten. Saisonale und tageszeitliche Abhängigkeiten werden
14
besprochen. Weiters wird analysiert, wie lange Pfänderwindereignisse dauern. Auch lokale
und regionale Wind- und Temperaturverhältnisse sowie pseudovertikale Profile der
potentiellen Temperaturdifferenzen werden betrachtet. In Kapitel 5 werden ausgewählte
Ergebnisse und die vermuteten Ursachen der beiden Pfänderwind-Typen diskutiert, bevor im
abschließenden Kapitel 6 die wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst werden.
15
2 Datengrundlage
2.1 Verwendete Datensätze
Für diese Arbeit steht ein dichtes Messnetz von 42 Stationen im Bodensee und
Rheintalgebiet bereit. Die Daten von 13 TAWES- (Teilautomatische-Wetter-ErfassungsSysteme) und 13 SYNOP-Stationen wurden von der Zentralanstalt für Meteorologie und
Geodynamik (ZAMG) zur Verfügung gestellt, weitere 14 Stationen von Meteomedia.
Zusätzlich werden Daten des Hafens von Bregenz, Station „Seezeichen 75“, und der
Pfänderbahn verwendet.
LEU
KEM
KON
SAR
MEE
FRI
GUE
OBE
SEE
SUL
PFA
ROH
BRE
ALT
THA
ALB
DOR
HEE
GAL
GAE
EIO
EIC
EBE
EBN
LIB
KRE
SIG
LIN
FRA
SOP
FEL
MIT
SRO
SAE
BLU
VAD
QUI
GLA
LAN
BRA
RAG
CHU
Tawes
Synop
Meteomedia
Pfänderbahn
Seezeichen 75
Abbildung 2.1: Übersichtskarte der verwendeten TAWES- (hellblau), SYNOP- (dunkelblau),
Meteomedia- (orange) Stationen, sowie der Station der Pfänderbahn (grün) und des Seezeichen 75
(rot). Die Abkürzungen der Stationen werden in Tabelle 2.1 erläutert.
16
Abbildung 2.1 zeigt die Standorte dieser 42 Wetterstationen. Tabelle 2.1 informiert
zusätzlich über deren Höhenlage sowie den Zeitraum in welchem Daten zur Verfügung
stehen. Die Daten der TAWES-Stationen und jene des Seezeichen 75 haben eine zeitliche
Auflösung von 10 Minuten. Die Länge des Messintervalls der SYNOP-Stationen beträgt 60
Minuten und Daten der Pfänderbahn stehen mit 5 Minuten-Auflösung zur Verfügung. Die
Messstationen von Meteomedia wurden zwischen 2007 und 2009 von 60 minütiger
Messung auf 10 minütige Datenintervalle umgestellt. In den Fallbeispielen in Kapitel 3
werden für ausgewählte Stationen Zeitreihen in 10-Minutenauflösung gezeigt. Für die
statistischen Auswertungen in Kapitel 4 werden jedoch lediglich Messwerte zu jeder vollen
Stunde herangezogen, da nur diese an allen Stationen zur Verfügung stehen.
In dieser Arbeit wird allem voran auf Wind- und Temperaturmessungen zurückgegriffen. Zur
Identifikation der Ereignisse werden zusätzlich Niederschlagsdaten analysiert. Auch
Druckmessungen werden benötigt, da Temperaturunterschiede zwischen Bregenz und
umliegenden Stationen anhand der potentiellen Temperatur
+,
Δ = *
+
-.
/0
(2.1)
ausgewertet werden. Hierbei ist T die absolute Temperatur in Kelvin, p ist der Druck in der
entsprechenden Höhe, p0 ist ein Referenzdruck von 1000 hPa, Rd die spezifische
Gaskonstante von trockener Luft und cp die spezifische Wärmekapazität bei konstantem
Druck. An manchen Stationen von Meteomedia sowie am Seezeichen 75 wird jedoch kein
Druck aufgezeichnet, weshalb die potentielle Temperatur dieser Stationen nicht direkt
berechnet werden kann. Um diese trotzdem zu erhalten wird der Druck für den jeweiligen
Standort aus Messungen der anderen Stationen interpoliert. Hierfür werden die
Druckmessungen zunächst auf eine einheitliche Höhe von 400 m reduziert. Diese Höhe wird
als Referenz gewählt, da sich viele der Stationen in etwa in dieser Höhenlage befinden und
somit der Fehler, der durch die Interpolationen entsteht, minimiert wird. Anschließend
werden die reduzierten Drücke auf ein Gitter interpoliert und für Stationen ohne
Druckmessung übernommen. Die Interpolierten Drücke werden daraufhin auf die Höhe der
entsprechenden Station reduziert. Die potentielle Temperatur der Pfänderbahn kann für
Vergleiche nicht verwendet werden, da es scheinbar in der Temperaturmessung einen
„Offset“ zu anderen Stationen gibt.
Um die synoptische Lage der Pfänderwind-Fallbeispiele in Kapitel 3 zu besprechen, werden
zusätzlich die operationellen Analysen des ECMWF (European Centre for Medium-Range
Weather Forecasts) verwendet.
17
(a) TAWES
Station
Alberschwende
Bludenz
Brand
Bregenz
Dornbirn
Feldkirch
Fraxern
Langen/ Arlberg
Mittelberg
Rohrspitz
Schoppernau
Schröcken
Sulzberg
Abkürzung
Höhe [m]
Datenverfügbarkeit
ALB
BLU
BRA
BRE
DOR
FEL
FRA
LAN
MIT
ROH
SOP
SRO
SUL
715
565
1029
424
407
438
807
1221
1203
395
839
1244
1018
01.01.2002 – 01.12.2012
19.07.2007 – 31.12.2012
01.01.2002 – 31.12.2012
01.01.2002 – 01.12.2012
01.01.2002 – 01.12.2012
01.01.2002 – 01.12.2012
16.07.2003 – 01.12.2012
01.01.2008 – 31.12.2012
15.05.2009 – 31.12.2012
11.07.2008 – 01.12.2012
06.08.2007 – 31.12.2012
29.10.2007 – 31.12.2012
21.08.2008 – 01.12.2012
Abkürzung
Höhe [m]
Datenverfügbarkeit
RAG
CHU
EBN
GLA
GUE
KEM
KON
LEU
QUI
SAR
SAE
GAL
VAD
496
556
623
516
440
705
442
671
419
718
2502
775
457
06.02.2012 – 31.12.2012
01.01.2002 – 30.11.2012
24.01.2011 – 31.12.2012
01.01.2002 – 31.12.2012
01.01.2002 – 30.11.2012
01.01.2002 – 30.11.2012
01.01.2002 – 30.11.2012
30.03.2007 – 30.11.2012
24.10.2011 – 31.12.2012
24.01.2011 – 31.12.2012
01.01.2002 – 30.11.2012
01.01.2002 – 30.11.2012
01.01.2002 – 30.11.2012
Abkürzung
Höhe [m]
Datenverfügbarkeit
ALT
EBE
EIC
EIO
FRI
399
1640
494
620
417
01.01.2002 – 31.12.2012
01.01.2002 – 31.12.2012
18.02.2011 – 31.12.2012
01.12.2005 – 31.12.2012
29.08.2003 – 31.12.2012
(b) SYNOP
Station
Bad Ragaz
Chur
Ebnat-Kappel
Glarus
Güttingen
Kempten
Konstanz
Leutkirch-Herlazhofen
Quinten
Salen-Reutenen
Säntis
St. Gallen
Vaduz
(c) METEOMEDIA
Station
Altenrhein
Ebenalp
Eichberg-Oberau
Eichberg-Oberrüti
Friedrichshafen
18
Station
Gäbris
Heerbrugg
Kressbronn
Lindau-Bad Schachen
Lindenberg/ Allgäu
Meersburg/ Bodensee
Oberstaufen/ Allgäu
Sigmarszell-Zeisertsweiler
Thal
Abkürzung
Höhe [m]
Datenverfügbarkeit
GAE
HEE
KRE
LIN
LIB
MEE
OBE
SIG
THA
1241
408
450
400
818
399
800
507
430
01.01.2002 – 31.12.2012
01.01.2002 – 31.12.2012
01.01.2002 – 31.12.2012
01.01.2002 – 31.12.2012
01.01.2002 – 31.12.2012
01.01.2002 – 31.12.2012
01.01.2002 – 31.12.2012
03.05.2005 – 31.12.2012
12.03.2007 – 31.12.2012
Abkürzung
Höhe [m]
Datenverfügbarkeit
PFA
SEE
1079
400
09.05.2012 – 31.12.2012
31.03.2006 – 07.12.2012
(d) WEITERE STATIONEN
Station
Pfänderbahn
Seezeichen 75
Tabelle 2.1: Liste der (a) TAWES-, (b) SYNOP- und (c) Meteomedia-Stationen sowie (d) Stationen
anderer Betreiber mit deren Abkürzung und Höhenlagen. Der Zeitraum, in welchem Daten
vorhanden sind, wird angegeben.
2.2 Identifikation der Pfänderwindereignisse
Um Häufigkeit und Eigenschaften der Pfänderwinde zu untersuchen, werden zunächst
möglichst alle Ereignisse aus den Daten identifiziert. Betrachtet wird der Zeitraum von
01. Januar 2002 bis 31. Dezember 2012, wobei nur Einträge zu jeder vollen Stunde für die
Auswertung herangezogen werden. Als ein Pfänderwindereignis werden alle Stundenwerte
zusammengefasst, welche die Kriterien in Kapitel 2.2.1 und 2.2.2 erfüllen und nicht länger als
12 Stunden auseinander liegen.
In Mühleisen (1977) werden Starkwinde an und um den Bodensee analysiert. Abweichend
von der üblichen Definition werden hierfür alle Winde über 5.5 m s-1 betrachtet. Gewöhnlich
werden erst Winde ab 10.8 m s-1 als Starkwinde eingestuft, da diese Geschwindigkeiten am
Bodensee jedoch selten auftreten, werden auch schwächere Winde miteinbezogen.
Abbildung 2.2 zeigt alle, anhand der Definition von Mühleisen (1977) klassifizierten
Starkwinde, welche aus Richtung des Pfänders oder seinem südlichen Ausläufer und dem
Gebhardsberg wehen. Der Windrichtungssektor der TAWES-Station in Bregenz wird hierfür
von 30 bis 180° beschränkt. Diese Abbildung weist auf zwei dominierende
Starkwindrichtungen von Pfänder und Gebhardsberg her, hin. Wie in Kapitel 1.3.1 bereits
erwähnt, gibt es zwei unterschiedliche Auffassungen des „Pfänderwindes“, welche sich mit
Abb 2.2 gut in Einklang bringen lassen. Strömungen über den Gebhardsberg sind zwar etwa
zweieinhalb Mal so häufig als jene vom Pfändergipfel herab, allerdings erreichen letztere
19
N
47.52
Bodensee
0
60
0
Latitude (deg N)
20%
SEE
80
0
0
10
Pfänder
15%
0
80
10%
5%
47.5
BRE
≥ 12
10 − 12
600
9 − 10
8−9
7−8
6−7
5.5 − 6
Gebhardsberg
47.48
9.7
9.75
9.8
Longitude (deg E)
Abbildung 2.2: Häufigkeit der Starkwinde über 5.5 m s-1 aus Windsektor 30 bis 180° an der TAWESStation in Bregenz (BRE). Die Windrose gibt den Prozentanteil pro Windrichtungssektor (10°-Schritte)
an, die Windgeschwindigkeitsklassen (m s-1) werden zusätzlich farblich codiert. Die Lage der Station
Seezeichen 75 (SEE) ist eingezeichnet. Mit Topographie hinterlegt, Höhenlinien im 100 m Intervall.
Die Uferlinie des Bodensees wird aufgrund unzureichender Auflösung nicht korrekt dargestellt (SEE
befindet sich etwa 200 m im See). Auswertung über den Zeitraum Januar 2002 bis Dezember 2012.
höhere Geschwindigkeiten. Während Winde vom Gebhardsberg her in nur 2 % der Fälle
Windstärken von 8 m s-1 überschreiten, werden diese vom Pfändergipfel herab in etwa 20 %
der Fälle erreicht. Eine erste grobe Analyse der Daten ergibt, dass es sich um zwei
unterschiedliche Phänomene handelt. In dieser Arbeit werden daher beide Fälle gesondert
betrachtet. Im Folgenden werden Fälle mit starkem Ostwind in Bregenz als Typ-1 oder
„klassischer“ Pfänderwind, und jene mit ausgeprägten Temperaturunterschieden als Typ-2
oder „Südost“-Pfänderwind bezeichnet. Tabelle 2.2 fasst die bisher bekannten Eigenschaften
des Pfänderwindes zusammen (vgl. Kapitel 1.3.1). Diese dienen als Grundlage für die Wahl
der Kriterien zur Identifikation der Pfänderwindereignisse.
TYP 1
Klassischer
Pfänderwind
TYP 2
SüdostPfänderwind
Windrichtung
Windgeschwindigkeit
Temperatur
-differenz
Synoptische
Anströmung
Ost/
Nordost
ab 4-5 Bf
(ab 5.5–7.9 m s-1 )
bis zu 3 K
Nordost
Südost
-
~ 5-8 K
Südost bis
Südwest
Jahreszeit/
Tageszeit
Frühjahr bis
Herbst,
Abends
-
Tabelle 2.2: Zusammenfassung der bisher bekannten Eigenschaften des Pfänderwindes.
Windrichtung und Windgeschwindigkeit beziehen sich auf Bregenz. Die Temperaturdifferenz gilt für
den Vergleich umliegender Stationen zu Bregenz.
20
2.2.1
TYP 1: Klassischer Pfänderwind
Zur Identifikation des klassischen oder Typ-1-Pfänderwindes wird der Windrichtungssektor
an der TAWES-Station in Bregenz von 30 bis 130° beschränkt, um nur Winde aus der
Richtung des Pfänders (ohne südöstlichen Ausläufer und Gebhardsberg) zuzulassen.
Zusätzlich wird der Windsektor in Konstanz auf 0 bis 135° eingeschränkt, um auch die
großräumige nordöstliche Anströmung zu gewährleisten. Die Station in Konstanz wird
gewählt, da sie im Vergleich zu den meisten anderen, zur Verfügung stehenden Stationen
nicht von Gebirgen beeinflusst wird und Daten ab dem 01. Januar 2002 zur Verfügung
stehen. Die 10-Minuten-Mittelwindgeschwindigkeit an der TAWES-Station in Bregenz soll
ebenfalls einen bestimmten Schwellenwert überschreiten, um beispielsweise katabatische
Hangabwinde auszuschließen. Auswertungen, allem voran jene der absoluten Häufigkeiten
der Ereignisse, hängen stark von der Wahl dieser Grenze ab. Um diese Sensitivität zu
quantifizieren
werden
zuerst
einige
Analysen
mit
unterschiedlichen
-1
-1
Windgeschwindigkeitsgrenzen von 3 m s bis 9 m s durchgeführt. Als kleinster Grenzwert
wird 3 m s-1 gewählt, da Winde unter 3 m s-1 beispielsweise auch bei Hangabwinden möglich
sind. Analysen mit einem höheren Grenzwert als 9 m s-1 erweisen sich aufgrund der geringen
Gesamtanzahl der Fälle als nicht sinnvoll. Für spezielle Untersuchungen wird eine
Windgeschwindigkeit von mindestens 6 m s-1 festgelegt. In der Regel erreichen weder LandSeewind-Zirkulationen (vgl. Huss und Stranz 1970), noch Hangwinde (vgl. z.B. Zardi und
Whiteman 2013) diese Geschwindigkeit. Bei geringeren Geschwindigkeiten ist die
Abgrenzung zu anderen Phänomenen hingegen zum Teil schwierig, obwohl genauere
Untersuchungen zeigen, dass es vereinzelt tatsächlich Typ-1-Pfänderwinde mit geringeren
Geschwindigkeiten gibt. Für einen höheren Schwellenwert spricht jedoch auch, dass sie
vorhersagerelevant sind. Nicht zuletzt spricht auch Kopfmüller (1924) ab etwa 4 Bf
(ab 5.5 m s-1) von Pfänderwind, was Segler und Surfer in persönlichen Mitteilungen
bestätigen.
Bei der Identifikation der Pfänderwindereignisse von Typ-1 muss ein zusätzlicher Aspekt
betrachtet werden. Thüringer (persönliche Mitteilung) weist auf zwei weitere Phänomene
hin, welche in Bregenz zu starken Winden aus östlicher Richtung führen können. Zum einen
kann die Böenfront eines Gewitters, welche aus östlicher Richtung kommend über den
Pfänder in Richtung See zieht, entlang des Pfänderhanges bis auf Sturmstärke
beschleunigen. Zum anderen „saugen“ Gewitter westlich von Bregenz Luft an, um durch
starke Aufwinde entstandenen Unterdruck auszugleichen. Beides wird in Bregenz als
Ostwind registriert. Um diese Fälle möglichst auszuschließen, werden alle TAWESNiederschlagsraten im 10 Minuten Intervall von einer Stunde vor bis eine Stunden nach dem
entsprechenden Dateneintrag aufsummiert und bei einer Niederschlagssumme größer
0.0 mm ausgeschlossen. Obwohl viele Hinweise über Pfänderwind auf ein reines
„Schönwetterphänomen“ hindeuten, können Situationen mit Niederschlag nicht von vorne
herein ausgeschlossen werden. Im Zeitraum von 01.01.2002 bis 31.12.2012 werden bei
Geschwindigkeitsgrenzen von 3 bis 8 m s-1 etwa 6 bis 9 % der nach obigen Kriterien
21
eingeschränkten Stundenwerte als Niederschlagsereignis eingeordnet. Bei einer
Windgeschwindigkeitsgrenze von 9 m s-1 sind jedoch 20 % aller Fälle mit Niederschlag
verbunden. 70 % bis 100 % dieser Ereignisse dauern nur einen einzigen Stundenwert lange
an, allerdings weisen sie zum Teil sehr hohe Windgeschwindigkeiten mit Böen um
durchschnittlich 13 m s-1 (bei 6 m s-1-Kriterium) und 10-Minuten-Mittelwerten bis 10.3 m s-1
auf. Die Wettermeldungen der SYNOP-Station Bregenz sowie ein Blitzarchiv zeigen, dass
einige der Ereignisse tatsächlich mit großer Sicherheit von Gewittern verursacht wurden. So
zum Beispiel der Fall des 23. August 2012 um 16 UTC. Bei einer Windrichtung von 103°,
10-Minuten-Mittelwindgeschwindigkeiten um 10 m s-1 und Böen von 17 m s-1 wurde an der
SYNOP-Station in Bregenz ein Gewitter verschlüsselt. Einige Stunden später (02 UTC) treffen
die Pfänderwind-Kriterien ebenfalls zu. Im Blitzarchiv wurden auch zu dieser Zeit Gewitter im
Raum Bregenz bestätigt. Da viele der Niederschlagsereignisse im Sommer auftreten, besteht
die Möglichkeit, dass es sich ebenfalls um Gewitter handelt. Es gibt aber auch Fälle, wie etwa
jenen des 19. und 20. Dezembers 2004, welche durch das Niederschlagskriterium
ausgeschlossen werden, obwohl es sich offensichtlich nicht um ein Gewitter handelt.
Eventuell gibt es analog zur „Bise noir“ (vgl. Kapitel 1.3.3) oder dem Dimmerföhn (Föhn mit
Niederschlag im Lee, vgl. z.B. Kuhn (1989)) auch einen Typ von Pfänderwind, der mit
Niederschlag einhergeht. In dieser Arbeit wird jedoch nur auf niederschlagsfreie Ereignisse
eingegangen.
2.2.2
TYP 2: Südost-Pfänderwind
Für Typ-2-Pfänderwinde wird der Windsektor an der TAWES-Station in Bregenz von 90 bis
180°, also von Ost bis Süd, eingegrenzt. Die ausschlaggebende Eigenschaft der SüdostPfänderwindart ist der massive Temperaturunterschied zwischen Bregenz und Rohrspitz
sowie vielen Rheintalstationen, wobei in Bregenz stets die wärmeren Luftmassen
anzutreffen sind. Um diese Fälle zu identifizieren wird ein Temperaturkriterium eingeführt.
Nachdem die Lufttemperatur von der Höhe abhängt, wird zur besseren Vergleichbarkeit der
Stationen mit der potentiellen Temperatur gearbeitet. Somit wird der Einfluss der
unterschiedlichen Höhenlagen der Wetterstationen minimiert. Als Vergleichsstationen
werden die TAWES-Stationen von Bregenz und Dornbirn gewählt. Die Station in Dornbirn
wird verwendet, da sie in der Nähe von Bregenz liegt über den gesamten
Untersuchungszeitraum von 2002 bis 2012 Daten zur Verfügung stehen. Analog zur Wahl des
Windgeschwindigkeits-Kriteriums für Typ-1-Pfänderwinde hängen Typ-2-Pfänderwinde stark
von der Wahl des Temperatur-Kriteriums ab. Daher werden insbesondere
Häufigkeitsverteilungen für verschiedene Temperaturunterschiede von 2 bis 8 K
ausgewertet. Für Analysen der Wind- und Temperaturverhältnisse werden all jene Einträge
als Südost-Fall klassifiziert, welche eine Differenz der potentiellen Temperatur von
mindestens 4 K zwischen Bregenz und Dornbirn aufweisen. Dieser Mindestwert wird durch
folgende Überlegungen begründet: Werden all jene Einträge aus den Daten extrahiert, die
eine Temperaturdifferenz von 2 bis 3 K zwischen Bregenz und Dornbirn aufweisen (ohne
22
ROH
NORTH
a)
15%
0 % Windstille
0 % keine Daten
15%
10%
5%
EAST
SOUTH
0 % Windstille
0 % keine Daten
10%
5%
WEST
ROH
NORTH
b)
≥ 12
10 − 12
9 − 10
8−9
7−8
6−7
5−6
4−5
<4
WEST
EAST
SOUTH
≥ 12
10 − 12
9 − 10
8−9
7−8
6−7
5−6
4−5
<4
Abbildung 2.3: Windrosen der Station Rohrspitz (ROH) basierend auf allen als Typ-2-Pfänderwind
identifizierten Stundenwerten bei einem Temperaturkriterium von 4 K und (a) ohne 1 K-AltenrheinKriterium, (b) mit 1 K-Altenrhein-Kriterium. Gezeigt wird die Verteilung der Windrichtung in 10-GradSchritten, die Kreise geben den Prozentanteil der jeweiligen Windrichtung an. Zusätzlich wird der
Anteil jeder Geschwindigkeitsklasse (m s-1) farblich codiert. Der Anteil der Kalmen sowie der Anteil
der Datenlücken werden angegeben. Auswertung über den Zeitraum August 2008 bis Dezember
2012
Windrichtungs- und Geschwindigkeitsbeschränkung), so weht zur selben Zeit der
überwiegende Anteil der Winde an der TAWES-Station in Bregenz aus Richtung
Gebhardsberg. Da jedoch 40 % all dieser Einträge Windrichtungen unter 90 und über 180°
aufweisen, gibt es offensichtlich auch andere Prozesse, welche diese
Temperaturunterschiede hervorrufen können. Wird selbiges für eine Temperaturdifferenz
von 3 bis 4 K betrachtet, so liegen noch etwa 30 % aller Windrichtungen nicht zwischen Ost
und Süd, bei 4 bis 5 K sind es nur noch 15 %, bei 5 bis 6 K etwa 5 %. Mit zunehmendem
Temperaturunterschied zwischen Bregenz und Dornbirn nimmt an der höchstgelegenen
Station am Säntis (2502 m) die Häufigkeit der südwestlichen Anströmungen zu, während
jene anderer Windrichtungen abnimmt. Je höher die Temperaturdifferenz gewählt wird,
desto wahrscheinlicher handelt es sich daher tatsächlich um Südost-Pfänderwindereignisse.
