Ursache und Häufigkeit der Pfänderwinde Bachelorarbeit Bachelorstudium Atmosphärenwissenschaften Fakultät für Geo- und Atmosphärenwissenschaften der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck Modul 22, Seminar mit Bachelorarbeit von Maria Siller Betreuer Assoz.-Prof. Dr. Alexander Gohm Innsbruck, Juni 2013 ii Zusammenfassung In der vorliegenden Arbeit werden die Bregenzer „Pfänderwinde“ untersucht. Der Pfänder ist ein 1064 m hoher Berg östlich von Bregenz, dessen südlicher Ausläufer mit dem 598 m hohen Gebhardsberg abschließt. Aber welcher Zusammenhang besteht zwischen diesem Gebirgsstock und der nach ihm benannten Winde? Zunächst wird analysiert, wie häufig Pfänderwinde auftreten und ob es jahres- oder tageszeitliche Abhängigkeiten gibt. Weiters werden die lokalen und regionalen Windverhältnisse sowie Temperaturunterschiede zwischen Bregenz und den umliegenden Stationen betrachtet. Auch erste Erkenntnisse über die Entstehung dieser Winde werden gewonnen. Hierfür stehen Daten von 42 Wetterstationen im Rheintal- und Bodenseegebiet zur Verfügung. Analysen zeigen, dass Pfänderwinde in zwei unterschiedlichen Formen auftreten und daher werden sie als zwei Typen getrennt voneinander betrachtet. Zunächst werden Kriterien festgelegt, mit denen die Pfänderwinde in einer 11-jährigen Datenreihe identifiziert werden. Um zu zeigen, wie sich diese Winde in Bregenz äußern, und um zu verdeutlichen, dass es sich bei den beiden Typen tatsächlich um zwei unterschiedliche Phänomene handelt, wird im Anschluss für jeden Pfänderwind-Typ ein kurzes Fallbeispiele präsentiert. In weiterer Folge werden Häufigkeiten, Wind- und Temperaturverhältnisse aller, durch die definierten Kriterien gefundenen Fälle, ausgewertet. Es wird festgestellt, dass beide Pfänderwindtypen sehr wahrscheinlich durch föhnartige Absinkprozesse über das Pfändermassiv hervorgerufen werden. Die beiden Typen treten bei konträren synoptischen Strömungssituationen auf, und auch in Bregenz unterscheiden sie sich, sowohl in Windgeschwindigkeit und Windrichtung, als auch im Ausmaß der Temperaturerhöhung infolge des Absinkens. Der klassische, oder Typ-1Pfänderwind tritt bei großräumiger Nordostströmungen auf, wohingegen bei Typ-2-Winden eine großräumige Westsüdwestströmung vorherrscht. Beim ersten Typ wird der Pfändergipfel überströmt, was in Bregenz zu Ost- bzw. Nordostwinden führt. Beim zweiten Typ wird hingegen der südliche Ausläufer des Pfänders überströmt, wodurch in Bregenz Südostwinde registriert werden. Typ-1-Pfänderwinde bringen vergleichsweise hohe Windgeschwindigkeiten um 7.3 m s-1 mit sich, wobei durch ein Kriterium bei der Identifikation der Ereignisse Geschwindigkeiten unter 6 m s-1 ausgeschlossen werden. Die Windstärken sind während Typ-2-Ereignissen mit durchschnittlich 4.3 m s-1 geringer, dafür weist sich dieser Typ durch bemerkenswerte potentielle Temperaturunterschiede zwischen Bregenz und den umliegenden Stationen aus. Diese erreichen im Schnitt 3 bis 5 K, wobei in manchen Fällen auch Unterschiede von mehr als 10 K auftreten. Die hohen Temperaturdifferenzen zu umliegenden Stationen werden durch einen nächtlichen Kaltluftsee, welcher lediglich in Bregenz erodiert wird, hervorgerufen. Bei Typ-1-Ereignissen ist Bregenz nur um etwa 1 K wärmer als umliegende Stationen. Typ-1-Pfänderwinde treten im Schnitt 13 Mal pro Jahr, bevorzugt an Abenden von März bis Mai auf. Typ-2-Winde sind mit rund 41 Ereignissen pro Jahr wesentlich häufiger und hängen nur geringfügig von der Jahreszeit ab. Sie sind vorwiegend in den frühen Morgenstunden anzutreffen. Beiden Typen ist gemeinsam, dass sie zumeist nur wenige Stunden andauern. iii Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung ........................................................................................................... iii Inhaltsverzeichnis .............................................................................................................iv 1 Einleitung ......................................................................................................... 1 1.1 Motivation................................................................................................................ 1 1.2 Untersuchungsgebiet ............................................................................................... 2 1.3 Aktueller Stand der Forschung................................................................................. 3 1.3.1 Pfänderwind .................................................................................................. 3 1.3.2 Föhntheorie .................................................................................................. 3 1.3.3 Bise .............................................................................................................. 13 1.4 2 Ziele und Gliederung .............................................................................................. 14 Datengrundlage .............................................................................................. 16 2.1 Verwendete Datensätze ........................................................................................ 16 2.2 Identifikation der Pfänderwindereignisse ............................................................. 19 2.2.1 TYP 1: Klassischer Pfänderwind .................................................................. 21 2.2.2 TYP 2: Südost-Pfänderwind......................................................................... 22 2.2.3 Kritischer Hinweis ....................................................................................... 24 3 4 Fallbeispiele.................................................................................................... 25 3.1 TYP 1: 25. Mai 2012 ............................................................................................... 25 3.2 TYP 2: 25. November 2012..................................................................................... 31 Statistische Auswertung ................................................................................. 37 4.1 TYP 1: Klassischer Pfänderwind ............................................................................. 37 4.1.1 Häufigkeit .................................................................................................... 37 4.1.2 Lokale Windverhältnisse in Bregenz ........................................................... 41 4.1.3 Regionale Windverhältnisse ....................................................................... 44 4.1.4 Regionale Temperaturunterschiede ........................................................... 48 4.2 TYP 2: Südost Pfänderwind .................................................................................... 52 4.2.1 Häufigkeit .................................................................................................... 52 4.2.2 Lokale Windverhältnisse in Bregenz ........................................................... 57 4.2.3 Regionale Windverhältnisse ....................................................................... 59 4.2.4 Regionale Temperaturunterschiede ........................................................... 63 5 Diskussion ...................................................................................................... 68 6 Schlussfolgerung ............................................................................................. 72 Literaturverzeichnis ........................................................................................................ 74 Danksagung .................................................................................................................... 77 iv 1 Einleitung 1.1 Motivation Die Windverhältnisse am Bodensee werden schon seit langer Zeit untersucht. Die besondere Lage des Bodensees mit Flachland im Norden und den Alpen im Süden bringen die unterschiedlichsten lokalen Windsysteme, beispielsweise auch den sogenannten „Pfänderwind“, mit sich. Obwohl es bereits einige Arbeiten über die allgemeinen Windverhältnisse (zB. Huss und Stranz 1970; Wagner 2003) sowie über Starkwinde an und um den Bodensee gibt (zB. Mühleisen 1977; Piper 2011), wird das Phänomen „Pfänderwind“ kaum beachtet. Lediglich in einer alten Schrift des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung wurde von Seyffertitz (1897) ein Artikel zu diesem Thema verfasst. Weitere kurze Anmerkungen sind in Kopfmüller (1924) zu finden. Basierend auf den Inhalten dieser beiden Arbeiten definiert Schamp (1964) den Pfänderwind als östlichen bis nordöstlichen föhnartigen Wind, der über den Gebhardsberg und den Pfänder herab weht. Die Informationen der genannten Studien stimmen nicht immer mit Erfahrungsberichten überein. Während nach obiger Definition föhnartige Ost- bis Nordostwinde in Bregenz als Pfänderwinde bezeichnet werden, spricht beispielsweise Neururer (ZAMG Innsbruck, persönliche Mitteilung) von Südostwinden und markanten Temperaturunterschieden zwischen Bregenz und den umliegenden Stationen. Möglicherweise handelt es sich auch um zwei unterschiedliche Formen des Pfänderwindes. Obwohl Pfänderwinde im Allgemeinen nur selten Gefahren mit sich bringen, wurde bei Ost- bis Nordostwinden bereits von kenternden Schiffen berichtet (Tschofen, ZAMG Techniker in Bregenz, persönliche Mitteilung). Die, von Neururer als Pfänderwind bezeichneten Südostwinde überraschen hingegen, wie oben bereits angedeutet, mit Temperaturdifferenzen zwischen Bregenz und umliegenden Stationen, die auf den ersten Blick unerklärlich erscheinen. Diese Tatsachen, sowie auch die Uneinigkeit, welche Eigenschaften, wie z.B. Windrichtung und Temperaturunterschiede zwischen Bregenz und den umliegenden Stationen, die Pfänderwinde ausmachen, lassen den Wunsch aufkommen, mehr über sie zu lernen. Mit dieser Arbeit sollte erstmals anhand von Daten von Messstationen im Rheintal- und Bodenseegebiet analysiert werden, wie häufig Pfänderwinde auftreten. Weiters wird untersucht welche Bedingungen zu ihrer Entstehung beitragen und welche Wind- und Temperaturverhältnisse sie auszeichnen. Das von Pfänderwinden betroffene Gebiet wird im folgenden Kapitel beschrieben. 1 1.2 Untersuchungsgebiet Der Pfänderwind ist ein sehr lokales, nur Bregenz und seine nächste Umgebung betreffendes, Phänomen. An dieser Stelle werden kurz die Lage und die topographischen Bedingungen beschrieben, da einige Bezeichnungen bereits im hierauf folgenden Kapitel erwähnt werden. Bregenz ist die Landeshauptstadt Vorarlbergs. Sie liegt direkt am Ostufer des Bodensees auf 427 m ü. NN. Nach Osten wird Bregenz vom 1064 m hohen Pfänder begrenzt, welcher Teil der Allgäuer Alpen ist (Abb. 1.1). Den südlichen Ausläufer des Pfänders bildet ein etwa 700 m hoher Bergrücken, der an seinem südwestlichsten Ende mit dem 598 m hohen Gebhardsberg abschließt. Südlich von Bregenz öffnet sich das breite Rheintal. Durch seine besondere Lage wird Bregenz von unterschiedlichsten lokalen Windsystemen, wie Land-SeewindZirkulationen (Bodensee), Hangwinden (Pfänder) und Talwinden sowie auch Südföhn (Rheintal) beeinflusst. 47.6 60 0 N 80 0 Lindau 10 0 60 Latitude (deg N) Bodensee Rohrspitz 47.5 00 Bregenz Pfänder 1064 m Gebhardsberg Altenrhein 598 m 60 0 600 800 0 80 Dornbirn 47.4 9.5 9.6 9.7 80 10 RHEINTAL 00 0 1000 9.8 9.9 Longitude (deg E) Abbildung 1.1: Gebietsübersicht von Bregenz. Die rechte Abbildung bietet eine großräumige Übersicht, wobei die dünne rote Linie die Staatsgrenzen darstellt. Das rote Rechteckt zeigt jenen Kartenausschnitt, welcher in der linken Abbildung im Detail zu sehen ist. Höhenlinien im 100 mIntervall. 2 1.3 Aktueller Stand der Forschung 1.3.1 Pfänderwind Zum Thema „Pfänderwind“ gibt es bisher kaum wissenschaftliche Arbeiten. Seyffertitz widmet dem sogenannten „Bregenzer Fallwind“ jedoch bereits 1897 einen Artikel. Laut Seyffertitz (1897) befindet sich bei Pfänderwind nördlich von Bregenz ein Hoch, während über dem Mittelmeer tiefer Luftdruck herrscht. Die resultierende Ostströmung fällt föhnartig vom Pfänder herab. Dabei kommt es in und um Bregenz sehr lokal zu hohen Windgeschwindigkeiten und häufig zu 2 bis 3 °C höheren Temperaturen. Die Temperaturerhöhung findet laut Seyffertitz allerdings nicht immer statt. Kopfmüller (1924) spricht ebenfalls von einem starken Ostwind, welcher bei antizyklonaler Wetterlage mit starkem Gradienten auftritt und über das Pfändermassiv herabstürzt. In seiner Arbeit bezeichnet Kopfmüller dieses Phänomen bereits als „Pfänderwind“. Er bestätigt die föhnartigen Eigenschaften und untermauert diese mit einem Fallbeispiel: Am Abend des 27. April 1916 trat Pfänderwind auf, wobei in Bregenz Ostwind mit 4 Bf (5.5 bis 7.9 m s-1) und eine um 2.3 °C höhere Lufttemperatur als in Lindau registriert wurde. In Lindau herrschte zur selben Zeit Nordostwind mit Stärke 3 Bf (3.4 bis 5.4 m s-1). Laut Schamp (1964) tritt Pfänderwind am häufigsten im Frühjahr bei nordöstlicher Luftströmung auf. Nach Kreuter (Windsurfingclub Rheindelta, persönliche Mitteilung) herrscht an Pfänderwindtagen Nordost-Bise. Der Pfänderwind selbst tritt meist erst abends auf und erreicht Windgeschwindigkeiten um 5 bis 6 Bf (8 bis 13.8 m s-1). Auch Thüringer (Segelclub Bregenz, persönliche Mitteilung) spricht von starken Ost- bis Nordostwinden mit Geschwindigkeiten um 5 bis 7 Bf (8 bis 17.1 m s-1). Meist bläst der Pfänderwind an mehreren Tagen in Folge, je von ungefähr 16:00 bis 19:00 MEZ. Er gilt als Schönwetter-Garant. Pfänderwind tritt laut Thüringer vorwiegend von Frühling bis Herbst und im Schnitt 3- bis 4-mal pro Jahr auf. Nach Neururer (ZAMG Innsbruck, persönliche Mitteilung) tritt Pfänderwind, anders als bei den vorangegangenen Beschreibungen, bei südöstlicher- bis südwestlicher Strömung auf. Sein wichtigstes Merkmal ist ein massiver Temperaturunterschied von 5 bis 8 K zwischen Bregenz und Rohrspitz bzw. zwischen Bregenz und vielen Rheintalstationen. Gleichzeitig treten Böen aus südöstlicher Richtung auf. Beiden Schilderungen liegen föhnartige Eigenschaften zu Grunde. Deshalb wird im Folgenden darauf eingegangen, wie Föhn entsteht. 1.3.2 Föhntheorie Trifft eine dynamisch angetriebene Strömung auf orographische Erhebungen, so können die Luftmassen das Gebirge entweder überströmen, durchströmen (gap flow) oder umströmen. Beim Überströmen können sich unter bestimmten Bedingungen (siehe unten) Schwerewellen bilden, welche wiederum zu Leewellen, Rotor-Zirkulationen und Föhnwinden 3 führen können (Jackson et al. 2013). Föhn wird 1992 von der World Meteorological Organisation (WMO) wie folgt definiert: „Föhn ist ein Wind, der - im Allgemeinen - auf der Leeseite von Gebirgen durch Absinken wärmer und relativ trockener wird.“ Um die Entstehung von Föhnwinden nachvollziehen zu können, werden im nächsten Abschnitt die Grundlagen der Schwereoszillation besprochen. (a) Schwereoszillation Wird ein Luftpaket aus seiner Ursprungshöhe vertikal ausgelenkt, so kommt es bei Hebung zu adiabatischer Expansion und bei Senkung zu adiabatischer Kompression. Sofern keine Kondensation einsetzt, bleibt die potentielle Temperatur des Luftpaketes dabei konstant. In einer stabil geschichteten Atmosphäre nimmt die potentielle Temperatur mit der Höhe zu, wodurch ein ausgelenktes Luftpaket potentiell kälter/ wärmer als seine Umgebung ist. Nachdem ein Luftpaket expandiert (Auslenkung nach oben), ist dieses somit dichter und schwerer als seine Umgebung und erfährt eine negative Auftriebskraft, welche das Paket in seine Ursprungslage zurückzubringen versucht. Aufgrund der Trägheit überschießt dieses jedoch nach unten. Dort ist das Luftpaket wärmer als seine Umgebung und bekommt erneut Auftrieb nach oben. Das Luftpaket oszilliert somit um seine Ausgangslage. Die Frequenz dieser Oszillation entspricht der Brunt-Väisälä-Frequenz = (1.1) wobei g die Schwerebeschleunigung, z die Höhe und die potentielle Temperatur ist (Durran 1990). Mit zunehmender Stabilität wird der vertikale Gradient / der potentiellen Temperatur größer. Ein ausgelenktes Luftpaket oszilliert daher umso schneller, je stabiler die Atmosphäre geschichtet ist. Trifft eine Strömung auf ein Gebirge, so wird nicht nur ein einzelnes Luftpaket ausgelenkt, sondern eine ganze Schicht. Unter bestimmten Bedingungen können sich dabei Schwerewellen bilden. (b) Lineare Wellentheorie Für folgende Betrachtungen werden die Bewegungsgleichungen linearisiert (siehe, z.B Kapitel 7.4 in Holton, 2004). Dazu werden alle Variablen in einen Grundzustand und eine Abweichung davon zerlegt. Produkte zweier Abweichungen werden vernachlässigt, wodurch die Bewegungsgleichungen zu linearen Differentialgleichungen reduziert werden. Mit dieser Annahme kann die Vertikalkomponente w der Geschwindigkeit der Wellen analytisch berechnet werden. Weiters werden Windgeschwindigkeit und Stabilität des Grundzustandes als konstant angenommen. 4 Wie eine Strömung auf eine Auslenkung durch ein Gebirge reagiert, hängt davon ab, wie lange die Gebirgsüberströmung im Vergleich zur Oszillation dauert (Durran 1990). Die Periodendauer der Oszillation ergibt sich aus der Brunt-Vaisälä-Frequenz: = 2π (1.2 In der Standardatmosphäre dauert eine Oszillation etwa 10 Minuten, in stabiler Schichtung deutlich kürzer. Die Überströmungszeit 1.3 sagt aus, wie lange die Strömung mit der Geschwindigkeit U braucht um die Distanz a zu überwinden. Wenn die Überströmungszeit länger dauert als eine Oszillation können sich Schwerewellen bilden. Um Schwerewellen zu erzeugen sind folglich 3 Faktoren bestimmend: • • • Stabilität Anströmungsgeschwindigkeit Bergbreite Ein Gebirge, das Schwerewellen anregt, muss breit genug sein oder langsam angeströmt werden. Auch eine stabil geschichtet Strömung begünstigt Schwerewellen. Werden diese Anforderungen erfüllt, breiten sich die Wellen vertikal aus, ohne dass ihre Amplitude abgeschwächt wird. Die Lösung der linearisierten Wellengleichung zeigt, dass sich die Vertikalkomponente w der Geschwindigkeit mit der Höhe sinusperiodisch ändert. Dadurch verlagert sich der Punkt mit der höchsten Auslenkung stromaufwärts (Abb. 1.2a). Im Lee kommt es zu einer Drängung der Stromlinien, und somit zu höheren Geschwindigkeiten (Durran 1990). Da nicht-hydrostatische Effekte bei dieser Betrachtungsweise vernachlässigbar sind und sich die vertikale Auslenkung durch die gesamte Troposphäre a) b) Abbildung 1.2: Stromlinien einer gleichmäßigen Strömung über eine Reihe von sinusförmigen Gebirgsketten mit (a) und (b) . Die gestrichte Linie in (b) zeigt die Stromaufwärtsneigung der Schwerewellen am Punkt ihrer höchsten Auslenkung (nach Durran 1990). 