Da bei geringen Temperaturdifferenzen sehr wahrscheinlich auch nicht-Pfänderwinde falsch
erfasst werden, während bei hohen Temperaturdifferenzen Pfänderwinde mit geringeren
Temperaturunterschieden nicht identifiziert werden, scheint ein Grenzwert von 4 K als
sinnvoller Kompromiss. Weiters sind Temperaturunterschiede von mehr als 4 K auch für die
Vorhersage relevant. Zusätzlich soll Bregenz um mindestens 1 K wärmer sein als Altenrhein.
Diese Bedingung wird hinzugenommen, da Rohrspitz (ab 2008) trotz 4 K
Temperaturunterschied zu Dornbirn einen beachtlichen Anteil an sehr starken Winden aus
südlicher Richtung aufweist (Abb. 2.3a). Dabei dürfte es sich um Südföhn aus dem Rheintal
handeln, wobei Dornbirn noch in der Kaltluft liegt. Durch das zusätzliche AltenrheinKriterium werden diese Fälle ausgeschlossen und es kann tatsächlich von einem lokalen
Bregenz-Phänomen gesprochen werden. Rohrspitz selbst kann hierfür nicht verwendet
23
Windrichtungssektor
Schwellenwert für die
Windgeschwindigkeit
Schwellenwert für
Differenz der pot.
Temperatur
Großräumige Strömung
Niederschlag
Typ-1
Typ-2
30 bis 130°
6 m s-1
(3 bis 9 m s-1)*
90 bis 180°
0 bis 135° Konstanz
1 h vor bis 1 h nach Pfänderwind
kein Niederschlag
Bregenz-Dornbirn: 4 K
(2 bis 8 K)*
Bregenz-Altenrhein: 1 K
-
Tabelle 2.3: Übersicht über die in dieser Arbeit verwendeten Kriterien zur Identifikation der
Pfänderwindereignisse von Typ-1 und Typ-2. Wenn nicht anders angegeben beziehen sich die Werte
auf die TAWES-Station in Bregenz. In manchen der folgenden Häufigkeitsanalysen wird das mit (*)
markierte Kriterium innerhalb der angeführten Grenzen variiert.
werden, da erst seit Juli 2008 Daten vorliegen. Durch das zusätzliche Temperaturkriterium
mit Altenrhein werden 15 % aller Einträge (ein Viertel davon im April), die dem
Windrichtungskriterium entsprechen und 4 K Temperaturunterschied zu Dornbirn
aufweisen, ausgeschlossen (vgl. Abb. 2.3a und b). In 2.5 % der Fälle wurden hierbei jedoch
auch schwächere Winde unter 5 m s-1 (zumeist aus südöstlicher Richtung) eliminiert. Die
Windgeschwindigkeiten sind bei Südost-Fällen im Gegensatz zum klassischen Pfänderwind
wesentlich geringer, weshalb auf ein Geschwindigkeitskriterium verzichtet wird. Zur
Übersicht werden in Tab. 2.3 die verwendeten Kriterien nochmals zusammengefasst.
2.2.3
Kritischer Hinweis
Die Auswahl der Kriterien zur Identifikation der beiden Pfänderwindarten ist subjektiv
beeinflusst. Durch Windrichtung-, Windgeschwindigkeits- und Temperaturkriterien alleine
können nicht 100 % aller Ereignisse richtig zugeordnet werden. Damit möglichst alle Fälle
richtig eingeordnet werden, bräuchte es Kriterien, die auf der Physik des Phänomens
basieren. Da jedoch vom Gipfel des Pfänders lediglich von Mai 2012 bis Dezember 2012
Daten vorliegen und am Gebhardsberg keine Station zur Verfügung steht, sind physikalisch
basierte Kriterien zur Identifikation der Ereignisse, wie sie beispielsweise in Arbeiten von
Föst (2006), Vergeiner (2004) oder Verant (2006) zur Föhnklassifikation angewendet werden,
nicht möglich. Bevor in Kapitel 4 Häufigkeiten und Eigenschaften aller, mit obigen Kriterien
identifizierten Pfänderwinde statistisch ausgewertet werden, wird im Folgenden für jeden
der beiden Pfänderwind-Typen ein kurzes Fallbeispiel präsentiert.
24
3 Fallbeispiele
In diesem Kapitel wird für jeden der beiden Pfänderwindtypen ein kurzes Fallbeispiel
analysiert. Es soll in erster Linie dem Leser dienen, sich ein Bild davon zu machen, wie sich
Pfänderwinde äußern. Auf tiefgehende Interpretationen wird hierbei verzichtet. Nach
Identifikation der Pfänderwindereignisse anhand der im vorangegangenen Kapitel
definierten Kriterien, wurden zwei möglichst aktuelle Fälle ausgewählt. Somit sind an den
meisten Stationen im Untersuchungsgebiet Daten vorhanden. Weiters wurde darauf
geachtet, dass die Anströmungsrichtung an der höchstgelegenen Station Säntis (2502 m) in
beiden Fällen in etwa der häufigsten Windrichtung des jeweiligen Typs entspricht (vgl.
Kapitel 4.1.3 und 4.2.3).
Zunächst wird für jeden Fall ein synoptischer Überblick gegeben und ausgewählte Zeitreihen
werden gezeigt. Anhand einer Übersichtskarte mit Wind- und Temperatur-Messwerten aller
verfügbaren Stationen werden die regionalen Wind- und Temperaturverhältnisse
besprochen. Für Temperaturvergleiche verschiedener Stationen wird mit der potentiellen
Temperatur gearbeitet, um den Einfluss unterschiedlicher Höhenlagen auszuschalten.
Abschließend wird ein pseudovertikales Profil der potentiellen Temperaturdifferenzen
zwischen Bregenz und den jeweiligen Stationen betrachtet.
3.1 TYP 1: 25. Mai 2012
Am 25. Mai 2012 trat in Bregenz ein klassischer Pfänderwind ein. Ein Tief, welches wenige
Tage vor diesem Typ-1-Ereignis über Südeuropa abtropfte, wanderte südlich der Alpenkette
ostwärts. In weiterer Folge baute sich über dem Westen Europas ein Hochdruckgebiet auf,
das weit in den Norden, bis nach Skandinavien reichte. Dieses bildete gemeinsam mit einem
Tief über dem Atlantik und über Südosteuropa eine sogenannte Omegalage, welche für
einige Tage blockierend wirkte. Das Zentrum des Hochdruckgebietes blieb somit stabil über
den Britischen Inseln und Skandinavien bestehen. In der Nacht von 24. auf 25. Mai
überquerte Bregenz eine Kaltfront des östlich gelegenen Tiefs und brachte Niederschläge.
Danach blieb es in Bregenz für eine Woche trocken. Durch die antizyklonale Umströmung
des Hochdruckgebietes nördlich der Alpen befand sich Bregenz ab dem 25. Mai in
nordöstlicher Höhenströmung. Die Analysen in Abbildung 3.1 zeigen die synoptische
Situation um 12 UTC des 25. Mai 2012. Im 700 hPa-Niveau in Abbildung 3.1a ist die
besprochene nordöstliche bis östliche Windkomponente nördlich der Alpen zu erkennen. Sie
beeinflusst auch das Gebiet um Bregenz. Südlich der Alpen dreht die Strömung auf Nord, da
dort der zyklonale Einfluss des Tiefs über Südosteuropa greift. Am Boden wird die
Nordostströmung östlich der Alpenkette stark abgelenkt (Abb. 3.1b). Ein Teil fließt nördlich
25
a) 51
b)51
ECMWF analysis, geopot. height (m) and wind at 700 hPa, 25−May−2012 12 UTC
ECMWF analysis, sea level pressure (hPa) and wind at surface, 25−May−2012 12 UTC
1024
50
20
31
3160
1024
50
40
31
49
49
latitude (deg N)
47
10
1016
47
20
16
10
46
3120
16
10
31
46
102
0
0
2
31
48
00
latitude (deg N)
31
00
1020
0
314
48
45
44
44
16
10
101
6
101
45
16
308
0
6
10
10 m/s
10 m/s
101
6
43
43
4
6
8
10
12
longitude (deg E)
c)
14
4
16
6
8
10
12
longitude (deg E)
14
16
ECMWF analysis, equiv. pot. temp. (K) and wind at 925 hPa, 25−May−2012 12 UTC
51
50
49
latitude (deg N)
48
47
46
45
44
10 m/s
43
4
300
6
310
8
320
10
330
12
longitude (deg E)
14
16
340
Abbildung 3.1: ECMWF-Analysen vom 25. Mai 2012 um 12 UTC: (a) Geopotentielle Höhe der 700 hPa
Fläche in m (blaue Kontourlinien, 10 m Intervalle) und Wind (rote Pfeile) und (b) Bodendruck in hPa
(blaue Kontourlinien, 2 hPa Intervalle) und Wind. (c) Potentielle Temperatur (farbige Kontourflächen)
und Wind in 925 hPa. Topographie über 800 m wird in (a,b) grau schattiert und in (c) als schwarze
Kontourlinie angedeutet. Die Küste ist als schwarze Linie eingezeichnet. Das Untersuchungsgebiet um
Bregenz ist durch ein rotes Rechteck gekennzeichnet.
der Alpen nach Südwesten und wird zwischen Jura und Alpen kanalisiert. Dies wird als Bise
bezeichnet (vgl. Kapitel 1.3.3). Der zweite Strömungsarm bewegt sich östlich der Alpen nach
Süden und strömt daraufhin über die Dinarischen Alpen zur Adria. Erhöhte Winde südlich
von Istrien lassen auf Bora schließen. Diesen Verdacht erhärtet auch der Kaltluftausbruch in
diesem Gebiet, welcher in der Analyse der äquivalentpotentiellen Temperatur in Abb. 3.1c
zu sehen ist. Aber nicht nur über der Adria breiten sich kalte Luftmassen aus. Mit der
Nordostströmung wird im gesamten Alpenraum Kaltluft advehiert.
Die Zeitreihe der stromaufwärts von Bregenz gelegenen Station am Sulzberg weist über den
ganzen Tag hinweg konstant die oben besprochene nordöstliche bis östliche Windrichtung
26
auf (Abb. 3.2, unten). In Bregenz herrschen am Morgen des 25. Mai 2012 noch ruhige
Windverhältnisse (Abb. 3.2). Die Ostkomponente zwischen 06 und 07 UTC ist auf
Hangabwinde des Pfänderstockes zurückzuführen. Mit Beginn der Sonneneinstrahlung steigt
die Temperatur in Bregenz an und Winde aus nördlicher Richtung frischen auf. Es kann sich
dabei um einsetzenden Seewind handeln. Nach Kopfmüller (1924) äußern sich Seewinde in
Bregenz als Nordwind, da sie am Pfändermassiv abgelenkt werden. Mit dem Nordwind kühlt
Bregenz kurzfristig nochmals etwas ab. An der Hafenstation werden zu dieser Zeit 2 K
geringere Temperaturen als an der TAWES-Station registriert, während dort vor
Sonnenaufgang bis zu 3 K höhere Temperaturen gemessen werden. Die Abkühlung in
Bregenz wird daher durch die herangeführte kühlere See-Luft verursacht. Die Nordwinde
können jedoch auch auf beginnendes Umströmen des Pfänders hindeuten. Kurz vor 10 UTC
steigen die Windgeschwindigkeiten stark an und pendeln sich im Schnitt knapp unter 6 m s-1
ein. Die Station Sulzberg liegt stromaufwärts von Bregenz auf 1018 m Seehöhe. Ihre
Bregenz
Sulzberg
300
296
292
dd
8
4
90
0
12
Rohrspitz
8
4
0
12
Dornbirn
8
4
0
12
8
4
180
Sulzberg
0
ff
270
ffmax
180
dd
90
0
ff
270
ffmax
180
dd
90
0
ff
270
ffmax
180
dd
90
Windrichtung
(deg)
12
360
ff
ffmax 270
Windrichtung
(deg)
Windgeschw. Windgeschw. Windgeschw.
−1
−1
−1
(m s )
(m s )
(m s )
Bregenz
Windrichtung
(deg)
284
Windrichtung
(deg)
288
Windgeschw.
−1
(m s )
pot. Temperatur (K)
6:00 UTC 25 MAI 2012 bis 6:00 UTC 26 MAI 2012
304
0
0
06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 00 01 02 03 04 05 06
Uhrzeit (UTC)
Abbildung 3.2: Zeitreihen vom 25. Mai 2012 von 06 UTC bis 26. Mai 06 UTC. Oben: Potentielle
Temperatur in Bregenz (TAWES-Station, rot) und Sulzberg (blau). Darunter: Windgeschwindigkeit (ff,
rot), Böen-Geschwindigkeit (ffmax, blau) und Windrichtung (dd, schwarze Sterne) in Bregenz,
Rohrspitz, Dornbirn und Sulzberg. Die Vorphase des Typ-1-Pfänderwindes ist hellgrau hinterlegt, die
Hauptphase dunkelgrau.
27
Höhenlage entspricht in etwa jener des Pfändergipfels (1064 m). Da bei adiabatischen
Absinkprozessen die potentielle Temperatur in Gipfel-Niveau jener im Tal entspricht, wird
die potentielle Temperatur dieser Station in Abb. 3.2 als Referenz für Vergleiche der
Luftmassen zwischen Kammniveau und Bregenz gewählt. Nach Abb. 3.2 ist die Luft zwischen
Bregenz und dem Sulzberg-Niveau ab dem Zeitpunkt der Windgeschwindigkeitszunahme
durchmischt. Zum einen kann die Durchmischung durch Sonneneinstrahlung vom Boden her
angetrieben werden, was es der Föhnluft erleichtert, abzusinken. Gleichzeitig mischt diese
Föhnluft potentiell wärmere Luftmassen ins Tal herab. Allerdings ist die hier beginnende
Phase lediglich als Vorphase des eigentlichen Pfänderwindes zu sehen. Sie hält bis 17 UTC
an. Wie in Abb. 3.2 zu erkennen, ist die Windrichtung in diesem Zeitraum nicht stetig und
pendelt im Bereich von 12 bis 68°. Die Luftmassen steigen somit nicht direkt über den
Pfänder ab (vgl. hierfür Abb. 2.2). Aber auch die nördlichen Ausläufer des Pfändermassives
erreichen Höhen von bis zu 1000 m. Da eine Durchmischung mit Sulzberg gegeben ist, kann
davon ausgegangen werden, dass mitunter Absinkprozesse stattfinden. Allerdings handelt es
sich, wie bereits erwähnt, um keine stetige Föhnströmung sondern viel eher um ein Hin- und
Herpendeln zwischen Über- und Umströmen Gebirgszuges. Der eigentliche Pfänderwind
setzt um 17 UTC ein (Abb. 3.2). Die Windrichtung bleibt stetig zwischen 70 und 80° und auch
die Windgeschwindigkeiten steigen weiter an. Auffällig ist, dass der Pfänderwind einsetzt,
kurz nachdem die Temperaturen sowohl in Bregenz als auch am Sulzberg langsam sinken,
obwohl sich die stromaufwärtigen Windgeschwindigkeiten nicht ändern (vgl. Sulzberg in
Abb. 3.2). Möglicherweise ist für Pfänderwind eine, in diesem Fall durch abendliche
Auskühlung entstandene, stabilere Grenzschicht nötig, um einzutreten. Für weiterführende
Diskussionen hierzu sei auf Kapitel 5 verwiesen. Im Fall des 25. Mai 2012 erreichen die
Windgeschwindigkeiten während der Hauptphase des Typ-1-Pfänderwindes bis zu 8.9 m s-1,
wobei Böen von bis zu 17.3 m s-1 gemessen werden. An der Hafenstation werden noch
höhere Mittelgeschwindigkeiten von bis zu 11.9 m s-1 registriert (nicht gezeigt). Am
Pfändergipfel steigen die Windgeschwindigkeiten während des Ereignisses ebenfalls stark an
und erreichen Werte von bis zu 10.2 m s-1 (nicht gezeigt). Kurz vor 22 UTC brechen in
Bregenz die Windgeschwindigkeiten ein, etwas nach 22 UTC dreht auch die Windrichtung.
Ab diesem Zeitpunkt kühlt Bregenz im Vergleich zu Sulzberg sehr stark aus und ist somit von
höheren Luftschichten entkoppelt (Abb. 3.2). Durch nächtliche Auskühlung entstandene
Kaltluft im Tal hat den Pfänder-„Föhn“ möglicherweise zum Abheben gezwungen.
Wie aus Abb. 3.2 hervorgeht, weisen an diesem Tag auch Rohrspitz und in Dornbirn eine
auffällig konstante Windrichtungen auf, die Geschwindigkeiten sind jedoch geringer als jene
in Bregenz. Rohrspitz wird durch seine Lage westlich von Bregenz wahrscheinlich von den
Um- und Überströmungseffekten des Pfänders beeinflusst. Allerdings nimmt die Windstärke
während der Pfänderwind-Hauptphase ab. Während der Pfänderwind-Vorphase treten in
Dornbirn Nord- bis Nordnordostwinde auf. Hierbei handelt es sich um Taleinwind, der
28
19:00 UTC 25 May 2012
∆θ
ffmax
47.8
−0.3
−0.1
Latitude (deg N)
−0.7
5.1
4.6
−0.9
−0.7
9.8
11.8−1.1 −0.1
5.1
−0.2
1.0
0.02.3
10.0
−0.8 0.1 14.112.5
16.6
0.2
4.1 8.8
−0.2
5.1
−0.5
4.9
−1.1 8.3
7.7
−0.8
47.6
TAWES
SYNOP
Meteomedia
Seezeichen 75
Pfaenderbahn
−1.3
−0.4
47.4
0.6
10.8−0.5
−2.4
6.7
4.1
1.9
−0.8
−1.1
3.5
4.5
0.9
2.1
−0.3
9.8
−2.1
1.5
−2.0
1.9
−0.3
1.7
1.1
5.0
47.2
0.7
1.2
4.1
0.6
2.7
0.6
1.8
3.8
1.5
47
0.9
9
9.2
9.4
9.6
9.8
Longitude (deg E)
10
10.2
Abbildung 3.3: Räumliche Übersicht der Windmesswerte und potentiellen Temperaturdifferenzen
Δ = 1232456 − 89:;:6< aller verfügbaren TAWES- (dunkelblau), SYNOP- (hellblau), Meteomedia(grün) Stationen, sowie des Seezeichen 75 (orange) und der Pfänderbahn (rot) während des Typ-1Pfänderwindereignisses am 25. Mai 2012 um 19 UTC. Die Windfiedern zeigen die Windrichtung an,
wobei eine kurze Fieder für eine Windstärke von 5 kn steht, eine lange Fieder entspricht 10 kn. Mit
Ausnahme der SYNOP-Stationen wird links unterhalb des Stationssymbols zusätzlich die maximale
Windgeschwindigkeit in m s-1 angegeben. Die Differenz der potentiellen Temperatur in K steht links
oberhalb des Stationssymbols. Aus Abb. 2.1 können die zugehörigen Stationsnamen entnommen
werden.
sowohl thermisch, d.h. durch stärkere Erwärmung des Tals im Vergleich zum Vorland, als
auch synoptisch (höherer Luftdruck im Vorland) angetrieben werden kann. In weiterer Folge
dreht jedoch auch in Dornbirn die Windrichtung auf eine östlichere Richtung. Obwohl die
Geschwindigkeiten dabei nicht zunehmen, wird die Messstation in Dornbirn wahrscheinlich
von Absinkprozessen oder durch kanalisierte Luftmassen aus Seitentälern beeinflusst.
Abbildung 3.3 zeigt die regionalen Windverhältnisse aller verfügbaren Messstationen
während des Typ-1-Ereignisses um 19 UTC. Zu erkennen sind die, in den flacheren Gebieten
stromaufwärts von Bregenz, sowie um den Bodensee vorherrschenden Nordostwinde. Auch
an der höchstgelegenen Station am Säntis (2502 m) dominieren diese. Im Rheintal und
dessen Seitentäler werden hingegen vorwiegend Taleinwinde registriert, deren
Windrichtung je nach Talausrichtung variiert. Im nördlichen Rheintal sind diese Taleinwinde
29
verhältnismäßig schwach, während sie gegen Süden stärker werden, was auf die
zunehmende Verengung des Tals zurückzuführen ist. Die Luftmassen werden somit
kanalisiert. Die höchsten Windgeschwindigkeiten der gesamten Region sind jedoch lokal in
Bregenz anzutreffen. Da bei föhnigen Absinkprozessen häufig eine starke
Temperaturerhöhung beobachtet wird, werden in Abb. 3.3 auch die potentiellen
Temperaturdifferenzen zwischen Bregenz und den gezeigten Stationen angeführt. Hierbei ist
ersichtlich, dass lediglich kleine Temperaturunterschiede von zumeist weniger als 1 K zu
nahe liegenden Stationen wie beispielsweise Rohrspitz, Lindau oder Dornbirn erreicht
werden. Es müssen jedoch auch möglichen Absinkeffekte bei Dornbirn sowie der PfänderLuft-Einfluss am Rohrspitz berücksichtigt werden. An beiden Standorten können dadurch
ebenfalls erhöhte Temperaturen hervorgerufen werden. Zum gegebenen Zeitpunkt ist
Lindau um 1.1 K kühler als Bregenz. Lindau ist damit auch der potentiell kälteste Messort in
der nahen Umgebung von Bregenz. Während des gesamten Pfänderwindereignisses wird
zwischen Bregenz und Lindau ein maximaler potentieller Temperaturunterschied von 1.7 K
erreicht.
Aus dem pseudovertikalen Profil in Abb. 3.4 bekräftigt sich die Annahme, dass die
Luftmassen über den Pfänder föhnartig absinken. Da Stationen unterhalb des Kammniveaus
stets potentiell kälter sind, als jene oberhalb, stammen die Luftmassen in Bregenz sehr
wahrscheinlich in etwa aus dem Kammniveau des Pfänders. Die Temperaturerhöhung,
welche
durch
solche
Prozesse
hervorgerufen
wird,
ist
jedoch
durch
19:00 UTC 25 Mai 2012
2600
1 ... Bregenz
15
2400
2 ... Rohrspitz
2200
3 ... Lindau
4 ... Dornbirn
2000
5 ... Feldkirch
Höhe (m ASL)
1800
6 ... Güttingen
14
1600
7 ... Kressbronn
8 ... Leutkirch
1400
9 ... Kempten
1200
13
10 ... Oberstaufen
Kammniveau
12
1000
11
800
8
11 ... Lindenberg
12 ... Sulzberg
10
9
13 ... Gäbris
600
14 ... Ebenalp
6 5 74
3
400
−4
−2
1
2
0
2
4
Differenz der potentiellen Temperatur (K)
15 ... Säntis
6
8
Abbildung 3.4: Pseudovertikales Profil der potentiellen Temperaturdifferenzen Δ = 1232456 −
89:;:6< vom 25. Mai 2012 um 19 UTC. Die vertikal, strichpunktierte Linie entspricht dem
Referenzniveau der TAWES-Station Bregenz, die horizontal gestrichte Linie entspricht dem
Kammniveau des Pfänders. Rechts wird die Nummerierung der gezeigten Wetterstationen erläutert.
30
die nur schwach stabil geschichtete Atmosphäre begrenzt. Werden beispielsweise Sulzberg
und Ebenalp als Referenz gewählt, nimmt die potentielle Temperatur um 19 UTC lediglich
um 0.28 K pro 100 m zu, wodurch bei adiabatischem Absinken eine dementsprechend
geringere Temperaturerhöhung eintritt.
Am 26. Mai 2012 kam es erneut zu Typ-1-Pfänderwind mit sehr ähnlichem Verlauf wie im
hier beschriebenen Fall. Gegen 12 UTC begann eine Übergangsphase mit nordnordöstlichen
Winden. Diese waren jedoch schwächer als jene am 25. Mai. Erst gegen 17:30 UTC setzte das
eigentliche Typ-1-Ereignis ein. Gegen 21 UTC hob der Pfänder-„Föhn“ wieder ab.
3.2 TYP 2: 25. November 2012
Über dem Atlantik formierte sich Tage vor dem Typ-2-Ereignis des 25. November 2012 ein
Trog, welcher über die Nordsee ostwärts wanderte. Das Tiefdruckzentrum befand sich
während des Typ-2-Pfänderwindereignisses über den britischen Inseln und der Polarfrontjet
bewegte sich nördlich an Bregenz vorbei. Bregenz wurde hierbei in der Höhe westlich bis
südwestlich angeströmt. Abbildung 3.5a zeigt in 700 hPa nordwestlich der Alpenkette eine
starke Südwest-Anströmung, welche auch das Untersuchungsgebiet um Bregenz beeinflusst.
Die Alpen selbst werden umströmt. Nördlich der Alpen werden mit der Südwest-Strömung
warme Luftmassen advehiert. Bei Warmluftadvektion kommt es zu einer Rechts-Drehung
des Windes mit der Höhe. Aus diesem Grund und auch durch den zunehmenden Einfluss der
Bodenreibung, die zu stärkeren ageostrophischen Komponenten führt, herrscht am Boden
eine etwas südlichere Strömung als in der Höhe (Abb. 3.5b). Die Poebene wird durch den
Alpenbogen von den Südwestwinden und den damit herantransportierten warmen
Luftmassen abgeschirmt. Somit bleiben dort potentiell kühlere Luftmassen bestehen
(Abb. 3.5c). Der tiefe Luftdruck nördlich der Alpenkette kann eine ageostrophische
Ausgleichsströmung im Rheintal induzieren, welche möglicherweise für die Entstehung des
Typ-2-Pfänderwindes entscheidend ist. Die oben beschriebene synoptische Lage kann auch
zu seichtem Föhn führen (vgl. z.B. Zängl 2002).
In der Zeitreihe in Abb. 3.6 verlaufen die potentiellen Temperaturen von Bregenz, Dornbirn
und Rohrspitz zunächst parallel mit weniger als 1 K Unterschied. Um 03 UTC scheint
Rohrspitz einen schwachen Warmluftschub zu erhalten und auch die Windstärke nimmt
vorübergehend zu. Gegen 04:30 UTC setzt dann in Bregenz Typ-2-Pfänderwind ein. Er ist am
deutlichen Temperatursprung zu erkennen. Gleichzeitig setzen erhöhte Winde zwischen
3.6 und 5.2 m s-1 aus etwa 160° ein. Diese bleiben für etwa eineinhalb Stunden konstant
erhalten, bevor sie nach 06 UTC kurzzeitig einbrechen und um 06:30 UTC nochmals
auffrischen. In Dornbirn nimmt die Temperatur infolge nächtlicher Auskühlung während des
Pfänderwindereignisses noch um etwa 1 K ab, während diese in Bregenz langsam weiter
steigt. Die größte Temperaturdifferenz zwischen Bregenz und Dornbirn wird um 06 UTC
erreicht. Sie beträgt 7.9 K. Auch um 08 UTC kommt es kurzzeitig erneut zu Pfänderwind.
31
50
60
0
298
50
1012
40
30
49
latitude (deg N)
48
3040
47
306
10
0
1016
47
1020
46
3080
0
308
3080
20
10
10
46
3080
10
20
60
30
20
30
16
49
3060
00
30
48
12
10
1008
20
30
29
ECMWF analysis, sea level pressure (hPa) and wind at surface, 25−Nov−2012 06 UTC
3040
00
30
40
29
latitude (deg N)
b)51
ECMWF analysis, geopot. height (m) and wind at 700 hPa, 25−Nov−2012 06 UTC
20
a) 51
45
45
44
44
3100
10 m/s
10
3100
20
43
10 m/s
43
4
6
8
10
12
longitude (deg E)
c)
14
16
4
6
8
10
12
longitude (deg E)
14
16
ECMWF analysis, equiv. pot. temp. (K) and wind at 925 hPa, 25−Nov−2012 06 UTC
51
50
49
latitude (deg N)
48
47
46
45
44
10 m/s
43
4
6
8
10
290
300
310
320
12
longitude (deg E)
14
16
Abbildung 3.5: ECMWF-Analysen vom 25. November 2012 um 06 UTC: (a) Geopotentielle Höhe der
700 hPa Fläche in m (blaue Kontourlinien, 10 m Intervalle) und Wind (rote Pfeile) und (b) Bodendruck
in hPa (blaue Kontourlinien, 2 hPa Intervalle) und Wind. (c) Äquivalentpotentielle Temperatur
(farbige Kontourflächen) und Wind in 925 hPa. Topographie über 800 m wird in (a,b) grau schattiert
und in (c) als schwarze Kontourlinie angedeutet. Die Küste ist als schwarze Linie eingezeichnet. Das
Untersuchungsgebiet um Bregenz ist durch ein rotes Rechteck gekennzeichnet.
Windgeschwindigkeit und Windrichtung bleiben hierbei bis 10:30 UTC erhalten. Allerdings
nehmen mit der beginnenden Sonneneinstrahlung auch in Dornbirn und Rohrspitz die
Temperaturen zu, wodurch die großen Temperaturunterschiede, welche diesen Typ des
Pfänderwindes ausmachen, nicht mehr gegeben sind. Während am Rohrspitz ebenfalls
erhöhte Windgeschwindigkeiten registriert werden, erreichen die Windgeschwindigkeiten in
Dornbirn während des Pfänderwindereignisses maximal 1.1 m s-1. Die höchste Station am
Säntis (2502 m) wird stetig westsüdwestlich angeströmt, wobei die höchsten
Windgeschwindigkeiten zur Zeit des Pfänderwindes eintreten.
32
00:00 UTC 25 NOV 2012 bis 12:00 UTC 25 NOV 2012
290
Bregenz
Dornbirn
Rohrspitz
286
10
5
0
0
ff
270
ffmax
180
dd
90
Rohrspitz
10
5
0
0
ff
270
ffmax
180
dd
90
Dornbirn
10
5
0
15
0
ff
270
dd
180
Säntis
10
5
0
00
90
01
02
03
04
05
06
07
Uhrzeit (UTC)
08
09
10
11
Windrichtung
(deg)
360
ff
270
ffmax
180
dd
90
Bregenz
Windrichtung
(deg)
Windgeschw. Windgeschw. Windgeschw. Windgeschw.
−1
−1
−1
−1
(m s )
(m s )
(m s )
(m s )
278
Windrichtung
(deg)
282
Windrichtung
(deg)
pot. Temperatur (K)
294
0
12
Abbildung 3.6: Zeitreihen vom 25. November 2012 von 00 UTC bis 12 UTC. Oben: Temperatur in
Bregenz (TAWES-Station, rot), Rohrspitz (grün) und Dornbirn (blau). Darunter: Windgeschwindigkeit
(ff, rot), Böen-Geschwindigkeit (ffmax, blau) und Windrichtung (dd, schwarze Sterne) in Bregenz,
Rohrspitz und Dornbirn. Unten: Windgeschwindigkeit (rot) und Windrichtung (schwarze Sterne) am
Säntis. Der Zeitraum mit Typ-2-Pfänderwind ist grau hinterlegt.
Abbildung 3.7 zeigt eine Momentaufnahme der Verhältnisse um 06 UTC während des Typ-2Ereignisses vom 25. November 2012. Es ist zu erkennen, dass nicht nur Dornbirn in der
kalten Luft liegt. Auch viele der Rheintal-Talstationen wie etwa Heerbrugg, Feldkirch,
Eichberg-Oberau und auch Vaduz, sowie die Stationen um den Bodensee sind deutlich
potentiell kälter als Bregenz. Der markanteste Unterschied wird zu Friedrichshafen
verzeichnet. Er beträgt 9.1 K. Aber selbst an der Hafenstation von Bregenz werden mehr als
2 K geringere potentielle Temperaturen als an der TAWES-Station von Bregenz registriert.
Das Phänomen ist somit sehr lokal begrenzt. An den Rheintalstationen sowie in den
Seitentälern des Rheintals fließen die kalten Luftmassen talauswärts, Stationen in der Nähe
von Berghängen weisen Hangabwinde auf. Beide Effekte sind auf nächtliche Auskühlung und
damit verbundene Berg- und Talwind-Zirkulationen zurückzuführen. Der synoptische
33
06:00 UTC 25 Nov 2012
ff
max
−1.7
2.1
−4.6
47.6
Latitude (deg N)
TAWES
SYNOP
Meteomedia
Seezeichen 75
Pfaenderbahn
∆θ
47.8
47.4
−7.9
−9.1
2.1
1.4
−2.6
4.1
−1.5
6.2−3.1
−5.3
7.2
2.1
4.5
−2.3
3.0
0.0
5.4
−7.8−5.5
6.4
6.58.0
−3.5
2.1 6.0
−4.6
2.1
−7.9
2.3
1.7
−3.0 1.3
6.7
5.4
10.3
8.2−1.8
−5.0
3.1
−0.2
−0.5
2.6
−7.7
1.2
1.7
1.9
7.3
−6.7
0.7
7.2
2.0
1.2
8.4
47.2
−1.3
−8.6
1.5
1.9
4.8
−1.2
3.0
−7.9
47
9
9.2
9.4
9.6
9.8
Longitude (deg E)
10
10.2
Abbildung 3.7: Räumliche Übersicht der Windmesswerte und der potentiellen
Temperaturdifferenzen Δ = 1232456 − 89:;:6< aller verfügbaren TAWES- (dunkelblau), SYNOP(hellblau), Meteomedia- (grün) Stationen, sowie des Seezeichen 75 (orange) und der Pfänderbahn
(rot) während des Typ-2-Pfänderwindereignisses am 25. November 2012 um 06 UTC. Die
Windfiedern zeigen die Windrichtung an, wobei eine kurze Fieder für eine Windstärke von 5 kn steht,
eine lange Fieder entspricht 10 kn. Mit Ausnahme der SYNOP-Stationen wird links unterhalb des
Stationssymbols zusätzlich die maximale Windgeschwindigkeit im m s-1 angegeben. Die Differenz der
potentiellen Temperatur in K steht links oberhalb des Stationssymbols. Aus Abb. 2.1 können die
zugehörigen Stationsnamen entnommen werden.
Druckgradient kann die talauswärts gerichtete Komponente zusätzlich verstärken. Die höher
gelegenen Stationen westlich des Rheintals wie Säntis, Ebenalp und Gäbris weisen die
bereits besprochene südwestliche Windkomponente auf. Sie befinden sich aufgrund ihrer
Höhenlage nicht mehr in der bodennahen Kaltluft, sondern sind potentiell wärmer als
Bregenz.
Im pseudovertikalen Profil der potentiellen Temperaturdifferenzen in Abb. 3.8 wird der
bodennahe Kaltluftsee nochmals verdeutlicht. Da das Ereignis wenige Stunden vor
Sonnenaufgang auftritt, ist der Kaltluftsee auf nächtliche Auskühlung zurückzuführen.
Fraxern liegt mit 802 m Seehöhe etwas höher als der südliche Ausläufer des Pfänders (ca.
700 m). Um 05 UTC ist Fraxern noch geringfügig potentiell wärmer als Bregenz (nicht
gezeigt). Dies spricht für ein Absinken der Luftmassen aus dem Niveau des
34
Pfänderausläufers. In der darauffolgenden Stunde verstärken sind die Temperaturgradienten
zu allen Stationen. Zum einen wird dies durch die fortschreitende Auskühlung
hervorgerufen. Aber auch in Bregenz selbst steigen die Temperaturen, wie bereits
besprochen, weiter an. Der potentielle Temperaturunterschied zu höher gelegenen
Stationen nimmt somit ab. Fraxern ist um 06 UTC um 0.5 K potentiell kühler als Bregenz.
Möglicherweise werden in diesem Fall Luftmassen aus größerer Höhe nach Bregenz herunter
gemischt. Fraxern wird aber, wie auch andere Stationen, von Grenzschichteffekten
beeinflusst. Die nordöstliche Windkomponente in Fraxern kommt durch oben
angesprochene Hangabwinde zustande. Fraxern wird somit von den kühlen, katabatischen
Winden beeinflusst und repräsentiert somit nicht zwingend die Verhältnisse der freien
Atmosphäre in dieser Höhe. Die Luftmassen in Bregenz müssen folglich, trotz Absinken über
den 700 m hohen Pfänderausläufer, nicht exakt jener Temperatur entsprechen, welche bei
einem solchen Prozess aus dem pseudovertikalen Profil in Abb. 3.8 erwartet würde. Hierfür
sprechen auch die höheren potentiellen Tempertaturen an der Station in Lindenberg.
Lindenberg liegt auf vergleichbarer Seehöhe (818 m) wie Fraxern, die potentielle Temperatur
ist aber um fast 2 K höher. Im Mittel dürfte die Annahme, über den Pfänderausläufer
absinkender Luftmassen daher richtig sein. Am Sulzberg (1018 m) ist die potentielle
Temperatur bereits 4.5 K höher als in Bregenz und sie nimmt mit der Höhe weiter zu. Die
Atmosphäre im Untersuchungsgebiet ist folglich stabil geschichtet, was für die Entstehung
von Föhnwinden wichtig ist (vgl. Kapitel 1.3.2).
06:00 UTC 25 NOV 2012
2600
1 ... Bregenz
20
2 ... Rohrspitz
2400
3 ... Altenrhein
4 ... Seezeichen 75
2200
5 ... Lindau
2000
6 ... Dornbirn
7 ... Heerbrugg
Höhe (m ASL)
1800
8 ... Friedrichshafen
9 ... Feldkirch
19
1600
10 ... Güttingen
11 ... Konstanz
1400
12 ... Eichberg− Oberau
18
1200
−8
16 ... Lindenberg
17 ... Sulzberg
600
8 6 3
15 ... Fraxern
16
15
800 Kammniveau
−10
14 ... Eichberg− Oberrüti
17
1000
400
13 ... Chur
9
−6
2
13
12
10
18 ... Gäbris
14
11
5 7 4
19 ... Ebenalp
1
−4
−2
0
2
4
Differenz der potentiellen Temperatur (K)
20 ... Säntis
6
8
10
Abbildung 3.8: Pseudovertikales Profil der potentiellen Temperaturdifferenzen Δ = 1232456 −
89:;:6< vom 25. November 2012 um 06 UTC. Die vertikal, strichpunktierte Linie entspricht dem
Referenzniveau der TAWES-Station Bregenz, die horizontal gestrichte Linie entspricht dem
Kammniveau des südlichen Ausläufers des Pfänders. Rechts wird die Nummerierung der gezeigten
Wetterstationen erläutert.
35
Eine mögliche Ursache für den Pfänderwind in diesem Fallbeispiel könnte, wie bereits
angedeutet, eine ageostrophische Ausgleichsströmung oberhalb des Kaltluftsees sein, wobei
sich über dem Gebhardsberg Schwerewellen bilden. Im Lee des Bergrückens sinken warme
Luftmassen aus einem Niveau oberhalb des Kaltluftsees ab. Aufgrund der sehr stabilen
Schichtung im Kaltluftsee ist die Temperaturerhöhung entsprechend hoch. Im Fall des
25. November 2012 wird keine der Rheintal-Stationen von Südföhn beeinflusst, wohingegen
genauere Betrachtungen anderer Ereignisse zeigen, dass dies der Fall sein kann. Während
solcher Ereignisse bläst im südlichen Rheintal Südföhn, im nördlichen Rheintal liegt jedoch
ein Kaltluftsee, welcher den Föhn zum Abheben zwingt. Lediglich in Bregenz wird er erodiert.
Ob und wie oft ein solches Phänomen auftritt, wird in Kapitel 4 analysiert.
36
4 Statistische Auswertung
In diesem Kapitel wird untersucht, wie häufig sowohl klassische als auch SüdostPfänderwinde auftreten und welche Eigenschaften sie mit sich bringen. Hierfür werden
zunächst absolute Häufigkeiten und saisonale sowie tageszeitliche Abhängigkeiten
besprochen. Weiters wird analysiert, wie lange Pfänderwindereignisse dauern. Anschließend
werden lokale und regionale Wind- und Temperaturverhältnisse ausgewertet und
Pseudoprofile betrachtet. Als Typ-1-Pfänderwinde werden in den folgenden Kapiteln, sofern
nicht explizit anders erwähnt, jene Winde bezeichnet, welche an der TAWES-Station von
Bregenz mittlere Geschwindigkeiten von 6 m s-1 übersteigen. Als Typ-2-Pfänderwinde gelten
jene mit einem Temperaturunterschied von mehr als 4 K zwischen Bregenz und Dornbirn
(siehe Tab. 2.3).
4.1 TYP 1: Klassischer Pfänderwind
4.1.1
Häufigkeit
Wie bereits angesprochen, reagieren die Häufigkeitsanalysen des klassischen Pfänderwindes
stark auf die Wahl des Windgeschwindigkeits-Kriteriums. Abbildung 4.1 zeigt für
verschiedene Geschwindigkeitsgrenzwerte in jedem Jahr große Unterschiede in der
Gesamtanzahl der Typ-1-Fälle. Ereignisse mit einer Windgeschwindigkeit über 3 m s-1 fanden
während des Untersuchungszeitraumen zwischen 25 und 46 Mal pro Jahr statt.
Geschwindigkeiten über 9 m s-1 wurden hingegen höchstens bei drei Ereignissen innerhalb
eines Jahres gemessen. Die Werte des 6 m s-1-Kriteriums entsprechen mit 6 bis 16
Ereignissen pro Jahr je dem Median, wobei sie im Schnitt 12.7 Mal pro Jahr eintreten. Für
den betrachteten Zeitraum von 11 Jahren ist kein klarer Trend erkennbar. Das Jahr 2003
zeichnet sich aber durch überdurchschnittlich häufig schwache und mittelstarke Fälle aus. Im
Sommer 2003 gab es eine Hitzewelle, die nach Black et al. (2004) mit beständigen
Hochdrucklagen über Europa einher ging. Durch diese Hochdrucklagen hervorgerufene Ostbis Nordostströmungen hängen möglicherweise mit den häufigen Pfänderwinden im Jahr
2003 zusammen.
Wie in Abb. 4.2 zu erkennen ist, treten klassische Pfänderwinde, unabhängig vom
Windgeschwindigkeitsschwellenwert, vorwiegend im Frühjahr auf. Etwa 20 % bis 25 % aller
Pfänderwindereignisse finden im April statt, weit mehr als die Hälfte von März bis Mai. Für
diese Art des Pfänderwindes ist eine nordöstliche Anströmung nötig, welche laut Wanner et
al. (1990) am häufigsten im Frühjahr auftritt. Aus diesem Grund treten zu dieser Zeit auch
die meisten Pfänderwindereignisse auf. Die absolute, durchschnittliche Anzahl der Typ-1Ereignisse variiert allerdings in Abhängig vom Geschwindigkeitsgrenzwert beträchtlich.