5 fortpflanzt, wird diese Art von Schwerewellen auch als hydrostatische vertikal propagierende Schwerewelle bezeichnet. Dauert eine Oszillation länger als die Überströmung, so können sich keine Schwerewellen ausbilden. Die Stromlinien werden symmetrisch ausgelenkt und mit zunehmender Höhe exponentiell gedämpft (Abb. 1.2b). Die Windgeschwindigkeiten sind daher im Luv und im Lee gleich hoch. Lediglich am Gipfel können höhere Geschwindigkeiten auftreten. In diesem Fall entwickeln sich jedoch keine Föhnwinde. Die Lösung der linearen Theorie beachtet zwar unterschiedliche Windgeschwindigkeiten im Luv und im Lee von Gebirgen, allerdings werden in der Realität massiv höhere Windgeschwindigkeiten gemessen als durch diese Annahme zu erwarten wären. Es muss also auch nicht-lineare Prozesse geben, welche die Luftmassen Leeseitig derart beschleunigen. Nach Smith (1980) ist die lineare Wellentheorie nur gültig ist, solange die dimensionslose Gebirgshöhe =ℎ (1.4) mit der Berghöhe ℎ und der Geschwindigkeit des Grundzustandes kleiner als 1 ist. Bei größeren dimensionslosen Gebirgshöhen werden nicht-lineare Prozesse wichtig. Wenn ≫ 1 werden Luftmassen im Luv von Gebirgszügen blockiert. Eine weitere für Föhnwinde entscheidende Folge dieser Prozesse wird im nächsten Abschnitt besprochen. (c) Wellenbrechen Modellierungen, die nicht-lineare Effekte berücksichtigen, zeigen, dass vertikal propagierende Schwerewellen brechen können, wenn die dimensionslose Gebirgshöhe einen bestimmten Schwellenwert übersteigt. Nach Huppert und Miles (1969) liegt dieser Schwellwert für ein zwei-dimensionales Gebirge (d.h. Bergrücken, der normal zur Strömung unendlich weit ausgedehnt ist) bei 0.85. Isolierte, dreidimensionale Gebirge führen laut Smith und Gronas (1993) zu Wellenbrechen, wenn die dimensionslose Gebirgshöhe größer als 1 ± 0.1 ist. Wie aus Gleichung 1.4 ersichtlich ist, ist dies der Fall wenn • • • der Berg hoch ist die Schichtung stabil ist und/ oder die Windgeschwindigkeiten gering sind. Richtungsweisend für das Verständnis des Mechanismus von Wellenbrechen sind vor allem Studien von Clark und Peltier (1977), Peltier und Clark (1979, 1983) sowie Clark und Farley (1984). Die Lösung der nicht-linearen Gleichung ist anfangs der linearen sehr ähnlich. Die Isentropen beginnen jedoch zu kippen, wodurch sich potentiell kühlere Luft über potentiell wärmere Luft schiebt. Folglich wird die Schicht instabil und eine große, turbulent durchmischte Zone bildet sich. In dieser Zone ist die potentielle Temperatur konstant. Diese Schicht wird auch als kritische Schicht bezeichnet. Sie wirkt wie eine Grenzfläche und 6 reflektiert nach oben propagierende Wellen zurück an die Oberfläche. Unterhalb dieser durchmischten Schicht sind die Isentropen stark gedrängt. Beide, der zuletzt genannten Tatsachen, führen im Lee zu stark erhöhten Windgeschwindigkeiten. (d) Leewellen und Rotoren Wenn sich Stabilität und Windgeschwindigkeiten in der Troposphäre mit der Höhe ändern, können sich Leewellen bilden (Durran 1990). Während Schwerewellen im wesentlichen auf den Bereich oberhalb des Gebirges beschränkt sind, breiten sich Leewellen stromabwärts aus (Abb. 1.3). Der Scorer-Parameter = (1.5 ist im Allgemeinen eine Funktion der Höhe. Leewellen treten dann auf, wenn der ScorerParameter mit der Höhe stark abnimmt. Wie aus Gleichung 1.5 ersichtlich, ist dies der Fall, wenn entweder • • der Wind mit der Höhe zunimmt oder/ und die Stabilität mit der Höhe abnimmt Die Wellen werden am Übergang zu einer Schicht mit anderer Stabilität oder Windgeschwindigkeit sowie am Boden reflektiert (Durran 1990). Sie bleiben in dieser Schicht Abbildung 1.3: Schematische Darstellung von Leewellen. Die Energie der vertikal propagierenden Wellen wird am Übergang zu einer Schicht mit höheren Windgeschwindigkeiten und/ oder geringerer Stabilität reflektiert. Zusätzlich ist ein Rotor eingezeichnet (nach Jackson et al. 2013). 7 gefangen, weshalb sie auch als „trapped waves“ oder „gefangene Wellen“ bezeichnet werden. Im Gegensatz zu Schwerewellen hängt die Wellenlänge einer Leewelle nicht zwingend von der Bergbreite ab, sondern ist vielmehr eine Funktion der stromaufwärtigen Profile der Stabilität und der Windgeschwindigkeit (Jackson et al. 2013). Unterhalb der Leewellen kann es zu Rotor-Zirkulationen kommen. Doyle und Durran (2002) haben Rotoren erstmals anhand Computersimulationen analysiert. Ihre Ergebnisse weisen auf ein Zusammenwirken aus Bodenreibung und positiver Druckstörung unterhalb des Wellenberges hin. Durch Bodenreibung entsteht im Lee von Gebirgen eine Schicht mit starker vertikaler Scherung. Diese Schicht löst sich in einem Bereich mit positiver Druckstörung, welche unterhalb eines Wellenberges auftritt, vom Boden ab. In Bodennähe kommt es zur Windumkehr (Abb. 1.3). Die hohen Geschwindigkeiten im Lee eines Gebirgszuges lassen sich auch durch eine Analogie zu Wasserströmungen über ein Hindernis erklären. (e) Flachwassertheorie Folgende Erläuterungen basieren auf Durran (1990). Flachwasserströmungen über ein Hindernis können einen hydraulischen Sprung hervorrufen. Die zugrundeliegende Dynamik dieser Strömung lässt sich auch auf Luftströmungen über ein Gebirge anwenden, sofern die Strömung nur gering vertikal ausgedehnt, und durch eine sogenannte freie Oberfläche von der darüber liegenden Atmosphäre entkoppelt ist. Als freie Oberfläche kann beispielsweise eine Stufe in der potentiellen Temperatur (z.B. eine Inversion) agieren. Ein wichtiger Parameter für diese Betrachtungsweise ist die Froude-Zahl "r = U % & (1.6) mit der Tiefe D des Mediums. Sie beschreibt das Verhältnis zwischen Strömungsgeschwindigkeit und Phasengeschwindigkeit von linearen Schwerewellen am Oberrand des Flachwassers. Ist die lokale Froude-Zahl überall größer als 1,so ist die Strömung überkritisch. Beim Überwinden eines Hindernisses wird die Schicht höher und verlangsamt sich, da sich kinetische Energie in potentielle Energie umwandelt. Die geringste Geschwindigkeit wird am höchsten Punkt der Barriere erreicht. Ist diese Stelle überwunden, wird die Strömung durch Umwandlung potentieller Energie in kinetische Energie wieder beschleunigt (Abb. 1.4a). In unterkritischem Zustand (lokale Froude-Zahl überall kleiner als 1) verhält sich die Strömung umgekehrt. Beim Auftreffen auf das Hindernis wandelt sich potentielle Energie in kinetische Energie um, wodurch es zur Beschleunigung kommt. Nach der Barriere nimmt die Geschwindigkeit wieder ab (Abb. 1.4b). In Abb. 1.4c ist die Strömung anfangs unterkritisch. Durch Umwandlung potentieller Energie in kinetische Energie kann ein bestimmten Schwellenwert überschritten werden, wodurch der Strömungszustand von unterkritisch zu überkritisch übergeht. Wie oben besprochen beschleunigen die 8 Abbildung 1.4: Verhalten einer Flachwasserströmung über ein Hindernis: (a) überall überkritische Strömung, (b) überall unterkritische Strömung, (c) Übergang von unter- zu überkritisch am Gipfel mit hydraulischem Sprung im Lee (nach Durran 1990). Wassermassen bei überkritischen Verhältnissen hinter dem Hindernis. Leeseitig werden sehr hohe Geschwindigkeiten erreicht, da folglich während der gesamten Überströmung potentielle Energie in kinetische Energie umgewandelt wird. Die Strömung wird also stets beschleunigt. Durch einen turbulenten hydraulischen Sprung erlangt die Strömung wieder dieselben Bedingungen, die in der Umgebung herrschen. Analogien zur Flachwasserströmung können die hohen Leegeschwindigkeiten sehr gut erklären und wurden beispielsweise auch mit Segelflugzeug-Sondierungsflügen im Raum Innsbruck nachgewiesen (Reinhardt 1963). Auch numerische Simulationen von Gohm und Mayr (2004) weisen für dieselbe Gegend eine gute Übereinstimmung der wichtigsten Strömungsmuster mit den Boden-Beobachtungen auf. Die hohen Temperaturen, welche bei Föhn beobachtet werden, versucht (unter anderem) eine der ältesten und bekanntesten Theorien zum Thema Föhn, die thermodynamische Föhntheorie, zu begründen. Obwohl diese Theorie weitgehend widerlegt wurde oder nur minimal zur Erklärung des Phänomens „Föhn“ beiträgt, wird sie der Vollständigkeit halber erwähnt. 9 (f) Thermodynamische Föhntheorie Die thermodynamische Föhntheorie hat ihren Ursprung im 19. Jahrhundert und wird dem österreichischen Wissenschaftler Julius von Hann zugeschrieben. Abbildung 1.5 erläutert diese, rein thermodynamische Sichtweise. Feuchte Luft strömt auf ein Bergmassiv zu und wird gehoben. Anfangs kühlt sie sich trockenadiabatisch, das heißt mit einer Temperaturabnahme von einem Kelvin pro 100 Meter, ab. Wenn die Luftmassen ihr Sättigungsniveau erreicht haben, wird durch Kondensation latente Wärme freigesetzt, was die Abkühlungsrate dämpft. Die Luft kühlt daher nur mehr feuchtadiabatisch, also um 0.6 Kelvin pro 100 Meter, ab. Gleichzeitig formen sich Wolken und Niederschlag fällt aus. Im Lee sinken die Luftmassen wieder ab. Da die Niederschlagsteilchen ausgefallen sind, wird keine Energie für Verdunstung benötigt, weshalb sich die Luftmassen während des gesamten Absinkvorgangs trockenadiabatisch erwärmen. Folglich herrschen im Lee höhere Temperaturen und eine geringere Feuchte als stromaufwärts. Da die Luft leeseitig sehr trocken ist, ist die Sicht hervorragend. Dieser Bereich wird daher auch als „Föhnfenster“ bezeichnet. Zum Thema thermodynamische Föhntheorie, vergleiche z.B. Richner und Hächler (2013). Das Prinzip dieser Theorie funktioniert allerdings nur, wenn tatsächlich Niederschlag ausfällt. Ansonsten wird die stromaufwärts frei gewordene latente Wärme beim Absinken durch Verdunstung wieder verbraucht. Abkühlung und Erwärmung sind daher im Luv und Lee symmetrisch und es kommt zu keiner Netto-Erwärmung. In der Realität werden jedoch viele Föhnereignisse ohne Niederschlag beobachtet (Seibert 1990). Des Weiteren wären zum Teil unrealistische Niederschlagssummen nötig, um beobachtete Temperaturerhöhungen zu erreichen. Seibert (1990) errechnet für eine 100 km breite Region bei Niederschlagsraten von 1 mm/h bei Südföhn in den Ostalpen eine Erwärmung von etwa 1.5 bis 2 Kelvin durch Abbildung 1.5: Schematische Darstellung der thermodynamischen Föhntheorie (nach Richner und Hächler 2013). 10 rein thermodynamische Effekte. Im Mittel liegt der potentielle Temperaturunterschied jedoch bei 6 bis 7 K zwischen Trento und Innsbruck. Die thermodynamische Föhntheorie kann das Phänomen also nicht erklären. Außerdem begründet diese Theorie die hohen Windgeschwindigkeiten im Lee nicht. Nach heutigem Kenntnisstand stammt die Föhnluft nicht vom Boden von stromaufwärts, sondern steigt in Folge von Schwerewellen aus größerer Höhe ab (Seibert 1990). Da die potentielle Temperatur in einer stabilen Schichtung mit der Höhe zunimmt, sinkt im Lee potentiell wärmere Luft ab. Dies erklärt die höheren Temperaturen, die bei Föhnereignissen gemessen werden. Hinzu kommt häufig ein Kaltluftsee, der sich vor Föhndurchbruch in den Tälern hält und den Temperaturanstieg bei Föhn noch extremer erscheinen lässt. Ein Vergleich von Föhn und Bora zeigt, dass die zugrundeliegenden Mechanismen sehr ähnlich sind (Smith 1987). Steinacker (2006) bezeichnet Föhn daher als nichts anderes als eine „maskierte Bora“, die eine vorher vorhandene, noch kältere Luft (Kaltluftsee) im Tal ersetzt. Für die Interpretation der Ergebnisse ist auch die Unterscheidung zwischen seichtem und hochreichendem Föhn von Bedeutung. (g) „Seichter“ und „hochreichender“ Föhn Seichter und hochreichender Föhn unterscheiden sich in erster Linie im Verhalten der Strömung oberhalb des Kammniveaus. Der Begriff des „seichten“ Föhns wurde erstmals von Kanitscheider (1932) erwähnt, wobei dieser Föhntyp heute auch häufig als „gap flow“ bezeichnet wird (Mayr et al. 2004). Wie in Abb. 1.6a zu erkennen, strömt dabei nur die unterste Schicht durch Gebirgseinschnitte, wohingegen die Strömung oberhalb des Kammniveaus parallel zum Gebirgszug verläuft. Bei seichtem Südföhn in den Alpen wehen die geostrophischen Winde oberhalb des Kammniveaus folglich aus westlicher Richtung. a) b) Abbildung 1.6: Schematische Darstellung des Unterschieds zwischen (a) seichtem und (b) hochreichendem Föhn. Die Strömung oberhalb des Kammniveaus ist bei seichtem Föhn von der Strömung unterhalb entkoppelt (nach Mayr et al. 2004). 11 Dennoch weist diese Föhnströmung alle typischen Föhneigenschaften auf (vgl. z.B. Mayr et al. 2007, Seibert 1990). Bei hochreichendem Föhn hat der geostrophische Wind über Kammniveau eine Komponente senkrecht zur Gebirgskette. Das Gebirge wird hierbei sowohl durchströmt als auch überströmt (Abb. 1.6b). Nach Mayr et al. (2007) werden „gap flows“ durch unterschiedliche Luftmassen beiderseits der Gebirgseinschnitte verursacht. Im Falle des seichten Südföhns in den Alpen befindet sich südlich der Alpenkette relativ kältere Luft als im Norden. Diese Verteilung der Luftmassen kann nach Mayr et al. (2007) durch mehrere Prozesse hervorgerufen werden. Zumeist wird jedoch an der Vorderseite eines Troges Warmluft an die Alpennordseite advehiert. Die Poebene wird hingegen durch den Alpenbogen abgeschirmt und verbleibt in relativ kälterer Luft. Durch die Temperaturunterschiede zwischen der Nord- und der Südseite der Alpen baut sich ein Druckgradient auf, der eine seichte Föhnströmung durch Gebirgseinschnitte hervorrufen kann. Auch der synoptische Druckgradient zeigt nach Norden. Durch diesen alleine kann jedoch kein seichter Föhn entstehen (Zängl 2002). Da seichte Föhnströmungen nur eine geringe vertikale Ausdehnung aufweisen und häufig durch Inversionen von der Atmosphäre darüber entkoppelt sind, können sie gut als Flachwasserströmung beschrieben werden (Gohm und Mayr 2004). Hochreichender Föhn wird durch die synoptische Strömungssituation senkrecht zum Gebirge hervorgerufen und die Luftmassen sinken aus einem Höhenbereich oberhalb des Kammniveaus in die Täler ab. Eine Entkoppelung, wie sie bei seichtem Föhn beobachtet wird, ist bei hochreichendem Föhn kaum gegeben. Daher lässt er sich durch die Schwerewellentheorie besser beschreiben als anhand der Flachwassertheorie (Mayr und Gohm 2006). Wie bereits erwähnt, wird eine Art des Pfänderwindes bei nordöstlicher Abbildung 1.7: Typische Winde in Mitteleuropa, die durch postfrontale Kaltluftadvektion, Blockierung und Kanalisierung auftreten. Im umrahmten Gebiet ist der Name "Bise" gebräuchlich (nach Wanner und Furger 1990). 12 Anströmung erwartet. Da diese Anströmungsrichtung auch zu Bise führt, wird im Folgenden kurz auf die Entstehung von Bisen-Lagen eingegangen. 1.3.3 Bise Die sogenannte „Bise“ ist einer von vielen regionalen Winden im Alpenraum. Es handelt sich dabei um einen starken, synoptisch angetriebenen Nord- bis Ostwind im nördlichen Alpenvorland (Wanner und Furger 1990). Der Begriff „Bise“ wird vor allem im Jura-Gebiet und im Schweizer Mittelland verwendet (Abb. 1.7). Dort werden die Luftmassen durch die Orographie kanalisiert und dadurch beschleunigt. Abbildung 1.8: Synoptische Situationen, die zu Bise führen: (a)-(c) Vorphase, Beginn und Hauptphase der klassischen Bise; (d)-(e) Beginn und Hauptphase einer starken Winter-Bise; (f) Winter-Bise mit Niederschlag ("Bise Noir"). bi = Bise; bo = Bora; f = Föhn; m = Mistral. Gestrichte Linie: 500 hPa Isohypsen; Pfeile: Bodenströmung. (Nach Wanner und Furger 1990) 13 Wanner und Furger (1990) erläutern in ihrer Klimatologie über Bise die synoptischen Bedingungen, die zu solchen Winden führen. Dabei werden drei Arten von Bise unterschieden. Erstens die „klassische“ Bise, zweitens eine starke Winter-Bise und drittens Bise mit Niederschlag („Bise Noir“). Im Allgemeinen befindet sich während Bise ein Hoch nördlich der Alpen, was zu einem stärkerem Nord-Süd oder Nordost-Südwest Bodendruckgradient führt. Häufig entwickelt sich auch ein Genua-Tief, dies ist jedoch nicht zwingend der Fall. Abbildung 1.8a-c zeigt die Entwicklung der klassischen Bise. Zunächst bewegt sich ein Frontensystem auf die Alpen zu. Westwinde dominieren und schwacher, prefrontaler Föhn weht (Abb. 1.8a). Die Kaltfront legt sich an den Alpenbogen an, die Luftmassen werden blockiert und umströmen die Gebirgskette (Abb. 1.8b). In der Regel formt sich anschließend über dem Golf von Genua ein Leetief. Folglich kommt es zu einer nördlichen bis nordöstlichen Anströmung und die Luftmassen werden, wie in Abb. 1.8c zu erkennen, zwischen Jura und Alpen kanalisiert. Über dem Schweizer Mittelland und dem oberen Rhonetal herrscht nun Bise. Diese Art der Zyklonenaktivität ist im Frühjahr am höchsten, weshalb auch Bise in dieser Zeit am häufigsten auftritt. Im Winter kann Bise oft 4 bis 7 Tage anhalten, da Antizyklonen sehr stabil über Skandinavien und Osteuropa bestehen bleiben. Abbildung 1.8d und 1.8e veranschaulichen die Entwicklung einer solchen WinterBise. Kaltluft aus Nord bis Nordost strömt auf Jura und Alpen zu. Der nachfolgende Druckanstieg nördlich der Alpen führt wiederum zu Bise, Mistral und auch Bora. Wenn ein Genua-Tief auf die nördlichen Alpen übergreift, kann durch Advektion feuchter Luftmassen auch Niederschlag fallen (Abb. 1.8f). Dieses Phänomen tritt hauptsächlich im Winter auf und wird auch als „Bise Noir“ oder „schwarze Bise“ bezeichnet. Meist geht Bise jedoch mit antizyklonalen Wetterbedingungen einher. 1.4 Ziele und Gliederung Ziel dieser Arbeit ist es, erstmals anhand einer 11-jährigen Datenreihe die Häufigkeit von Pfänderwinden zu analysieren. Weiters sollen lokale und regionale Windverhältnisse sowie potentielle Temperaturdifferenzen zwischen Bregenz und den umliegenden Stationen untersucht werden. Ferner sollen erste Erkenntnisse über Bedingungen, die zur Entstehung von Pfänderwinden führen, gewonnen werden. In Kapitel 2 wird zunächst das verwendete Messnetz vorgestellt. Wie bereits angedeutet gibt es zwei unterschiedliche Typen von Pfänderwind. Diese werden im Anschluss gesondert betrachtet. Kriterien zur Identifikation der Pfänderwindereignisse werden im nächsten Kapitel festgelegt. Bevor die damit als Pfänderwind klassifizierten Daten in Kapitel 4 ausgewertet werden, wird in Kapitel 3 für beide Typen des Pfänderwindes ein kurzes Fallbeispiel gezeigt. Diese sollen in erster Linie dem Leser dienen, sich ein Bild davon zu machen, wie sich Pfänderwinde äußern. Auch wird klar, dass es sich tatsächlich um zwei unterschiedliche Phänomene handelt. In den Analysen in Kapitel 4 wird untersucht wie häufig Pfänderwinde auftreten. Saisonale und tageszeitliche Abhängigkeiten werden 14 besprochen. Weiters wird analysiert, wie lange Pfänderwindereignisse dauern. Auch lokale und regionale Wind- und Temperaturverhältnisse sowie pseudovertikale Profile der potentiellen Temperaturdifferenzen werden betrachtet. In Kapitel 5 werden ausgewählte Ergebnisse und die vermuteten Ursachen der beiden Pfänderwind-Typen diskutiert, bevor im abschließenden Kapitel 6 die wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst werden. 15 2 Datengrundlage 2.1 Verwendete Datensätze Für diese Arbeit steht ein dichtes Messnetz von 42 Stationen im Bodensee und Rheintalgebiet bereit. Die Daten von 13 TAWES- (Teilautomatische-Wetter-ErfassungsSysteme) und 13 SYNOP-Stationen wurden von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) zur Verfügung gestellt, weitere 14 Stationen von Meteomedia. Zusätzlich werden Daten des Hafens von Bregenz, Station „Seezeichen 75“, und der Pfänderbahn verwendet. LEU KEM KON SAR MEE FRI GUE OBE SEE SUL PFA ROH BRE ALT THA ALB DOR HEE GAL GAE EIO EIC EBE EBN LIB KRE SIG LIN FRA SOP FEL MIT SRO SAE BLU VAD QUI GLA LAN BRA RAG CHU Tawes Synop Meteomedia Pfänderbahn Seezeichen 75 Abbildung 2.1: Übersichtskarte der verwendeten TAWES- (hellblau), SYNOP- (dunkelblau), Meteomedia- (orange) Stationen, sowie der Station der Pfänderbahn (grün) und des Seezeichen 75 (rot). Die Abkürzungen der Stationen werden in Tabelle 2.1 erläutert. 