37
Gesamtanzahl der Ereignisse von Typ 1
50
−1
Mittel für ≥ 6 m s
−1
≥3ms
45
−1
≥6ms
40
≥ 9 m s−1
35
30
25
20
15
10
5
0
2002
2003
2004
2005
2006
2007
Jahr
2008
2009
2010
2011
2012
Abbildung
4.1:
Gesamtanzahl
der
Typ-1-Pfänderwindereignisse
pro
Jahr
für
Windgeschwindigkeitsschwellwerte zwischen 3 m s-1 bis 9 m s-1 in 0.5 m s-1-Schritten, dargestellt als
„Box-Whisker-Plot“. Der Median ist rot gekennzeichnet. Er entspricht auch einem Schwellwert von
6 m s-1. Die Balken umfassen den Bereich zwischen unteren und oberem Quartil, die „Whiskers“
beinhalten das 2.7-fache der Standardabweichung. Das rote Kreuz stellt einen Ausreißer dar. Die
durchgezogenen Linien entsprechen der Gesamtanzahl der Typ-1-Pfänderwindereignisse pro Jahr bei
Windgeschwindigkeitsschwellwerte von 3 m s-1 (blau), 6 m s-1 (rot) und 9 m s-1 (grün). Der Mittelwert
aller Mediane ist als schwarze, strich-punktierte Linie eingezeichnet. Auswertung über den Zeitraum
Januar 2002 bis Dezember 2012.
Während beispielsweise im April Fälle über 6 m s-1 durchschnittlich weniger als dreimal
eintreten, werden bei einem 3 m s-1-Schwellwert durchschnittlich mehr als fünf Ereignisse
identifiziert. Windstärken über 9 m s-1 kommen hingegen extrem selten vor. Im gesamten
Untersuchungszeitraum von 2002 bis 2012 wurden nur 15 solche Ereignisse gezählt. In den
Monaten von Oktober bis Januar tritt kein oder nur ein Pfänderwindfall pro Monat auf. Auch
die Bandbreite von Ereignissen mit einem Schwellwert zwischen 3 m s-1 und über 9 m s-1 ist
mit nur einem Ereignis Unterschied in diesen Monaten am geringsten. Durchschnittlich tritt
Typ-1-Pfänderwind in jedem Monat nur etwa einmal ein (6 m s-1-Kriterium). Es handelt sich
also um ein relativ seltenes Phänomen.
In Abb. 4.3 werden die relativen Häufigkeiten pro Monat und Tageszeit bei einem
Windgeschwindigkeitskriterium von 6 m s-1 gegeneinander aufgetragen. Die monatliche
Häufigkeitsverteilung spiegelt die bereits besprochene Abhängigkeit von der Jahreszeit
wieder. Hier muss allerdings beachtet werden, dass nicht die Anzahl der Ereignisse, sondern
jeder einzelne als Pfänderwind eingeordnete Stundenwert in die Auswertung einfließt. Die
meisten Pfänderwindstunden finden demnach von März bis Mai statt, wobei im September
ein sekundäres Maximum zu erkennen ist. Des Weiteren treten klassische Pfänderwinde
vorwiegend abends auf, während in den frühen Morgenstunden und am Vormittag praktisch
kein Ereignis stattfindet. Von 15 bis 17 UTC erkennt man einen ersten Anstieg in der
relativen Häufigkeit, wobei mehr als die Hälfte aller Fälle zwischen 18 und 20 UTC eintreten.
38
Mittlere Anzahl der Ereignisse von Typ 1
6
−1
Mittel für ≥ 6 m s
−1
≥3ms
−1
≥6ms
5
≥ 9 m s−1
4
3
2
1
0
Jan
Feb
Mar
Apr
Mai
Jun
Jul
Aug
Sep
Okt
Nov
Dez
Monat
Abbildung 4.2: Durchschnittliche Anzahl der Typ-1-Pfänderwindereignisse pro Monat für
Windgeschwindigkeitsschwellwerte von 3 m s-1 bis 9 m s-1 in 0.5 m s-1-Schritten, dargestellt als „BoxWhisker-Plot“. Der Median ist rot gekennzeichnet. Er entspricht auch einem Schwellwert von 6 m s-1.
Die Balken umfassen den Bereich zwischen unterem und oberem Quartil, die „Whiskers“ umfassen
jeweils das 2.7-fache der Standardabweichung. Das rote Kreuz stellt einen Ausreißer dar. Die
durchgezogenen Linien entsprechen der durchschnittlichen Anzahl der Typ-1-Pfänderwindereignisse
pro Monat bei Windgeschwindigkeitsschwellwerte von 3 m s-1 (blau), 6 m s-1 (rot) und 9 m s-1 (grün).
Der Mittelwert aller Mediane ist als schwarze, strich-punktierte Linie eingezeichnet. Auswertung
über den Zeitraum Januar 2002 bis Dezember 2012.
Pfänderwinde sind daher nach Abb. 4.3 an einem Abend von März bis Mai am
wahrscheinlichsten anzutreffen. Immerhin 4.5 % aller im Untersuchungszeitraum
aufgetretenen Pfänderwinde ereigneten sich an einem Apriltag um 19 UTC. Das zugrunde
liegende Muster ist auch für geringere und höhere Geschwindigkeitsgrenzen sehr ähnlich,
wobei Windgeschwindigkeiten über 8 m s-1 ausschließlich am Abend erreicht werden (nicht
gezeigt). Da Typ-1-Pfänderwinde zumeist abends auftreten, hängen sie möglicherweise mit
der tageszeitlichen Änderung der Stabilität der Grenzschicht zusammen. Hierauf wird in
Kapitel 5 nochmals eingegangen.
Um die Dauer der Pfänderwindereignisse wie in Abb. 4.4 als Häufigkeitsverteilung
darzustellen, wird pro Ereignis die Anzahl der als Pfänderwind identifizierten Stundenwerte
aufsummiert. Jeder Eintrag wird als eine Stunde gezählt. Beim Interpretieren dieser
Abbildung müssen zwei Dinge berücksichtigt werden. Erstens werden alle als Pfänderwind
klassifizierten Stundenwerte, die nicht mehr als 12 Stunden auseinander liegen, als ein
Ereignis gezählt (vgl. Kapitel 2.2). Zur Berechnung der Gesamtdauer eines Ereignisses werden
jedoch nur die Stunden gezählt, an denen die Pfänderwindkriterien tatsächlich erfüllt sind.
Zweitens wird beispielsweise ein Ereignis mit nur einem einzigen Stundenwert als einstündig
klassifiziert, wobei dieser Fall in der Realität zwischen wenigen Minuten und nahezu
2 Stunden angedauert haben kann, was jedoch aufgrund der groben zeitlichen Auflösung des
Datensatzes nicht erfasst wird. Wie in Abb. 4.4 zu erkennen, ist klassischer Pfänderwind ein
39
relative
Häufigkeit
10 von Typ 1
(%)
20
00
10
20
0.
2
1
1.
5
0.5
1
0.5
1
0.5
0.5
5
0.
14
12
1.5
0.5
1.5
0.5
Uhrzeit (UTC)
16
4.5
2
1.5
2 2. 3
5
2.5
3 3.5
4
0.5
18
3.5
0.5
20
0.5
1
1
1.5
0.5
5
1
22
10
08
06
04
00
0.5
02
0.5
Jan Feb Mar Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez
Monat
Abbildung
4.3:
Relative
Pfänderwindhäufigkeit
(Typ-1)
in
%
bei
einem
-1
Windgeschwindigkeitskriterium von 6 m s . Die Kontourlinien geben die relative Häufigkeit an, mit
welcher im jeweiligen Monat zur jeweiligen Uhrzeit (UTC), bezogen auf die Gesamtzahl aller als
Pfänderwind identifizierten Stundenwerte, Pfänderwind aufgetreten ist. Rechts: Summe der relativen
Häufigkeiten aller Monate zur jeweiligen Stunde. Oben: Summe der relativen Häufigkeiten aller
Tageszeiten im jeweiligen Monat. Auswertung über den Zeitraum Januar 2002 bis Dezember 2012 .
kurzlebiges Phänomen. Bei Windgeschwindigkeiten über 6 m s-1 dauern etwa 40 % aller Fälle
nur eine Stunde an. Zwei oder dreistündige Ereignisse kommen regelmäßig vor, mehr als
10 Stunden wurden im Untersuchungszeitraum aber nie erreicht. Bei höheren
Geschwindigkeitsgrenzwerten dauern die Ereignisse im Schnitt noch kürzer. Fälle mit
Windgeschwindigkeiten über 3 m s-1 oder 4.5 m s-1 bestehen hingegen vereinzelt über
20 Stunden. Der längste Fall, sowohl für Winde über 3 m s-1 (27 Stunden) als auch Winde
über 6 m s-1 (10 Stunden) ereignete sich vom Abend des 13. März 2003 bis zum Abend des
15. März 2003 (mit wenigen Stunden Unterbrechung, je in den Morgenstunden). Zu diesem
Zeitpunkt herrschte über Europa eine sogenannte Omegalage. Über den Britischen Inseln
befand sich ein Hoch, während sich das Zentrum eines Tiefs zunehmend von Osteuropa
Südwestwärts nach Italien verlagerte. Bregenz stand somit für mehrere Tage durchgehend
im Einfluss nordöstlich Strömung. Auch am 16. März, sowie einige Tage darauf, wurden noch
Pfänderwindereignisse registriert. Wie sich ein solches Pfänderwindereignis in Bregenz
äußert, wird im nächsten Kapitel besprochen.
40
60
≥ 3 m s−1
−1
≥ 4.5 m s
50
−1
≥6ms
relative Häufigkeit (%)
≥ 7.5 m s−1
−1
≥9ms
40
30
20
10
0
0
5
10
15
20
25
30
Dauer (h)
Abbildung 4.4: Relative Häufigkeit der Dauer der Typ-1-Pfänderwindereignisse für
Windgeschwindigkeitskriterien von 3 m s-1 bis 9 m s-1 in 1.5 m s-1-Schritten. Die Dauer entspricht der
Summe aller Stundenwerte pro Ereignis, an denen die Pfänderwindkriterien erfüllt sind. Die relative
Häufigkeit ist auf die Gesamtzahl aller Ereignisse von Januar 2002 bis Dezember 2012 bezogen.
4.1.2
Lokale Windverhältnisse in Bregenz
In folgenden Untersuchungen werden pro Ereignis alle als Typ-1-Pfänderwind identifizierten
Stundenwerte zur Auswertung herangezogen, anstatt für jeden Fall nur einen Wert
einfließen zu lassen. Dadurch wird längeren, stabileren Ereignissen mehr Gewicht gegeben.
Die Analysen der Windverhältnisse (Kapitel 4.1.2 und 4.1.3) sowie der
Temperaturverhältnisse (Kapitel 4.1.4) werden mit einem Schwellwert von mindestens
6 m s-1 Windgeschwindigkeit erstellt.
In der Literatur wird ein Überströmen des Pfänders und föhnartiges Absinken im Lee als
Ursache der klassischen Pfänderwinde angenommen (siehe Kapitel 1.3.1). Selbiges lässt auch
Abb. 4.5 vermuten. Die Hauptwindrichtungen an der TAWES-Station in Bregenz liegen
zwischen 65 und 85° und somit wehen diese Winde direkt vom Pfändergipfel herab. Der
Großteil der Typ-1-Pfänderwinde weht mit einer mittleren Windgeschwindigkeit von 6 bis
7 m s-1, aber auch 10-Minuten-Mittelwerte von bis zu 12.5 m s-1 wurden während des
Untersuchungszeitraumes gemessen (Abb. 4.6a). Hierbei muss berücksichtig werden, dass
durch das Windgeschwindigkeitskriterium zur Identifikation der Typ-1-Ereignisse alle Fälle
unter 6 m s-1 eliminiert werden, was die Häufigkeitsverteilung und den berechneten
Mittelwert der Windgeschwindigkeiten beeinflusst. Böen treten stets mit mehr als 9 m s-1
auf und liegen meist in einem Bereich von 10 m s-1 bis 14 m s-1 (Abb. 4.6b). Die beiden
stärksten Fälle traten am 25. August 2002 und am 25. Dezember 2008 auf. Während des
letzteren erstreckte sich ein Hoch vom Atlantik über die Britischen Inseln bis nach
41
N
47.52
Bodensee
0
60
00
Latitude (deg N)
30%
SEE
20%
80
0
10
Pfänder
80
0
10%
47.5
BRE
≥ 12
11 − 12
10 − 11
9 − 10
8−9
7−8
6−7
600
Gebhardsberg
47.48
9.7
9.75
9.8
Longitude (deg E)
Abbildung 4.5: Windrose für alle als Typ-1-Pfänderwind klassifizierten Stundenwerte (Windkriterium
6 m s-1) der TAWES-Station in Bregenz (BRE). Die Windrose gibt den Prozentanteil pro
Windrichtungssektor (10°-Schritte) an, die Windgeschwindigkeiten (m s-1) werden zusätzlich farblich
codiert. Die Lage der Station Seezeichen 75 (SEE) ist eingezeichnet. Mit Topographie hinterlegt,
Höhenlinien im 100 m Intervall. Die Uferlinie des Bodensees wird aufgrund unzureichender
Auflösung nicht korrekt dargestellt (SEE befindet sich etwa 200 m im See). Auswertung über den
Zeitraum Januar 2002 bis Dezember 2012.
Skandinavien. Zusammen mit einem Tief über Südosteuropa sorgte es im Gebiet von
Bregenz für starke Nordost-Anströmung. Am 25. August 2002 zeigte sich hingegen kein so
deutliches Bild. Vielmehr befand sich Bregenz in einer gradientschwachen Lage. An der
höchstgelegenen Messstation am Säntis wurden in dieser Zeit nicht, wie erwartet,
Nordostwinde sondern Südwinde verzeichnet. Trotzdem blieben die hohen Windstärken
(9.1 bis 12.7 m s-1) über zwei Stunden erhalten. Da die Windrichtung nur knapp über 90°
liegt, ist es auch unwahrscheinlich, dass es sich um einen falsch klassifizierten Typ-2Pfänderwind handelt. Um zu verstehen, weshalb es am 25. August 2002 zu den starken
Winden vom Pfänder herab gekommen ist, müsste das Ereignis genauer analysiert werden.
Da die Station Seezeichen 75 am Hafen von Bregenz erst seit April 2006 in Betrieb ist,
können deren Daten erst ab diesem Zeitpunkt mit der TAWES-Station verglichen werden. Die
Verteilung der Windrichtung und Geschwindigkeit an der TAWES-Station ist der 11-jährigen
Verteilung allerdings sehr ähnlich. Wie in Abb. 4.7 ersichtlich, misst die Station Seezeichen
75 am Hafen von Bregenz bei Pfänderwind stets höhere Windgeschwindigkeiten als die
TAWES-Station. Ein beachtlicher Anteil der Geschwindigkeiten liegt über 8 m s-1. Der
höchste, gemessene 10-Minuten-Mittelwert beträgt 16.2 m s-1, und Windböen erreichten
42
a)
45
−1
Mittelwert: 7.3 m s
b)
45
−1
35
30
25
20
15
10
5
Mittelwert: 12.7 m s
40
relative Häufigkeit, Typ 1 (%)
relative Häufigkeit, Typ 1 (%)
40
35
30
25
20
15
10
5
0
0
6
7
8
9
10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Windgeschwindigkeit (m s−1)
6
7
8
9
10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Böengeschwindigkeit (m s−1)
Abbildung 4.6: Relative Häufigkeit (a) der 10-Minuten-Mittel-Windgeschwindigkeit und (b) der BöenGeschwindigkeit in 1 m s-1–Klassen an der TAWES-Station in Bregenz, bezogen auf die Gesamtzahl
aller als Typ-1-Pfänderwind klassifizierten Stundenwerte von Januar 2002 bis Dezember 2012. Die
rote, strich-punktierte Linie gibt den arithmetischen Mittelwert an.
während des Untersuchungszeitraumes Geschwindigkeiten bis zu 21.4 m s-1 (nicht gezeigt).
Da die Hafenstation etwa 200 m vom Ufer entfernt im See steht (Abb. 4.5), können die
höheren Windgeschwindigkeiten am Seezeichen 75 durch die geringere Rauigkeit der
Wasseroberfläche im Vergleich zur Rauigkeit der Landoberfläche bzw. des Stadtgebietes von
Bregenz erklärt werden. Der größte Windrichtungsanteil liegt am Hafen von Bregenz mit 55
bis 65° etwas nördlicher als an der TAWES-Station. Zusätzlich kommen Winde mit geringeren
Geschwindigkeiten aus nördlicher Richtung vor. Bevor ein Pfänderwindereignis eintritt,
a)
b)
BRE
NORTH
35%
SEE
NORTH
Windstille: 0.0 %
Daten: 100.0 %
20%
Windstille: 3.7 %
Daten: 98.4 %
25%
10%
15%
5%
WEST
WEST
EAST
SOUTH
≥ 12
10 − 12
9 − 10
8−9
7−8
6−7
5−6
<5
EAST
SOUTH
≥ 12
10 − 12
9 − 10
8−9
7−8
6−7
5−6
<5
Abbildung 4.7: Windrosen basierend auf den Daten aller als Typ-1-Pfänderwind klassifizierten
Stundenwerte der (a) TAWES-Station in Bregenz (BRE) und (b) des Seezeichen 75 am Hafen von
Bregenz (SEE). Verteilung der Windrichtung in 10°-Schritten, die Kreise geben den Prozentanteil der
jeweiligen Windrichtung an. Zusätzlich wird der Anteil jeder Geschwindigkeitsklasse (m s-1) farblich
codiert. Der Anteil der Kalmen sowie der Anteil der vorhandenen Daten (bezogen auf die Gesamtzahl
aller als Pfänderwind klassifizierten Stundenwerte) werden angegeben. Die Lage der beiden
Stationen ist in Abb. 4.5 eingezeichnet. Auswertung über den Zeitraum April 2006 bis Dezember
2012.
43
kommt der Wind auch an der TAWES-Station häufig aus Nordnordwest bis Nordnordost.
Hierfür gibt es mehrere Erklärungen. Zum einen wird der Pfänder vor Typ-1-Ereignissen
umströmt, was sich in Bregenz als Nordwind äußert. Weiters kann sich bevor der Pfänder„Föhn“ durchbricht, aufgrund von Schwerewellen ein mesoskaliges Leetief entwickeln und
eine Ausgleichsströmung in Richtung Bregenz induzieren. Wenn an der TAWES-Station
Pfänderwind registriert wird während am Hafen schwache Nordwinde auftreten, hat der
Pfänderwind die Hafenstation möglicherweise noch nicht erreicht. Werden an der TAWESStation Winde ab 3 m s-1 zugelassen, so vergrößert sich am Hafen der Anteil der nord- bis
nordnordöstlichen Komponente. Winde aus nordöstlicher Richtung (45 bis 75°) machen
dann nur mehr etwa ein Viertel aller Fälle aus. Dies ist mit obigen Überlegungen stimmig, da
Winde von 3 bis 6 m s-1 oftmals einen Typ-1-Pfänderwindfall einleiten. Wie sich
Windgeschwindigkeiten und Windrichtungen in der weiteren Umgebung von Bregenz
verhalten wird im nächsten Kapitel gezeigt.
4.1.3
Regionale Windverhältnisse
Im Folgenden werden Windrichtungen und -geschwindigkeiten während Typ-1-Pfänderwind
an Stationen um Bregenz untersucht. Um ein Bild von der regional vorherrschenden
Strömungslage zu erhalten werden auch Stationen weiter stromauf- und stromabwärts
betrachtet. Die Verteilung der Windrichtungen und der Windgeschwindigkeiten ist für
unterschiedlich lange Zeitabschnitte innerhalb des Untersuchungszeitraumes sehr ähnlich.
Aus diesem Grund werden die Daten von Stationen, an welchen nicht über den gesamten
Beobachtungszeitraum Messwerte vorliegen, mit vollständigen Zeitreihen verglichen. Der
Anteil der vorhandenen Daten wird jedoch angegeben.
Ein erster grober Blick über alle Windrosen in Abb. 4.8 bestätigt den Einfluss einer regional
vorherrschenden nordöstlichen Anströmung. Die höchste Messstation befindet sich am
Säntis auf 2502 m, etwa 40 km Luftlinie südwestlich von Bregenz. Sie liefert aufgrund ihrer
Lage wichtige Informationen über die Höhenströmung. Diese ist während Typ-1Pfänderwinden mit nur wenigen Ausnahmen auf einen Bereich von Nordost bis Ost
beschränkt (Abb. 4.8a). Im Untersuchungszeitraum wurden Mittelwindgeschwindigkeiten
von bis zu 15.9 m s-1 registriert, wobei die stärksten Pfänderwinde nicht mit den höchsten
Windgeschwindigkeiten am Säntis einhergehen.
Die Stationen Kempten und Oberstaufen liegen nordöstlich, also stromaufwärts von
Bregenz. Die überwiegende Windrichtung ist dort, genau wie in Bregenz Ostnordost Abb.