16 Abbildung 2.1 zeigt die Standorte dieser 42 Wetterstationen. Tabelle 2.1 informiert zusätzlich über deren Höhenlage sowie den Zeitraum in welchem Daten zur Verfügung stehen. Die Daten der TAWES-Stationen und jene des Seezeichen 75 haben eine zeitliche Auflösung von 10 Minuten. Die Länge des Messintervalls der SYNOP-Stationen beträgt 60 Minuten und Daten der Pfänderbahn stehen mit 5 Minuten-Auflösung zur Verfügung. Die Messstationen von Meteomedia wurden zwischen 2007 und 2009 von 60 minütiger Messung auf 10 minütige Datenintervalle umgestellt. In den Fallbeispielen in Kapitel 3 werden für ausgewählte Stationen Zeitreihen in 10-Minutenauflösung gezeigt. Für die statistischen Auswertungen in Kapitel 4 werden jedoch lediglich Messwerte zu jeder vollen Stunde herangezogen, da nur diese an allen Stationen zur Verfügung stehen. In dieser Arbeit wird allem voran auf Wind- und Temperaturmessungen zurückgegriffen. Zur Identifikation der Ereignisse werden zusätzlich Niederschlagsdaten analysiert. Auch Druckmessungen werden benötigt, da Temperaturunterschiede zwischen Bregenz und umliegenden Stationen anhand der potentiellen Temperatur +, Δ = * + -. /0 (2.1) ausgewertet werden. Hierbei ist T die absolute Temperatur in Kelvin, p ist der Druck in der entsprechenden Höhe, p0 ist ein Referenzdruck von 1000 hPa, Rd die spezifische Gaskonstante von trockener Luft und cp die spezifische Wärmekapazität bei konstantem Druck. An manchen Stationen von Meteomedia sowie am Seezeichen 75 wird jedoch kein Druck aufgezeichnet, weshalb die potentielle Temperatur dieser Stationen nicht direkt berechnet werden kann. Um diese trotzdem zu erhalten wird der Druck für den jeweiligen Standort aus Messungen der anderen Stationen interpoliert. Hierfür werden die Druckmessungen zunächst auf eine einheitliche Höhe von 400 m reduziert. Diese Höhe wird als Referenz gewählt, da sich viele der Stationen in etwa in dieser Höhenlage befinden und somit der Fehler, der durch die Interpolationen entsteht, minimiert wird. Anschließend werden die reduzierten Drücke auf ein Gitter interpoliert und für Stationen ohne Druckmessung übernommen. Die Interpolierten Drücke werden daraufhin auf die Höhe der entsprechenden Station reduziert. Die potentielle Temperatur der Pfänderbahn kann für Vergleiche nicht verwendet werden, da es scheinbar in der Temperaturmessung einen „Offset“ zu anderen Stationen gibt. Um die synoptische Lage der Pfänderwind-Fallbeispiele in Kapitel 3 zu besprechen, werden zusätzlich die operationellen Analysen des ECMWF (European Centre for Medium-Range Weather Forecasts) verwendet. 17 (a) TAWES Station Alberschwende Bludenz Brand Bregenz Dornbirn Feldkirch Fraxern Langen/ Arlberg Mittelberg Rohrspitz Schoppernau Schröcken Sulzberg Abkürzung Höhe [m] Datenverfügbarkeit ALB BLU BRA BRE DOR FEL FRA LAN MIT ROH SOP SRO SUL 715 565 1029 424 407 438 807 1221 1203 395 839 1244 1018 01.01.2002 – 01.12.2012 19.07.2007 – 31.12.2012 01.01.2002 – 31.12.2012 01.01.2002 – 01.12.2012 01.01.2002 – 01.12.2012 01.01.2002 – 01.12.2012 16.07.2003 – 01.12.2012 01.01.2008 – 31.12.2012 15.05.2009 – 31.12.2012 11.07.2008 – 01.12.2012 06.08.2007 – 31.12.2012 29.10.2007 – 31.12.2012 21.08.2008 – 01.12.2012 Abkürzung Höhe [m] Datenverfügbarkeit RAG CHU EBN GLA GUE KEM KON LEU QUI SAR SAE GAL VAD 496 556 623 516 440 705 442 671 419 718 2502 775 457 06.02.2012 – 31.12.2012 01.01.2002 – 30.11.2012 24.01.2011 – 31.12.2012 01.01.2002 – 31.12.2012 01.01.2002 – 30.11.2012 01.01.2002 – 30.11.2012 01.01.2002 – 30.11.2012 30.03.2007 – 30.11.2012 24.10.2011 – 31.12.2012 24.01.2011 – 31.12.2012 01.01.2002 – 30.11.2012 01.01.2002 – 30.11.2012 01.01.2002 – 30.11.2012 Abkürzung Höhe [m] Datenverfügbarkeit ALT EBE EIC EIO FRI 399 1640 494 620 417 01.01.2002 – 31.12.2012 01.01.2002 – 31.12.2012 18.02.2011 – 31.12.2012 01.12.2005 – 31.12.2012 29.08.2003 – 31.12.2012 (b) SYNOP Station Bad Ragaz Chur Ebnat-Kappel Glarus Güttingen Kempten Konstanz Leutkirch-Herlazhofen Quinten Salen-Reutenen Säntis St. Gallen Vaduz (c) METEOMEDIA Station Altenrhein Ebenalp Eichberg-Oberau Eichberg-Oberrüti Friedrichshafen 18 Station Gäbris Heerbrugg Kressbronn Lindau-Bad Schachen Lindenberg/ Allgäu Meersburg/ Bodensee Oberstaufen/ Allgäu Sigmarszell-Zeisertsweiler Thal Abkürzung Höhe [m] Datenverfügbarkeit GAE HEE KRE LIN LIB MEE OBE SIG THA 1241 408 450 400 818 399 800 507 430 01.01.2002 – 31.12.2012 01.01.2002 – 31.12.2012 01.01.2002 – 31.12.2012 01.01.2002 – 31.12.2012 01.01.2002 – 31.12.2012 01.01.2002 – 31.12.2012 01.01.2002 – 31.12.2012 03.05.2005 – 31.12.2012 12.03.2007 – 31.12.2012 Abkürzung Höhe [m] Datenverfügbarkeit PFA SEE 1079 400 09.05.2012 – 31.12.2012 31.03.2006 – 07.12.2012 (d) WEITERE STATIONEN Station Pfänderbahn Seezeichen 75 Tabelle 2.1: Liste der (a) TAWES-, (b) SYNOP- und (c) Meteomedia-Stationen sowie (d) Stationen anderer Betreiber mit deren Abkürzung und Höhenlagen. Der Zeitraum, in welchem Daten vorhanden sind, wird angegeben. 2.2 Identifikation der Pfänderwindereignisse Um Häufigkeit und Eigenschaften der Pfänderwinde zu untersuchen, werden zunächst möglichst alle Ereignisse aus den Daten identifiziert. Betrachtet wird der Zeitraum von 01. Januar 2002 bis 31. Dezember 2012, wobei nur Einträge zu jeder vollen Stunde für die Auswertung herangezogen werden. Als ein Pfänderwindereignis werden alle Stundenwerte zusammengefasst, welche die Kriterien in Kapitel 2.2.1 und 2.2.2 erfüllen und nicht länger als 12 Stunden auseinander liegen. In Mühleisen (1977) werden Starkwinde an und um den Bodensee analysiert. Abweichend von der üblichen Definition werden hierfür alle Winde über 5.5 m s-1 betrachtet. Gewöhnlich werden erst Winde ab 10.8 m s-1 als Starkwinde eingestuft, da diese Geschwindigkeiten am Bodensee jedoch selten auftreten, werden auch schwächere Winde miteinbezogen. Abbildung 2.2 zeigt alle, anhand der Definition von Mühleisen (1977) klassifizierten Starkwinde, welche aus Richtung des Pfänders oder seinem südlichen Ausläufer und dem Gebhardsberg wehen. Der Windrichtungssektor der TAWES-Station in Bregenz wird hierfür von 30 bis 180° beschränkt. Diese Abbildung weist auf zwei dominierende Starkwindrichtungen von Pfänder und Gebhardsberg her, hin. Wie in Kapitel 1.3.1 bereits erwähnt, gibt es zwei unterschiedliche Auffassungen des „Pfänderwindes“, welche sich mit Abb 2.2 gut in Einklang bringen lassen. Strömungen über den Gebhardsberg sind zwar etwa zweieinhalb Mal so häufig als jene vom Pfändergipfel herab, allerdings erreichen letztere 19 N 47.52 Bodensee 0 60 0 Latitude (deg N) 20% SEE 80 0 0 10 Pfänder 15% 0 80 10% 5% 47.5 BRE ≥ 12 10 − 12 600 9 − 10 8−9 7−8 6−7 5.5 − 6 Gebhardsberg 47.48 9.7 9.75 9.8 Longitude (deg E) Abbildung 2.2: Häufigkeit der Starkwinde über 5.5 m s-1 aus Windsektor 30 bis 180° an der TAWESStation in Bregenz (BRE). Die Windrose gibt den Prozentanteil pro Windrichtungssektor (10°-Schritte) an, die Windgeschwindigkeitsklassen (m s-1) werden zusätzlich farblich codiert. Die Lage der Station Seezeichen 75 (SEE) ist eingezeichnet. Mit Topographie hinterlegt, Höhenlinien im 100 m Intervall. Die Uferlinie des Bodensees wird aufgrund unzureichender Auflösung nicht korrekt dargestellt (SEE befindet sich etwa 200 m im See). Auswertung über den Zeitraum Januar 2002 bis Dezember 2012. höhere Geschwindigkeiten. Während Winde vom Gebhardsberg her in nur 2 % der Fälle Windstärken von 8 m s-1 überschreiten, werden diese vom Pfändergipfel herab in etwa 20 % der Fälle erreicht. Eine erste grobe Analyse der Daten ergibt, dass es sich um zwei unterschiedliche Phänomene handelt. In dieser Arbeit werden daher beide Fälle gesondert betrachtet. Im Folgenden werden Fälle mit starkem Ostwind in Bregenz als Typ-1 oder „klassischer“ Pfänderwind, und jene mit ausgeprägten Temperaturunterschieden als Typ-2 oder „Südost“-Pfänderwind bezeichnet. Tabelle 2.2 fasst die bisher bekannten Eigenschaften des Pfänderwindes zusammen (vgl. Kapitel 1.3.1). Diese dienen als Grundlage für die Wahl der Kriterien zur Identifikation der Pfänderwindereignisse. TYP 1 Klassischer Pfänderwind TYP 2 SüdostPfänderwind Windrichtung Windgeschwindigkeit Temperatur -differenz Synoptische Anströmung Ost/ Nordost ab 4-5 Bf (ab 5.5–7.9 m s-1 ) bis zu 3 K Nordost Südost - ~ 5-8 K Südost bis Südwest Jahreszeit/ Tageszeit Frühjahr bis Herbst, Abends - Tabelle 2.2: Zusammenfassung der bisher bekannten Eigenschaften des Pfänderwindes. Windrichtung und Windgeschwindigkeit beziehen sich auf Bregenz. Die Temperaturdifferenz gilt für den Vergleich umliegender Stationen zu Bregenz. 20 2.2.1 TYP 1: Klassischer Pfänderwind Zur Identifikation des klassischen oder Typ-1-Pfänderwindes wird der Windrichtungssektor an der TAWES-Station in Bregenz von 30 bis 130° beschränkt, um nur Winde aus der Richtung des Pfänders (ohne südöstlichen Ausläufer und Gebhardsberg) zuzulassen. Zusätzlich wird der Windsektor in Konstanz auf 0 bis 135° eingeschränkt, um auch die großräumige nordöstliche Anströmung zu gewährleisten. Die Station in Konstanz wird gewählt, da sie im Vergleich zu den meisten anderen, zur Verfügung stehenden Stationen nicht von Gebirgen beeinflusst wird und Daten ab dem 01. Januar 2002 zur Verfügung stehen. Die 10-Minuten-Mittelwindgeschwindigkeit an der TAWES-Station in Bregenz soll ebenfalls einen bestimmten Schwellenwert überschreiten, um beispielsweise katabatische Hangabwinde auszuschließen. Auswertungen, allem voran jene der absoluten Häufigkeiten der Ereignisse, hängen stark von der Wahl dieser Grenze ab. Um diese Sensitivität zu quantifizieren werden zuerst einige Analysen mit unterschiedlichen -1 -1 Windgeschwindigkeitsgrenzen von 3 m s bis 9 m s durchgeführt. Als kleinster Grenzwert wird 3 m s-1 gewählt, da Winde unter 3 m s-1 beispielsweise auch bei Hangabwinden möglich sind. Analysen mit einem höheren Grenzwert als 9 m s-1 erweisen sich aufgrund der geringen Gesamtanzahl der Fälle als nicht sinnvoll. Für spezielle Untersuchungen wird eine Windgeschwindigkeit von mindestens 6 m s-1 festgelegt. In der Regel erreichen weder LandSeewind-Zirkulationen (vgl. Huss und Stranz 1970), noch Hangwinde (vgl. z.B. Zardi und Whiteman 2013) diese Geschwindigkeit. Bei geringeren Geschwindigkeiten ist die Abgrenzung zu anderen Phänomenen hingegen zum Teil schwierig, obwohl genauere Untersuchungen zeigen, dass es vereinzelt tatsächlich Typ-1-Pfänderwinde mit geringeren Geschwindigkeiten gibt. Für einen höheren Schwellenwert spricht jedoch auch, dass sie vorhersagerelevant sind. Nicht zuletzt spricht auch Kopfmüller (1924) ab etwa 4 Bf (ab 5.5 m s-1) von Pfänderwind, was Segler und Surfer in persönlichen Mitteilungen bestätigen. Bei der Identifikation der Pfänderwindereignisse von Typ-1 muss ein zusätzlicher Aspekt betrachtet werden. Thüringer (persönliche Mitteilung) weist auf zwei weitere Phänomene hin, welche in Bregenz zu starken Winden aus östlicher Richtung führen können. Zum einen kann die Böenfront eines Gewitters, welche aus östlicher Richtung kommend über den Pfänder in Richtung See zieht, entlang des Pfänderhanges bis auf Sturmstärke beschleunigen. Zum anderen „saugen“ Gewitter westlich von Bregenz Luft an, um durch starke Aufwinde entstandenen Unterdruck auszugleichen. Beides wird in Bregenz als Ostwind registriert. Um diese Fälle möglichst auszuschließen, werden alle TAWESNiederschlagsraten im 10 Minuten Intervall von einer Stunde vor bis eine Stunden nach dem entsprechenden Dateneintrag aufsummiert und bei einer Niederschlagssumme größer 0.0 mm ausgeschlossen. Obwohl viele Hinweise über Pfänderwind auf ein reines „Schönwetterphänomen“ hindeuten, können Situationen mit Niederschlag nicht von vorne herein ausgeschlossen werden. Im Zeitraum von 01.01.2002 bis 31.12.2012 werden bei Geschwindigkeitsgrenzen von 3 bis 8 m s-1 etwa 6 bis 9 % der nach obigen Kriterien 21 eingeschränkten Stundenwerte als Niederschlagsereignis eingeordnet. Bei einer Windgeschwindigkeitsgrenze von 9 m s-1 sind jedoch 20 % aller Fälle mit Niederschlag verbunden. 70 % bis 100 % dieser Ereignisse dauern nur einen einzigen Stundenwert lange an, allerdings weisen sie zum Teil sehr hohe Windgeschwindigkeiten mit Böen um durchschnittlich 13 m s-1 (bei 6 m s-1-Kriterium) und 10-Minuten-Mittelwerten bis 10.3 m s-1 auf. Die Wettermeldungen der SYNOP-Station Bregenz sowie ein Blitzarchiv zeigen, dass einige der Ereignisse tatsächlich mit großer Sicherheit von Gewittern verursacht wurden. So zum Beispiel der Fall des 23. August 2012 um 16 UTC. Bei einer Windrichtung von 103°, 10-Minuten-Mittelwindgeschwindigkeiten um 10 m s-1 und Böen von 17 m s-1 wurde an der SYNOP-Station in Bregenz ein Gewitter verschlüsselt. Einige Stunden später (02 UTC) treffen die Pfänderwind-Kriterien ebenfalls zu. Im Blitzarchiv wurden auch zu dieser Zeit Gewitter im Raum Bregenz bestätigt. Da viele der Niederschlagsereignisse im Sommer auftreten, besteht die Möglichkeit, dass es sich ebenfalls um Gewitter handelt. Es gibt aber auch Fälle, wie etwa jenen des 19. und 20. Dezembers 2004, welche durch das Niederschlagskriterium ausgeschlossen werden, obwohl es sich offensichtlich nicht um ein Gewitter handelt. Eventuell gibt es analog zur „Bise noir“ (vgl. Kapitel 1.3.3) oder dem Dimmerföhn (Föhn mit Niederschlag im Lee, vgl. z.B. Kuhn (1989)) auch einen Typ von Pfänderwind, der mit Niederschlag einhergeht. In dieser Arbeit wird jedoch nur auf niederschlagsfreie Ereignisse eingegangen. 2.2.2 TYP 2: Südost-Pfänderwind Für Typ-2-Pfänderwinde wird der Windsektor an der TAWES-Station in Bregenz von 90 bis 180°, also von Ost bis Süd, eingegrenzt. Die ausschlaggebende Eigenschaft der SüdostPfänderwindart ist der massive Temperaturunterschied zwischen Bregenz und Rohrspitz sowie vielen Rheintalstationen, wobei in Bregenz stets die wärmeren Luftmassen anzutreffen sind. Um diese Fälle zu identifizieren wird ein Temperaturkriterium eingeführt. Nachdem die Lufttemperatur von der Höhe abhängt, wird zur besseren Vergleichbarkeit der Stationen mit der potentiellen Temperatur gearbeitet. Somit wird der Einfluss der unterschiedlichen Höhenlagen der Wetterstationen minimiert. Als Vergleichsstationen werden die TAWES-Stationen von Bregenz und Dornbirn gewählt. Die Station in Dornbirn wird verwendet, da sie in der Nähe von Bregenz liegt über den gesamten Untersuchungszeitraum von 2002 bis 2012 Daten zur Verfügung stehen. Analog zur Wahl des Windgeschwindigkeits-Kriteriums für Typ-1-Pfänderwinde hängen Typ-2-Pfänderwinde stark von der Wahl des Temperatur-Kriteriums ab. Daher werden insbesondere Häufigkeitsverteilungen für verschiedene Temperaturunterschiede von 2 bis 8 K ausgewertet. Für Analysen der Wind- und Temperaturverhältnisse werden all jene Einträge als Südost-Fall klassifiziert, welche eine Differenz der potentiellen Temperatur von mindestens 4 K zwischen Bregenz und Dornbirn aufweisen. Dieser Mindestwert wird durch folgende Überlegungen begründet: Werden all jene Einträge aus den Daten extrahiert, die eine Temperaturdifferenz von 2 bis 3 K zwischen Bregenz und Dornbirn aufweisen (ohne 22 ROH NORTH a) 15% 0 % Windstille 0 % keine Daten 15% 10% 5% EAST SOUTH 0 % Windstille 0 % keine Daten 10% 5% WEST ROH NORTH b) ≥ 12 10 − 12 9 − 10 8−9 7−8 6−7 5−6 4−5 <4 WEST EAST SOUTH ≥ 12 10 − 12 9 − 10 8−9 7−8 6−7 5−6 4−5 <4 Abbildung 2.3: Windrosen der Station Rohrspitz (ROH) basierend auf allen als Typ-2-Pfänderwind identifizierten Stundenwerten bei einem Temperaturkriterium von 4 K und (a) ohne 1 K-AltenrheinKriterium, (b) mit 1 K-Altenrhein-Kriterium. Gezeigt wird die Verteilung der Windrichtung in 10-GradSchritten, die Kreise geben den Prozentanteil der jeweiligen Windrichtung an. Zusätzlich wird der Anteil jeder Geschwindigkeitsklasse (m s-1) farblich codiert. Der Anteil der Kalmen sowie der Anteil der Datenlücken werden angegeben. Auswertung über den Zeitraum August 2008 bis Dezember 2012 Windrichtungs- und Geschwindigkeitsbeschränkung), so weht zur selben Zeit der überwiegende Anteil der Winde an der TAWES-Station in Bregenz aus Richtung Gebhardsberg. Da jedoch 40 % all dieser Einträge Windrichtungen unter 90 und über 180° aufweisen, gibt es offensichtlich auch andere Prozesse, welche diese Temperaturunterschiede hervorrufen können. Wird selbiges für eine Temperaturdifferenz von 3 bis 4 K betrachtet, so liegen noch etwa 30 % aller Windrichtungen nicht zwischen Ost und Süd, bei 4 bis 5 K sind es nur noch 15 %, bei 5 bis 6 K etwa 5 %. Mit zunehmendem Temperaturunterschied zwischen Bregenz und Dornbirn nimmt an der höchstgelegenen Station am Säntis (2502 m) die Häufigkeit der südwestlichen Anströmungen zu, während jene anderer Windrichtungen abnimmt. Je höher die Temperaturdifferenz gewählt wird, desto wahrscheinlicher handelt es sich daher tatsächlich um Südost-Pfänderwindereignisse. Da bei geringen Temperaturdifferenzen sehr wahrscheinlich auch nicht-Pfänderwinde falsch erfasst werden, während bei hohen Temperaturdifferenzen Pfänderwinde mit geringeren Temperaturunterschieden nicht identifiziert werden, scheint ein Grenzwert von 4 K als sinnvoller Kompromiss. Weiters sind Temperaturunterschiede von mehr als 4 K auch für die Vorhersage relevant. Zusätzlich soll Bregenz um mindestens 1 K wärmer sein als Altenrhein. Diese Bedingung wird hinzugenommen, da Rohrspitz (ab 2008) trotz 4 K Temperaturunterschied zu Dornbirn einen beachtlichen Anteil an sehr starken Winden aus südlicher Richtung aufweist (Abb. 2.3a). Dabei dürfte es sich um Südföhn aus dem Rheintal handeln, wobei Dornbirn noch in der Kaltluft liegt. Durch das zusätzliche AltenrheinKriterium werden diese Fälle ausgeschlossen und es kann tatsächlich von einem lokalen Bregenz-Phänomen gesprochen werden. Rohrspitz selbst kann hierfür nicht verwendet 23 Windrichtungssektor Schwellenwert für die Windgeschwindigkeit Schwellenwert für Differenz der pot. Temperatur Großräumige Strömung Niederschlag Typ-1 Typ-2 30 bis 130° 6 m s-1 (3 bis 9 m s-1)* 90 bis 180° 0 bis 135° Konstanz 1 h vor bis 1 h nach Pfänderwind kein Niederschlag Bregenz-Dornbirn: 4 K (2 bis 8 K)* Bregenz-Altenrhein: 1 K - Tabelle 2.3: Übersicht über die in dieser Arbeit verwendeten Kriterien zur Identifikation der Pfänderwindereignisse von Typ-1 und Typ-2. Wenn nicht anders angegeben beziehen sich die Werte auf die TAWES-Station in Bregenz. In manchen der folgenden Häufigkeitsanalysen wird das mit (*) markierte Kriterium innerhalb der angeführten Grenzen variiert. werden, da erst seit Juli 2008 Daten vorliegen. Durch das zusätzliche Temperaturkriterium mit Altenrhein werden 15 % aller Einträge (ein Viertel davon im April), die dem Windrichtungskriterium entsprechen und 4 K Temperaturunterschied zu Dornbirn aufweisen, ausgeschlossen (vgl. Abb. 2.3a und b). In 2.5 % der Fälle wurden hierbei jedoch auch schwächere Winde unter 5 m s-1 (zumeist aus südöstlicher Richtung) eliminiert. Die Windgeschwindigkeiten sind bei Südost-Fällen im Gegensatz zum klassischen Pfänderwind wesentlich geringer, weshalb auf ein Geschwindigkeitskriterium verzichtet wird. Zur Übersicht werden in Tab. 2.3 die verwendeten Kriterien nochmals zusammengefasst. 2.2.3 Kritischer Hinweis Die Auswahl der Kriterien zur Identifikation der beiden Pfänderwindarten ist subjektiv beeinflusst. Durch Windrichtung-, Windgeschwindigkeits- und Temperaturkriterien alleine können nicht 100 % aller Ereignisse richtig zugeordnet werden. Damit möglichst alle Fälle richtig eingeordnet werden, bräuchte es Kriterien, die auf der Physik des Phänomens basieren. Da jedoch vom Gipfel des Pfänders lediglich von Mai 2012 bis Dezember 2012 Daten vorliegen und am Gebhardsberg keine Station zur Verfügung steht, sind physikalisch basierte Kriterien zur Identifikation der Ereignisse, wie sie beispielsweise in Arbeiten von Föst (2006), Vergeiner (2004) oder Verant (2006) zur Föhnklassifikation angewendet werden, nicht möglich. Bevor in Kapitel 4 Häufigkeiten und Eigenschaften aller, mit obigen Kriterien identifizierten Pfänderwinde statistisch ausgewertet werden, wird im Folgenden für jeden der beiden Pfänderwind-Typen ein kurzes Fallbeispiel präsentiert. 24 3 Fallbeispiele In diesem Kapitel wird für jeden der beiden Pfänderwindtypen ein kurzes Fallbeispiel analysiert. Es soll in erster Linie dem Leser dienen, sich ein Bild davon zu machen, wie sich Pfänderwinde äußern. Auf tiefgehende Interpretationen wird hierbei verzichtet. Nach Identifikation der Pfänderwindereignisse anhand der im vorangegangenen Kapitel definierten Kriterien, wurden zwei möglichst aktuelle Fälle ausgewählt. Somit sind an den meisten Stationen im Untersuchungsgebiet Daten vorhanden. Weiters wurde darauf geachtet, dass die Anströmungsrichtung an der höchstgelegenen Station Säntis (2502 m) in beiden Fällen in etwa der häufigsten Windrichtung des jeweiligen Typs entspricht (vgl. Kapitel 4.1.3 und 4.2.3). Zunächst wird für jeden Fall ein synoptischer Überblick gegeben und ausgewählte Zeitreihen werden gezeigt. Anhand einer Übersichtskarte mit Wind- und Temperatur-Messwerten aller verfügbaren Stationen werden die regionalen Wind- und Temperaturverhältnisse besprochen. Für Temperaturvergleiche verschiedener Stationen wird mit der potentiellen Temperatur gearbeitet, um den Einfluss unterschiedlicher Höhenlagen auszuschalten. Abschließend wird ein pseudovertikales Profil der potentiellen Temperaturdifferenzen zwischen Bregenz und den jeweiligen Stationen betrachtet. 