4.8b und 4.8c). Während Kempten nur bei wenigen Ereignissen Windgeschwindigkeiten über
4 oder 5 m s-1 erreicht, herrschen in Oberstaufen häufig Winde über 5 m s-1. Zudem
beschränken sich diese fast ausschließlich auf eine Windrichtung von 70°. Die Messstation in
Oberstauffen befindet sich am Ausgang eines Tales, welches durch einen U-förmigen
Bergrücken Richtung Nordosten abgeschlossen ist. Die Windrichtung von exakt 70°
44
a)
SAE
NORTH
15%
b)
KEM
NORTH
Windstille: 4.8 %
Daten: 97.8 %
25%
10%
Windstille: 0.9 %
Daten: 100.0 %
15%
5%
5%
WEST
WEST
EAST
EAST
SOUTH
SOUTH
c)
d)
OBE
NORTH
50%
SUL
NORTH
Windstille: 0.6 %
Daten: 98.7 %
30%
Windstille: 0.0 %
Daten: 36.7 %
20%
30%
10%
10%
WEST
EAST
WEST
SOUTH
EAST
SOUTH
f)
e)
PFA
NORTH
4%
LIN
NORTH
Windstille: 0.0 %
Daten: 6.6 %
25%
Windstille: 0.6 %
Daten: 98.7 %
15%
2%
5%
WEST
EAST
WEST
SOUTH
g)
SOUTH
ALT
NORTH
20%
h)
20%
Windstille: 0.0 %
Daten: 100.0 %
10%
EAST
SOUTH
DOR
NORTH
Windstille: 0.0 %
Daten: 100.0 %
10%
WEST
EAST
WEST
EAST
SOUTH
45
i)
j)
ROH
NORTH
10%
15%
5%
WEST
EAST
WEST
SOUTH
VAD
25%
l)
25%
5%
EAST
SOUTH
WEST
EAST
SOUTH
KON
NORTH
35%
25%
15%
5%
Windstille: 0.0 %
Daten: 100.0 %
EAST
SOUTH
Windstille: 3.8 %
Daten: 98.4 %
15%
5%
WEST
CHU
NORTH
Windstille: 8.1 %
Daten: 97.2 %
15%
WEST
EAST
SOUTH
NORTH
m)
Windstille: 0.0 %
Daten: 100.0 %
10%
5%
k)
FEL
NORTH
Windstille: 0.0 %
Daten: 36.7 %
≥ 12
10 − 12
9 − 10
8−9
7−8
6−7
5−6
4−5
3−4
<3
Abbildung 4.8: Windrosen basierend auf den Daten aller als Typ-1-Pfänderwind klassifizierten
Stundenwerte (Windgeschwindigkeitsschwellwert 6 m s-1) der Stationen (a) Säntis (SAE), (b) Kempten
(KEM), (c) Oberstaufen (OBE), (d) Sulzberg (SUL), (e) Pfänder (PFA), (f) Lindau (LIN), (g) Altenrhein
(ALT), (h) Dornbirn (DOR), (i) Rohrspitz (ROH), (j) Feldkirch (FEL), (k) Vaduz (VAD), (l) Chur (CHU) und
(m) Konstanz (KON). Die Lage der gezeigten Stationen ist Abb. 2.1 zu entnehmen. Verteilung der
Windrichtung in 10-Grad-Schritten, die Kreise geben den Prozentanteil der jeweiligen Windrichtung
an. Zusätzlich wird der Anteil jeder Geschwindigkeitsklasse (m s-1) farblich codiert. Der Anteil der
Kalmen sowie der Anteil der vorhandenen Daten (bezogen auf die Gesamtzahl aller als Pfänderwind
klassifizierten Stundenwerte) werden angegeben. Auswertung über den Zeitraum Januar 2002 bis
Dezember 2012.
46
entspricht der Ausrichtung dieses Tales. Die hohen Windgeschwindigkeiten deuten darauf
hin, dass auch über den genannten Bergrücken (etwa 300 m Höhendifferenz zu Oberstaufen)
Absinkprozesse stattfinden oder Luftmassen nach dessen Überströmung im Tal kanalisiert
werden. Werden im gesamten Untersuchungszeitraum all jene Fälle betrachtet, an welchen
in Oberstaufen bei einer Windrichtung von genau 70° Windgeschwindigkeiten von 5 m s-1
überschritten werden, so herrscht in immerhin 10 % all dieser Fälle in Bregenz Pfänderwind
(≥ 6 m s-1). Auch die Windrichtungen an der Station Sulzberg sind auffällig stark gebündelt
(Abb. 4.8d). In etwa 75 % aller Fälle liegt die Anströmung zwischen 66 und 75° mit
Geschwindigkeiten von meist 4 bis 7 m s-1. Die Station am Pfändergipfel ist erst seit Mai 2012
in Betrieb. In der Zeit von Mai bis Dezember 2012 fanden nur 5 Typ-1-Pfänderwindereignisse
statt. Während dieser Ereignisse erreichten die Windgeschwindigkeiten am Pfändergipfel
durchschnittlich etwa 7.5 m s-1 und maximal 10.5 m s-1 (Abb. 4.8e). Auch an der TAWESStation in Bregenz wurden dabei ähnliche Werte von durchschnittlich 7.2 m s-1 und maximal
9.4 m s-1 registriert. Die Windrichtungen am Pfänder beschränkten sich dabei auf 65 bis 85°.
Die Bregenz nahegelegenen Stationen Lindau, Altenrhein und Dornbirn weisen ebenfalls eine
nordöstliche Anströmung auf, im Gegensatz zu Bregenz verzeichnen sie jedoch wesentlich
geringere Windgeschwindigkeiten von durchschnittlich 2.5 bis 3 m s-1 (Abb. 4.8f-h). Die
nordöstliche Windrichtung in Dornbirn entspricht nicht der Talausrichtung des Rheintals.
Wie im Fallbeispiel in Kapitel 3.1 bereits angedeutet, wird Dornbirn daher während Typ-1Ereignissen möglicherweise ebenfalls von Absinkprozessen oder durch kanalisierte
Luftmassen aus Seitentälern beeinflusst. Am Rohrspitz werden etwas höhere Windstärken
als an den zuletzt besprochenen Stationen erreicht (Abb. 4.8i). Da der Rohrspitz direkt in der
Verlängerung der Pfänderwindströmung liegt, kann er mitunter von Pfänderwinden
beeinflusst werden. Im Normalfall sind Winde am Seezeichen 75 schwächer als am
Rohrspitz. Typ-1-Pfänderwindsituationen bilden hier die Ausnahme. Bei Pfänderwinden
beträgt die Mittelwindgeschwindigkeit am Rohrspitz im Durchschnitt 4.5 m s-1. Mit
durchschnittlich knapp 7 m s-1 am Hafen von Bregenz ist diese deutlich höher.
Wie in Abb. 4.8j-l zu erkennen sind die Winde in Feldkirch, Vaduz und Chur nahezu immer
taleinwärts gerichtet. Entsprechend der Talausrichtung äußert sich dies in Feldkirch und
Vaduz als Nordwestwind und in Chur als Nordostwind. Sowohl in Chur als auch in Vaduz
wurden bis zu 8.7 m s-1 Mittelwindgeschwindigkeiten erreicht. Da Pfänderwinde zumeist am
Abend auftreten lässt sich das Einfließen nicht allein durch ein thermisch induziertes
Talwindsystem erklären. Wäre dies der Fall, so müssten die Winde gegen Abend schwächer
werden und auf ausfließen drehen, da sich die Talatmosphäre stärker auskühlt als das
Vorland. Wie des Öftern erwähnt und auch im Fallbeispiel (Kapitel 3.1) zu sehen, treten
Typ-1-Pfänderwinde häufig in Zusammenhang mit einem Hochdruckgebiet auf, welches sich
nördlich der Alpenkette befindet. Folglich kann es durch den höheren Druck im Vorland auch
zu synoptisch getriebenen einfließen kommen. Im Mittel sind die Windgeschwindigkeiten in
Feldkirch am geringsten, während sie in Chur am höchsten sind. Da die Talbreite des
Rheintals gegen Süden abnimmt, spricht dies für einen zusätzlichen Kanalisierungseffekt. Der
Windrichtungssektor in Konstanz wurde zur Identifikation der Pfänderwinde von 0 bis 135°
47
beschränkt (siehe Kapitel 2.2.1). Trotzdem dominieren lediglich Nordostwinde zwischen
40 und 60° (Abb. 4.8l). Die These einer Nordostanströmung als Bedingung für Typ-1Pfänderwinde, wie sie Seyffertitz (1897) und Kopfmüller (1924) aufstellen, wird hiermit
unterstützt.
Für geringere und höhere Windgeschwindigkeitsschwellwerte zur Identifikation der Typ-1Ereignisse ändert sich am Muster der oben besprochenen Verteilungen der regionalen
Windverhältnisse wenig. Allerdings nehmen bei einem Grenzwert von 3 m s-1 beispielsweise
an der Station Säntis Süd- bis Nordwestwinde zu. Bei geringen Windgeschwindigkeiten
handelt es sich folglich nicht immer um das klassische Bild eines Typ-1-Pfänderwindes.
Wenn Luftmassen föhnartig über ein Gebirge absinken, kommt es infolge adiabatischer
Erwärmung im Vergleich zu umliegenden, vom Absinkprozess unbeeinflussten Bereichen
häufig
zu
Temperaturerhöhungen.
Im
Folgenden
werden
daher
lokale
Temperaturunterschiede zu umliegenden Stationen betrachtet und ausgehend von einem
pseudovertikalen Temperaturprofil analysiert.
4.1.4
Regionale Temperaturunterschiede
Wie im Eingangskapitel erwähnt, wird bei Föhn häufig eine Erwärmung beobachtet.
Seyffertitz (1897) und Kopfmüller (1924) sprechen bei klassischen Pfänderwinden von einer
Erwärmung von bis zu 3 K im Vergleich zu den umliegenden Stationen, welche allerdings
nicht immer beobachtet wird. In Abb. 4.9 werden die potentiellen Temperaturunterschiede
von Bregenz zu den nahegelegenen Stationen Lindau, Rohrspitz und Dornbirn ausgewertet.
Obwohl diese Stationen auf ähnlicher Seehöhe liegen, wird zur besseren Vergleichbarkeit
mit der potentiellen Temperatur gearbeitet. Wie schon im vorangegangenen Kapitel wird ein
direkter Vergleich unterschiedlich langer Datenreihen durchgeführt und der Anteil der
vorhandenen Daten jeder Station angegeben. Die Verteilung ist für kürzere Zeitabschnitte
jener der 11-jährigen Beobachtungsperiode sehr ähnlich.
Abbildung 4.9 zeigt im Vergleich zu Bregenz während Typ-1-Pfänderwinden tatsächlich
geringere potentielle Temperaturen an den Stationen Lindau, Rohrspitz und Dornbirn.
Allerdings handelt es sich meist um weniger als 1 K Differenz und somit lediglich um eine
geringe Temperaturerhöhung. Lindau weist hierbei im Vergleich zu Bregenz die geringsten
potentiellen Temperaturen auf. Der Median der potentiellen Temperaturen liegt etwas mehr
als 1 K unter jenen von Bregenz, wobei in Bregenz in Extremfällen bis zu 4.2 K höhere
Temperaturen registriert wurden. Fälle mit über 3 K Differenz finden vorwiegend in den
Monaten Mai bis Juli statt. Rohrspitz verzeichnet zwar ebenfalls geringere potentielle
Temperaturen als Bregenz, allerdings deutet Abb. 4.9 lediglich auf geringe Differenzen von
von etwa 0.6 K hin. Da Rohrspitz in der direkten Verlängerung der Föhnströmung liegt, kann
es von der Pfänder-„Föhn“-Luft beeinflusst werden.
48
Differenz der potentiellen Temperatur, Typ 1 (K)
36.7 %
100 %
98.7 %
Rohrspitz
Dornbirn
Lindau
395 m
407 m
400 m
4
3
2
1
0
−1
−2
−3
−4
−5
−6
Abbildung 4.9: Differenz der potentiellen Temperaturen Δ = 1232456 − 89:;:6< von Rohrspitz,
Dornbirn und Lindau zu Bregenz als „Box-Whisker-Plot“. Der Median ist rot gekennzeichnet. Die
Balken umfassen den Bereich zwischen unterem und oberem Quartil, die „Whiskers“ umfassen das
2.7-fache der Standardabweichung. Die roten Kreuze stellen die Ausreißer dar. Oben wird der Anteil
der vorhandenen Daten, bezogen auf die Gesamtanzahl der als Typ-2-Pfänderwind klassifizierten
Stundenwerte angegeben. Auswertung über den Zeitraum Januar 2002 bis Dezember 2012.
In Abb. 4.10 werden die potentiellen Temperaturdifferenzen zwischen ausgewählten
Stationen und Bregenz gegen die Höhe aufgetragen. Das hieraus resultierende
pseudovertikale Profil zeigt allgemein eine schwache Zunahme der potentiellen Temperatur
mit der Höhe. Werden Sulzberg und Ebenalp als Referenz gewählt, ergibt sich ein
potentieller Temperaturgradient von 0.33 K pro 100 m. Umgerechnet entspricht dies einer
Abnahme der Lufttemperatur von -0.67 K pro 100 m. In der internationalen
Standardatmosphäre (ISA) wird eine Temperaturabnahme von -0.65 K pro 100 m
angenommen. Das heißt bei Typ-1-Pfänderwinden ist die Atmosphäre oberhalb des
Kammniveaus etwas weniger stabil geschichtet, als die Standardatmosphäre. Hierbei muss
aber beachtet werden, dass es sich im gezeigten Profil der potentiellen Temperatur um kein
tatsächliches Vertikalprofil handelt und die Temperaturen an den gezeigten Stationen von
der Grenzschicht und ihrer Lage im Tal, an Berghängen, am Bodensee usw. beeinflusst
werden. In Abb. 4.10 ist zu erkennen, dass die potentiellen Temperaturen in Bregenz in etwa
jenen in Kammniveau des Pfänders entsprechen. Dies stütz die These, den Pfänderwind als
Pfänder-„Föhn“ zu betrachten. Aufgrund der allgemein nur gering stabilen Schichtung
unterhalb des Kammniveaus kommt es durch den Absinkeffekt in Bregenz lediglich zu einer
geringen Temperaturerhöhung (siehe oben).
Die stromaufwärtigen Stationen Kempten, Leutkirch, Oberstaufen und Lindenberg
(Abb. 4.10, Nr.8-11) sind zum Teil trotz größerer Höhenlage gleich warm oder kälter als
Stationen im Rheintal- und Bodenseegebiet (Abb. 4.10, Nr. 1-7). Da diese Stationen, mit
Ausnahme von Oberstaufen bezüglich der Nordostanströmung relativ frei stehen, können
die geringeren Temperaturen nicht, oder nur zum Teil, durch lokale Effekte hervorgerufen
49
2600
1 ... Bregenz [100 %]
15
2400
2 ... Rohrspitz [36.7 %]
2200
3 ... Lindau [98.7 %]
4 ... Dornbirn [100 %]
2000
5 ... Feldkirch [100 %]
Höhe (m ASL)
1800
6 ... Güttingen [91.5 %]
14
1600
7 ... Kressbronn [97.8 %]
8 ... Leutkirch [49.2 %]
1400
9 ... Kempten [100 %]
1200
13
10 ... Oberstaufen [98.7 %]
Kammniveau
12
1000
11 ... Lindenberg [90.6 %]
12 ... Sulzberg [36.7 %]
11 10
800
8 9
13 ... Gäbris [100 %]
600
6
400
−4
−2
75
34 2
14 ... Ebenalp [93.4 %]
1
0
2
4
Differenz der potentiellen Temperatur, Typ 1 (K)
15 ... Säntis [97.8 %]
6
8
Abbildung 4.10: Pseudovertikales Profil der potentiellen Temperaturdifferenz, basierend auf den als
Typ-1-Pfänderwind klassifizierten Stundenwerten (Windgeschwindigkeitsschwellwert 6 m s-1) von
Januar 2002 bis Dezember 2012. Auf der x-Achse wird die Differenz der potentiellen Temperaturen
> = 1232456 − 89:;:6< angegeben. Der Median ist als schwarzer Punkt gekennzeichnet, die
Balken umfassen den Bereich zwischen unterem und oberem Quartil. Die vertikal strichpunktierte
Linie entspricht dem Referenzniveau der TAWES-Station Bregenz, die horizontal gestrichte Linie
entspricht dem Kammniveau des Pfänders. Rechts wird die Nummerierung erläutert und der
Prozentanteile der vorhandenen Daten der jeweiligen Station angegeben.
werden. Beispielsweise die Station Lindenberg ist während Typ-1-Pfänderwinden im Mittel
fast 2 K kälter, als die im Rheintal, auf ähnlicher Höhe liegende Station Fraxern (nicht
gezeigt). Hierbei muss erwähnt werden, dass in Fraxern keine Absinkeffekte nachgewiesen
werden konnten. Die wärmste stromaufwärtige Station ist Oberstaufen. In Kapitel 4.1.3
werden in Oberstaufen vergleichsweise hohe Windgeschwindigkeiten festgestellt. Als
Ursache werden unter anderem Absinkprozesse angenommen, wofür auch die höheren
potentiellen Temperaturen sprechen. Die kalten Luftmassen stromaufwärts werden
wahrscheinlich durch den Herantransport kontinentaler Kaltluft verursacht, wohingegen das
Rheintalgebiet davon noch nicht, oder erst in geringerem Ausmaß beeinflusst ist. Die kalten
herantransportierten Luftmassen sind, ähnlich wie es bei Bora in den Dinarischen Alpen
beobachtet wird, vermutlich mit ein Grund für die nur geringe Temperaturerhöhung in
Bregenz.
In Abb. 4.11 wird der potentielle Temperaturunterschied zu Sulzberg für verschiedene
Windgeschwindigkeiten gezeigt. Sulzberg liegt nordöstlich von Bregenz, auf 1018 m. Die
Höhe des Sulzberges entspricht damit in etwa dem Niveau des Pfändergipfels (1064 m). Da
die potentielle Temperatur
entlang einer Stromlinie erhalten bleibt, muss sie beim
Absinken der Luft aus Pfänderniveau, oder höher, mindestens jener in Kammniveau
entsprechen. Vorweg sei erwähnt, dass die potentiellen Temperaturdifferenzen von Sulzberg
50
zu Bregenz durch diverse diabatische Effekte, wie etwa turbulenter Durchmischung durch
Reibung und turbulentem Wärmefluss durch Strahlungs-Input beeinflusst werden können.
Der Median der Temperaturdifferenzen aller Windgeschwindigkeiten liegt stets unter Null.
Das heißt, in Bregenz ist die potentiell wärmere Luft anzutreffen, wodurch oben genanntes
in den meisten Fällen erfüllt wird. Bei geringen Windgeschwindigkeiten von 3 bis 5 m s-1 sind
aber je mindestens 25 % der Fälle kälter als Sulzberg. Folglich handelt es sich hierbei nicht
immer um Pfänder-„Föhn“. Wie in Abb. 4.11 zu erkennen, nimmt der potentielle
Temperaturunterschied zwischen Sulzberg und Bregenz mit der Windgeschwindigkeit zu.
Dies lässt vermuten, dass mit zunehmenden Windgeschwindigkeiten Luftmassen aus
größerer Höhe (und damit potentiell wärmere Luftmassen) ins Tal absinken. Aber auch die
bereits erwähnte turbulente Durchmischung kann ähnlichen Effekt hervorrufen. Angesichts
der nur geringen Änderung des Medians von einem halben Grad, sollte dieses Ergebnis nicht
überbewertet werden. Trotzdem ist ein funktionaler Zusammenhang zwischen der
Windgeschwindigkeit und der potentiellen Temperaturdifferenz eindeutig gegeben.
Differenz der potentiellen Temperatur, Typ 1 (K)
0.4
0.2
0
−0.2
−0.4
−0.6
−0.8
−1
≥3
≥ 3.5
≥4
≥ 4.5
≥5
≥ 5.5
≥6
≥ 6.5
≥7
≥ 7.5
≥8
≥ 8.5
≥9
Windgeschwindigkeitsschwellwert (m s−1)
Abbildung 4.11: Differenz der potentiellen Temperatur Δ = 1?@<A:9; − 89:;:6< für
Windgeschwindigkeitsschwellwerte von 3 m s-1 bis 9 m s-1 als „Box-Plot“. Der Median ist rot
gekennzeichnet und die Balken umfassen den Bereich zwischen unterem und oberem Quartil.
Auswertung aller als Typ-1-Pfänderwind klassifizierten Stundenwerte von 21. August 2008 bis 31.
Dezember 2012.
51
4.2 TYP 2: Südost Pfänderwind
4.2.1
Häufigkeit
Die Wahl des Temperaturkriteriums hat ähnliche Auswirkungen auf die Häufigkeitsanalysen
des Typ-2-Pfänderwindes, wie die Wahl des Geschwindigkeitsschwellwertes für Typ-1Pfänderwinde in Kapitel 4.1.1. Aus diesem Grund werden die Häufigkeiten für verschiedene
Schwellwerte der potentiellen Temperaturdifferenzen von 2 bis 8 K zwischen Bregenz und
Dornbirn ausgewertet.
Nach Abb. 4.12 variiert die Gesamtanzahl der Ereignisse pro Jahr in Abhängigkeit des
Temperaturkriteriums stark. In jedem der betrachteten Jahre treten zwischen 86 und 168
Ereignisse ein, bei denen Bregenz mindestens 2 K wärmer als Dornbirn ist. Schon ein
geringfügig höherer Grenzwert reduziert die Gesamtanzahl drastisch. Unterschiede der
potentiellen Temperatur von mehr als 3 K treten im Schnitt 67 Mal pro Jahr ein. Der in dieser
Arbeit für weitere, genauere Analysen gewählte Schwellenwert von 4 K wird pro Jahr
durchschnittlich 40.5 Mal überschritten. Auch ein Temperaturunterschied von 8 K tritt in
jedem Jahr mindestens einmal auf. Die Gesamtanzahl der Ereignisse für
Gesamtanzahl der Ereignisse von Typ 2
180
Mittel für ≥ 4 K
≥2K
≥4K
≥8K
160
140
120
100
80
60
40
20
0
2002
2003
2004
2005
2006
2007
Jahr
2008
2009
2010
2011
2012
Abbildung 4.12: Gesamtanzahl der Typ-2-Pfänderwindereignisse pro Jahr für Schwellwerte der
potentiellen Temperaturdifferenz von 2 K bis 8 K in 0.5 K-Schritten, dargestellt als „Box-WhiskerPlot“. Der Median ist rot gekennzeichnet. Die Balken umfassen den Bereich zwischen unterem und
oberem Quartil, die „Whiskers“ umfassen das 2.7-fache der Standardabweichung. Die roten Kreuze
stellen die Ausreißer dar. Die durchgezogenen Linien entsprechen der Gesamtanzahl der Typ-2Pfänderwindereignisse pro Jahr bei Schwellwerten der Differenz der potentiellen Temperatur von 2 K
(blau), 4 K (rot) und 8 K (grün). Der Mittelwert der Anzahl der Ereignisse pro Jahr bei einem
Schwellwert von 4 K ist als schwarze strich-punktierte Linie eingezeichnet. Auswertung über den
Zeitraum Januar 2002 bis Dezember 2012.