3.1 TYP 1: 25. Mai 2012 Am 25. Mai 2012 trat in Bregenz ein klassischer Pfänderwind ein. Ein Tief, welches wenige Tage vor diesem Typ-1-Ereignis über Südeuropa abtropfte, wanderte südlich der Alpenkette ostwärts. In weiterer Folge baute sich über dem Westen Europas ein Hochdruckgebiet auf, das weit in den Norden, bis nach Skandinavien reichte. Dieses bildete gemeinsam mit einem Tief über dem Atlantik und über Südosteuropa eine sogenannte Omegalage, welche für einige Tage blockierend wirkte. Das Zentrum des Hochdruckgebietes blieb somit stabil über den Britischen Inseln und Skandinavien bestehen. In der Nacht von 24. auf 25. Mai überquerte Bregenz eine Kaltfront des östlich gelegenen Tiefs und brachte Niederschläge. Danach blieb es in Bregenz für eine Woche trocken. Durch die antizyklonale Umströmung des Hochdruckgebietes nördlich der Alpen befand sich Bregenz ab dem 25. Mai in nordöstlicher Höhenströmung. Die Analysen in Abbildung 3.1 zeigen die synoptische Situation um 12 UTC des 25. Mai 2012. Im 700 hPa-Niveau in Abbildung 3.1a ist die besprochene nordöstliche bis östliche Windkomponente nördlich der Alpen zu erkennen. Sie beeinflusst auch das Gebiet um Bregenz. Südlich der Alpen dreht die Strömung auf Nord, da dort der zyklonale Einfluss des Tiefs über Südosteuropa greift. Am Boden wird die Nordostströmung östlich der Alpenkette stark abgelenkt (Abb. 3.1b). Ein Teil fließt nördlich 25 a) 51 b)51 ECMWF analysis, geopot. height (m) and wind at 700 hPa, 25−May−2012 12 UTC ECMWF analysis, sea level pressure (hPa) and wind at surface, 25−May−2012 12 UTC 1024 50 20 31 3160 1024 50 40 31 49 49 latitude (deg N) 47 10 1016 47 20 16 10 46 3120 16 10 31 46 102 0 0 2 31 48 00 latitude (deg N) 31 00 1020 0 314 48 45 44 44 16 10 101 6 101 45 16 308 0 6 10 10 m/s 10 m/s 101 6 43 43 4 6 8 10 12 longitude (deg E) c) 14 4 16 6 8 10 12 longitude (deg E) 14 16 ECMWF analysis, equiv. pot. temp. (K) and wind at 925 hPa, 25−May−2012 12 UTC 51 50 49 latitude (deg N) 48 47 46 45 44 10 m/s 43 4 300 6 310 8 320 10 330 12 longitude (deg E) 14 16 340 Abbildung 3.1: ECMWF-Analysen vom 25. Mai 2012 um 12 UTC: (a) Geopotentielle Höhe der 700 hPa Fläche in m (blaue Kontourlinien, 10 m Intervalle) und Wind (rote Pfeile) und (b) Bodendruck in hPa (blaue Kontourlinien, 2 hPa Intervalle) und Wind. (c) Potentielle Temperatur (farbige Kontourflächen) und Wind in 925 hPa. Topographie über 800 m wird in (a,b) grau schattiert und in (c) als schwarze Kontourlinie angedeutet. Die Küste ist als schwarze Linie eingezeichnet. Das Untersuchungsgebiet um Bregenz ist durch ein rotes Rechteck gekennzeichnet. der Alpen nach Südwesten und wird zwischen Jura und Alpen kanalisiert. Dies wird als Bise bezeichnet (vgl. Kapitel 1.3.3). Der zweite Strömungsarm bewegt sich östlich der Alpen nach Süden und strömt daraufhin über die Dinarischen Alpen zur Adria. Erhöhte Winde südlich von Istrien lassen auf Bora schließen. Diesen Verdacht erhärtet auch der Kaltluftausbruch in diesem Gebiet, welcher in der Analyse der äquivalentpotentiellen Temperatur in Abb. 3.1c zu sehen ist. Aber nicht nur über der Adria breiten sich kalte Luftmassen aus. Mit der Nordostströmung wird im gesamten Alpenraum Kaltluft advehiert. Die Zeitreihe der stromaufwärts von Bregenz gelegenen Station am Sulzberg weist über den ganzen Tag hinweg konstant die oben besprochene nordöstliche bis östliche Windrichtung 26 auf (Abb. 3.2, unten). In Bregenz herrschen am Morgen des 25. Mai 2012 noch ruhige Windverhältnisse (Abb. 3.2). Die Ostkomponente zwischen 06 und 07 UTC ist auf Hangabwinde des Pfänderstockes zurückzuführen. Mit Beginn der Sonneneinstrahlung steigt die Temperatur in Bregenz an und Winde aus nördlicher Richtung frischen auf. Es kann sich dabei um einsetzenden Seewind handeln. Nach Kopfmüller (1924) äußern sich Seewinde in Bregenz als Nordwind, da sie am Pfändermassiv abgelenkt werden. Mit dem Nordwind kühlt Bregenz kurzfristig nochmals etwas ab. An der Hafenstation werden zu dieser Zeit 2 K geringere Temperaturen als an der TAWES-Station registriert, während dort vor Sonnenaufgang bis zu 3 K höhere Temperaturen gemessen werden. Die Abkühlung in Bregenz wird daher durch die herangeführte kühlere See-Luft verursacht. Die Nordwinde können jedoch auch auf beginnendes Umströmen des Pfänders hindeuten. Kurz vor 10 UTC steigen die Windgeschwindigkeiten stark an und pendeln sich im Schnitt knapp unter 6 m s-1 ein. Die Station Sulzberg liegt stromaufwärts von Bregenz auf 1018 m Seehöhe. Ihre Bregenz Sulzberg 300 296 292 dd 8 4 90 0 12 Rohrspitz 8 4 0 12 Dornbirn 8 4 0 12 8 4 180 Sulzberg 0 ff 270 ffmax 180 dd 90 0 ff 270 ffmax 180 dd 90 0 ff 270 ffmax 180 dd 90 Windrichtung (deg) 12 360 ff ffmax 270 Windrichtung (deg) Windgeschw. Windgeschw. Windgeschw. −1 −1 −1 (m s ) (m s ) (m s ) Bregenz Windrichtung (deg) 284 Windrichtung (deg) 288 Windgeschw. −1 (m s ) pot. Temperatur (K) 6:00 UTC 25 MAI 2012 bis 6:00 UTC 26 MAI 2012 304 0 0 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 00 01 02 03 04 05 06 Uhrzeit (UTC) Abbildung 3.2: Zeitreihen vom 25. Mai 2012 von 06 UTC bis 26. Mai 06 UTC. Oben: Potentielle Temperatur in Bregenz (TAWES-Station, rot) und Sulzberg (blau). Darunter: Windgeschwindigkeit (ff, rot), Böen-Geschwindigkeit (ffmax, blau) und Windrichtung (dd, schwarze Sterne) in Bregenz, Rohrspitz, Dornbirn und Sulzberg. Die Vorphase des Typ-1-Pfänderwindes ist hellgrau hinterlegt, die Hauptphase dunkelgrau. 27 Höhenlage entspricht in etwa jener des Pfändergipfels (1064 m). Da bei adiabatischen Absinkprozessen die potentielle Temperatur in Gipfel-Niveau jener im Tal entspricht, wird die potentielle Temperatur dieser Station in Abb. 3.2 als Referenz für Vergleiche der Luftmassen zwischen Kammniveau und Bregenz gewählt. Nach Abb. 3.2 ist die Luft zwischen Bregenz und dem Sulzberg-Niveau ab dem Zeitpunkt der Windgeschwindigkeitszunahme durchmischt. Zum einen kann die Durchmischung durch Sonneneinstrahlung vom Boden her angetrieben werden, was es der Föhnluft erleichtert, abzusinken. Gleichzeitig mischt diese Föhnluft potentiell wärmere Luftmassen ins Tal herab. Allerdings ist die hier beginnende Phase lediglich als Vorphase des eigentlichen Pfänderwindes zu sehen. Sie hält bis 17 UTC an. Wie in Abb. 3.2 zu erkennen, ist die Windrichtung in diesem Zeitraum nicht stetig und pendelt im Bereich von 12 bis 68°. Die Luftmassen steigen somit nicht direkt über den Pfänder ab (vgl. hierfür Abb. 2.2). Aber auch die nördlichen Ausläufer des Pfändermassives erreichen Höhen von bis zu 1000 m. Da eine Durchmischung mit Sulzberg gegeben ist, kann davon ausgegangen werden, dass mitunter Absinkprozesse stattfinden. Allerdings handelt es sich, wie bereits erwähnt, um keine stetige Föhnströmung sondern viel eher um ein Hin- und Herpendeln zwischen Über- und Umströmen Gebirgszuges. Der eigentliche Pfänderwind setzt um 17 UTC ein (Abb. 3.2). Die Windrichtung bleibt stetig zwischen 70 und 80° und auch die Windgeschwindigkeiten steigen weiter an. Auffällig ist, dass der Pfänderwind einsetzt, kurz nachdem die Temperaturen sowohl in Bregenz als auch am Sulzberg langsam sinken, obwohl sich die stromaufwärtigen Windgeschwindigkeiten nicht ändern (vgl. Sulzberg in Abb. 3.2). Möglicherweise ist für Pfänderwind eine, in diesem Fall durch abendliche Auskühlung entstandene, stabilere Grenzschicht nötig, um einzutreten. Für weiterführende Diskussionen hierzu sei auf Kapitel 5 verwiesen. Im Fall des 25. Mai 2012 erreichen die Windgeschwindigkeiten während der Hauptphase des Typ-1-Pfänderwindes bis zu 8.9 m s-1, wobei Böen von bis zu 17.3 m s-1 gemessen werden. An der Hafenstation werden noch höhere Mittelgeschwindigkeiten von bis zu 11.9 m s-1 registriert (nicht gezeigt). Am Pfändergipfel steigen die Windgeschwindigkeiten während des Ereignisses ebenfalls stark an und erreichen Werte von bis zu 10.2 m s-1 (nicht gezeigt). Kurz vor 22 UTC brechen in Bregenz die Windgeschwindigkeiten ein, etwas nach 22 UTC dreht auch die Windrichtung. Ab diesem Zeitpunkt kühlt Bregenz im Vergleich zu Sulzberg sehr stark aus und ist somit von höheren Luftschichten entkoppelt (Abb. 3.2). Durch nächtliche Auskühlung entstandene Kaltluft im Tal hat den Pfänder-„Föhn“ möglicherweise zum Abheben gezwungen. Wie aus Abb. 3.2 hervorgeht, weisen an diesem Tag auch Rohrspitz und in Dornbirn eine auffällig konstante Windrichtungen auf, die Geschwindigkeiten sind jedoch geringer als jene in Bregenz. Rohrspitz wird durch seine Lage westlich von Bregenz wahrscheinlich von den Um- und Überströmungseffekten des Pfänders beeinflusst. Allerdings nimmt die Windstärke während der Pfänderwind-Hauptphase ab. Während der Pfänderwind-Vorphase treten in Dornbirn Nord- bis Nordnordostwinde auf. Hierbei handelt es sich um Taleinwind, der 28 19:00 UTC 25 May 2012 ∆θ ffmax 47.8 −0.3 −0.1 Latitude (deg N) −0.7 5.1 4.6 −0.9 −0.7 9.8 11.8−1.1 −0.1 5.1 −0.2 1.0 0.02.3 10.0 −0.8 0.1 14.112.5 16.6 0.2 4.1 8.8 −0.2 5.1 −0.5 4.9 −1.1 8.3 7.7 −0.8 47.6 TAWES SYNOP Meteomedia Seezeichen 75 Pfaenderbahn −1.3 −0.4 47.4 0.6 10.8−0.5 −2.4 6.7 4.1 1.9 −0.8 −1.1 3.5 4.5 0.9 2.1 −0.3 9.8 −2.1 1.5 −2.0 1.9 −0.3 1.7 1.1 5.0 47.2 0.7 1.2 4.1 0.6 2.7 0.6 1.8 3.8 1.5 47 0.9 9 9.2 9.4 9.6 9.8 Longitude (deg E) 10 10.2 Abbildung 3.3: Räumliche Übersicht der Windmesswerte und potentiellen Temperaturdifferenzen Δ = 1232456 − 89:;:6< aller verfügbaren TAWES- (dunkelblau), SYNOP- (hellblau), Meteomedia(grün) Stationen, sowie des Seezeichen 75 (orange) und der Pfänderbahn (rot) während des Typ-1Pfänderwindereignisses am 25. Mai 2012 um 19 UTC. Die Windfiedern zeigen die Windrichtung an, wobei eine kurze Fieder für eine Windstärke von 5 kn steht, eine lange Fieder entspricht 10 kn. Mit Ausnahme der SYNOP-Stationen wird links unterhalb des Stationssymbols zusätzlich die maximale Windgeschwindigkeit in m s-1 angegeben. Die Differenz der potentiellen Temperatur in K steht links oberhalb des Stationssymbols. Aus Abb. 2.1 können die zugehörigen Stationsnamen entnommen werden. sowohl thermisch, d.h. durch stärkere Erwärmung des Tals im Vergleich zum Vorland, als auch synoptisch (höherer Luftdruck im Vorland) angetrieben werden kann. In weiterer Folge dreht jedoch auch in Dornbirn die Windrichtung auf eine östlichere Richtung. Obwohl die Geschwindigkeiten dabei nicht zunehmen, wird die Messstation in Dornbirn wahrscheinlich von Absinkprozessen oder durch kanalisierte Luftmassen aus Seitentälern beeinflusst. Abbildung 3.3 zeigt die regionalen Windverhältnisse aller verfügbaren Messstationen während des Typ-1-Ereignisses um 19 UTC. Zu erkennen sind die, in den flacheren Gebieten stromaufwärts von Bregenz, sowie um den Bodensee vorherrschenden Nordostwinde. Auch an der höchstgelegenen Station am Säntis (2502 m) dominieren diese. Im Rheintal und dessen Seitentäler werden hingegen vorwiegend Taleinwinde registriert, deren Windrichtung je nach Talausrichtung variiert. Im nördlichen Rheintal sind diese Taleinwinde 29 verhältnismäßig schwach, während sie gegen Süden stärker werden, was auf die zunehmende Verengung des Tals zurückzuführen ist. Die Luftmassen werden somit kanalisiert. Die höchsten Windgeschwindigkeiten der gesamten Region sind jedoch lokal in Bregenz anzutreffen. Da bei föhnigen Absinkprozessen häufig eine starke Temperaturerhöhung beobachtet wird, werden in Abb. 3.3 auch die potentiellen Temperaturdifferenzen zwischen Bregenz und den gezeigten Stationen angeführt. Hierbei ist ersichtlich, dass lediglich kleine Temperaturunterschiede von zumeist weniger als 1 K zu nahe liegenden Stationen wie beispielsweise Rohrspitz, Lindau oder Dornbirn erreicht werden. Es müssen jedoch auch möglichen Absinkeffekte bei Dornbirn sowie der PfänderLuft-Einfluss am Rohrspitz berücksichtigt werden. An beiden Standorten können dadurch ebenfalls erhöhte Temperaturen hervorgerufen werden. Zum gegebenen Zeitpunkt ist Lindau um 1.1 K kühler als Bregenz. Lindau ist damit auch der potentiell kälteste Messort in der nahen Umgebung von Bregenz. Während des gesamten Pfänderwindereignisses wird zwischen Bregenz und Lindau ein maximaler potentieller Temperaturunterschied von 1.7 K erreicht. Aus dem pseudovertikalen Profil in Abb. 3.4 bekräftigt sich die Annahme, dass die Luftmassen über den Pfänder föhnartig absinken. Da Stationen unterhalb des Kammniveaus stets potentiell kälter sind, als jene oberhalb, stammen die Luftmassen in Bregenz sehr wahrscheinlich in etwa aus dem Kammniveau des Pfänders. Die Temperaturerhöhung, welche durch solche Prozesse hervorgerufen wird, ist jedoch durch 19:00 UTC 25 Mai 2012 2600 1 ... Bregenz 15 2400 2 ... Rohrspitz 2200 3 ... Lindau 4 ... Dornbirn 2000 5 ... Feldkirch Höhe (m ASL) 1800 6 ... Güttingen 14 1600 7 ... Kressbronn 8 ... Leutkirch 1400 9 ... Kempten 1200 13 10 ... Oberstaufen Kammniveau 12 1000 11 800 8 11 ... Lindenberg 12 ... Sulzberg 10 9 13 ... Gäbris 600 14 ... Ebenalp 6 5 74 3 400 −4 −2 1 2 0 2 4 Differenz der potentiellen Temperatur (K) 15 ... Säntis 6 8 Abbildung 3.4: Pseudovertikales Profil der potentiellen Temperaturdifferenzen Δ = 1232456 − 89:;:6< vom 25. Mai 2012 um 19 UTC. Die vertikal, strichpunktierte Linie entspricht dem Referenzniveau der TAWES-Station Bregenz, die horizontal gestrichte Linie entspricht dem Kammniveau des Pfänders. Rechts wird die Nummerierung der gezeigten Wetterstationen erläutert. 30 die nur schwach stabil geschichtete Atmosphäre begrenzt. Werden beispielsweise Sulzberg und Ebenalp als Referenz gewählt, nimmt die potentielle Temperatur um 19 UTC lediglich um 0.28 K pro 100 m zu, wodurch bei adiabatischem Absinken eine dementsprechend geringere Temperaturerhöhung eintritt. Am 26. Mai 2012 kam es erneut zu Typ-1-Pfänderwind mit sehr ähnlichem Verlauf wie im hier beschriebenen Fall. Gegen 12 UTC begann eine Übergangsphase mit nordnordöstlichen Winden. Diese waren jedoch schwächer als jene am 25. Mai. Erst gegen 17:30 UTC setzte das eigentliche Typ-1-Ereignis ein. Gegen 21 UTC hob der Pfänder-„Föhn“ wieder ab. 3.2 TYP 2: 25. November 2012 Über dem Atlantik formierte sich Tage vor dem Typ-2-Ereignis des 25. November 2012 ein Trog, welcher über die Nordsee ostwärts wanderte. Das Tiefdruckzentrum befand sich während des Typ-2-Pfänderwindereignisses über den britischen Inseln und der Polarfrontjet bewegte sich nördlich an Bregenz vorbei. Bregenz wurde hierbei in der Höhe westlich bis südwestlich angeströmt. Abbildung 3.5a zeigt in 700 hPa nordwestlich der Alpenkette eine starke Südwest-Anströmung, welche auch das Untersuchungsgebiet um Bregenz beeinflusst. Die Alpen selbst werden umströmt. Nördlich der Alpen werden mit der Südwest-Strömung warme Luftmassen advehiert. Bei Warmluftadvektion kommt es zu einer Rechts-Drehung des Windes mit der Höhe. Aus diesem Grund und auch durch den zunehmenden Einfluss der Bodenreibung, die zu stärkeren ageostrophischen Komponenten führt, herrscht am Boden eine etwas südlichere Strömung als in der Höhe (Abb. 3.5b). Die Poebene wird durch den Alpenbogen von den Südwestwinden und den damit herantransportierten warmen Luftmassen abgeschirmt. Somit bleiben dort potentiell kühlere Luftmassen bestehen (Abb. 3.5c). Der tiefe Luftdruck nördlich der Alpenkette kann eine ageostrophische Ausgleichsströmung im Rheintal induzieren, welche möglicherweise für die Entstehung des Typ-2-Pfänderwindes entscheidend ist. Die oben beschriebene synoptische Lage kann auch zu seichtem Föhn führen (vgl. z.B. Zängl 2002). In der Zeitreihe in Abb. 3.6 verlaufen die potentiellen Temperaturen von Bregenz, Dornbirn und Rohrspitz zunächst parallel mit weniger als 1 K Unterschied. Um 03 UTC scheint Rohrspitz einen schwachen Warmluftschub zu erhalten und auch die Windstärke nimmt vorübergehend zu. Gegen 04:30 UTC setzt dann in Bregenz Typ-2-Pfänderwind ein. Er ist am deutlichen Temperatursprung zu erkennen. Gleichzeitig setzen erhöhte Winde zwischen 3.6 und 5.2 m s-1 aus etwa 160° ein. Diese bleiben für etwa eineinhalb Stunden konstant erhalten, bevor sie nach 06 UTC kurzzeitig einbrechen und um 06:30 UTC nochmals auffrischen. In Dornbirn nimmt die Temperatur infolge nächtlicher Auskühlung während des Pfänderwindereignisses noch um etwa 1 K ab, während diese in Bregenz langsam weiter steigt. Die größte Temperaturdifferenz zwischen Bregenz und Dornbirn wird um 06 UTC erreicht. Sie beträgt 7.9 K. Auch um 08 UTC kommt es kurzzeitig erneut zu Pfänderwind. 31 50 60 0 298 50 1012 40 30 49 latitude (deg N) 48 3040 47 306 10 0 1016 47 1020 46 3080 0 308 3080 20 10 10 46 3080 10 20 60 30 20 30 16 49 3060 00 30 48 12 10 1008 20 30 29 ECMWF analysis, sea level pressure (hPa) and wind at surface, 25−Nov−2012 06 UTC 3040 00 30 40 29 latitude (deg N) b)51 ECMWF analysis, geopot. height (m) and wind at 700 hPa, 25−Nov−2012 06 UTC 20 a) 51 45 45 44 44 3100 10 m/s 10 3100 20 43 10 m/s 43 4 6 8 10 12 longitude (deg E) c) 14 16 4 6 8 10 12 longitude (deg E) 14 16 ECMWF analysis, equiv. pot. temp. (K) and wind at 925 hPa, 25−Nov−2012 06 UTC 51 50 49 latitude (deg N) 48 47 46 45 44 10 m/s 43 4 6 8 10 290 300 310 320 12 longitude (deg E) 14 16 Abbildung 3.5: ECMWF-Analysen vom 25. November 2012 um 06 UTC: (a) Geopotentielle Höhe der 700 hPa Fläche in m (blaue Kontourlinien, 10 m Intervalle) und Wind (rote Pfeile) und (b) Bodendruck in hPa (blaue Kontourlinien, 2 hPa Intervalle) und Wind. (c) Äquivalentpotentielle Temperatur (farbige Kontourflächen) und Wind in 925 hPa. Topographie über 800 m wird in (a,b) grau schattiert und in (c) als schwarze Kontourlinie angedeutet. Die Küste ist als schwarze Linie eingezeichnet. Das Untersuchungsgebiet um Bregenz ist durch ein rotes Rechteck gekennzeichnet. Windgeschwindigkeit und Windrichtung bleiben hierbei bis 10:30 UTC erhalten. Allerdings nehmen mit der beginnenden Sonneneinstrahlung auch in Dornbirn und Rohrspitz die Temperaturen zu, wodurch die großen Temperaturunterschiede, welche diesen Typ des Pfänderwindes ausmachen, nicht mehr gegeben sind. Während am Rohrspitz ebenfalls erhöhte Windgeschwindigkeiten registriert werden, erreichen die Windgeschwindigkeiten in Dornbirn während des Pfänderwindereignisses maximal 1.1 m s-1. Die höchste Station am Säntis (2502 m) wird stetig westsüdwestlich angeströmt, wobei die höchsten Windgeschwindigkeiten zur Zeit des Pfänderwindes eintreten. 32 00:00 UTC 25 NOV 2012 bis 12:00 UTC 25 NOV 2012 290 Bregenz Dornbirn Rohrspitz 286 10 5 0 0 ff 270 ffmax 180 dd 90 Rohrspitz 10 5 0 0 ff 270 ffmax 180 dd 90 Dornbirn 10 5 0 15 0 ff 270 dd 180 Säntis 10 5 0 00 90 01 02 03 04 05 06 07 Uhrzeit (UTC) 08 09 10 11 Windrichtung (deg) 360 ff 270 ffmax 180 dd 90 Bregenz Windrichtung (deg) Windgeschw. Windgeschw. Windgeschw. Windgeschw. −1 −1 −1 −1 (m s ) (m s ) (m s ) (m s ) 278 Windrichtung (deg) 282 Windrichtung (deg) pot. Temperatur (K) 294 0 12 Abbildung 3.6: Zeitreihen vom 25. November 2012 von 00 UTC bis 12 UTC. Oben: Temperatur in Bregenz (TAWES-Station, rot), Rohrspitz (grün) und Dornbirn (blau). Darunter: Windgeschwindigkeit (ff, rot), Böen-Geschwindigkeit (ffmax, blau) und Windrichtung (dd, schwarze Sterne) in Bregenz, Rohrspitz und Dornbirn. Unten: Windgeschwindigkeit (rot) und Windrichtung (schwarze Sterne) am Säntis. Der Zeitraum mit Typ-2-Pfänderwind ist grau hinterlegt. Abbildung 3.7 zeigt eine Momentaufnahme der Verhältnisse um 06 UTC während des Typ-2Ereignisses vom 25. November 2012. Es ist zu erkennen, dass nicht nur Dornbirn in der kalten Luft liegt. Auch viele der Rheintal-Talstationen wie etwa Heerbrugg, Feldkirch, Eichberg-Oberau und auch Vaduz, sowie die Stationen um den Bodensee sind deutlich potentiell kälter als Bregenz. Der markanteste Unterschied wird zu Friedrichshafen verzeichnet. Er beträgt 9.1 K. Aber selbst an der Hafenstation von Bregenz werden mehr als 2 K geringere potentielle Temperaturen als an der TAWES-Station von Bregenz registriert. Das Phänomen ist somit sehr lokal begrenzt. An den Rheintalstationen sowie in den Seitentälern des Rheintals fließen die kalten Luftmassen talauswärts, Stationen in der Nähe von Berghängen weisen Hangabwinde auf. Beide Effekte sind auf nächtliche Auskühlung und damit verbundene Berg- und Talwind-Zirkulationen zurückzuführen. Der synoptische 33 06:00 UTC 25 Nov 2012 ff max −1.7 2.1 −4.6 47.6 Latitude (deg N) TAWES SYNOP Meteomedia Seezeichen 75 Pfaenderbahn ∆θ 47.8 47.4 −7.9 −9.1 2.1 1.4 −2.6 4.1 −1.5 6.2−3.1 −5.3 7.2 2.1 4.5 −2.3 3.0 0.0 5.4 −7.8−5.5 6.4 6.58.0 −3.5 2.1 6.0 −4.6 2.1 −7.9 2.3 1.7 −3.0 1.3 6.7 5.4 10.3 8.2−1.8 −5.0 3.1 −0.2 −0.5 2.6 −7.7 1.2 1.7 1.9 7.3 −6.7 0.7 7.2 2.0 1.2 8.4 47.2 −1.3 −8.6 1.5 1.9 4.8 −1.2 3.0 −7.9 47 9 9.2 9.4 9.6 9.8 Longitude (deg E) 10 10.2 Abbildung 3.7: Räumliche Übersicht der Windmesswerte und der potentiellen Temperaturdifferenzen Δ = 1232456 − 89:;:6< aller verfügbaren TAWES- (dunkelblau), SYNOP(hellblau), Meteomedia- (grün) Stationen, sowie des Seezeichen 75 (orange) und der Pfänderbahn (rot) während des Typ-2-Pfänderwindereignisses am 25. November 2012 um 06 UTC. Die Windfiedern zeigen die Windrichtung an, wobei eine kurze Fieder für eine Windstärke von 5 kn steht, eine lange Fieder entspricht 10 kn. Mit Ausnahme der SYNOP-Stationen wird links unterhalb des Stationssymbols zusätzlich die maximale Windgeschwindigkeit im m s-1 angegeben. Die Differenz der potentiellen Temperatur in K steht links oberhalb des Stationssymbols. Aus Abb. 2.1 können die zugehörigen Stationsnamen entnommen werden. Druckgradient kann die talauswärts gerichtete Komponente zusätzlich verstärken. Die höher gelegenen Stationen westlich des Rheintals wie Säntis, Ebenalp und Gäbris weisen die bereits besprochene südwestliche Windkomponente auf. Sie befinden sich aufgrund ihrer Höhenlage nicht mehr in der bodennahen Kaltluft, sondern sind potentiell wärmer als Bregenz. Im pseudovertikalen Profil der potentiellen Temperaturdifferenzen in Abb. 3.8 wird der bodennahe Kaltluftsee nochmals verdeutlicht. Da das Ereignis wenige Stunden vor Sonnenaufgang auftritt, ist der Kaltluftsee auf nächtliche Auskühlung zurückzuführen. Fraxern liegt mit 802 m Seehöhe etwas höher als der südliche Ausläufer des Pfänders (ca. 700 m). Um 05 UTC ist Fraxern noch geringfügig potentiell wärmer als Bregenz (nicht gezeigt). Dies spricht für ein Absinken der Luftmassen aus dem Niveau des 34 Pfänderausläufers. In der darauffolgenden Stunde verstärken sind die Temperaturgradienten zu allen Stationen. Zum einen wird dies durch die fortschreitende Auskühlung hervorgerufen. Aber auch in Bregenz selbst steigen die Temperaturen, wie bereits besprochen, weiter an. Der potentielle Temperaturunterschied zu höher gelegenen Stationen nimmt somit ab. Fraxern ist um 06 UTC um 0.5 K potentiell kühler als Bregenz. Möglicherweise werden in diesem Fall Luftmassen aus größerer Höhe nach Bregenz herunter gemischt. Fraxern wird aber, wie auch andere Stationen, von Grenzschichteffekten beeinflusst. Die nordöstliche Windkomponente in Fraxern kommt durch oben angesprochene Hangabwinde zustande. Fraxern wird somit von den kühlen, katabatischen Winden beeinflusst und repräsentiert somit nicht zwingend die Verhältnisse der freien Atmosphäre in dieser Höhe. Die Luftmassen in Bregenz müssen folglich, trotz Absinken über den 700 m hohen Pfänderausläufer, nicht exakt jener Temperatur entsprechen, welche bei einem solchen Prozess aus dem pseudovertikalen Profil in Abb. 3.8 erwartet würde. Hierfür sprechen auch die höheren potentiellen Tempertaturen an der Station in Lindenberg. Lindenberg liegt auf vergleichbarer Seehöhe (818 m) wie Fraxern, die potentielle Temperatur ist aber um fast 2 K höher. Im Mittel dürfte die Annahme, über den Pfänderausläufer absinkender Luftmassen daher richtig sein. Am Sulzberg (1018 m) ist die potentielle Temperatur bereits 4.5 K höher als in Bregenz und sie nimmt mit der Höhe weiter zu. Die Atmosphäre im Untersuchungsgebiet ist folglich stabil geschichtet, was für die Entstehung von Föhnwinden wichtig ist (vgl. Kapitel 1.3.2). 06:00 UTC 25 NOV 2012 2600 1 ... Bregenz 20 2 ... Rohrspitz 2400 3 ... Altenrhein 4 ... Seezeichen 75 2200 5 ... Lindau 2000 6 ... Dornbirn 7 ... Heerbrugg Höhe (m ASL) 1800 8 ... Friedrichshafen 9 ... Feldkirch 19 1600 10 ... Güttingen 11 ... Konstanz 1400 12 ... Eichberg− Oberau 18 1200 −8 16 ... Lindenberg 17 ... Sulzberg 600 8 6 3 15 ... Fraxern 16 15 800 Kammniveau −10 14 ... Eichberg− Oberrüti 17 1000 400 13 ... Chur 9 −6 2 13 12 10 18 ... Gäbris 14 11 5 7 4 19 ... Ebenalp 1 −4 −2 0 2 4 Differenz der potentiellen Temperatur (K) 20 ... Säntis 6 8 10 Abbildung 3.8: Pseudovertikales Profil der potentiellen Temperaturdifferenzen Δ = 1232456 − 89:;:6< vom 25. November 2012 um 06 UTC. Die vertikal, strichpunktierte Linie entspricht dem Referenzniveau der TAWES-Station Bregenz, die horizontal gestrichte Linie entspricht dem Kammniveau des südlichen Ausläufers des Pfänders. Rechts wird die Nummerierung der gezeigten Wetterstationen erläutert. 35 Eine mögliche Ursache für den Pfänderwind in diesem Fallbeispiel könnte, wie bereits angedeutet, eine ageostrophische Ausgleichsströmung oberhalb des Kaltluftsees sein, wobei sich über dem Gebhardsberg Schwerewellen bilden. Im Lee des Bergrückens sinken warme Luftmassen aus einem Niveau oberhalb des Kaltluftsees ab. Aufgrund der sehr stabilen Schichtung im Kaltluftsee ist die Temperaturerhöhung entsprechend hoch. Im Fall des 25. November 2012 wird keine der Rheintal-Stationen von Südföhn beeinflusst, wohingegen genauere Betrachtungen anderer Ereignisse zeigen, dass dies der Fall sein kann. Während solcher Ereignisse bläst im südlichen Rheintal Südföhn, im nördlichen Rheintal liegt jedoch ein Kaltluftsee, welcher den Föhn zum Abheben zwingt. Lediglich in Bregenz wird er erodiert. Ob und wie oft ein solches Phänomen auftritt, wird in Kapitel 4 analysiert. 36 4 Statistische Auswertung In diesem Kapitel wird untersucht, wie häufig sowohl klassische als auch SüdostPfänderwinde auftreten und welche Eigenschaften sie mit sich bringen. Hierfür werden zunächst absolute Häufigkeiten und saisonale sowie tageszeitliche Abhängigkeiten besprochen. Weiters wird analysiert, wie lange Pfänderwindereignisse dauern. Anschließend werden lokale und regionale Wind- und Temperaturverhältnisse ausgewertet und Pseudoprofile betrachtet. Als Typ-1-Pfänderwinde werden in den folgenden Kapiteln, sofern nicht explizit anders erwähnt, jene Winde bezeichnet, welche an der TAWES-Station von Bregenz mittlere Geschwindigkeiten von 6 m s-1 übersteigen. Als Typ-2-Pfänderwinde gelten jene mit einem Temperaturunterschied von mehr als 4 K zwischen Bregenz und Dornbirn (siehe Tab. 2.3). 4.1 TYP 1: Klassischer Pfänderwind 4.1.1 Häufigkeit Wie bereits angesprochen, reagieren die Häufigkeitsanalysen des klassischen Pfänderwindes stark auf die Wahl des Windgeschwindigkeits-Kriteriums. Abbildung 4.1 zeigt für verschiedene Geschwindigkeitsgrenzwerte in jedem Jahr große Unterschiede in der Gesamtanzahl der Typ-1-Fälle. Ereignisse mit einer Windgeschwindigkeit über 3 m s-1 fanden während des Untersuchungszeitraumen zwischen 25 und 46 Mal pro Jahr statt. Geschwindigkeiten über 9 m s-1 wurden hingegen höchstens bei drei Ereignissen innerhalb eines Jahres gemessen. Die Werte des 6 m s-1-Kriteriums entsprechen mit 6 bis 16 Ereignissen pro Jahr je dem Median, wobei sie im Schnitt 12.7 Mal pro Jahr eintreten. Für den betrachteten Zeitraum von 11 Jahren ist kein klarer Trend erkennbar. Das Jahr 2003 zeichnet sich aber durch überdurchschnittlich häufig schwache und mittelstarke Fälle aus. Im Sommer 2003 gab es eine Hitzewelle, die nach Black et al. (2004) mit beständigen Hochdrucklagen über Europa einher ging. Durch diese Hochdrucklagen hervorgerufene Ostbis Nordostströmungen hängen möglicherweise mit den häufigen Pfänderwinden im Jahr 2003 zusammen. Wie in Abb. 4.2 zu erkennen ist, treten klassische Pfänderwinde, unabhängig vom Windgeschwindigkeitsschwellenwert, vorwiegend im Frühjahr auf. Etwa 20 % bis 25 % aller Pfänderwindereignisse finden im April statt, weit mehr als die Hälfte von März bis Mai. Für diese Art des Pfänderwindes ist eine nordöstliche Anströmung nötig, welche laut Wanner et al. (1990) am häufigsten im Frühjahr auftritt. Aus diesem Grund treten zu dieser Zeit auch die meisten Pfänderwindereignisse auf. Die absolute, durchschnittliche Anzahl der Typ-1Ereignisse variiert allerdings in Abhängig vom Geschwindigkeitsgrenzwert beträchtlich. 37 Gesamtanzahl der Ereignisse von Typ 1 50 −1 Mittel für ≥ 6 m s −1 ≥3ms 45 −1 ≥6ms 40 ≥ 9 m s−1 35 30 25 20 15 10 5 0 2002 2003 2004 2005 2006 2007 Jahr 2008 2009 2010 2011 2012 Abbildung 4.1: Gesamtanzahl der Typ-1-Pfänderwindereignisse pro Jahr für Windgeschwindigkeitsschwellwerte zwischen 3 m s-1 bis 9 m s-1 in 0.5 m s-1-Schritten, dargestellt als „Box-Whisker-Plot“. Der Median ist rot gekennzeichnet. Er entspricht auch einem Schwellwert von 6 m s-1. Die Balken umfassen den Bereich zwischen unteren und oberem Quartil, die „Whiskers“ beinhalten das 2.7-fache der Standardabweichung. Das rote Kreuz stellt einen Ausreißer dar. Die durchgezogenen Linien entsprechen der Gesamtanzahl der Typ-1-Pfänderwindereignisse pro Jahr bei Windgeschwindigkeitsschwellwerte von 3 m s-1 (blau), 6 m s-1 (rot) und 9 m s-1 (grün). Der Mittelwert aller Mediane ist als schwarze, strich-punktierte Linie eingezeichnet. Auswertung über den Zeitraum Januar 2002 bis Dezember 2012. Während beispielsweise im April Fälle über 6 m s-1 durchschnittlich weniger als dreimal eintreten, werden bei einem 3 m s-1-Schwellwert durchschnittlich mehr als fünf Ereignisse identifiziert. Windstärken über 9 m s-1 kommen hingegen extrem selten vor. Im gesamten Untersuchungszeitraum von 2002 bis 2012 wurden nur 15 solche Ereignisse gezählt. In den Monaten von Oktober bis Januar tritt kein oder nur ein Pfänderwindfall pro Monat auf. Auch die Bandbreite von Ereignissen mit einem Schwellwert zwischen 3 m s-1 und über 9 m s-1 ist mit nur einem Ereignis Unterschied in diesen Monaten am geringsten. Durchschnittlich tritt Typ-1-Pfänderwind in jedem Monat nur etwa einmal ein (6 m s-1-Kriterium). Es handelt sich also um ein relativ seltenes Phänomen. In Abb. 4.3 werden die relativen Häufigkeiten pro Monat und Tageszeit bei einem Windgeschwindigkeitskriterium von 6 m s-1 gegeneinander aufgetragen. Die monatliche Häufigkeitsverteilung spiegelt die bereits besprochene Abhängigkeit von der Jahreszeit wieder. Hier muss allerdings beachtet werden, dass nicht die Anzahl der Ereignisse, sondern jeder einzelne als Pfänderwind eingeordnete Stundenwert in die Auswertung einfließt. Die meisten Pfänderwindstunden finden demnach von März bis Mai statt, wobei im September ein sekundäres Maximum zu erkennen ist. Des Weiteren treten klassische Pfänderwinde vorwiegend abends auf, während in den frühen Morgenstunden und am Vormittag praktisch kein Ereignis stattfindet. Von 15 bis 17 UTC erkennt man einen ersten Anstieg in der relativen Häufigkeit, wobei mehr als die Hälfte aller Fälle zwischen 18 und 20 UTC eintreten. 38 Mittlere Anzahl der Ereignisse von Typ 1 6 −1 Mittel für ≥ 6 m s −1 ≥3ms −1 ≥6ms 5 ≥ 9 m s−1 4 3 2 1 0 Jan Feb Mar Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Monat Abbildung 4.2: Durchschnittliche Anzahl der Typ-1-Pfänderwindereignisse pro Monat für Windgeschwindigkeitsschwellwerte von 3 m s-1 bis 9 m s-1 in 0.5 m s-1-Schritten, dargestellt als „BoxWhisker-Plot“. Der Median ist rot gekennzeichnet. Er entspricht auch einem Schwellwert von 6 m s-1. Die Balken umfassen den Bereich zwischen unterem und oberem Quartil, die „Whiskers“ umfassen jeweils das 2.7-fache der Standardabweichung. Das rote Kreuz stellt einen Ausreißer dar. Die durchgezogenen Linien entsprechen der durchschnittlichen Anzahl der Typ-1-Pfänderwindereignisse pro Monat bei Windgeschwindigkeitsschwellwerte von 3 m s-1 (blau), 6 m s-1 (rot) und 9 m s-1 (grün). Der Mittelwert aller Mediane ist als schwarze, strich-punktierte Linie eingezeichnet. Auswertung über den Zeitraum Januar 2002 bis Dezember 2012. Pfänderwinde sind daher nach Abb. 4.3 an einem Abend von März bis Mai am wahrscheinlichsten anzutreffen. Immerhin 4.5 % aller im Untersuchungszeitraum aufgetretenen Pfänderwinde ereigneten sich an einem Apriltag um 19 UTC. Das zugrunde liegende Muster ist auch für geringere und höhere Geschwindigkeitsgrenzen sehr ähnlich, wobei Windgeschwindigkeiten über 8 m s-1 ausschließlich am Abend erreicht werden (nicht gezeigt). Da Typ-1-Pfänderwinde zumeist abends auftreten, hängen sie möglicherweise mit der tageszeitlichen Änderung der Stabilität der Grenzschicht zusammen. Hierauf wird in Kapitel 5 nochmals eingegangen. Um die Dauer der Pfänderwindereignisse wie in Abb. 4.4 als Häufigkeitsverteilung darzustellen, wird pro Ereignis die Anzahl der als Pfänderwind identifizierten Stundenwerte aufsummiert. Jeder Eintrag wird als eine Stunde gezählt. Beim Interpretieren dieser Abbildung müssen zwei Dinge berücksichtigt werden. Erstens werden alle als Pfänderwind klassifizierten Stundenwerte, die nicht mehr als 12 Stunden auseinander liegen, als ein Ereignis gezählt (vgl. Kapitel 2.2). Zur Berechnung der Gesamtdauer eines Ereignisses werden jedoch nur die Stunden gezählt, an denen die Pfänderwindkriterien tatsächlich erfüllt sind. Zweitens wird beispielsweise ein Ereignis mit nur einem einzigen Stundenwert als einstündig klassifiziert, wobei dieser Fall in der Realität zwischen wenigen Minuten und nahezu 2 Stunden angedauert haben kann, was jedoch aufgrund der groben zeitlichen Auflösung des Datensatzes nicht erfasst wird. Wie in Abb. 4.4 zu erkennen, ist klassischer Pfänderwind ein 39 relative Häufigkeit 10 von Typ 1 (%) 20 00 10 20 0. 2 1 1. 5 0.5 1 0.5 1 0.5 0.5 5 0. 14 12 1.5 0.5 1.5 0.5 Uhrzeit (UTC) 16 4.5 2 1.5 2 2. 3 5 2.5 3 3.5 4 0.5 18 3.5 0.5 20 0.5 1 1 1.5 0.5 5 1 22 10 08 06 04 00 0.5 02 0.5 Jan Feb Mar Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Monat Abbildung 4.3: Relative Pfänderwindhäufigkeit (Typ-1) in % bei einem -1 Windgeschwindigkeitskriterium von 6 m s . Die Kontourlinien geben die relative Häufigkeit an, mit welcher im jeweiligen Monat zur jeweiligen Uhrzeit (UTC), bezogen auf die Gesamtzahl aller als Pfänderwind identifizierten Stundenwerte, Pfänderwind aufgetreten ist. Rechts: Summe der relativen Häufigkeiten aller Monate zur jeweiligen Stunde. Oben: Summe der relativen Häufigkeiten aller Tageszeiten im jeweiligen Monat. Auswertung über den Zeitraum Januar 2002 bis Dezember 2012 . kurzlebiges Phänomen. Bei Windgeschwindigkeiten über 6 m s-1 dauern etwa 40 % aller Fälle nur eine Stunde an. Zwei oder dreistündige Ereignisse kommen regelmäßig vor, mehr als 10 Stunden wurden im Untersuchungszeitraum aber nie erreicht. Bei höheren Geschwindigkeitsgrenzwerten dauern die Ereignisse im Schnitt noch kürzer. Fälle mit Windgeschwindigkeiten über 3 m s-1 oder 4.5 m s-1 bestehen hingegen vereinzelt über 20 Stunden. Der längste Fall, sowohl für Winde über 3 m s-1 (27 Stunden) als auch Winde über 6 m s-1 (10 Stunden) ereignete sich vom Abend des 13. März 2003 bis zum Abend des 15. März 2003 (mit wenigen Stunden Unterbrechung, je in den Morgenstunden). Zu diesem Zeitpunkt herrschte über Europa eine sogenannte Omegalage. Über den Britischen Inseln befand sich ein Hoch, während sich das Zentrum eines Tiefs zunehmend von Osteuropa Südwestwärts nach Italien verlagerte. Bregenz stand somit für mehrere Tage durchgehend im Einfluss nordöstlich Strömung. Auch am 16. März, sowie einige Tage darauf, wurden noch Pfänderwindereignisse registriert. Wie sich ein solches Pfänderwindereignis in Bregenz äußert, wird im nächsten Kapitel besprochen. 40 60 ≥ 3 m s−1 −1 ≥ 4.5 m s 50 −1 ≥6ms relative Häufigkeit (%) ≥ 7.5 m s−1 −1 ≥9ms 40 30 20 10 0 0 5 10 15 20 25 30 Dauer (h) Abbildung 4.4: Relative Häufigkeit der Dauer der Typ-1-Pfänderwindereignisse für Windgeschwindigkeitskriterien von 3 m s-1 bis 9 m s-1 in 1.5 m s-1-Schritten. Die Dauer entspricht der Summe aller Stundenwerte pro Ereignis, an denen die Pfänderwindkriterien erfüllt sind. Die relative Häufigkeit ist auf die Gesamtzahl aller Ereignisse von Januar 2002 bis Dezember 2012 bezogen. 4.1.2 Lokale Windverhältnisse in Bregenz In folgenden Untersuchungen werden pro Ereignis alle als Typ-1-Pfänderwind identifizierten Stundenwerte zur Auswertung herangezogen, anstatt für jeden Fall nur einen Wert einfließen zu lassen. Dadurch wird längeren, stabileren Ereignissen mehr Gewicht gegeben. Die Analysen der Windverhältnisse (Kapitel 4.1.2 und 4.1.3) sowie der Temperaturverhältnisse (Kapitel 4.1.4) werden mit einem Schwellwert von mindestens 6 m s-1 Windgeschwindigkeit erstellt. In der Literatur wird ein Überströmen des Pfänders und föhnartiges Absinken im Lee als Ursache der klassischen Pfänderwinde angenommen (siehe Kapitel 1.3.1). Selbiges lässt auch Abb. 4.5 vermuten. Die Hauptwindrichtungen an der TAWES-Station in Bregenz liegen zwischen 65 und 85° und somit wehen diese Winde direkt vom Pfändergipfel herab. Der Großteil der Typ-1-Pfänderwinde weht mit einer mittleren Windgeschwindigkeit von 6 bis 7 m s-1, aber auch 10-Minuten-Mittelwerte von bis zu 12.5 m s-1 wurden während des Untersuchungszeitraumes gemessen (Abb. 4.6a). Hierbei muss berücksichtig werden, dass durch das Windgeschwindigkeitskriterium zur Identifikation der Typ-1-Ereignisse alle Fälle unter 6 m s-1 eliminiert werden, was die Häufigkeitsverteilung und den berechneten Mittelwert der Windgeschwindigkeiten beeinflusst. Böen treten stets mit mehr als 9 m s-1 auf und liegen meist in einem Bereich von 10 m s-1 bis 14 m s-1 (Abb. 4.6b). Die beiden stärksten Fälle traten am 25. August 2002 und am 25. Dezember 2008 auf. Während des letzteren erstreckte sich ein Hoch vom Atlantik über die Britischen Inseln bis nach 41 N 47.52 Bodensee 0 60 00 Latitude (deg N) 30% SEE 20% 80 0 10 Pfänder 80 0 10% 47.5 BRE ≥ 12 11 − 12 10 − 11 9 − 10 8−9 7−8 6−7 600 Gebhardsberg 47.48 9.7 9.75 9.8 Longitude (deg E) Abbildung 4.5: Windrose für alle als Typ-1-Pfänderwind klassifizierten Stundenwerte (Windkriterium 6 m s-1) der TAWES-Station in Bregenz (BRE). Die Windrose gibt den Prozentanteil pro Windrichtungssektor (10°-Schritte) an, die Windgeschwindigkeiten (m s-1) werden zusätzlich farblich codiert. Die Lage der Station Seezeichen 75 (SEE) ist eingezeichnet. Mit Topographie hinterlegt, Höhenlinien im 100 m Intervall. Die Uferlinie des Bodensees wird aufgrund unzureichender Auflösung nicht korrekt dargestellt (SEE befindet sich etwa 200 m im See). Auswertung über den Zeitraum Januar 2002 bis Dezember 2012. Skandinavien. Zusammen mit einem Tief über Südosteuropa sorgte es im Gebiet von Bregenz für starke Nordost-Anströmung. Am 25. August 2002 zeigte sich hingegen kein so deutliches Bild. Vielmehr befand sich Bregenz in einer gradientschwachen Lage. An der höchstgelegenen Messstation am Säntis wurden in dieser Zeit nicht, wie erwartet, Nordostwinde sondern Südwinde verzeichnet. Trotzdem blieben die hohen Windstärken (9.1 bis 12.7 m s-1) über zwei Stunden erhalten. Da die Windrichtung nur knapp über 90° liegt, ist es auch unwahrscheinlich, dass es sich um einen falsch klassifizierten Typ-2Pfänderwind handelt. Um zu verstehen, weshalb es am 25. August 2002 zu den starken Winden vom Pfänder herab gekommen ist, müsste das Ereignis genauer analysiert werden. Da die Station Seezeichen 75 am Hafen von Bregenz erst seit April 2006 in Betrieb ist, können deren Daten erst ab diesem Zeitpunkt mit der TAWES-Station verglichen werden. Die Verteilung der Windrichtung und Geschwindigkeit an der TAWES-Station ist der 11-jährigen Verteilung allerdings sehr ähnlich. Wie in Abb. 4.7 ersichtlich, misst die Station Seezeichen 75 am Hafen von Bregenz bei Pfänderwind stets höhere Windgeschwindigkeiten als die TAWES-Station. Ein beachtlicher Anteil der Geschwindigkeiten liegt über 8 m s-1. Der höchste, gemessene 10-Minuten-Mittelwert beträgt 16.2 m s-1, und Windböen erreichten 42 a) 45 −1 Mittelwert: 7.3 m s b) 45 −1 35 30 25 20 15 10 5 Mittelwert: 12.7 m s 40 relative Häufigkeit, Typ 1 (%) relative Häufigkeit, Typ 1 (%) 40 35 30 25 20 15 10 5 0 0 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 Windgeschwindigkeit (m s−1) 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 Böengeschwindigkeit (m s−1) Abbildung 4.6: Relative Häufigkeit (a) der 10-Minuten-Mittel-Windgeschwindigkeit und (b) der BöenGeschwindigkeit in 1 m s-1–Klassen an der TAWES-Station in Bregenz, bezogen auf die Gesamtzahl aller als Typ-1-Pfänderwind klassifizierten Stundenwerte von Januar 2002 bis Dezember 2012. Die rote, strich-punktierte Linie gibt den arithmetischen Mittelwert an. während des Untersuchungszeitraumes Geschwindigkeiten bis zu 21.4 m s-1 (nicht gezeigt). Da die Hafenstation etwa 200 m vom Ufer entfernt im See steht (Abb. 4.5), können die höheren Windgeschwindigkeiten am Seezeichen 75 durch die geringere Rauigkeit der Wasseroberfläche im Vergleich zur Rauigkeit der Landoberfläche bzw. des Stadtgebietes von Bregenz erklärt werden. Der größte Windrichtungsanteil liegt am Hafen von Bregenz mit 55 bis 65° etwas nördlicher als an der TAWES-Station. Zusätzlich kommen Winde mit geringeren Geschwindigkeiten aus nördlicher Richtung vor. Bevor ein Pfänderwindereignis eintritt, a) b) BRE NORTH 35% SEE NORTH Windstille: 0.0 % Daten: 100.0 % 20% Windstille: 3.7 % Daten: 98.4 % 25% 10% 15% 5% WEST WEST EAST SOUTH ≥ 12 10 − 12 9 − 10 8−9 7−8 6−7 5−6 <5 EAST SOUTH ≥ 12 10 − 12 9 − 10 8−9 7−8 6−7 5−6 <5 Abbildung 4.7: Windrosen basierend auf den Daten aller als Typ-1-Pfänderwind klassifizierten Stundenwerte der (a) TAWES-Station in Bregenz (BRE) und (b) des Seezeichen 75 am Hafen von Bregenz (SEE). Verteilung der Windrichtung in 10°-Schritten, die Kreise geben den Prozentanteil der jeweiligen Windrichtung an. Zusätzlich wird der Anteil jeder Geschwindigkeitsklasse (m s-1) farblich codiert. Der Anteil der Kalmen sowie der Anteil der vorhandenen Daten (bezogen auf die Gesamtzahl aller als Pfänderwind klassifizierten Stundenwerte) werden angegeben. Die Lage der beiden Stationen ist in Abb. 4.5 eingezeichnet. Auswertung über den Zeitraum April 2006 bis Dezember 2012. 