52
Temperaturunterschiede ab 4 K ist während der untersuchten Jahre relativ konstant. Für
geringere Differenzen von 2 bis 3 K streut diese hingegen stark. Beispielweise treten im Jahr
2008 fast doppelt so viele Ereignisse (168) über 2 K Temperaturunterschied ein, als im Jahr
2010 (86). Außerdem nehmen nach Abb. 4.12 Ereignisse mit mehr als 2 K Unterschied
zwischen Bregenz und Dornbirn insgesamt ab. Bis 2008 wurden mit Ausnahme des Jahres
2004 stets mehr als 120 solche Ereignisse registriert, in den Jahren danach bleibt die
Gesamtanzahl stets unter 100. Ein solcher Trend ist bei höheren Temperaturunterschieden
nicht erkennbar, weshalb diese Änderungen den schwächeren Ereignissen mit weniger als
4 K Differenz von Bregenz zu Dornbirn zuzuschreiben sind. Diese Gegebenheiten weisen auf
zusätzliche Effekte hin, die Temperaturunterschiede von 2 bis 4 K hervorrufen. Es erscheint
also auch aus diesen Überlegungen sinnvoll, die Temperaturgrenze von 4 K für spezielle
Analysen (siehe Kapitel 4.2.2, 4.2.3 und 4.2.4) zu wählen. Mit durchschnittlich 40.5
Ereignissen pro Jahr (4 K-Kriterium) ist dieses Phänomen nicht zu missachten und tritt im
Vergleich zum klassischen Pfänderwind (12.7 Ereignisse pro Jahr, 6 m s-1-Kriterium)
wesentlich häufiger auf.
Nach Abb. 4.13 hängt die Anzahl der Typ-2-Ereignisse pro Monat nur geringfügig von der
Jahreszeit ab. Bei einem Kriterium von 4 K treten durchschnittlich 3.3 Ereignisse pro Monat,
mit einer Schwankungsbreite von ca. ± 1 Ereignis, ein. Während die Anzahl pro Monat in der
ersten Jahreshälfte stets knapp über dem Durchschnitt liegt, treten in der zweiten
Jahreshälfte etwas weniger Ereignisse ein. Ein schwach ausgeprägtes Maximum weist die
monatliche Verteilung für nahezu alle Temperaturkriterien im Frühjahr auf. Allerdings hängt
die Häufigkeit mit zunehmendem Temperaturunterschied stärker von der Jahreszeit ab. Bei
Temperaturunterschieden über 6 K, 7 K oder 8 K treten zwei eindeutige Maxima auf, zum
einen im Frühjahr (März, April, Mai: etwa 40 % aller Fälle) und zum anderen im Herbst
(Oktober, November: etwa 20 % aller Fälle). Wie im Fallbeispiel (Kapitel 3.2) angedeutet
wurde, entstehen Pfänderwinde bei synoptischen Lagen, die in ähnlicher Form in vielen
Alpentälern zu seichtem Südföhn führen. In nachfolgenden Kapiteln werden auch vereinzelte
Fälle mit hochreichendem Föhn vermutet. Die oben besprochenen Maxima hängen somit
möglicherweise mit der höheren Südföhnhäufigkeit zusammen, welche im Frühjahr und im
Herbst beobachtet wird (vgl. z.B. Waibel 1984, Föst 2006, Richner und Gutermann 2007,
Gutermann et al. 2012). Die absolute mittlere Anzahl der Ereignisse schwankt analog zur
Jahresverteilung stark mit der Wahl des Temperaturkriteriums, wobei wiederum vor allem
Ereignisse mit 2 bis 3 K potentiellen Temperaturunterschied wesentlich häufiger auftreten.
Genauere Analysen dieser Fälle zeigen, dass Ereignisse mit geringen Temperaturdifferenzen
zwar oftmals vor oder nach Pfänderwinden mit höheren potentiellen
Temperaturunterschieden auftreten, allerdings erscheinen sie auch ohne erkennbaren
föhnartigen Zusammenhang vorzukommen.
53
Mittlere Anzahl der Ereignisse von Typ 2
14
Mittel für ≥ 4 K
≥2K
≥4K
≥8K
12
10
8
6
4
2
0
Jan
Feb
Mar
Apr
Mai
Jun
Jul
Aug
Sep
Okt
Nov
Dez
Monat
Abbildung 4.13: Durchschnittliche Anzahl der Typ-2-Pfänderwindereignisse pro Monat für
Schwellwerte der potentiellen Temperaturdifferenz von 2 K bis 8 K in 0.5 K-Schritten, dargestellt als
„Box-Whisker-Plot“. Der Median ist rot gekennzeichnet. Die Balken umfassen den Bereich zwischen
unterem und oberem Quartil, die „Whiskers“ umfassen das 2.7-fache der Standardabweichung. Die
roten Kreuze stellen die Ausreißer dar. Die durchgezogenen Linien entsprechen der
durchschnittlichen Anzahl der Typ-2-Pfänderwindereignisse pro Monat bei Schwellwerten der
Differenz der potentiellen Temperatur von 2 K (blau), 4 K (rot) und 8 K (grün). Der Mittelwert der
Anzahl der Ereignisse pro Monat bei einem Schwellwert von 4 K ist als schwarze, strich-punktierte
Linie eingezeichnet. Auswertung über den Zeitraum von Januar 2002 bis Dezember 2012.
Abb. 4.14 zeigt die relative Häufigkeit der Typ-2-Pfänderwinde pro Monat und Tageszeit bei
einem Temperaturkriterium von 4 K. Die relative Häufigkeit der Typ-2-Pfänderwindstunden
pro Monat zeigt erneut die beiden schwach ausgeprägten Maxima im Frühjahr und Herbst.
Viel deutlicher ist die Verteilung der Pfänderwinde jedoch an die Tageszeit gebunden.
Untertags, von etwa 09 bis 18 UTC, tritt dieses Phänomen praktisch nicht auf. Erst in den
Abendstunden steigt die Anzahl der Ereignisse langsam an und deutlich am häufigsten
werden die Kriterien zur Identifikation der Fälle in den frühen Morgenstunden erfüllt.
Weiters beginnen die Ereignisse in den Sommermonaten später und enden früher als im
Winter. Abbildung 4.14 lässt daher auf einen Zusammenhang mit der nächtlichen
Auskühlung schließen. Im Fallbeispiel (Kapitel 3.2) wird ein Kaltluftsee im Rheintal vermutet.
Nachdem praktisch alle Typ-2-Pfänderwinde nachts auftreten, wird diese These bekräftigt.
Am häufigsten ereignen sich Pfänderwinde mit 1.4 und 1.6 % aller als Typ-2-Pfänderwind
identifizierten Stundenwerte von März bis Mai, je zwischen 00 und 05 UTC. Wie bereits
weiter oben erwähnt, weisen höhere Temperaturunterschiede deutlichere Maxima im
Frühjahr und Herbst auf. Beispielsweise treten bei einem Schwellwert der Differenz der
potentiellen Temperatur von 7 K etwa 4 % aller Pfänderwind-Stundenwerte im April um 03
UTC auf, etwa 2.5 % aller Fälle zur selben Tageszeit im Oktober (nicht gezeigt). Auch
tageszeitlich sind diese Ereignisse konzentrierter in den frühen Morgenstunden anzutreffen.
54
15
10
5
8
0.6
4
0.
10
15
0.
4
0.
4
6
0.
18
0.2
0.6
0.20.4
.6 0.
20 0
5
0.4
0.2
22
0.4
0.6
0.
6
00
0.8
0.6
1.4 .2
1 1
0.8
0.8
0.6
relative
Häufigkeit
von Typ 2
(%)
0.2
2
0.
14
12
0.6
1.4 1.2
1.6
1.2
0.8
1
0
0.4 .6
0.8
0.8
0.2
0.
4
0.6
6
1
2
0.6
1.
0.8
1.
1.4 2
1
0.
00
8
0.
1
02
0.6
6
0.
00.2
.4
0.4
04
0.8
1.2
0.6
0.4
1
06
1.4
08
0.4
0.2
0.4
0.6
0.4
10
0.2
Uhrzeit (UTC)
16
Jan Feb Mar Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez
Monat
Abbildung 4.14: Relative Pfänderwindhäufigkeit (Typ-2) in % bei einem Schwellwert der Differenz der
potentiellen Temperatur von 4 K. Die Kontourlinien geben die relative Häufigkeit an, mit welcher im
jeweiligen Monat zur jeweiligen Uhrzeit (UTC), bezogen auf die Gesamtzahl aller als Pfänderwind
identifizierten Stundenwerte, Pfänderwind aufgetreten ist. Rechts: Summe der relativen Häufigkeiten
aller Monate zur jeweiligen Stunde. Oben: Summe der relativen Häufigkeiten aller Tageszeiten im
jeweiligen Monat. Auswertung über den Zeitraum Januar 2002 bis Dezember 2012.
Bis 22 UTC werden Temperaturunterschiede über 7 K kaum erreicht. Die hohen
Temperaturgegensätze können nur dann entstehen, wenn im Rheintal die Auskühlung
entsprechend voran geschritten ist. Dies ist erst in den frühen Morgenstunden der Fall. Auch
im Sommer werden hohe Temperaturunterschiede aufgrund der kurzen Nächte nur selten
beobachtet.
Die relative Häufigkeit der Dauer der Typ-2-Pfänderwindereignisse nimmt mit zunehmender
Dauer exponentiell ab (Abb. 4.15). Wie schon in Kapitel 4.1.1 erwähnt, ist zu beachten, dass
jeder Stundenwert pro Ereignis als eine Stunde gezählt wird. Einstündige Fälle mit
Temperaturunterschieden über 4 K machen mehr als ein Drittel der Gesamtanzahl aus.
Ereignisse bis zu 5 Stunden kommen noch regelmäßig vor (im Schnitt 6.6 Mal pro Jahr), mehr
als 10 Stunden werden nur in Einzelfällen erreicht (im gesamten Untersuchungszeitraum 3
Mal). In Abb. 4.15 fallen Ereignisse mit potentiellen Temperaturdifferenzen über 8 K auf, da
sie im Gegensatz zu den anderen gezeigten Temperaturschwellwerten am häufigsten
55
45
≥2K
≥4K
≥6K
≥8K
40
relative Häufigkeit (%)
35
30
25
20
15
10
5
0
0
5
10
15
20
25
30
35
Dauer (h)
Abbildung 4.15: Relative Häufigkeit der Dauer der Typ-2-Pfänderwindereignisse für Schwellwerte der
potentiellen Temperaturdifferenz von 2 K, 4K, 6 K und 8 K. Die Dauer entspricht der Summe aller
Stundenwerte pro Ereignis, an denen die Pfänderwindkriterien erfüllt sind. Die relative Häufigkeit ist
auf die Gesamtzahl aller Ereignisse von Januar 2002 bis Dezember 2012 bezogen.
2 Stunden, anstatt einer Stunde dauern. Zum Einen kann dies an der vergleichsweise
geringeren Anzahl an Ereignissen liegen, wodurch die Statistik auf Einzelfälle sensibler
reagiert. Eine andere Erklärung hierfür wäre, dass der Kaltluftsee in diesen Fällen stärker
ausgeprägt ist, wodurch es länger dauert bis dieser nach Sonnenaufgang auch an den
umliegenden Stationen abgebaut wird.
Während des Untersuchungszeitraumes blieben Temperaturunterschiede von mehr als 2 K
zwischen Bregenz und Dornbirn bis zu 34 Stunden ohne mindestens 12 stündiger
Unterbrechung erhalten. Das längste Ereignis mit 34 Stunden trat von 30. Januar bis
3. Februar 2004 auf, wobei vereinzelt auch katabatische Hangabwinde falsch klassifiziert
wurden. Im selben Zeitraum traten aber auch vier- bis achtstündige Fälle mit potentiellen
Temperaturunterschieden von mehr als 4 K auf. Das längste Ereignis, welches bei einem
Kriterium von 4 K registriert wurde, dauerte 20 Stunden an und ereignete sich wenige Tage
später, von 5. bis 7. Februar, je in den späten Abend- und frühen Morgenstunden. Bregenz
steht zu Beginn dieser Reihe an Typ-2-Pfänderwindereignissen zunehmend im Einfluss von
westlicher Strömung. Diese Strömungsrichtung bleibt erhalten, bis sich am 3. Februar
antizyklonaler Einfluss einstellt und kurzzeitig keine Pfänderwinde entstehen. Über dem
Atlantik formiert sich jedoch ein Trog, der sich langsam ostwärts bewegt. Bregenz gerät
somit erneut in westliche bis südwestliche Anströmung, und weitere Pfänderwinde treten
auf. Am 7. Februar beendet eine Kaltfront die Serie an Typ-2-Pfänderwinden. Wie sich die
Windverhältnisse dieser Typ-2-Pfänderwinde in Bregenz äußern, wird im folgenden
Abschnitt besprochen.
56
4.2.2
Lokale Windverhältnisse in Bregenz
In folgenden Analysen werden alle als Typ-2-Pfänderwind klassifizierten Stundenwerte
ausgewertet. Die Untersuchungen der Windverhältnisse (Kapitel 4.2.2 und 4.2.3) sowie der
Temperaturverhältnisse (Kapitel 4.2.4) werden mit einem Schwellwert des potentiellen
Temperaturunterschiedes von 4 K zwischen Bregenz und Dornbirn durchgeführt.
Die dominierenden Windrichtungen des Typ-2-Pfänderwindes bewegen sich zwischen 145
und 175°, der Median liegt bei 158°. Wie in Abb. 4.16 zu erkennen, wehen die Winde somit
aus der Richtung des Gebhardsberges. Der südliche Ausläufer des Pfänders dürfte daher für
die Entstehung dieser Winde bedeutend sein. Der überwiegende Anteil (75 %) der
10-Minuten-Mittelwerte der Windgeschwindigkeit liegt zwischen 3 und 6 m s-1, wobei
während des Untersuchungszeitraumes bis zu 9.1 m s-1 erreicht wurden (Abb. 4.17a). Die
stärkste Böe, welche bei Südost-Pfänderwindereignissen gemessen wurde, erreichte
15.2 m s-1. Der Großteil tritt jedoch mit Böen zwischen 6 und 9 m s-1 auf (Abb. 4.17b). Die
höchsten Windgeschwindigkeiten sowie auch die stärksten Böen wurden am späten Abend
des 29. Oktobers 2010 aufgezeichnet. Ein Trog, der sich anfangs über dem Atlantik befand,
N
47.52
Bodensee
0
60
Latitude (deg N)
30%
00
80
0
10
Pfänder
SEE
20%
0
80
10%
47.5
BRE
≥6
5−6
4−5
3−4
2−3
<2
600
Gebhardsberg
47.48
9.7
9.75
9.8
Longitude (deg E)
Abbildung 4.16: Windrose für alle als Typ-2-Pfänderwind klassifizierten Stundenwerte
(Temperaturschwellwert 4 K) der TAWES-Station in Bregenz (BRE). Die Windrose gibt den
Prozentanteil pro Windrichtungssektor (10°-Schritte) an, die Windgeschwindigkeiten (m s-1) werden
zusätzlich farblich codiert. Die Lage der Station Seezeichen 75 (SEE) ist eingezeichnet. Mit
Topographie hinterlegt, Höhenlinien im 100 m Intervall. Die Uferlinie des Bodensees wird aufgrund
unzureichender Auflösung nicht korrekt dargestellt (SEE befindet sich etwa 200 m im See).
Auswertung über den Zeitraum Januar 2002 bis Dezember 2012.
57
a)
30
−1
25
b)
30
−1
Mittelwert: 7.5 m s
relative Häufigkeit, Typ 2 (%)
relative Häufigkeit, Typ 2 (%)
Mittelwert: 4.3 m s
20
15
10
5
0
25
20
15
10
5
0
0
1
2
3
4
5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
Windgeschwindigkeit (m s−1)
0
1
2
3
4
5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
Böengeschwindigkeit (m s−1)
Abbildung 4.17: Relative Häufigkeit (a) der 10-Minuten-Mittel-Windgeschwindigkeit und (b) der
Böen-Geschwindigkeit in 1 m s-1–Klassen an der TAWES-Station in Bregenz bezogen auf die
Gesamtzahl aller als Typ-2-Pfänderwind klassifizierten Stundenwerte von Januar 2002 bis Dezember
2012. Die rote, strichpunktierte Linie gibt den arithmetischen Mittelwert an.
bewegte sich westwärts und Bregenz geriet zunehmend in Einfluss westlicher bis
südwestlicher Strömung. Die potentiell kühleren Luftmassen befanden sich dabei südlich der
Alpen und ein starker Druckgradient bildete sich entlang der Alpenkette aus. Eine solche
synoptische Lage führt in vielen Alpentälern typischerweise zu Südföhn, welcher ab dem
29. Oktober für mehrere Tage auch manche Rheintalstationen beeinflusste. Um den
Temperaturunterschied zwischen Bregenz und den umliegenden Stationen zu erreichen
dürfte dennoch die Ausbildung von Kaltluft im Rheintal entscheidend gewesen sein.
BRE
NORTH
a)
30%
Windstille: 0.0 %
Daten: 100.0 %
25%
20%
5%
EAST
SOUTH
Windstille: 8.0 %
Daten: 94.8 %
15%
10%
WEST
SEE
NORTH
b)
WEST
≥8
7−8
6−7
5−6
4−5
3−4
<3
EAST
SOUTH
≥8
7−8
6−7
5−6
4−5
3−4
<3
Abbildung 4.18: Windrosen basierend auf den Daten aller als Typ-2-Pfänderwind klassifizierten
Stundenwerte (Temperaturschwellwert 4 K) der (a) TAWES-Station in Bregenz (BRE) und (b) des
Seezeichen 75 am Hafen von Bregenz (SEE). Verteilung der Windrichtung in 10°-Schritten, die Kreise
geben den Prozentanteil der jeweiligen Windrichtung an. Zusätzlich wird der Anteil jeder
Geschwindigkeitsklasse (m s-1) farblich codiert. Der Anteil der Kalmen sowie der Anteil der
vorhandenen Daten (bezogen auf die Gesamtzahl aller als Pfänderwind klassifizierten Stundenwerte)
werden angegeben. Die Lage der beiden Stationen ist in Abb. 4.16 eingezeichnet. Auswertung über
den Zeitraum April 2006 bis Dezember 2012.
58
Wie bereits in vorangegangenen Kapiteln erwähnt, ist die Hafenstation von Bregenz erst seit
April 2006 in Betrieb. Daher können die Daten nur für den Zeitraum von April 2006 bis
Dezember 2012 mit der TAWES-Station von Bregenz verglichen werden. Wie in Abb. 4.18a
und 18b zu erkennen, sind die Windgeschwindigkeiten an der Station Seezeichen 75 am
Hafen von Bregenz schwächer, als sie an der TAWES-Station von Bregenz typisch sind. Die
durchschnittliche Windgeschwindigkeit beträgt an der Hafenstation nur 2.8 m s-1. An der
TAWES-Station von Bregenz liegt diese im selben Zeitraum bei 4.5 m s-1. Auch die
dominierenden Windrichtungen weisen eine leicht östlichere Komponente auf. Während sie
an der TAWES-Station im betrachteten Zeitraum im Schnitt bei 158° liegen, sind es am
Seezeichen 75 durchschnittlich 150°. Die Hafenstation liegt etwas westlicher als die TAWESStation (Abb. 4.16). Dadurch befindet sie sich nicht mehr unmittelbar im Einflussbereich des
Gebhardsberges. Dies ist ein weiterer Hinweis darauf, dass es sich beim Typ-2-Pfänderwind
um ein sehr lokales Phänomen handelt.
4.2.3
Regionale Windverhältnisse
Im Folgenden werden die Windrichtungen und Windgeschwindigkeiten während Typ-2Pfänderwinden an Stationen um Bregenz untersucht. Um möglichen Südföhn-Einfluss zu
erkennen, sind Stationen im Rheintal von besonderem Interesse. Da das Muster der
Windverteilung für unterschiedlich lange Zeitspannen innerhalb des untersuchten
11-jährigen Zeitraumes sehr ähnlich ist, werden Daten von Stationen, die nicht von Beginn
des Untersuchungszeitraumes an Messwerte liefern, mit den vollständigen Zeitreihen
verglichen. Der Anteil der vorhandenen Daten wird angegeben.
Die Station Säntis weist eine starke westsüdwestliche Anströmung auf (Abb. 4.19a). Werte
bis zu 26 m s-1 der 10-Minuten-Mittelwindgeschwindigkeit wurden gemessen, der Median
liegt jedoch bei vergleichsweise geringen 6 m s-1. Da die Station Säntis sehr hoch liegt
(2502 m), kann ihre Windrichtung als vorherrschende Höhenströmung angenommen
werden. Im Schnitt liegt diese bei 240°. Für hochreichenden Südföhn in den Alpentälern ist
meist eine stärkere Südkomponente erforderlich. Südwinde machen aber nur etwa 15 % der
Fälle aus. Seichter Föhn tritt hingegen auch bei westsüdwestlicher Anströmung auf (vgl.
Kapitel 1.3.2). Die südlich gelegenen Rheintalstationen, wie Chur und Vaduz, weisen im
Allgemeinen eine höhere Südföhn-Häufigkeit auf als sie in der Nähe des Bodensees
verzeichnet wird (Gutermann et al. 2012). Allerdings treten dort während der meisten Typ-2Pfänderwindfälle nur verhältnismäßig geringe Windstärken auf (Abb. 4.19b und 4.19c). Fast
90 % aller Windgeschwindigkeiten, sowohl in Chur als auch in Vaduz, sind geringer als 5 m s-1
und die Windrichtungen entsprechen der Talausrichtung. Es handelt sich dabei meist um
nächtliches Ausfließen. Allerdings weist Vaduz einen kleinen Anteil von sehr starken
Südwinden auf, welche durchaus auf Südföhn schließen lassen. Es muss bedacht werden,
dass Südost-Pfänderwinde meist in den frühen Morgenstunden auftreten und somit
womöglich auch nächtliche Kaltluft in Chur und Vaduz den Föhn nicht ins Tal absteigen lässt.