43 kommt der Wind auch an der TAWES-Station häufig aus Nordnordwest bis Nordnordost. Hierfür gibt es mehrere Erklärungen. Zum einen wird der Pfänder vor Typ-1-Ereignissen umströmt, was sich in Bregenz als Nordwind äußert. Weiters kann sich bevor der Pfänder„Föhn“ durchbricht, aufgrund von Schwerewellen ein mesoskaliges Leetief entwickeln und eine Ausgleichsströmung in Richtung Bregenz induzieren. Wenn an der TAWES-Station Pfänderwind registriert wird während am Hafen schwache Nordwinde auftreten, hat der Pfänderwind die Hafenstation möglicherweise noch nicht erreicht. Werden an der TAWESStation Winde ab 3 m s-1 zugelassen, so vergrößert sich am Hafen der Anteil der nord- bis nordnordöstlichen Komponente. Winde aus nordöstlicher Richtung (45 bis 75°) machen dann nur mehr etwa ein Viertel aller Fälle aus. Dies ist mit obigen Überlegungen stimmig, da Winde von 3 bis 6 m s-1 oftmals einen Typ-1-Pfänderwindfall einleiten. Wie sich Windgeschwindigkeiten und Windrichtungen in der weiteren Umgebung von Bregenz verhalten wird im nächsten Kapitel gezeigt. 4.1.3 Regionale Windverhältnisse Im Folgenden werden Windrichtungen und -geschwindigkeiten während Typ-1-Pfänderwind an Stationen um Bregenz untersucht. Um ein Bild von der regional vorherrschenden Strömungslage zu erhalten werden auch Stationen weiter stromauf- und stromabwärts betrachtet. Die Verteilung der Windrichtungen und der Windgeschwindigkeiten ist für unterschiedlich lange Zeitabschnitte innerhalb des Untersuchungszeitraumes sehr ähnlich. Aus diesem Grund werden die Daten von Stationen, an welchen nicht über den gesamten Beobachtungszeitraum Messwerte vorliegen, mit vollständigen Zeitreihen verglichen. Der Anteil der vorhandenen Daten wird jedoch angegeben. Ein erster grober Blick über alle Windrosen in Abb. 4.8 bestätigt den Einfluss einer regional vorherrschenden nordöstlichen Anströmung. Die höchste Messstation befindet sich am Säntis auf 2502 m, etwa 40 km Luftlinie südwestlich von Bregenz. Sie liefert aufgrund ihrer Lage wichtige Informationen über die Höhenströmung. Diese ist während Typ-1Pfänderwinden mit nur wenigen Ausnahmen auf einen Bereich von Nordost bis Ost beschränkt (Abb. 4.8a). Im Untersuchungszeitraum wurden Mittelwindgeschwindigkeiten von bis zu 15.9 m s-1 registriert, wobei die stärksten Pfänderwinde nicht mit den höchsten Windgeschwindigkeiten am Säntis einhergehen. Die Stationen Kempten und Oberstaufen liegen nordöstlich, also stromaufwärts von Bregenz. Die überwiegende Windrichtung ist dort, genau wie in Bregenz Ostnordost Abb. 4.8b und 4.8c). Während Kempten nur bei wenigen Ereignissen Windgeschwindigkeiten über 4 oder 5 m s-1 erreicht, herrschen in Oberstaufen häufig Winde über 5 m s-1. Zudem beschränken sich diese fast ausschließlich auf eine Windrichtung von 70°. Die Messstation in Oberstauffen befindet sich am Ausgang eines Tales, welches durch einen U-förmigen Bergrücken Richtung Nordosten abgeschlossen ist. Die Windrichtung von exakt 70° 44 a) SAE NORTH 15% b) KEM NORTH Windstille: 4.8 % Daten: 97.8 % 25% 10% Windstille: 0.9 % Daten: 100.0 % 15% 5% 5% WEST WEST EAST EAST SOUTH SOUTH c) d) OBE NORTH 50% SUL NORTH Windstille: 0.6 % Daten: 98.7 % 30% Windstille: 0.0 % Daten: 36.7 % 20% 30% 10% 10% WEST EAST WEST SOUTH EAST SOUTH f) e) PFA NORTH 4% LIN NORTH Windstille: 0.0 % Daten: 6.6 % 25% Windstille: 0.6 % Daten: 98.7 % 15% 2% 5% WEST EAST WEST SOUTH g) SOUTH ALT NORTH 20% h) 20% Windstille: 0.0 % Daten: 100.0 % 10% EAST SOUTH DOR NORTH Windstille: 0.0 % Daten: 100.0 % 10% WEST EAST WEST EAST SOUTH 45 i) j) ROH NORTH 10% 15% 5% WEST EAST WEST SOUTH VAD 25% l) 25% 5% EAST SOUTH WEST EAST SOUTH KON NORTH 35% 25% 15% 5% Windstille: 0.0 % Daten: 100.0 % EAST SOUTH Windstille: 3.8 % Daten: 98.4 % 15% 5% WEST CHU NORTH Windstille: 8.1 % Daten: 97.2 % 15% WEST EAST SOUTH NORTH m) Windstille: 0.0 % Daten: 100.0 % 10% 5% k) FEL NORTH Windstille: 0.0 % Daten: 36.7 % ≥ 12 10 − 12 9 − 10 8−9 7−8 6−7 5−6 4−5 3−4 <3 Abbildung 4.8: Windrosen basierend auf den Daten aller als Typ-1-Pfänderwind klassifizierten Stundenwerte (Windgeschwindigkeitsschwellwert 6 m s-1) der Stationen (a) Säntis (SAE), (b) Kempten (KEM), (c) Oberstaufen (OBE), (d) Sulzberg (SUL), (e) Pfänder (PFA), (f) Lindau (LIN), (g) Altenrhein (ALT), (h) Dornbirn (DOR), (i) Rohrspitz (ROH), (j) Feldkirch (FEL), (k) Vaduz (VAD), (l) Chur (CHU) und (m) Konstanz (KON). Die Lage der gezeigten Stationen ist Abb. 2.1 zu entnehmen. Verteilung der Windrichtung in 10-Grad-Schritten, die Kreise geben den Prozentanteil der jeweiligen Windrichtung an. Zusätzlich wird der Anteil jeder Geschwindigkeitsklasse (m s-1) farblich codiert. Der Anteil der Kalmen sowie der Anteil der vorhandenen Daten (bezogen auf die Gesamtzahl aller als Pfänderwind klassifizierten Stundenwerte) werden angegeben. Auswertung über den Zeitraum Januar 2002 bis Dezember 2012. 46 entspricht der Ausrichtung dieses Tales. Die hohen Windgeschwindigkeiten deuten darauf hin, dass auch über den genannten Bergrücken (etwa 300 m Höhendifferenz zu Oberstaufen) Absinkprozesse stattfinden oder Luftmassen nach dessen Überströmung im Tal kanalisiert werden. Werden im gesamten Untersuchungszeitraum all jene Fälle betrachtet, an welchen in Oberstaufen bei einer Windrichtung von genau 70° Windgeschwindigkeiten von 5 m s-1 überschritten werden, so herrscht in immerhin 10 % all dieser Fälle in Bregenz Pfänderwind (≥ 6 m s-1). Auch die Windrichtungen an der Station Sulzberg sind auffällig stark gebündelt (Abb. 4.8d). In etwa 75 % aller Fälle liegt die Anströmung zwischen 66 und 75° mit Geschwindigkeiten von meist 4 bis 7 m s-1. Die Station am Pfändergipfel ist erst seit Mai 2012 in Betrieb. In der Zeit von Mai bis Dezember 2012 fanden nur 5 Typ-1-Pfänderwindereignisse statt. Während dieser Ereignisse erreichten die Windgeschwindigkeiten am Pfändergipfel durchschnittlich etwa 7.5 m s-1 und maximal 10.5 m s-1 (Abb. 4.8e). Auch an der TAWESStation in Bregenz wurden dabei ähnliche Werte von durchschnittlich 7.2 m s-1 und maximal 9.4 m s-1 registriert. Die Windrichtungen am Pfänder beschränkten sich dabei auf 65 bis 85°. Die Bregenz nahegelegenen Stationen Lindau, Altenrhein und Dornbirn weisen ebenfalls eine nordöstliche Anströmung auf, im Gegensatz zu Bregenz verzeichnen sie jedoch wesentlich geringere Windgeschwindigkeiten von durchschnittlich 2.5 bis 3 m s-1 (Abb. 4.8f-h). Die nordöstliche Windrichtung in Dornbirn entspricht nicht der Talausrichtung des Rheintals. Wie im Fallbeispiel in Kapitel 3.1 bereits angedeutet, wird Dornbirn daher während Typ-1Ereignissen möglicherweise ebenfalls von Absinkprozessen oder durch kanalisierte Luftmassen aus Seitentälern beeinflusst. Am Rohrspitz werden etwas höhere Windstärken als an den zuletzt besprochenen Stationen erreicht (Abb. 4.8i). Da der Rohrspitz direkt in der Verlängerung der Pfänderwindströmung liegt, kann er mitunter von Pfänderwinden beeinflusst werden. Im Normalfall sind Winde am Seezeichen 75 schwächer als am Rohrspitz. Typ-1-Pfänderwindsituationen bilden hier die Ausnahme. Bei Pfänderwinden beträgt die Mittelwindgeschwindigkeit am Rohrspitz im Durchschnitt 4.5 m s-1. Mit durchschnittlich knapp 7 m s-1 am Hafen von Bregenz ist diese deutlich höher. Wie in Abb. 4.8j-l zu erkennen sind die Winde in Feldkirch, Vaduz und Chur nahezu immer taleinwärts gerichtet. Entsprechend der Talausrichtung äußert sich dies in Feldkirch und Vaduz als Nordwestwind und in Chur als Nordostwind. Sowohl in Chur als auch in Vaduz wurden bis zu 8.7 m s-1 Mittelwindgeschwindigkeiten erreicht. Da Pfänderwinde zumeist am Abend auftreten lässt sich das Einfließen nicht allein durch ein thermisch induziertes Talwindsystem erklären. Wäre dies der Fall, so müssten die Winde gegen Abend schwächer werden und auf ausfließen drehen, da sich die Talatmosphäre stärker auskühlt als das Vorland. Wie des Öftern erwähnt und auch im Fallbeispiel (Kapitel 3.1) zu sehen, treten Typ-1-Pfänderwinde häufig in Zusammenhang mit einem Hochdruckgebiet auf, welches sich nördlich der Alpenkette befindet. Folglich kann es durch den höheren Druck im Vorland auch zu synoptisch getriebenen einfließen kommen. Im Mittel sind die Windgeschwindigkeiten in Feldkirch am geringsten, während sie in Chur am höchsten sind. Da die Talbreite des Rheintals gegen Süden abnimmt, spricht dies für einen zusätzlichen Kanalisierungseffekt. Der Windrichtungssektor in Konstanz wurde zur Identifikation der Pfänderwinde von 0 bis 135° 47 beschränkt (siehe Kapitel 2.2.1). Trotzdem dominieren lediglich Nordostwinde zwischen 40 und 60° (Abb. 4.8l). Die These einer Nordostanströmung als Bedingung für Typ-1Pfänderwinde, wie sie Seyffertitz (1897) und Kopfmüller (1924) aufstellen, wird hiermit unterstützt. Für geringere und höhere Windgeschwindigkeitsschwellwerte zur Identifikation der Typ-1Ereignisse ändert sich am Muster der oben besprochenen Verteilungen der regionalen Windverhältnisse wenig. Allerdings nehmen bei einem Grenzwert von 3 m s-1 beispielsweise an der Station Säntis Süd- bis Nordwestwinde zu. Bei geringen Windgeschwindigkeiten handelt es sich folglich nicht immer um das klassische Bild eines Typ-1-Pfänderwindes. Wenn Luftmassen föhnartig über ein Gebirge absinken, kommt es infolge adiabatischer Erwärmung im Vergleich zu umliegenden, vom Absinkprozess unbeeinflussten Bereichen häufig zu Temperaturerhöhungen. Im Folgenden werden daher lokale Temperaturunterschiede zu umliegenden Stationen betrachtet und ausgehend von einem pseudovertikalen Temperaturprofil analysiert. 4.1.4 Regionale Temperaturunterschiede Wie im Eingangskapitel erwähnt, wird bei Föhn häufig eine Erwärmung beobachtet. Seyffertitz (1897) und Kopfmüller (1924) sprechen bei klassischen Pfänderwinden von einer Erwärmung von bis zu 3 K im Vergleich zu den umliegenden Stationen, welche allerdings nicht immer beobachtet wird. In Abb. 4.9 werden die potentiellen Temperaturunterschiede von Bregenz zu den nahegelegenen Stationen Lindau, Rohrspitz und Dornbirn ausgewertet. Obwohl diese Stationen auf ähnlicher Seehöhe liegen, wird zur besseren Vergleichbarkeit mit der potentiellen Temperatur gearbeitet. Wie schon im vorangegangenen Kapitel wird ein direkter Vergleich unterschiedlich langer Datenreihen durchgeführt und der Anteil der vorhandenen Daten jeder Station angegeben. Die Verteilung ist für kürzere Zeitabschnitte jener der 11-jährigen Beobachtungsperiode sehr ähnlich. Abbildung 4.9 zeigt im Vergleich zu Bregenz während Typ-1-Pfänderwinden tatsächlich geringere potentielle Temperaturen an den Stationen Lindau, Rohrspitz und Dornbirn. Allerdings handelt es sich meist um weniger als 1 K Differenz und somit lediglich um eine geringe Temperaturerhöhung. Lindau weist hierbei im Vergleich zu Bregenz die geringsten potentiellen Temperaturen auf. Der Median der potentiellen Temperaturen liegt etwas mehr als 1 K unter jenen von Bregenz, wobei in Bregenz in Extremfällen bis zu 4.2 K höhere Temperaturen registriert wurden. Fälle mit über 3 K Differenz finden vorwiegend in den Monaten Mai bis Juli statt. Rohrspitz verzeichnet zwar ebenfalls geringere potentielle Temperaturen als Bregenz, allerdings deutet Abb. 4.9 lediglich auf geringe Differenzen von von etwa 0.6 K hin. Da Rohrspitz in der direkten Verlängerung der Föhnströmung liegt, kann es von der Pfänder-„Föhn“-Luft beeinflusst werden. 48 Differenz der potentiellen Temperatur, Typ 1 (K) 36.7 % 100 % 98.7 % Rohrspitz Dornbirn Lindau 395 m 407 m 400 m 4 3 2 1 0 −1 −2 −3 −4 −5 −6 Abbildung 4.9: Differenz der potentiellen Temperaturen Δ = 1232456 − 89:;:6< von Rohrspitz, Dornbirn und Lindau zu Bregenz als „Box-Whisker-Plot“. Der Median ist rot gekennzeichnet. Die Balken umfassen den Bereich zwischen unterem und oberem Quartil, die „Whiskers“ umfassen das 2.7-fache der Standardabweichung. Die roten Kreuze stellen die Ausreißer dar. Oben wird der Anteil der vorhandenen Daten, bezogen auf die Gesamtanzahl der als Typ-2-Pfänderwind klassifizierten Stundenwerte angegeben. Auswertung über den Zeitraum Januar 2002 bis Dezember 2012. In Abb. 4.10 werden die potentiellen Temperaturdifferenzen zwischen ausgewählten Stationen und Bregenz gegen die Höhe aufgetragen. Das hieraus resultierende pseudovertikale Profil zeigt allgemein eine schwache Zunahme der potentiellen Temperatur mit der Höhe. Werden Sulzberg und Ebenalp als Referenz gewählt, ergibt sich ein potentieller Temperaturgradient von 0.33 K pro 100 m. Umgerechnet entspricht dies einer Abnahme der Lufttemperatur von -0.67 K pro 100 m. In der internationalen Standardatmosphäre (ISA) wird eine Temperaturabnahme von -0.65 K pro 100 m angenommen. Das heißt bei Typ-1-Pfänderwinden ist die Atmosphäre oberhalb des Kammniveaus etwas weniger stabil geschichtet, als die Standardatmosphäre. Hierbei muss aber beachtet werden, dass es sich im gezeigten Profil der potentiellen Temperatur um kein tatsächliches Vertikalprofil handelt und die Temperaturen an den gezeigten Stationen von der Grenzschicht und ihrer Lage im Tal, an Berghängen, am Bodensee usw. beeinflusst werden. In Abb. 4.10 ist zu erkennen, dass die potentiellen Temperaturen in Bregenz in etwa jenen in Kammniveau des Pfänders entsprechen. Dies stütz die These, den Pfänderwind als Pfänder-„Föhn“ zu betrachten. Aufgrund der allgemein nur gering stabilen Schichtung unterhalb des Kammniveaus kommt es durch den Absinkeffekt in Bregenz lediglich zu einer geringen Temperaturerhöhung (siehe oben). Die stromaufwärtigen Stationen Kempten, Leutkirch, Oberstaufen und Lindenberg (Abb. 4.10, Nr.8-11) sind zum Teil trotz größerer Höhenlage gleich warm oder kälter als Stationen im Rheintal- und Bodenseegebiet (Abb. 4.10, Nr. 1-7). Da diese Stationen, mit Ausnahme von Oberstaufen bezüglich der Nordostanströmung relativ frei stehen, können die geringeren Temperaturen nicht, oder nur zum Teil, durch lokale Effekte hervorgerufen 49 2600 1 ... Bregenz [100 %] 15 2400 2 ... Rohrspitz [36.7 %] 2200 3 ... Lindau [98.7 %] 4 ... Dornbirn [100 %] 2000 5 ... Feldkirch [100 %] Höhe (m ASL) 1800 6 ... Güttingen [91.5 %] 14 1600 7 ... Kressbronn [97.8 %] 8 ... Leutkirch [49.2 %] 1400 9 ... Kempten [100 %] 1200 13 10 ... Oberstaufen [98.7 %] Kammniveau 12 1000 11 ... Lindenberg [90.6 %] 12 ... Sulzberg [36.7 %] 11 10 800 8 9 13 ... Gäbris [100 %] 600 6 400 −4 −2 75 34 2 14 ... Ebenalp [93.4 %] 1 0 2 4 Differenz der potentiellen Temperatur, Typ 1 (K) 15 ... Säntis [97.8 %] 6 8 Abbildung 4.10: Pseudovertikales Profil der potentiellen Temperaturdifferenz, basierend auf den als Typ-1-Pfänderwind klassifizierten Stundenwerten (Windgeschwindigkeitsschwellwert 6 m s-1) von Januar 2002 bis Dezember 2012. Auf der x-Achse wird die Differenz der potentiellen Temperaturen > = 1232456 − 89:;:6< angegeben. Der Median ist als schwarzer Punkt gekennzeichnet, die Balken umfassen den Bereich zwischen unterem und oberem Quartil. Die vertikal strichpunktierte Linie entspricht dem Referenzniveau der TAWES-Station Bregenz, die horizontal gestrichte Linie entspricht dem Kammniveau des Pfänders. Rechts wird die Nummerierung erläutert und der Prozentanteile der vorhandenen Daten der jeweiligen Station angegeben. werden. Beispielsweise die Station Lindenberg ist während Typ-1-Pfänderwinden im Mittel fast 2 K kälter, als die im Rheintal, auf ähnlicher Höhe liegende Station Fraxern (nicht gezeigt). Hierbei muss erwähnt werden, dass in Fraxern keine Absinkeffekte nachgewiesen werden konnten. Die wärmste stromaufwärtige Station ist Oberstaufen. In Kapitel 4.1.3 werden in Oberstaufen vergleichsweise hohe Windgeschwindigkeiten festgestellt. Als Ursache werden unter anderem Absinkprozesse angenommen, wofür auch die höheren potentiellen Temperaturen sprechen. Die kalten Luftmassen stromaufwärts werden wahrscheinlich durch den Herantransport kontinentaler Kaltluft verursacht, wohingegen das Rheintalgebiet davon noch nicht, oder erst in geringerem Ausmaß beeinflusst ist. Die kalten herantransportierten Luftmassen sind, ähnlich wie es bei Bora in den Dinarischen Alpen beobachtet wird, vermutlich mit ein Grund für die nur geringe Temperaturerhöhung in Bregenz. In Abb. 4.11 wird der potentielle Temperaturunterschied zu Sulzberg für verschiedene Windgeschwindigkeiten gezeigt. Sulzberg liegt nordöstlich von Bregenz, auf 1018 m. Die Höhe des Sulzberges entspricht damit in etwa dem Niveau des Pfändergipfels (1064 m). Da die potentielle Temperatur entlang einer Stromlinie erhalten bleibt, muss sie beim Absinken der Luft aus Pfänderniveau, oder höher, mindestens jener in Kammniveau entsprechen. Vorweg sei erwähnt, dass die potentiellen Temperaturdifferenzen von Sulzberg 50 zu Bregenz durch diverse diabatische Effekte, wie etwa turbulenter Durchmischung durch Reibung und turbulentem Wärmefluss durch Strahlungs-Input beeinflusst werden können. Der Median der Temperaturdifferenzen aller Windgeschwindigkeiten liegt stets unter Null. Das heißt, in Bregenz ist die potentiell wärmere Luft anzutreffen, wodurch oben genanntes in den meisten Fällen erfüllt wird. Bei geringen Windgeschwindigkeiten von 3 bis 5 m s-1 sind aber je mindestens 25 % der Fälle kälter als Sulzberg. Folglich handelt es sich hierbei nicht immer um Pfänder-„Föhn“. Wie in Abb. 4.11 zu erkennen, nimmt der potentielle Temperaturunterschied zwischen Sulzberg und Bregenz mit der Windgeschwindigkeit zu. Dies lässt vermuten, dass mit zunehmenden Windgeschwindigkeiten Luftmassen aus größerer Höhe (und damit potentiell wärmere Luftmassen) ins Tal absinken. Aber auch die bereits erwähnte turbulente Durchmischung kann ähnlichen Effekt hervorrufen. Angesichts der nur geringen Änderung des Medians von einem halben Grad, sollte dieses Ergebnis nicht überbewertet werden. Trotzdem ist ein funktionaler Zusammenhang zwischen der Windgeschwindigkeit und der potentiellen Temperaturdifferenz eindeutig gegeben. Differenz der potentiellen Temperatur, Typ 1 (K) 0.4 0.2 0 −0.2 −0.4 −0.6 −0.8 −1 ≥3 ≥ 3.5 ≥4 ≥ 4.5 ≥5 ≥ 5.5 ≥6 ≥ 6.5 ≥7 ≥ 7.5 ≥8 ≥ 8.5 ≥9 Windgeschwindigkeitsschwellwert (m s−1) Abbildung 4.11: Differenz der potentiellen Temperatur Δ = 1?@<A:9; − 89:;:6< für Windgeschwindigkeitsschwellwerte von 3 m s-1 bis 9 m s-1 als „Box-Plot“. Der Median ist rot gekennzeichnet und die Balken umfassen den Bereich zwischen unterem und oberem Quartil. Auswertung aller als Typ-1-Pfänderwind klassifizierten Stundenwerte von 21. August 2008 bis 31. Dezember 2012. 51 4.2 TYP 2: Südost Pfänderwind 4.2.1 Häufigkeit Die Wahl des Temperaturkriteriums hat ähnliche Auswirkungen auf die Häufigkeitsanalysen des Typ-2-Pfänderwindes, wie die Wahl des Geschwindigkeitsschwellwertes für Typ-1Pfänderwinde in Kapitel 4.1.1. Aus diesem Grund werden die Häufigkeiten für verschiedene Schwellwerte der potentiellen Temperaturdifferenzen von 2 bis 8 K zwischen Bregenz und Dornbirn ausgewertet. Nach Abb. 4.12 variiert die Gesamtanzahl der Ereignisse pro Jahr in Abhängigkeit des Temperaturkriteriums stark. In jedem der betrachteten Jahre treten zwischen 86 und 168 Ereignisse ein, bei denen Bregenz mindestens 2 K wärmer als Dornbirn ist. Schon ein geringfügig höherer Grenzwert reduziert die Gesamtanzahl drastisch. Unterschiede der potentiellen Temperatur von mehr als 3 K treten im Schnitt 67 Mal pro Jahr ein. Der in dieser Arbeit für weitere, genauere Analysen gewählte Schwellenwert von 4 K wird pro Jahr durchschnittlich 40.5 Mal überschritten. Auch ein Temperaturunterschied von 8 K tritt in jedem Jahr mindestens einmal auf. Die Gesamtanzahl der Ereignisse für Gesamtanzahl der Ereignisse von Typ 2 180 Mittel für ≥ 4 K ≥2K ≥4K ≥8K 160 140 120 100 80 60 40 20 0 2002 2003 2004 2005 2006 2007 Jahr 2008 2009 2010 2011 2012 Abbildung 4.12: Gesamtanzahl der Typ-2-Pfänderwindereignisse pro Jahr für Schwellwerte der potentiellen Temperaturdifferenz von 2 K bis 8 K in 0.5 K-Schritten, dargestellt als „Box-WhiskerPlot“. Der Median ist rot gekennzeichnet. Die Balken umfassen den Bereich zwischen unterem und oberem Quartil, die „Whiskers“ umfassen das 2.7-fache der Standardabweichung. Die roten Kreuze stellen die Ausreißer dar. Die durchgezogenen Linien entsprechen der Gesamtanzahl der Typ-2Pfänderwindereignisse pro Jahr bei Schwellwerten der Differenz der potentiellen Temperatur von 2 K (blau), 4 K (rot) und 8 K (grün). Der Mittelwert der Anzahl der Ereignisse pro Jahr bei einem Schwellwert von 4 K ist als schwarze strich-punktierte Linie eingezeichnet. Auswertung über den Zeitraum Januar 2002 bis Dezember 2012. 52 Temperaturunterschiede ab 4 K ist während der untersuchten Jahre relativ konstant. Für geringere Differenzen von 2 bis 3 K streut diese hingegen stark. Beispielweise treten im Jahr 2008 fast doppelt so viele Ereignisse (168) über 2 K Temperaturunterschied ein, als im Jahr 2010 (86). Außerdem nehmen nach Abb. 4.12 Ereignisse mit mehr als 2 K Unterschied zwischen Bregenz und Dornbirn insgesamt ab. Bis 2008 wurden mit Ausnahme des Jahres 2004 stets mehr als 120 solche Ereignisse registriert, in den Jahren danach bleibt die Gesamtanzahl stets unter 100. Ein solcher Trend ist bei höheren Temperaturunterschieden nicht erkennbar, weshalb diese Änderungen den schwächeren Ereignissen mit weniger als 4 K Differenz von Bregenz zu Dornbirn zuzuschreiben sind. Diese Gegebenheiten weisen auf zusätzliche Effekte hin, die Temperaturunterschiede von 2 bis 4 K hervorrufen. Es erscheint also auch aus diesen Überlegungen sinnvoll, die Temperaturgrenze von 4 K für spezielle Analysen (siehe Kapitel 4.2.2, 4.2.3 und 4.2.4) zu wählen. Mit durchschnittlich 40.5 Ereignissen pro Jahr (4 K-Kriterium) ist dieses Phänomen nicht zu missachten und tritt im Vergleich zum klassischen Pfänderwind (12.7 Ereignisse pro Jahr, 6 m s-1-Kriterium) wesentlich häufiger auf. Nach Abb. 4.13 hängt die Anzahl der Typ-2-Ereignisse pro Monat nur geringfügig von der Jahreszeit ab. Bei einem Kriterium von 4 K treten durchschnittlich 3.3 Ereignisse pro Monat, mit einer Schwankungsbreite von ca. ± 1 Ereignis, ein. Während die Anzahl pro Monat in der ersten Jahreshälfte stets knapp über dem Durchschnitt liegt, treten in der zweiten Jahreshälfte etwas weniger Ereignisse ein. Ein schwach ausgeprägtes Maximum weist die monatliche Verteilung für nahezu alle Temperaturkriterien im Frühjahr auf. Allerdings hängt die Häufigkeit mit zunehmendem Temperaturunterschied stärker von der Jahreszeit ab. Bei Temperaturunterschieden über 6 K, 7 K oder 8 K treten zwei eindeutige Maxima auf, zum einen im Frühjahr (März, April, Mai: etwa 40 % aller Fälle) und zum anderen im Herbst (Oktober, November: etwa 20 % aller Fälle). Wie im Fallbeispiel (Kapitel 3.2) angedeutet wurde, entstehen Pfänderwinde bei synoptischen Lagen, die in ähnlicher Form in vielen Alpentälern zu seichtem Südföhn führen. In nachfolgenden Kapiteln werden auch vereinzelte Fälle mit hochreichendem Föhn vermutet. Die oben besprochenen Maxima hängen somit möglicherweise mit der höheren Südföhnhäufigkeit zusammen, welche im Frühjahr und im Herbst beobachtet wird (vgl. z.B. Waibel 1984, Föst 2006, Richner und Gutermann 2007, Gutermann et al. 2012). Die absolute mittlere Anzahl der Ereignisse schwankt analog zur Jahresverteilung stark mit der Wahl des Temperaturkriteriums, wobei wiederum vor allem Ereignisse mit 2 bis 3 K potentiellen Temperaturunterschied wesentlich häufiger auftreten. Genauere Analysen dieser Fälle zeigen, dass Ereignisse mit geringen Temperaturdifferenzen zwar oftmals vor oder nach Pfänderwinden mit höheren potentiellen Temperaturunterschieden auftreten, allerdings erscheinen sie auch ohne erkennbaren föhnartigen Zusammenhang vorzukommen. 53 Mittlere Anzahl der Ereignisse von Typ 2 14 Mittel für ≥ 4 K ≥2K ≥4K ≥8K 12 10 8 6 4 2 0 Jan Feb Mar Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Monat Abbildung 4.13: Durchschnittliche Anzahl der Typ-2-Pfänderwindereignisse pro Monat für Schwellwerte der potentiellen Temperaturdifferenz von 2 K bis 8 K in 0.5 K-Schritten, dargestellt als „Box-Whisker-Plot“. Der Median ist rot gekennzeichnet. Die Balken umfassen den Bereich zwischen unterem und oberem Quartil, die „Whiskers“ umfassen das 2.7-fache der Standardabweichung. Die roten Kreuze stellen die Ausreißer dar. Die durchgezogenen Linien entsprechen der durchschnittlichen Anzahl der Typ-2-Pfänderwindereignisse pro Monat bei Schwellwerten der Differenz der potentiellen Temperatur von 2 K (blau), 4 K (rot) und 8 K (grün). Der Mittelwert der Anzahl der Ereignisse pro Monat bei einem Schwellwert von 4 K ist als schwarze, strich-punktierte Linie eingezeichnet. Auswertung über den Zeitraum von Januar 2002 bis Dezember 2012. Abb. 4.14 zeigt die relative Häufigkeit der Typ-2-Pfänderwinde pro Monat und Tageszeit bei einem Temperaturkriterium von 4 K. Die relative Häufigkeit der Typ-2-Pfänderwindstunden pro Monat zeigt erneut die beiden schwach ausgeprägten Maxima im Frühjahr und Herbst. Viel deutlicher ist die Verteilung der Pfänderwinde jedoch an die Tageszeit gebunden. Untertags, von etwa 09 bis 18 UTC, tritt dieses Phänomen praktisch nicht auf. Erst in den Abendstunden steigt die Anzahl der Ereignisse langsam an und deutlich am häufigsten werden die Kriterien zur Identifikation der Fälle in den frühen Morgenstunden erfüllt. Weiters beginnen die Ereignisse in den Sommermonaten später und enden früher als im Winter. Abbildung 4.14 lässt daher auf einen Zusammenhang mit der nächtlichen Auskühlung schließen. Im Fallbeispiel (Kapitel 3.2) wird ein Kaltluftsee im Rheintal vermutet. Nachdem praktisch alle Typ-2-Pfänderwinde nachts auftreten, wird diese These bekräftigt. Am häufigsten ereignen sich Pfänderwinde mit 1.4 und 1.6 % aller als Typ-2-Pfänderwind identifizierten Stundenwerte von März bis Mai, je zwischen 00 und 05 UTC. Wie bereits weiter oben erwähnt, weisen höhere Temperaturunterschiede deutlichere Maxima im Frühjahr und Herbst auf. Beispielsweise treten bei einem Schwellwert der Differenz der potentiellen Temperatur von 7 K etwa 4 % aller Pfänderwind-Stundenwerte im April um 03 UTC auf, etwa 2.5 % aller Fälle zur selben Tageszeit im Oktober (nicht gezeigt). Auch tageszeitlich sind diese Ereignisse konzentrierter in den frühen Morgenstunden anzutreffen. 54 15 10 5 8 0.6 4 0. 10 15 0. 4 0. 4 6 0. 18 0.2 0.6 0.20.4 .6 0. 20 0 5 0.4 0.2 22 0.4 0.6 0. 6 00 0.8 0.6 1.4 .2 1 1 0.8 0.8 0.6 relative Häufigkeit von Typ 2 (%) 0.2 2 0. 14 12 0.6 1.4 1.2 1.6 1.2 0.8 1 0 0.4 .6 0.8 0.8 0.2 0. 4 0.6 6 1 2 0.6 1. 0.8 1. 1.4 2 1 0. 00 8 0. 1 02 0.6 6 0. 00.2 .4 0.4 04 0.8 1.2 0.6 0.4 1 06 1.4 08 0.4 0.2 0.4 0.6 0.4 10 0.2 Uhrzeit (UTC) 16 Jan Feb Mar Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Monat Abbildung 4.14: Relative Pfänderwindhäufigkeit (Typ-2) in % bei einem Schwellwert der Differenz der potentiellen Temperatur von 4 K. Die Kontourlinien geben die relative Häufigkeit an, mit welcher im jeweiligen Monat zur jeweiligen Uhrzeit (UTC), bezogen auf die Gesamtzahl aller als Pfänderwind identifizierten Stundenwerte, Pfänderwind aufgetreten ist. Rechts: Summe der relativen Häufigkeiten aller Monate zur jeweiligen Stunde. Oben: Summe der relativen Häufigkeiten aller Tageszeiten im jeweiligen Monat. Auswertung über den Zeitraum Januar 2002 bis Dezember 2012. Bis 22 UTC werden Temperaturunterschiede über 7 K kaum erreicht. Die hohen Temperaturgegensätze können nur dann entstehen, wenn im Rheintal die Auskühlung entsprechend voran geschritten ist. Dies ist erst in den frühen Morgenstunden der Fall. Auch im Sommer werden hohe Temperaturunterschiede aufgrund der kurzen Nächte nur selten beobachtet. Die relative Häufigkeit der Dauer der Typ-2-Pfänderwindereignisse nimmt mit zunehmender Dauer exponentiell ab (Abb. 4.15). Wie schon in Kapitel 4.1.1 erwähnt, ist zu beachten, dass jeder Stundenwert pro Ereignis als eine Stunde gezählt wird. Einstündige Fälle mit Temperaturunterschieden über 4 K machen mehr als ein Drittel der Gesamtanzahl aus. Ereignisse bis zu 5 Stunden kommen noch regelmäßig vor (im Schnitt 6.6 Mal pro Jahr), mehr als 10 Stunden werden nur in Einzelfällen erreicht (im gesamten Untersuchungszeitraum 3 Mal). In Abb. 4.15 fallen Ereignisse mit potentiellen Temperaturdifferenzen über 8 K auf, da sie im Gegensatz zu den anderen gezeigten Temperaturschwellwerten am häufigsten 55 45 ≥2K ≥4K ≥6K ≥8K 40 relative Häufigkeit (%) 35 30 25 20 15 10 5 0 0 5 10 15 20 25 30 35 Dauer (h) Abbildung 4.15: Relative Häufigkeit der Dauer der Typ-2-Pfänderwindereignisse für Schwellwerte der potentiellen Temperaturdifferenz von 2 K, 4K, 6 K und 8 K. Die Dauer entspricht der Summe aller Stundenwerte pro Ereignis, an denen die Pfänderwindkriterien erfüllt sind. Die relative Häufigkeit ist auf die Gesamtzahl aller Ereignisse von Januar 2002 bis Dezember 2012 bezogen. 2 Stunden, anstatt einer Stunde dauern. Zum Einen kann dies an der vergleichsweise geringeren Anzahl an Ereignissen liegen, wodurch die Statistik auf Einzelfälle sensibler reagiert. Eine andere Erklärung hierfür wäre, dass der Kaltluftsee in diesen Fällen stärker ausgeprägt ist, wodurch es länger dauert bis dieser nach Sonnenaufgang auch an den umliegenden Stationen abgebaut wird. Während des Untersuchungszeitraumes blieben Temperaturunterschiede von mehr als 2 K zwischen Bregenz und Dornbirn bis zu 34 Stunden ohne mindestens 12 stündiger Unterbrechung erhalten. Das längste Ereignis mit 34 Stunden trat von 30. Januar bis 3. Februar 2004 auf, wobei vereinzelt auch katabatische Hangabwinde falsch klassifiziert wurden. Im selben Zeitraum traten aber auch vier- bis achtstündige Fälle mit potentiellen Temperaturunterschieden von mehr als 4 K auf. Das längste Ereignis, welches bei einem Kriterium von 4 K registriert wurde, dauerte 20 Stunden an und ereignete sich wenige Tage später, von 5. bis 7. Februar, je in den späten Abend- und frühen Morgenstunden. Bregenz steht zu Beginn dieser Reihe an Typ-2-Pfänderwindereignissen zunehmend im Einfluss von westlicher Strömung. Diese Strömungsrichtung bleibt erhalten, bis sich am 3. Februar antizyklonaler Einfluss einstellt und kurzzeitig keine Pfänderwinde entstehen. Über dem Atlantik formiert sich jedoch ein Trog, der sich langsam ostwärts bewegt. Bregenz gerät somit erneut in westliche bis südwestliche Anströmung, und weitere Pfänderwinde treten auf. Am 7. Februar beendet eine Kaltfront die Serie an Typ-2-Pfänderwinden. Wie sich die Windverhältnisse dieser Typ-2-Pfänderwinde in Bregenz äußern, wird im folgenden Abschnitt besprochen. 56 4.2.2 Lokale Windverhältnisse in Bregenz In folgenden Analysen werden alle als Typ-2-Pfänderwind klassifizierten Stundenwerte ausgewertet. Die Untersuchungen der Windverhältnisse (Kapitel 4.2.2 und 4.2.3) sowie der Temperaturverhältnisse (Kapitel 4.2.4) werden mit einem Schwellwert des potentiellen Temperaturunterschiedes von 4 K zwischen Bregenz und Dornbirn durchgeführt. Die dominierenden Windrichtungen des Typ-2-Pfänderwindes bewegen sich zwischen 145 und 175°, der Median liegt bei 158°. Wie in Abb. 4.16 zu erkennen, wehen die Winde somit aus der Richtung des Gebhardsberges. Der südliche Ausläufer des Pfänders dürfte daher für die Entstehung dieser Winde bedeutend sein. Der überwiegende Anteil (75 %) der 10-Minuten-Mittelwerte der Windgeschwindigkeit liegt zwischen 3 und 6 m s-1, wobei während des Untersuchungszeitraumes bis zu 9.1 m s-1 erreicht wurden (Abb. 4.17a). Die stärkste Böe, welche bei Südost-Pfänderwindereignissen gemessen wurde, erreichte 15.2 m s-1. Der Großteil tritt jedoch mit Böen zwischen 6 und 9 m s-1 auf (Abb. 4.17b). Die höchsten Windgeschwindigkeiten sowie auch die stärksten Böen wurden am späten Abend des 29. Oktobers 2010 aufgezeichnet. Ein Trog, der sich anfangs über dem Atlantik befand, N 47.52 Bodensee 0 60 Latitude (deg N) 30% 00 80 0 10 Pfänder SEE 20% 0 80 10% 47.5 BRE ≥6 5−6 4−5 3−4 2−3 <2 600 Gebhardsberg 47.48 9.7 9.75 9.8 Longitude (deg E) Abbildung 4.16: Windrose für alle als Typ-2-Pfänderwind klassifizierten Stundenwerte (Temperaturschwellwert 4 K) der TAWES-Station in Bregenz (BRE). Die Windrose gibt den Prozentanteil pro Windrichtungssektor (10°-Schritte) an, die Windgeschwindigkeiten (m s-1) werden zusätzlich farblich codiert. Die Lage der Station Seezeichen 75 (SEE) ist eingezeichnet. Mit Topographie hinterlegt, Höhenlinien im 100 m Intervall. Die Uferlinie des Bodensees wird aufgrund unzureichender Auflösung nicht korrekt dargestellt (SEE befindet sich etwa 200 m im See). Auswertung über den Zeitraum Januar 2002 bis Dezember 2012. 57 a) 30 −1 25 b) 30 −1 Mittelwert: 7.5 m s relative Häufigkeit, Typ 2 (%) relative Häufigkeit, Typ 2 (%) Mittelwert: 4.3 m s 20 15 10 5 0 25 20 15 10 5 0 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 Windgeschwindigkeit (m s−1) 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 Böengeschwindigkeit (m s−1) Abbildung 4.17: Relative Häufigkeit (a) der 10-Minuten-Mittel-Windgeschwindigkeit und (b) der Böen-Geschwindigkeit in 1 m s-1–Klassen an der TAWES-Station in Bregenz bezogen auf die Gesamtzahl aller als Typ-2-Pfänderwind klassifizierten Stundenwerte von Januar 2002 bis Dezember 2012. Die rote, strichpunktierte Linie gibt den arithmetischen Mittelwert an. bewegte sich westwärts und Bregenz geriet zunehmend in Einfluss westlicher bis südwestlicher Strömung. Die potentiell kühleren Luftmassen befanden sich dabei südlich der Alpen und ein starker Druckgradient bildete sich entlang der Alpenkette aus. Eine solche synoptische Lage führt in vielen Alpentälern typischerweise zu Südföhn, welcher ab dem 29. Oktober für mehrere Tage auch manche Rheintalstationen beeinflusste. Um den Temperaturunterschied zwischen Bregenz und den umliegenden Stationen zu erreichen dürfte dennoch die Ausbildung von Kaltluft im Rheintal entscheidend gewesen sein. BRE NORTH a) 30% Windstille: 0.0 % Daten: 100.0 % 25% 20% 5% EAST SOUTH Windstille: 8.0 % Daten: 94.8 % 15% 10% WEST SEE NORTH b) WEST ≥8 7−8 6−7 5−6 4−5 3−4 <3 EAST SOUTH ≥8 7−8 6−7 5−6 4−5 3−4 <3 Abbildung 4.18: Windrosen basierend auf den Daten aller als Typ-2-Pfänderwind klassifizierten Stundenwerte (Temperaturschwellwert 4 K) der (a) TAWES-Station in Bregenz (BRE) und (b) des Seezeichen 75 am Hafen von Bregenz (SEE). Verteilung der Windrichtung in 10°-Schritten, die Kreise geben den Prozentanteil der jeweiligen Windrichtung an. Zusätzlich wird der Anteil jeder Geschwindigkeitsklasse (m s-1) farblich codiert. Der Anteil der Kalmen sowie der Anteil der vorhandenen Daten (bezogen auf die Gesamtzahl aller als Pfänderwind klassifizierten Stundenwerte) werden angegeben. Die Lage der beiden Stationen ist in Abb. 4.16 eingezeichnet. Auswertung über den Zeitraum April 2006 bis Dezember 2012. 58 Wie bereits in vorangegangenen Kapiteln erwähnt, ist die Hafenstation von Bregenz erst seit April 2006 in Betrieb. Daher können die Daten nur für den Zeitraum von April 2006 bis Dezember 2012 mit der TAWES-Station von Bregenz verglichen werden. Wie in Abb. 4.18a und 18b zu erkennen, sind die Windgeschwindigkeiten an der Station Seezeichen 75 am Hafen von Bregenz schwächer, als sie an der TAWES-Station von Bregenz typisch sind. Die durchschnittliche Windgeschwindigkeit beträgt an der Hafenstation nur 2.8 m s-1. An der TAWES-Station von Bregenz liegt diese im selben Zeitraum bei 4.5 m s-1. Auch die dominierenden Windrichtungen weisen eine leicht östlichere Komponente auf. Während sie an der TAWES-Station im betrachteten Zeitraum im Schnitt bei 158° liegen, sind es am Seezeichen 75 durchschnittlich 150°. Die Hafenstation liegt etwas westlicher als die TAWESStation (Abb. 4.16). Dadurch befindet sie sich nicht mehr unmittelbar im Einflussbereich des Gebhardsberges. Dies ist ein weiterer Hinweis darauf, dass es sich beim Typ-2-Pfänderwind um ein sehr lokales Phänomen handelt. 