Analysen des gesamten Tagesverlaufes eines Pfänderwindtages (Pfänderwindtag entspricht
59
dem Tag mit dem ersten Pfänderwindeintrag eines bestimmten Ereignisses) zeigen jedoch
ein ähnliches Bild. An etwa 30 % aller Tage wurde in Vaduz mindestens einmal eine
Geschwindigkeit von 5 m s-1 überschritten, 10 m s-1 wurden an nur noch 3 % aller
Pfänderwindtage erreicht. In Chur wurden an etwa 65 % aller Tage Windgeschwindigkeiten
über 5 m s-1 gemessen, 10 m s-1 wurden aber mit weniger als einem Prozent kaum erreicht.
Es kann sich daher nur selten um eine ausgeprägte Föhnströmung handeln, die den
Talboden des Rheintals erreicht und nur nachts von einem Kaltluftsee zum Abheben
gezwungen wird. Schwachwindiger Föhneinfluss wäre aber dennoch denkbar. Hierfür
müssten jedoch die Luftmassen der jeweiligen Tal- und Gipfel-Station verglichen werden.
Weitere Anmerkungen zum möglichen Föhneinfluss in Chur und Vaduz finden sich in den
Auswertungen der regionalen Temperaturunterschiede in Kapitel 4.2.4.
Besonders auffällig präsentiert sich die Station am Gäbris (Abb. 4.19d). Der Gäbris ist ein
1241 m hoher Berggipfel westlich des Rheintals. Dort wurden während des
Beobachtungszeitraumes Windstärken von bis zu 14.9 m s-1 gemessen, und im Schnitt liegen
diese bei 5.3 m s-1. Die Häufigkeiten der Windrichtungen weisen zwei Maxima auf, eines bei
Süd- und eines bei Westwinden. Die westliche Komponente entspricht der meist
vorherrschenden und in diesen Fällen am höher gelegenen Säntis auch nahezu ausschließlich
auftretenden, westsüdwestlichen Anströmung. Bei der Südkomponente handelt es sich
möglicherweise um eine südföhnige Strömung durch das Rheintal. In etwa 40 % dieser Fälle
werden auch am Säntis Südwinde registriert. Wenn sowohl am Gäbris als auch am Säntis
Südwinde herrschen, weist die Häufigkeit der Windrichtungen in Vaduz ebenfalls eine starke
Südkomponente auf. In diesen Fällen handelt es sich um hochreichenden Föhn, der im
südlichen Rheintal den Talboden erreicht und im nördlichen Rheintal von einem
bodennahen Kaltluftsee zum Abheben gezwungen wird. Der Kaltluftsee wird lediglich in
Bregenz erodiert. Wenn am Säntis Südwest- bis Westwinde auftreten, handelt es sich bei
den Südwinden am Gäbris wahrscheinlich um seichten Föhn unterhalb des Höhenniveaus
des Säntis. Auch St. Gallen (775 m) weist neben schwachen Hangabwinden eine südöstliche
Komponente mit etwas stärkeren Windgeschwindigkeiten auf (Abb. 4.19e). Folglich dürften
Föhnwinde vereinzelt auch auf St. Gallen übergreifen. Diese treten ebenfalls ausschließlich
dann auf, wenn am Gäbris Südwinde herrschen.
An vielen nördlicheren Talstationen übersteigt die Windgeschwindigkeit nur in wenigen
Fällen 2 m s-1. Stationen wie Dornbirn (Abb. 4.19f) und Feldkirch (Abb. 4.19g) liegen im
ruhigen Kaltluftsee, der sich in der Nacht im Rheintal ausbildet. In Dornbirn wird auch der
größte Anteil an Kalmen verzeichnet. Die südwestliche bis südöstliche Komponente wird
durch nächtliches Ausfließen der Kaltluft aus dem Rheintal und den östlichen Seitentälern
verursacht. Die Stationen Fraxern (Abb. 4.19h) und Eichberg-Oberrütti (Abb. 4.19i) weisen
ebenfalls nur schwache Winde auf, die jeweils durch die nächtliche Auskühlung als
Hangabwinde von den anliegenden Berghängen herabfließen. Dies äußert sich in Fraxern als
Nordostwind, in Eichberg-Oberüti als Westwind. In Heerbrugg beschränkt sich die
60
a)
SAE
NORTH
25%
b)
CHU
NORTH
Windstille: 4.1 %
Daten: 98.0 %
20%
15%
Windstille: 4.4 %
Daten: 98.3 %
10%
5%
WEST
WEST
EAST
EAST
SOUTH
SOUTH
c)
d)
VAD
NORTH
30%
10%
20%
Windstille: 0.2 %
Daten: 98.7 %
5%
10%
WEST
GAE
NORTH
Windstille: 0.9 %
Daten: 98.5 %
WEST
EAST
EAST
SOUTH
SOUTH
e)
f)
GAL
NORTH
15%
9%
10%
Windstille: 4.3 %
Daten: 100.0 %
6%
5%
3%
WEST
WEST
EAST
SOUTH
g)
DOR
NORTH
Windstille: 1.3 %
Daten: 98.3 %
EAST
SOUTH
FEL
NORTH
9%
h)
6%
6%
2%
EAST
SOUTH
Windstille: 0.8 %
Daten: 83.5 %
4%
3%
WEST
FRA
NORTH
Windstille: 0.4 %
Daten: 99.7 %
WEST
EAST
SOUTH
61
EIO
NORTH
i)
10%
Windstille: 0.0 %
Daten: 56.6 %
30%
10%
WEST
EAST
WEST
SOUTH
LIN
10%
Windstille: 6.8 %
Daten: 98.5 %
l)
6%
2%
SOUTH
WEST
EAST
SOUTH
SUL
NORTH
6%
Windstille: 0.2 %
Daten: 38.3 %
4%
2%
EAST
SOUTH
Windstille: 0.0 %
Daten: 39.4 %
4%
EAST
WEST
ROH
NORTH
5%
WEST
EAST
SOUTH
NORTH
m)
Windstille: 0.5 %
Daten: 99.6 %
20%
5%
k)
HEE
NORTH
j)
≥ 12
11 − 12
10 − 11
9 − 10
8−9
7−8
6−7
5−6
4−5
3−4
2−3
<2
Abbildung 4.19: Windrosen, basierend auf den Daten aller als Typ-2-Pfänderwind klassifizierten
Stundenwerte (Temperaturschwellwert 4 K) der Stationen (a) Säntis (SAE), (b) Chur (CHU), (c) Vaduz
(VAD), (d) Gäbris (GAE), (e) St. Gallen (GAL), (f) Dornbirn (DOR), (g) Feldkirch (FEL), (h) Fraxern (FRA),
(i) Eichberg-Oberüti (EIO), (j) Herrbrugg (HEE), (k) Lindau (LIN), (l) Rohrspitz (ROH) und (m) Sulzberg
(SUL). Die Lage der gezeigten Stationen ist Abb. 2.1 zu entnehmen. Verteilung der Windrichtung in
10-Grad-Schritten, die Kreise geben den Prozentanteil der jeweiligen Windrichtung an. Zusätzlich
wird der Anteil jeder Geschwindigkeitsklasse (m s-1) farblich codiert. Der Anteil der Kalmen sowie der
Anteil der vorhandenen Daten (bezogen auf die Gesamtzahl aller als Pfänderwind klassifizierten
Stundenwerte) werden angegeben. Auswertung über den Zeitraum Januar 2002 bis Dezember 2012.
62
Windrichtung hingegen auf einen Bereich von 205 bis 225° und auch die Geschwindigkeiten
übersteigen häufig 3 m s-1. Winde in Lindau kommen bevorzugt aus südöstlicher bis östlicher
Richtung (Abb. 4.19j). Vor allem Winde mit südöstlicher Komponente erreichen zum Teil
relativ hohe Geschwindigkeiten von bis zu 8.7 m s-1. Eventuell wird Lindau hier von Winden
beeinflusst, die über das Pfändermassiv absinken und föhnartig beschleunigen. Die stärksten
Winde in Lindau treten jedoch nicht zur selben Zeit wie in Bregenz auf. Die schwächeren
Winde aus Nordost werden durch lokale Land-Seewind-Zirkulationen hervorgerufen (bei
Nacht Landwind). Bei den schwächeren Ostwinden dürfte es sich um Hangabwinde des
Pfänders handeln (vgl. Huss und Stranz 1970). Am Rohrspitz wehen die Winde im Schnitt mit
einer Geschwindigkeit von 2.6 m s-1 meist aus südöstlicher Richtung (Abb. 4.19k). Ein
Zusammenspiel aus Talwind- und Landseewind-Zirkulationen führt zu den vorherrschenden
Windrichtungen. Besonders auffällig ist jedoch die zusätzliche westnordwestliche
Komponente. Diese Windrichtungen aus Südwest (225°) bis Nordwest (315°) machen knapp
8 % aller Fälle aus. Es ist möglich, dass sich durch den Pfänder-„Föhn“ bei Bregenz ein Leetief
bildet und die Westwinde am Rohrspitz als Ausgleichsströmung Richtung Bregenz fließen.
Während etwa 65 % dieser Westnordwest-Fälle werden am Gäbris Südwinde registriert.
Somit herrscht dabei in dieser Höhe eine föhnige Südströmung welche auch im Rheintal ein
Leetief bilden kann und diese Ausgleichsströmung hervorruft. Am Sulzberg herrscht während
Typ-2-Pfänderwind meist schwacher Südwest- bis Südwind mit durchschnittlich 2.2 m s-1
(Abb. 4.19m). Für weiterführende Diskussionen sind auch die Temperaturunterschiede zu
Bregenz von Bedeutung. Diese werden im nächsten Kapitel besprochen.
4.2.4
Regionale Temperaturunterschiede
Wie bereits des Öfteren erwähnt, weisen sich Typ-2-Pfänderwinde durch hohe potentielle
Temperaturunterschiede zwischen Bregenz und den umliegenden Stationen aus. In Abb.
4.20 werden die potentiellen Temperaturdifferenzen verschiedener Stationen im Rheintalund Bodenseegebiet gezeigt. Das entsprechende Temperaturmuster ändert sich für
unterschiedlich lange Beobachtungszeiträume kaum. Aus diesem Grund werden alle
gezeigten Stationen, trotz unterschiedlich langer Datenreihen, miteinander verglichen. Der
Anteil der vorhandenen Daten wird angegeben.
Wie in Abb. 4.20a zu erkennen, sind die Stationen im Rheintal meist kälter als Bregenz. Dies
bekräftigt die Annahme eines Kaltluftsees, der sich in der Nacht ausbildet. Dornbirn ist
während Typ-2-Pfänderwinden im Median 5.2 K kälter als Bregenz. Dabei muss beachtet
werden, dass nur Ereignisse mit mindestens 4 K Unterschied zwischen Bregenz und Dornbirn
als Pfänderwind klassifiziert werden. In Ausnahmefällen wurden Temperaturunterschiede
von bis zu 10.4 K erreicht. Dies war beispielsweise am 05. Mai 2003 der Fall. In Bregenz
wurden zur selben Zeit überdurchschnittliche Windgeschwindigkeiten von 6 bis 7 m s-1
gemessen. Auch die anderen, am Talboden des nördlichen Rheintals liegenden Stationen wie
Feldkirch, Eichberg-Oberau und Heerbrugg sind meist mehr als 2 K kälter als Bregenz.
Eichberg-Oberau und Heerbrugg sind dabei die beiden wärmeren der genannten Orte.
63
Eichberg-Oberau liegt bereits 50 bzw. 90 m höher als Dornbirn und Feldkirch, was in einer
stabil geschichteten Talatmosphäre höhere potentielle Temperaturen mit sich bringt. Auch
die Struktur des Rheintals kann die Unterschiede zwischen Ost (Feldkirch und Dornbirn) und
West (Eichberg-Oberau und Heerbrugg) mitverursachen. Genau betrachtet weist das
Rheintal im Osten mehrere Seitentäler, wie beispielsweise der Walgau bei Feldkirch oder das
Tal der Dornbirner Ache bei Dornbirn auf. Der Westen des Rheintals wird hingegen von steil
ansteigenden Gebirgen begrenzt. Somit kann nächtliches Ausfließen der Kaltluft aus den
Seitentälern möglicherweise die kälteren potentiellen Temperaturen im östlichen Teil des
Rheintals verursachen. An der südlichsten Rheintalstation in Chur sind die potentiellen
Temperaturen ebenfalls meist geringer als in Bregenz. Ausfließen von Kaltluft aus
anliegenden Seitentälern verstärkt auch dort die Abkühlung. Selbigen Effekt macht
Gutermann et al. (2012) für die geringere Föhnhäufigkeit in den frühen Morgenstunden in
Chur, verglichen mit nahe gelegenen Orten wie Bad Ragaz oder Sargans, verantwortlich.
Verglichen mit Dornbirn sind die Luftmassen beispielsweise in Feldkirch oder Chur im Schnitt
dennoch wärmer, was darauf hindeutet, dass diese Standorte in einzelnen Fällen
Föhneffekte spüren. In Vaduz liegt der Median nur ein halbes Grad unter dem Niveau von
Bregenz und in etwas mehr als 25 % der Fälle ist Vaduz sogar wärmer als Bregenz. Vaduz
befindet sich somit oftmals in vergleichbarer Föhnluft. Eichberg-Oberüti weist während
Typ-2-Pfänderwinden meist etwas geringere, Fraxern leicht höhere potentielle
Temperaturen als Bregenz auf. Auf den Zusammenhang zwischen den geringen
Temperaturdifferenzen zu Bregenz und der Höhenlage dieser beiden Stationen wird auf
Seite 68 näher eingegangen.
Die, Bregenz nahe gelegenen, Bodenseestationen Rohrspitz, Lindau und Altenrhein weisen
ebenfalls geringere Temperaturen als Bregenz auf (Abb. 4.20b). Der Median der Differenz
liegt dabei in Altenrhein bei 4.3 K, am Rohrspitz bei 3.6 K und in Lindau bei 2.5 K. Der
stärkste Temperaturunterschied von 11.5 K wurde am 19. Oktober 2011 zu Altenrhein
erreicht. Andere Stationen um den Bodensee, wie etwa Güttingen, Konstanz oder
Friedrichshafen, aber auch Stationen weiter stromabwärts wie Kempten oder LeutkirchHerlazhofen (nicht gezeigt) weisen noch extremere Unterschiede von 12.2 K (Güttingen) bis
14.2 K (Friedrichshafen) zu Bregenz auf. Im Schnitt beträgt die potentielle
Temperaturdifferenz dieser Stationen 3.6 bis 6.2 K zu Bregenz. In mehr als drei Viertel aller
Fälle liegen die Temperaturen auch an der Hafenstation von Bregenz unter jenen an der
TAWES-Station. Werte von bis zu 7.7 K Unterschied zwischen TAWES-Station und Seezeichen
75 wurden im Zeitraum von April 2006 (Beginn der Aufzeichnungen am Seezeichen 75) bis
Dezember 2012 erreicht. Wie in Kapitel 4.2.3 bereits besprochen wurde, sind auch die
Windgeschwindigkeiten an der Hafenstation geringer, da sich die Hafenstation nicht direkt
im Einflussbereich des Gebhardsberges befindet. Das Typ-2-Pfänderwind-Phänomen ist
daher sehr lokal auf die direkt an die Hänge des Gebhardsberges anliegenden Gebiete
beschränkt.
64
Differenz der potentiellen Temperatur, Typ 2 (K)
a)
99.7 %
98.3 %
14.5 %
89.0 %
56.6 %
98.5 %
83.5 %
Dornbirn
Feldkirch
Chur
Eichberg− Oberau
Heerbrugg
Eichberg− Oberrüti
Vaduz
Fraxern
407 m
438 m
556 m
494 m
408 m
620 m
457 m
807 m
8
6
4
2
0
−2
−4
−6
−8
−10
−12
b)
Differenz der potentiellen Temperatur, Typ 2 (K)
100 %
10
81.2 %
89.4 %
100 %
100 %
39.4 %
95.8 %
51.6 %
Friedrichshafen
Güttingen
Altenrhein
Konstanz
Rohrspitz
Lindau
Seezeichen 75
417 m
440 m
399 m
442 m
395 m
400 m
400 m
8
6
4
2
0
−2
−4
−6
−8
−10
−12
−14
−16
c)
Differenz der potentiellen Temperatur, Typ 2 (K)
38.3 %
98.5 %
94.6 %
98.6 %
25
20
15
10
5
0
−5
−10
Sulzberg
Gäbris
Ebenalp
Säntis
1018 m
1241 m
1640 m
2502 m
Abbildung 4.20: Differenz der potentiellen Temperaturen Δ = 1232456 − 89:;:6< von Stationen
(a) im Rheintal, (b) um den Bodensee, (c) in höheren Lagen zu Bregenz als „Box-Whisker-Plot“. Der
Median ist rot gekennzeichnet. Die Balken umfassen den Bereich zwischen unterem und oberem
Quartil, die „Whiskers“ umfassen das 2.7-fache der Standardabweichung. Die roten Kreuze stellen
die Ausreißer dar. Oben wird der Anteil der vorhandenen Daten, bezogen auf die Gesamtanzahl der
als Typ-2-Pfänderwind klassifizierten Stundenwerte angegeben. Auswertung über den Zeitraum
Januar 2002 bis Dezember 2012.
65
Wie in Abb. 4.20a und 4.20b zu erkennen, gibt es sowohl an den Rheintal- als auch an den
Bodenseestationen Ausnahmefälle mit höheren Temperaturen als in Bregenz. Diese gehen
an den jeweiligen Stationen zumeist auch mit höheren Windgeschwindigkeiten aus südlicher
Richtung einher (besonders markant in Eichberg-Oberau, Rohrspitz und Vaduz), was
Südföhn-Einfluss vermuten lässt. Aber auch lokale Druckunterschiede infolge von
Schwerewellen können am Boden zu verstärkten Winden führen, welche höhere Turbulenz
verursachen. Die bodennahe Kaltluft kann durch turbulente Durchmischung lokal
abgeschwächt werden, wodurch diese Standorte wärmer erscheinen.
Abbildung 4.20c zeigt Stationen in höheren Lagen. Sie werden vom bodennahen Kaltluftsee
nicht mehr beeinflusst. Am Sulzberg (auf 1018 m) liegen die potentiellen Temperaturen im
Schnitt bereits mehr als 2.5 K über jenen von Bregenz. Mit der Höhe nehmen diese weiter
zu, wodurch die noch höher gelegenen Stationen Gäbris, Ebenalp und Säntis immer
potentiell wärmer als Bregenz sind.
Um ein pseudovertikales Profil der Schichtung im Rheintal zu erhalten, wird in Abb. 4.21 die
potentielle Temperaturdifferenz aller oben besprochenen Stationen nochmals gegen die
Höhe geplottet. Erneut ist der bodennahe Kaltluftsee mit den niedrigen potentiellen
Temperaturen deutlich zu erkennen. Da die potentielle Temperatur mit der Höhe stark
2600
1 ... Bregenz [100 %]
20
2 ... Rohrspitz [39.4 %]
2400
3 ... Altenrhein [100 %]
4 ... Seezeichen 75 [51.6 %]
2200
5 ... Lindau [95.8 %]
2000
6 ... Dornbirn [100 %]
7 ... Heerbrugg [89 %]
Höhe (m ASL)
1800
8 ... Friedrichshafen [81.2 %]
9 ... Feldkirch [99.7 %]
19
1600
10 ... Güttingen [89.4 %]
11 ... Konstanz [100 %]
1400
12 ... Vaduz [98.5 %]
18
1200
14
−6
6
16 ... Fraxern [83.5 %]
17 ... Sulzberg [38.3 %]
600
8
15 ... Eichberg− Oberrüti [56.6 %]
16
800 Kammniveau
−8
14 ... Chur [98.3 %]
17
1000
400
13 ... Eichberg− Oberau [14.5 %]
11
10 9
3 2
13
5 7
18 ... Gäbris [98.5 %]
15
19 ... Ebenalp [94.6 %]
12 1
4
−4
−2
0
2
4
6
Differenz der potentiellen Temperatur, Typ 2 (K)
20 ... Säntis [98.6 %]
8
10
Abbildung 4.21: Pseudovertikales Profil der potentiellen Temperaturdifferenzen, basierend auf den
als Typ-2-Pfänderwind klassifizierten Stundenwerten (Temperaturschwellwert 4 K) von Januar 2002
bis Dezember 2012. Auf der x-Achse wird die Differenz der potentiellen Temperaturen
> = 1232456 − 89:;:6< angegeben. Der Median ist als schwarzer Punkt gekennzeichnet, die
Balken umfassen den Bereich zwischen unterem und oberem Quartil. Die vertikal strich-punktierte
Linie entspricht dem Referenzniveau der TAWES-Station Bregenz, die horizontal gestrichte Linie
entspricht dem Kammniveau des südlichen Ausläufers des Pfänders. Rechts wird die Nummerierung
erläutert und der Prozentanteile der vorhandenen Daten der jeweiligen Station angegeben.
66
zunimmt, ist diese Schicht sehr stabil. Die Kaltluft ist etwa 100 bis 200 m hoch. Auch darüber
hinaus nimmt die potentielle Temperatur weiterhin mit der Höhe zu. Werden Sulzberg und
Ebenalp als Referenz gewählt, ergibt sich ein potentieller Temperaturgradient von 0.67 K pro
100 m. Umgerechnet entspricht dies einer Abnahme der Lufttemperatur von -0.33 K pro
100 m. In der internationalen Standardatmosphäre wird, wie bereits erwähnt, eine
Temperaturabnahme von -0.65 K pro 100 m angenommen. Das heißt bei Typ-2Pfänderwinden ist die Atmosphäre stabiler als die Standardatmosphäre geschichtet. In
Abb. 4.21 wird das Kammniveau des südlichen Ausläufers des Pfänders angedeutet. Diesen
bildet ein etwa 700 m hoher Bergrücken, der mit dem 598 m hohen Gebhardsberg
abschließt (siehe Kapitel 1.2). Bei einem Absinkprozess sollte die potentielle Temperatur an
der Talstation in etwa der potentiellen Temperatur am Gipfel entsprechen. EichbergOberrüti liegt auf 620 m und misst im Schnitt etwas tiefere Temperaturen als Bregenz. Etwas
höher als in Bregenz sind die Temperaturen in Fraxern auf 807 m. Das heißt, in erster
Näherung kann davon ausgegangen werden, dass die Luftmassen in etwa aus dem Niveau
des südlichen Pfänderausläufers nach Bregenz absteigen. Die extremen
Temperaturdifferenzen, die dabei beobachtet werden, sind nur durch die extrem stabile
Schichtung in Bodennähe, welche eine Folge des Kaltluftsees ist, möglich.
67
5 Diskussion
Pfänderwinde treten in zwei unterschiedlichen Formen auf. Schon die Fallbeispiele des
dritten Kapitels weisen auf konträre synoptische Druckverteilungen hin, die während des
jeweiligen Pfänderwind-Typs herrschen. Der klassische oder Typ-1-Pfänderwind tritt auf,
wenn sich nördlich der Alpen ein Hochdruckgebiet befindet. Dieses wird antizyklonal
umströmt, was sich im Raum Bregenz als Nordost- bis Ostströmung äußert. Während
dieselben synoptischen Situationen im Schweizer Mittelland zu Bisen-Winden führen, kann
über den Dinarischen Alpen auch Bora beobachtet werden (vgl. Kapitel 3.1). Ein anderes
Druckmuster zeigt sich bei den Südost- oder Typ-2-Pfänderwinden. Hierbei ist der hohe
Luftdruck südlich der Alpenkette zu finden, während nördlich oder nordwestlich der Alpen
ein Tiefdruckgebiet besteht. Die Region um Bregenz wird somit zumeist von
westsüdwestlicher Strömung beeinflusst. Hierbei kann seichter Föhn auftreten, und in
Einzelfällen wird im südlichen Rheintal auch hochreichender Föhn beobachtet.
Die Auswirkungen der beiden Pfänderwind-Typen unterscheiden sich sowohl in
Windrichtung und Windgeschwindigkeit als auch in den Temperaturdifferenzen zwischen
Bregenz und den umliegenden Stationen. Während beim klassischen Pfänderwind
vergleichsweise hohe Windgeschwindigkeiten auftreten (im Mittel 7.3 m s-1 bei Typ-1 vs.
4.3 m s-1 bei Typ-2), weist sich Typ-2 durch eine markante Temperaturerhöhung von
durchschnittlich 3 bis 5 K aus. In Einzelfällen werden zwischen Bregenz und den umliegenden
Stationen auch potentielle Temperaturdifferenzen von mehr als 10 K verzeichnet. Bei Typ-1Ereignissen macht die Temperaturerhöhung hingegen zumeist weniger als 1 K aus. In beiden
Fällen werden die Winde jedoch mit großer Sicherheit durch föhnartige Absinkprozesse
hervorgerufen. Während die Luftmassen bei Typ-1-Winden direkt über den Pfänder
absteigen und somit einen Höhenunterschied von etwa 600 m überwinden, sinken sie bei
Typ-2-Ereignissen etwa 300 m über den Pfänderausläufer und Gebhardsberg nach Bregenz
herab. Trotzdem ist die Temperaturerhöhung bei den Südost-Winden (Typ-2) wesentlich
stärker ausgeprägt. Diese Tatsache geht aus der unterschiedlich stabilen Schichtung bei
Typ-1 und Typ-2 hervor, welche in den pseudovertikalen Profilen der potentiellen
Temperaturdifferenzen in Abb. 4.10 und 4.21 (Kapitel 4.1.4 und 4.2.4 ) zu erkennen sind. Der
massive Temperaturunterschied der Typ-2-Ereignisse ist eine Folge des stabilen,
bodennahen Kaltluftsees, der durch nächtliche Auskühlung im Rheintal- und Bodenseegebiet
entsteht und lediglich in Bregenz erodiert wird. Die potentielle Temperatur nimmt im
bodennahen Kaltluftsee mit der Höhe stark zu. Da beim Absinken über den Pfänderausläufer
potentiell wärmere Luftmassen aus einem Niveau oberhalb des bodennahen Kaltluftsees
nach Bregenz absteigen, kommt es zu dem markanten Anstieg in der Temperatur. Bei Typ-1Ereignissen ist die Atmosphäre hingegen nur schwach stabil geschichtet. Somit erfolgt durch
das Absinken von Luftmassen, die von oberhalb des Kammniveaus stammen, in Bregenz
keine starke Temperaturerhöhung (vgl. Kapitel 4.1.4). Weiters werden mit der
68
Nordostströmung häufig kalte Luftmassen herantransportiert. Bei Föhnwinden, welche mit
Kaltluftadvektion verbunden sind, werden die Luftmassen im Lee oft trotz adiabatischem
Absinken nur durch geringfügig wärmere, oder sogar kältere Luftmassen ersetzt. Ein solcher
Effekt wird beispielsweise bei Nordföhn in den Alpentälern beobachtet (Geier 2001). Wie im
Fallbeispiel des Kapitels 3.1 angedeutet, kann bei synoptischen Lagen, die zu Typ-1Pfänderwinden führen auch Bora eintreten, die im Lee zu einer Abkühlung führt.
In Kapitel 4.1.1 wurde gezeigt, dass Typ-1-Winde hauptsächlich abends auftreten. Damit
Föhnwinde durchbrechen können, müssen sich entweder stromabwärts oder stromaufwärts
die Bedingungen ändern. In Innsbruck gibt es beispielsweise am Nachmittag ein deutliches
Föhnmaximum (vgl. z.B. Föst (2006), Ortner (2010)). Die bodennahe Kaltluft wird durch
Strahlung vom Boden her, sowie durch turbulente Durchmischung von oben her abgebaut.
Erst wenn die Kaltluft beseitigt ist, kann der Föhn ins Tal absteigen. Es handelt sich dabei also
um einen stromabwärtigen Effekt, der den Föhn durchbrechen lässt. Wie in Kapitel 1.3.2
besprochen, ist die Geschwindigkeit im Lee aber auch eine Funktion der
Anströmungsgeschwindigkeit und der Stabilität stromaufwärts. Obwohl es nicht
ausgeschlossen werden kann, ist es doch unwahrscheinlich, dass sich die synoptische
Anströmung stets abends verstärkt. Generell können sich Schwerewellen nur dann bilden,
wenn die Überströmung des Gebirges länger dauert als eine Schwere-Oszillation. Da die
Oszillationsperiode umso kürzer ist, je stabiler die Schicht ist (vgl. Kapitel 1.3.2), können sich
über dem Pfänder möglicherweise erst dann Schwerewellen und folglich Föhnwinde
ausbilden, wenn die Grenzschicht auskühlt und die Stabilität entsprechend ansteigt. Gohm
und Mayr (2005) weisen für Bora-Winde einen durch Grenzschichteffekte hervorgerufenen
Tagesgang in der Windstärke nach. In der Nacht bildet sich durch Auskühlung eine stabile
Grenzschicht, die mit einem sogenannten „low-level-jet“ einhergeht und die Bora verstärkt.
Untertags baut sich eine konvektive Grenzschicht auf, der „low-level-jet“ verschwindet und
die Borawinde werden schwächer. Ein ähnlicher Effekt ist auch bei Typ-1-Pfänderwinden
denkbar. In den späteren Nachtstunden hebt der Pfänder-„Föhn“ jedoch durch lokal
erzeugte Kaltluft im Lee wieder ab.
Typ-2-Pfänderwinde treten hingegen erst dann auf, wenn im Rheintal- und Bodenseegebiet
ein ausgeprägter Kaltluftsee vorhanden ist, also zumeist in den frühen Morgenstunden.
Während der Typ-2-Ereignisse herrscht nördlich oder nordwestlich der Alpenkette tiefer
Luftdruck und die Anströmungsrichtung ist folglich vorwiegend westsüdwestlich. Wie in
Kapitel 4.2.3 besprochen, tritt in Einzelfällen auch eine hochreichende Südströmung auf, bei
der im südlichen Rheintal Südföhn herrscht, welcher von der bodennahen Kaltluft im
nördlichen Rheintal zum Abheben gezwungen wird. Die warmen Luftmassen strömen
oberhalb des ruhigen Kaltluftsees weiter nach Norden und sinken lediglich in Bregenz erneut
ab. Wie bereits erwähnt, ist eine hochreichende Südströmung die Ausnahme. Bei Südwestbis Westströmungen kann jedoch seichter Föhn entstehen (vgl. Kapitel 1.3.2). Da in mehr als
40 % aller Typ-2-Fälle an der 1241 m hoch gelegenen Station am Gäbris Südwinde registriert
werden, ist eine seichte südföhnige Strömung oberhalb des Kaltluftsees während dieser
Ereignisse wahrscheinlich. Wie oben beschrieben wird der Kaltluftsee lediglich in Bregenz
69
erodiert. Trotzdem verbleiben noch etwas mehr als die Hälfte der Ereignisse, während derer
weder am Säntis, noch am Gäbris Südwinde registriert werden. Der tiefe Luftdruck nördlich
der Alpen kann aber möglicherweise dennoch oberhalb des Kaltluftsees eine, wenn auch nur
gering vertikal ausgedehnte ageostrophische Ausgleichsströmung hervorrufen, von der die
höher gelegenen Stationen nicht beeinflusst werden. Weiterhin bleibt die Frage bestehen,
weshalb die warmen Luftmassen in Bregenz absinken. Hier können nur Vermutungen
angestellt werden, da für einen Nachweis Simulationen nötig wären. Der Ausläufer des
Pfänders liegt mit 600 bis 700 m Höhe knapp über dem Kaltluftsee und somit in einem
Bereich, in dem sich die Inversionschicht befindet. Durch die Föhn- oder Ausgleichströmung
wird der Bergrücken angeströmt. Damit sich Schwerewellen bilden können, müssen die
stromaufwärtige Stabilität, Anströmungsgeschwindigkeit und Bergbreite in einem Verhältnis
zueinander stehen, bei dem die Überströmung des Gebirges länger dauert als eine
Schwereoszillation (vgl. Kapitel 1.3.2). Im Fall des Typ-2-Pfänderwindes wird ein Bergrücken
mit geringer Ausdehnung überströmt. Damit sich Schwerewellen bilden können, muss die
Schichtung folglich sehr stabil sein und der Pfänderausläufer verhältnismäßig langsam
angeströmt werden. Letzteres kann mitunter ein Grund sein, weshalb dieser PfänderwindTyp nur vereinzelt bei starken Föhnströmungen eintritt. Diese Betrachtungsweise gilt
allerdings nur für ein kontinuierlich geschichtetes Medium. Da es bei Typ-2-Winden mit
zunehmender Höhe jedoch häufig zu einer Winddrehung von Südost (Bregenz) auf Südwest
bis West kommt, wird die vertikale Ausbreitung von Schwerewellen verhindert (vgl. z.B.
Shutts 1995). Es ist daher auch möglich, dass sich dieser Pfänderwind-Typ ähnlich wie eine
Flachwasserströmung verhält. Das sogenannte „kritische“ Niveau, an welchem die
Strömungskomponente in Stromrichtung Null wird (Winddrehung von mindestens 90°),
entkoppelt die Kaltluft von der Atmosphäre darüber. Die Grenzfläche zwischen dem
Kaltluftsee und der darüber liegenden Südwest- bis Westströmung agiert somit als freie
Oberfläche. Wie in Kapitel 1.3.2 besprochen, ist eine freie Oberfläche für die Interpretation
als Flachwasserströmung günstig. Die Kaltluft stromaufwärts des Gebhardsberges könnte als
Reservoir dienen, aus dem die Luft infolge des synoptischen Druckgradienten nach Norden
„abgesaugt“ wird. Die langsame, unterkritische Strömung ("B < 1) wird am Kammniveau
des südlichen Pfänderausläufers kritisch ("B = 1) und im Lee bzw. über Bregenz überkritisch
("B > 1) (vgl. Abb. 1.4, Kapitel 1.3.2).
Um bei Föhn den Kaltluftsee im Lee abzubauen, gibt es nach Gubser und Richner (2001) drei
Möglichkeiten. Erstens kann es in der Kaltluft durch Sonneneinstrahlung zu Konvektion
kommen. Dieser Fall kommt für Typ-2-Pfänderwinde nicht in Frage, da sie vor allem in der
Nacht und in den frühen Morgenstunden auftreten. Die zweite Möglichkeit ist turbulente
Erosion an der Obergrenze der Kaltluft, da durch Scherung zwischen der Föhnströmung und
dem ruhigen Kaltluftsee Schwerewellen und Turbulenz generiert wird. Die beiden
Luftmassen werden somit durchmischt und die Kaltluft wird von oben schrittweise abgebaut.
Drittens kann die Kaltluft statisch oder dynamisch von der Föhnluft „verdrängt“ werden.
Möglicherweise ist auch die Temperatur des Bodensees im Vergleich zur bodennahen
Kaltluft von Bedeutung. Zum einen wird die stromabwärtige Stabilität durch das, in der
70
Nacht vergleichsweise warme, Wasser reduziert, was den Luftmassen das Absinken
erleichtert. Zum anderen kann ein Zusammenspiel von Hangabwinden und Land-Seewinden
dazu führen, dass Föhnluft als Ersatz nachströmt.
Des Öfteren wurde darauf hingewiesen, dass Typ-1-Pfänderwinde bei Bisenlagen auftreten.
Da nach Wanner und Furger (1990) während des Entstehungsprozesses einer klassischen
Bise schwacher prefrontaler Föhn wehen kann, welcher wiederum Typ-2-Winde hervorrufen
kann, wird abschließend ein solcher Zusammenhang untersucht. Tatsächlich treten in
immerhin 20 % der Typ-1-Ereignisse an weniger als drei Tage vor deren Beginn Typ-2-Winde
auf, innerhalb von 5 Tagen vor Beginn eines Typ-1-Ereignisses werden in mehr als 30 % aller
Fälle Typ-2-Winde registriert. Ein Beispiel hierfür ist der Zeitraum von 11. März 2003 bis 16.
März 2003. Am 11. und 12. März traten je am frühen Morgen Typ-2-Winde auf, bevor im
Laufe des 12. März eine Kaltfront über Bregenz zog. Daraufhin schob sich ein
Hochdruckgebiet an die Nordseite der Alpenkette und eine sogenannte Omegalage
entstand. Diese und die damit verbundene Nordostanströmung blieb für mehrere Tage
erhalten und von 13. bis 16. März traten täglich Typ-1-Pfänderwinde auf.
71
6 Schlussfolgerung
In der vorliegenden Arbeit wurden Häufigkeiten sowie jahres- und tageszeitliche
Abhängigkeiten der Bregenzer Pfänderwinde untersucht. Auch die lokalen und regionalen
Windverhältnisse sowie Temperaturunterschiede zwischen Bregenz und den umliegenden
Stationen wurden betrachtet. Weiters konnten erste Erkenntnisse über die Ursachen der
Pfänderwinde gewonnen werden. Hierfür wurden zunächst Kriterien festgelegt, mit denen
Pfänderwindereignisse in einer 11-jährigen Datenreihe identifiziert wurden. Für regionale
Untersuchungen standen Messungen von 42 Wetterstationen im Rheintal- und
Bodenseegebiet zur Verfügung.
Eine erste wichtige Erkenntnis ist, dass Pfänderwinde in zwei unterschiedlichen Formen
auftreten. Sie wurden in der vorliegenden Arbeit in Typ-1 und Typ-2 eingeteilt. Ersterer
zeichnet sich durch vergleichsweise hohe Windgeschwindigkeiten und letzterer durch
massive Temperaturunterschiede zwischen Bregenz und den umliegenden Stationen aus.
Typ-1 tritt bei Nordostströmungen auf, die zumeist von einem Hochdruckgebiet nördlich der
Alpen hervorgerufen werden. Dieselben synoptischen Lagen können im Schweizer Mittelland
auch zu Bise und in den Dinarischen Alpen zu Bora führen. Typ-2 tritt hingegen bei
Westsüdwestströmungen auf, wobei nördlich oder nordwestlich der Alpen tiefer Luftdruck
herrscht. Eine südföhnige oder ageostrophische Ausgleichsströmung durch das Rheintal
verhält sich dabei möglicherweise wie eine Flachwasserströmung, wobei die Luftmassen im
Lee des südlichen Pfänderausläufers absinken.
Der klassische, oder Typ-1-Pfänderwind tritt im Schnitt 12.7 Mal pro Jahr auf, wohingegen
Typ-2 mit 40.5 Ereignissen pro Jahr wesentlich häufiger ist. Typ-1-Ereignisse treten zumeist
im Frühjahr von März bis Mai ein. Typ-2-Ereignisse hängen hingegen nur geringfügig von der
Jahreszeit ab. Allerdings treten sehr hohe potentielle Temperaturunterschiede von mehr als
7 K zwischen Bregenz und Dornbirn zumeist im Frühjahr oder im Herbst auf. Klassische
Pfänderwinde (Typ-1) treten bevorzugt am Abend auf, während Südost-Winde (Typ-2) in den
Nacht- und frühen Morgenstunden am häufigsten anzutreffen sind. Beiden Winden ist
gemeinsam, dass sie meist nur wenige Stunden andauern.
An der TAWES-Station von Bregenz liegt die Hauptwindrichtung während Typ-1Pfänderwinden zwischen 65 und 85°. Die Winde wehen somit direkt vom Pfändergipfel
herab. Im Schnitt erreichen sie Geschwindigkeiten von 7.3 m s-1, wobei Böen stets
Windstärken von mehr als 9 m s-1 aufweisen. Hierbei muss bedacht werden, dass nur jene
Winde als Typ-1-Pfänderwind klassifiziert wurden, die einen Schwellwert von 6 m s-1
überschreiten (vgl. Kapitel 2.2.1). Dies wirkt sich auf die Häufigkeitsverteilung der
Windgeschwindigkeiten aus. Bei Typ-2-Pfänderwinden liegen die Hauptwindrichtungen an
der TAWES-Station zwischen 145 und 175°. Sie wehen über den südlichen Ausläufer des
Pfänders und den Gebhardsberg herab. Ihre Windgeschwindigkeiten sind zumeist geringer
72
als jene der Typ-1-Pfänderwinde. Im Schnitt erreichen sie 4.3 m s-1, wobei Böen mit
durchschnittlich 7.5 m s-1 auftreten.
An der Hafenstation von Bregenz werden bei Typ-1-Winden aufgrund der geringeren
Oberflächenrauigkeit über Wasser höhere Windgeschwindigkeiten als an der TAWES-Station
von Bregenz gemessen. An den nahe gelegenen Stationen Altenrhein, Lindau und Dornbirn
werden Nordostwinde verzeichnet, welche mit 2 bis 3 m s-1 allerdings schwächer sind als
jene in Bregenz. Da Rohrspitz in der Verlängerung der Pfänder-„Föhn“-Strömung liegt,
werden an diesem Standort im Schnitt etwa 2 m s-1 höhere Windgeschwindigkeiten als an
den zuletzt genannten Stationen verzeichnet. Anders als bei Typ-1-Ereignissen wird die
Hafenstation von Bregenz von Typ-2-Pfänderwinden kaum beeinflusst, was die
Kleinräumigkeit dieses Phänomens demonstriert. Da Typ-2-Winde bevorzugt in den Nachtbzw. in den frühen Morgenstunden auftreten, werden an den Stationen im
Untersuchungsgebiet, je nach Lage, zumeist Talauswinde, Hangabwinde oder Landwinde
beobachtet. Die Stationen im nördlichen Rheintal befinden sich in einem ruhigen Kaltluftsee,
weshalb die Windgeschwindigkeiten nur in wenigen Fällen 2 m s-1 übersteigen. Stationen im
südlichen Rheintal werden hingegen in Einzelfällen auch von Südföhn beeinflusst.
Aufgrund einer schwach stabilen Schichtung sowie Kaltluftadvektion kommt es bei Typ-1Ereignissen infolge des Absinkens beim Überströmen des Pfänders lediglich zu einer
geringen Temperaturerhöhung von etwa 1 K. Während Typ-2-Pfänderwinden liegt im
Rheintal- und Bodenseegebiet hingegen ein Kaltluftsee. Aufgrund der extrem stabilen
Schichtung in Bodennähe kommt es durch Absinken von Luftmassen aus einem Niveau
oberhalb der Kaltluft zu den massiven Temperaturunterschieden zwischen Bregenz und den
umliegenden Stationen.
Das Phänomen der „Pfänderwinde“ bedarf mit Sicherheit noch einer Reihe von
Untersuchungen, um deren Ursachen und Abläufe tatsächlich zu verstehen und Ereignisse
auch vorhersagen zu können. Trotzdem konnten mit dieser Arbeit ihre bevorzugten Jahresund Tageszeiten ermittelt und erste Erkenntnisse über ihre Entstehung gewonnen werden.
Die, in dieser Arbeit aufgestellten, Hypothesen können als Basis für weitere Untersuchungen
dienen.
73
Literaturverzeichnis
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Danksagung
Zunächst möchte ich mich bei meinem Betreuer Assoz.-Prof. Dr. Alexander Gohm bedanken.
Er hat sich für meine Fragen immer sehr viel Zeit genommen und hat mit wertvollen
Ratschlägen und Hilfestellungen bedeutend zur Arbeit beigetragen.
Weiters danke ich Alfred Neururer, der die Idee für diese Arbeit aufbrachte und mich an
seinem bisherigen Wissenstand teilhaben ließ. Auch Markus Kreuter, Hermann Thüringer
und Arnold Tschofen möchte ich für die freundlichen Mitteilungen ihrer Erfahrungen einen
Dank aussprechen. Ein Dank gilt auch Hanspeter Simma, der mich beim Sammeln von
Erfahrungsberichten unterstützte.
Der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) sowie Metomedia
(insbesondere Sebastian Glink) möchte ich für die Bereitstellung zahlreicher Messdaten
danken. Dieser Dank gilt auch Corinna Seiter von der Pfänderbahn AG, welche mir die Daten
der Pfänderbahn zukommen ließ, sowie Arnold Tschofen, der mir Messwerte des Seezeichen
75 (Eigentum der Stadt Bregenz) zur Verfügung stellte. An dieser Stelle möchte ich auch
Richard Werner danken, der unter anderem auf die Station Seezeichen 75 aufmerksam
machte.
Allen weiteren, die mich ebenfalls auf beliebige Art und Weise unterstützt haben, möchte ich
hiermit meinen aufrichtigen Dank ausdrücken.
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