4.2.3 Regionale Windverhältnisse Im Folgenden werden die Windrichtungen und Windgeschwindigkeiten während Typ-2Pfänderwinden an Stationen um Bregenz untersucht. Um möglichen Südföhn-Einfluss zu erkennen, sind Stationen im Rheintal von besonderem Interesse. Da das Muster der Windverteilung für unterschiedlich lange Zeitspannen innerhalb des untersuchten 11-jährigen Zeitraumes sehr ähnlich ist, werden Daten von Stationen, die nicht von Beginn des Untersuchungszeitraumes an Messwerte liefern, mit den vollständigen Zeitreihen verglichen. Der Anteil der vorhandenen Daten wird angegeben. Die Station Säntis weist eine starke westsüdwestliche Anströmung auf (Abb. 4.19a). Werte bis zu 26 m s-1 der 10-Minuten-Mittelwindgeschwindigkeit wurden gemessen, der Median liegt jedoch bei vergleichsweise geringen 6 m s-1. Da die Station Säntis sehr hoch liegt (2502 m), kann ihre Windrichtung als vorherrschende Höhenströmung angenommen werden. Im Schnitt liegt diese bei 240°. Für hochreichenden Südföhn in den Alpentälern ist meist eine stärkere Südkomponente erforderlich. Südwinde machen aber nur etwa 15 % der Fälle aus. Seichter Föhn tritt hingegen auch bei westsüdwestlicher Anströmung auf (vgl. Kapitel 1.3.2). Die südlich gelegenen Rheintalstationen, wie Chur und Vaduz, weisen im Allgemeinen eine höhere Südföhn-Häufigkeit auf als sie in der Nähe des Bodensees verzeichnet wird (Gutermann et al. 2012). Allerdings treten dort während der meisten Typ-2Pfänderwindfälle nur verhältnismäßig geringe Windstärken auf (Abb. 4.19b und 4.19c). Fast 90 % aller Windgeschwindigkeiten, sowohl in Chur als auch in Vaduz, sind geringer als 5 m s-1 und die Windrichtungen entsprechen der Talausrichtung. Es handelt sich dabei meist um nächtliches Ausfließen. Allerdings weist Vaduz einen kleinen Anteil von sehr starken Südwinden auf, welche durchaus auf Südföhn schließen lassen. Es muss bedacht werden, dass Südost-Pfänderwinde meist in den frühen Morgenstunden auftreten und somit womöglich auch nächtliche Kaltluft in Chur und Vaduz den Föhn nicht ins Tal absteigen lässt. Analysen des gesamten Tagesverlaufes eines Pfänderwindtages (Pfänderwindtag entspricht 59 dem Tag mit dem ersten Pfänderwindeintrag eines bestimmten Ereignisses) zeigen jedoch ein ähnliches Bild. An etwa 30 % aller Tage wurde in Vaduz mindestens einmal eine Geschwindigkeit von 5 m s-1 überschritten, 10 m s-1 wurden an nur noch 3 % aller Pfänderwindtage erreicht. In Chur wurden an etwa 65 % aller Tage Windgeschwindigkeiten über 5 m s-1 gemessen, 10 m s-1 wurden aber mit weniger als einem Prozent kaum erreicht. Es kann sich daher nur selten um eine ausgeprägte Föhnströmung handeln, die den Talboden des Rheintals erreicht und nur nachts von einem Kaltluftsee zum Abheben gezwungen wird. Schwachwindiger Föhneinfluss wäre aber dennoch denkbar. Hierfür müssten jedoch die Luftmassen der jeweiligen Tal- und Gipfel-Station verglichen werden. Weitere Anmerkungen zum möglichen Föhneinfluss in Chur und Vaduz finden sich in den Auswertungen der regionalen Temperaturunterschiede in Kapitel 4.2.4. Besonders auffällig präsentiert sich die Station am Gäbris (Abb. 4.19d). Der Gäbris ist ein 1241 m hoher Berggipfel westlich des Rheintals. Dort wurden während des Beobachtungszeitraumes Windstärken von bis zu 14.9 m s-1 gemessen, und im Schnitt liegen diese bei 5.3 m s-1. Die Häufigkeiten der Windrichtungen weisen zwei Maxima auf, eines bei Süd- und eines bei Westwinden. Die westliche Komponente entspricht der meist vorherrschenden und in diesen Fällen am höher gelegenen Säntis auch nahezu ausschließlich auftretenden, westsüdwestlichen Anströmung. Bei der Südkomponente handelt es sich möglicherweise um eine südföhnige Strömung durch das Rheintal. In etwa 40 % dieser Fälle werden auch am Säntis Südwinde registriert. Wenn sowohl am Gäbris als auch am Säntis Südwinde herrschen, weist die Häufigkeit der Windrichtungen in Vaduz ebenfalls eine starke Südkomponente auf. In diesen Fällen handelt es sich um hochreichenden Föhn, der im südlichen Rheintal den Talboden erreicht und im nördlichen Rheintal von einem bodennahen Kaltluftsee zum Abheben gezwungen wird. Der Kaltluftsee wird lediglich in Bregenz erodiert. Wenn am Säntis Südwest- bis Westwinde auftreten, handelt es sich bei den Südwinden am Gäbris wahrscheinlich um seichten Föhn unterhalb des Höhenniveaus des Säntis. Auch St. Gallen (775 m) weist neben schwachen Hangabwinden eine südöstliche Komponente mit etwas stärkeren Windgeschwindigkeiten auf (Abb. 4.19e). Folglich dürften Föhnwinde vereinzelt auch auf St. Gallen übergreifen. Diese treten ebenfalls ausschließlich dann auf, wenn am Gäbris Südwinde herrschen. An vielen nördlicheren Talstationen übersteigt die Windgeschwindigkeit nur in wenigen Fällen 2 m s-1. Stationen wie Dornbirn (Abb. 4.19f) und Feldkirch (Abb. 4.19g) liegen im ruhigen Kaltluftsee, der sich in der Nacht im Rheintal ausbildet. In Dornbirn wird auch der größte Anteil an Kalmen verzeichnet. Die südwestliche bis südöstliche Komponente wird durch nächtliches Ausfließen der Kaltluft aus dem Rheintal und den östlichen Seitentälern verursacht. Die Stationen Fraxern (Abb. 4.19h) und Eichberg-Oberrütti (Abb. 4.19i) weisen ebenfalls nur schwache Winde auf, die jeweils durch die nächtliche Auskühlung als Hangabwinde von den anliegenden Berghängen herabfließen. Dies äußert sich in Fraxern als Nordostwind, in Eichberg-Oberüti als Westwind. In Heerbrugg beschränkt sich die 60 a) SAE NORTH 25% b) CHU NORTH Windstille: 4.1 % Daten: 98.0 % 20% 15% Windstille: 4.4 % Daten: 98.3 % 10% 5% WEST WEST EAST EAST SOUTH SOUTH c) d) VAD NORTH 30% 10% 20% Windstille: 0.2 % Daten: 98.7 % 5% 10% WEST GAE NORTH Windstille: 0.9 % Daten: 98.5 % WEST EAST EAST SOUTH SOUTH e) f) GAL NORTH 15% 9% 10% Windstille: 4.3 % Daten: 100.0 % 6% 5% 3% WEST WEST EAST SOUTH g) DOR NORTH Windstille: 1.3 % Daten: 98.3 % EAST SOUTH FEL NORTH 9% h) 6% 6% 2% EAST SOUTH Windstille: 0.8 % Daten: 83.5 % 4% 3% WEST FRA NORTH Windstille: 0.4 % Daten: 99.7 % WEST EAST SOUTH 61 EIO NORTH i) 10% Windstille: 0.0 % Daten: 56.6 % 30% 10% WEST EAST WEST SOUTH LIN 10% Windstille: 6.8 % Daten: 98.5 % l) 6% 2% SOUTH WEST EAST SOUTH SUL NORTH 6% Windstille: 0.2 % Daten: 38.3 % 4% 2% EAST SOUTH Windstille: 0.0 % Daten: 39.4 % 4% EAST WEST ROH NORTH 5% WEST EAST SOUTH NORTH m) Windstille: 0.5 % Daten: 99.6 % 20% 5% k) HEE NORTH j) ≥ 12 11 − 12 10 − 11 9 − 10 8−9 7−8 6−7 5−6 4−5 3−4 2−3 <2 Abbildung 4.19: Windrosen, basierend auf den Daten aller als Typ-2-Pfänderwind klassifizierten Stundenwerte (Temperaturschwellwert 4 K) der Stationen (a) Säntis (SAE), (b) Chur (CHU), (c) Vaduz (VAD), (d) Gäbris (GAE), (e) St. Gallen (GAL), (f) Dornbirn (DOR), (g) Feldkirch (FEL), (h) Fraxern (FRA), (i) Eichberg-Oberüti (EIO), (j) Herrbrugg (HEE), (k) Lindau (LIN), (l) Rohrspitz (ROH) und (m) Sulzberg (SUL). Die Lage der gezeigten Stationen ist Abb. 2.1 zu entnehmen. Verteilung der Windrichtung in 10-Grad-Schritten, die Kreise geben den Prozentanteil der jeweiligen Windrichtung an. Zusätzlich wird der Anteil jeder Geschwindigkeitsklasse (m s-1) farblich codiert. Der Anteil der Kalmen sowie der Anteil der vorhandenen Daten (bezogen auf die Gesamtzahl aller als Pfänderwind klassifizierten Stundenwerte) werden angegeben. Auswertung über den Zeitraum Januar 2002 bis Dezember 2012. 62 Windrichtung hingegen auf einen Bereich von 205 bis 225° und auch die Geschwindigkeiten übersteigen häufig 3 m s-1. Winde in Lindau kommen bevorzugt aus südöstlicher bis östlicher Richtung (Abb. 4.19j). Vor allem Winde mit südöstlicher Komponente erreichen zum Teil relativ hohe Geschwindigkeiten von bis zu 8.7 m s-1. Eventuell wird Lindau hier von Winden beeinflusst, die über das Pfändermassiv absinken und föhnartig beschleunigen. Die stärksten Winde in Lindau treten jedoch nicht zur selben Zeit wie in Bregenz auf. Die schwächeren Winde aus Nordost werden durch lokale Land-Seewind-Zirkulationen hervorgerufen (bei Nacht Landwind). Bei den schwächeren Ostwinden dürfte es sich um Hangabwinde des Pfänders handeln (vgl. Huss und Stranz 1970). Am Rohrspitz wehen die Winde im Schnitt mit einer Geschwindigkeit von 2.6 m s-1 meist aus südöstlicher Richtung (Abb. 4.19k). Ein Zusammenspiel aus Talwind- und Landseewind-Zirkulationen führt zu den vorherrschenden Windrichtungen. Besonders auffällig ist jedoch die zusätzliche westnordwestliche Komponente. Diese Windrichtungen aus Südwest (225°) bis Nordwest (315°) machen knapp 8 % aller Fälle aus. Es ist möglich, dass sich durch den Pfänder-„Föhn“ bei Bregenz ein Leetief bildet und die Westwinde am Rohrspitz als Ausgleichsströmung Richtung Bregenz fließen. Während etwa 65 % dieser Westnordwest-Fälle werden am Gäbris Südwinde registriert. Somit herrscht dabei in dieser Höhe eine föhnige Südströmung welche auch im Rheintal ein Leetief bilden kann und diese Ausgleichsströmung hervorruft. Am Sulzberg herrscht während Typ-2-Pfänderwind meist schwacher Südwest- bis Südwind mit durchschnittlich 2.2 m s-1 (Abb. 4.19m). Für weiterführende Diskussionen sind auch die Temperaturunterschiede zu Bregenz von Bedeutung. Diese werden im nächsten Kapitel besprochen. 4.2.4 Regionale Temperaturunterschiede Wie bereits des Öfteren erwähnt, weisen sich Typ-2-Pfänderwinde durch hohe potentielle Temperaturunterschiede zwischen Bregenz und den umliegenden Stationen aus. In Abb. 4.20 werden die potentiellen Temperaturdifferenzen verschiedener Stationen im Rheintalund Bodenseegebiet gezeigt. Das entsprechende Temperaturmuster ändert sich für unterschiedlich lange Beobachtungszeiträume kaum. Aus diesem Grund werden alle gezeigten Stationen, trotz unterschiedlich langer Datenreihen, miteinander verglichen. Der Anteil der vorhandenen Daten wird angegeben. Wie in Abb. 4.20a zu erkennen, sind die Stationen im Rheintal meist kälter als Bregenz. Dies bekräftigt die Annahme eines Kaltluftsees, der sich in der Nacht ausbildet. Dornbirn ist während Typ-2-Pfänderwinden im Median 5.2 K kälter als Bregenz. Dabei muss beachtet werden, dass nur Ereignisse mit mindestens 4 K Unterschied zwischen Bregenz und Dornbirn als Pfänderwind klassifiziert werden. In Ausnahmefällen wurden Temperaturunterschiede von bis zu 10.4 K erreicht. Dies war beispielsweise am 05. Mai 2003 der Fall. In Bregenz wurden zur selben Zeit überdurchschnittliche Windgeschwindigkeiten von 6 bis 7 m s-1 gemessen. Auch die anderen, am Talboden des nördlichen Rheintals liegenden Stationen wie Feldkirch, Eichberg-Oberau und Heerbrugg sind meist mehr als 2 K kälter als Bregenz. Eichberg-Oberau und Heerbrugg sind dabei die beiden wärmeren der genannten Orte. 63 Eichberg-Oberau liegt bereits 50 bzw. 90 m höher als Dornbirn und Feldkirch, was in einer stabil geschichteten Talatmosphäre höhere potentielle Temperaturen mit sich bringt. Auch die Struktur des Rheintals kann die Unterschiede zwischen Ost (Feldkirch und Dornbirn) und West (Eichberg-Oberau und Heerbrugg) mitverursachen. Genau betrachtet weist das Rheintal im Osten mehrere Seitentäler, wie beispielsweise der Walgau bei Feldkirch oder das Tal der Dornbirner Ache bei Dornbirn auf. Der Westen des Rheintals wird hingegen von steil ansteigenden Gebirgen begrenzt. Somit kann nächtliches Ausfließen der Kaltluft aus den Seitentälern möglicherweise die kälteren potentiellen Temperaturen im östlichen Teil des Rheintals verursachen. An der südlichsten Rheintalstation in Chur sind die potentiellen Temperaturen ebenfalls meist geringer als in Bregenz. Ausfließen von Kaltluft aus anliegenden Seitentälern verstärkt auch dort die Abkühlung. Selbigen Effekt macht Gutermann et al. (2012) für die geringere Föhnhäufigkeit in den frühen Morgenstunden in Chur, verglichen mit nahe gelegenen Orten wie Bad Ragaz oder Sargans, verantwortlich. Verglichen mit Dornbirn sind die Luftmassen beispielsweise in Feldkirch oder Chur im Schnitt dennoch wärmer, was darauf hindeutet, dass diese Standorte in einzelnen Fällen Föhneffekte spüren. In Vaduz liegt der Median nur ein halbes Grad unter dem Niveau von Bregenz und in etwas mehr als 25 % der Fälle ist Vaduz sogar wärmer als Bregenz. Vaduz befindet sich somit oftmals in vergleichbarer Föhnluft. Eichberg-Oberüti weist während Typ-2-Pfänderwinden meist etwas geringere, Fraxern leicht höhere potentielle Temperaturen als Bregenz auf. Auf den Zusammenhang zwischen den geringen Temperaturdifferenzen zu Bregenz und der Höhenlage dieser beiden Stationen wird auf Seite 68 näher eingegangen. Die, Bregenz nahe gelegenen, Bodenseestationen Rohrspitz, Lindau und Altenrhein weisen ebenfalls geringere Temperaturen als Bregenz auf (Abb. 4.20b). Der Median der Differenz liegt dabei in Altenrhein bei 4.3 K, am Rohrspitz bei 3.6 K und in Lindau bei 2.5 K. Der stärkste Temperaturunterschied von 11.5 K wurde am 19. Oktober 2011 zu Altenrhein erreicht. Andere Stationen um den Bodensee, wie etwa Güttingen, Konstanz oder Friedrichshafen, aber auch Stationen weiter stromabwärts wie Kempten oder LeutkirchHerlazhofen (nicht gezeigt) weisen noch extremere Unterschiede von 12.2 K (Güttingen) bis 14.2 K (Friedrichshafen) zu Bregenz auf. Im Schnitt beträgt die potentielle Temperaturdifferenz dieser Stationen 3.6 bis 6.2 K zu Bregenz. In mehr als drei Viertel aller Fälle liegen die Temperaturen auch an der Hafenstation von Bregenz unter jenen an der TAWES-Station. Werte von bis zu 7.7 K Unterschied zwischen TAWES-Station und Seezeichen 75 wurden im Zeitraum von April 2006 (Beginn der Aufzeichnungen am Seezeichen 75) bis Dezember 2012 erreicht. Wie in Kapitel 4.2.3 bereits besprochen wurde, sind auch die Windgeschwindigkeiten an der Hafenstation geringer, da sich die Hafenstation nicht direkt im Einflussbereich des Gebhardsberges befindet. Das Typ-2-Pfänderwind-Phänomen ist daher sehr lokal auf die direkt an die Hänge des Gebhardsberges anliegenden Gebiete beschränkt. 64 Differenz der potentiellen Temperatur, Typ 2 (K) a) 99.7 % 98.3 % 14.5 % 89.0 % 56.6 % 98.5 % 83.5 % Dornbirn Feldkirch Chur Eichberg− Oberau Heerbrugg Eichberg− Oberrüti Vaduz Fraxern 407 m 438 m 556 m 494 m 408 m 620 m 457 m 807 m 8 6 4 2 0 −2 −4 −6 −8 −10 −12 b) Differenz der potentiellen Temperatur, Typ 2 (K) 100 % 10 81.2 % 89.4 % 100 % 100 % 39.4 % 95.8 % 51.6 % Friedrichshafen Güttingen Altenrhein Konstanz Rohrspitz Lindau Seezeichen 75 417 m 440 m 399 m 442 m 395 m 400 m 400 m 8 6 4 2 0 −2 −4 −6 −8 −10 −12 −14 −16 c) Differenz der potentiellen Temperatur, Typ 2 (K) 38.3 % 98.5 % 94.6 % 98.6 % 25 20 15 10 5 0 −5 −10 Sulzberg Gäbris Ebenalp Säntis 1018 m 1241 m 1640 m 2502 m Abbildung 4.20: Differenz der potentiellen Temperaturen Δ = 1232456 − 89:;:6< von Stationen (a) im Rheintal, (b) um den Bodensee, (c) in höheren Lagen zu Bregenz als „Box-Whisker-Plot“. Der Median ist rot gekennzeichnet. Die Balken umfassen den Bereich zwischen unterem und oberem Quartil, die „Whiskers“ umfassen das 2.7-fache der Standardabweichung. Die roten Kreuze stellen die Ausreißer dar. Oben wird der Anteil der vorhandenen Daten, bezogen auf die Gesamtanzahl der als Typ-2-Pfänderwind klassifizierten Stundenwerte angegeben. Auswertung über den Zeitraum Januar 2002 bis Dezember 2012. 65 Wie in Abb. 4.20a und 4.20b zu erkennen, gibt es sowohl an den Rheintal- als auch an den Bodenseestationen Ausnahmefälle mit höheren Temperaturen als in Bregenz. Diese gehen an den jeweiligen Stationen zumeist auch mit höheren Windgeschwindigkeiten aus südlicher Richtung einher (besonders markant in Eichberg-Oberau, Rohrspitz und Vaduz), was Südföhn-Einfluss vermuten lässt. Aber auch lokale Druckunterschiede infolge von Schwerewellen können am Boden zu verstärkten Winden führen, welche höhere Turbulenz verursachen. Die bodennahe Kaltluft kann durch turbulente Durchmischung lokal abgeschwächt werden, wodurch diese Standorte wärmer erscheinen. Abbildung 4.20c zeigt Stationen in höheren Lagen. Sie werden vom bodennahen Kaltluftsee nicht mehr beeinflusst. Am Sulzberg (auf 1018 m) liegen die potentiellen Temperaturen im Schnitt bereits mehr als 2.5 K über jenen von Bregenz. Mit der Höhe nehmen diese weiter zu, wodurch die noch höher gelegenen Stationen Gäbris, Ebenalp und Säntis immer potentiell wärmer als Bregenz sind. Um ein pseudovertikales Profil der Schichtung im Rheintal zu erhalten, wird in Abb. 4.21 die potentielle Temperaturdifferenz aller oben besprochenen Stationen nochmals gegen die Höhe geplottet. Erneut ist der bodennahe Kaltluftsee mit den niedrigen potentiellen Temperaturen deutlich zu erkennen. Da die potentielle Temperatur mit der Höhe stark 2600 1 ... Bregenz [100 %] 20 2 ... Rohrspitz [39.4 %] 2400 3 ... Altenrhein [100 %] 4 ... Seezeichen 75 [51.6 %] 2200 5 ... Lindau [95.8 %] 2000 6 ... Dornbirn [100 %] 7 ... Heerbrugg [89 %] Höhe (m ASL) 1800 8 ... Friedrichshafen [81.2 %] 9 ... Feldkirch [99.7 %] 19 1600 10 ... Güttingen [89.4 %] 11 ... Konstanz [100 %] 1400 12 ... Vaduz [98.5 %] 18 1200 14 −6 6 16 ... Fraxern [83.5 %] 17 ... Sulzberg [38.3 %] 600 8 15 ... Eichberg− Oberrüti [56.6 %] 16 800 Kammniveau −8 14 ... Chur [98.3 %] 17 1000 400 13 ... Eichberg− Oberau [14.5 %] 11 10 9 3 2 13 5 7 18 ... Gäbris [98.5 %] 15 19 ... Ebenalp [94.6 %] 12 1 4 −4 −2 0 2 4 6 Differenz der potentiellen Temperatur, Typ 2 (K) 20 ... Säntis [98.6 %] 8 10 Abbildung 4.21: Pseudovertikales Profil der potentiellen Temperaturdifferenzen, basierend auf den als Typ-2-Pfänderwind klassifizierten Stundenwerten (Temperaturschwellwert 4 K) von Januar 2002 bis Dezember 2012. Auf der x-Achse wird die Differenz der potentiellen Temperaturen > = 1232456 − 89:;:6< angegeben. Der Median ist als schwarzer Punkt gekennzeichnet, die Balken umfassen den Bereich zwischen unterem und oberem Quartil. Die vertikal strich-punktierte Linie entspricht dem Referenzniveau der TAWES-Station Bregenz, die horizontal gestrichte Linie entspricht dem Kammniveau des südlichen Ausläufers des Pfänders. Rechts wird die Nummerierung erläutert und der Prozentanteile der vorhandenen Daten der jeweiligen Station angegeben. 66 zunimmt, ist diese Schicht sehr stabil. Die Kaltluft ist etwa 100 bis 200 m hoch. Auch darüber hinaus nimmt die potentielle Temperatur weiterhin mit der Höhe zu. Werden Sulzberg und Ebenalp als Referenz gewählt, ergibt sich ein potentieller Temperaturgradient von 0.67 K pro 100 m. Umgerechnet entspricht dies einer Abnahme der Lufttemperatur von -0.33 K pro 100 m. In der internationalen Standardatmosphäre wird, wie bereits erwähnt, eine Temperaturabnahme von -0.65 K pro 100 m angenommen. Das heißt bei Typ-2Pfänderwinden ist die Atmosphäre stabiler als die Standardatmosphäre geschichtet. In Abb. 4.21 wird das Kammniveau des südlichen Ausläufers des Pfänders angedeutet. Diesen bildet ein etwa 700 m hoher Bergrücken, der mit dem 598 m hohen Gebhardsberg abschließt (siehe Kapitel 1.2). Bei einem Absinkprozess sollte die potentielle Temperatur an der Talstation in etwa der potentiellen Temperatur am Gipfel entsprechen. EichbergOberrüti liegt auf 620 m und misst im Schnitt etwas tiefere Temperaturen als Bregenz. Etwas höher als in Bregenz sind die Temperaturen in Fraxern auf 807 m. Das heißt, in erster Näherung kann davon ausgegangen werden, dass die Luftmassen in etwa aus dem Niveau des südlichen Pfänderausläufers nach Bregenz absteigen. Die extremen Temperaturdifferenzen, die dabei beobachtet werden, sind nur durch die extrem stabile Schichtung in Bodennähe, welche eine Folge des Kaltluftsees ist, möglich. 67 5 Diskussion Pfänderwinde treten in zwei unterschiedlichen Formen auf. Schon die Fallbeispiele des dritten Kapitels weisen auf konträre synoptische Druckverteilungen hin, die während des jeweiligen Pfänderwind-Typs herrschen. Der klassische oder Typ-1-Pfänderwind tritt auf, wenn sich nördlich der Alpen ein Hochdruckgebiet befindet. Dieses wird antizyklonal umströmt, was sich im Raum Bregenz als Nordost- bis Ostströmung äußert. Während dieselben synoptischen Situationen im Schweizer Mittelland zu Bisen-Winden führen, kann über den Dinarischen Alpen auch Bora beobachtet werden (vgl. Kapitel 3.1). Ein anderes Druckmuster zeigt sich bei den Südost- oder Typ-2-Pfänderwinden. Hierbei ist der hohe Luftdruck südlich der Alpenkette zu finden, während nördlich oder nordwestlich der Alpen ein Tiefdruckgebiet besteht. Die Region um Bregenz wird somit zumeist von westsüdwestlicher Strömung beeinflusst. Hierbei kann seichter Föhn auftreten, und in Einzelfällen wird im südlichen Rheintal auch hochreichender Föhn beobachtet. Die Auswirkungen der beiden Pfänderwind-Typen unterscheiden sich sowohl in Windrichtung und Windgeschwindigkeit als auch in den Temperaturdifferenzen zwischen Bregenz und den umliegenden Stationen. Während beim klassischen Pfänderwind vergleichsweise hohe Windgeschwindigkeiten auftreten (im Mittel 7.3 m s-1 bei Typ-1 vs. 4.3 m s-1 bei Typ-2), weist sich Typ-2 durch eine markante Temperaturerhöhung von durchschnittlich 3 bis 5 K aus. In Einzelfällen werden zwischen Bregenz und den umliegenden Stationen auch potentielle Temperaturdifferenzen von mehr als 10 K verzeichnet. Bei Typ-1Ereignissen macht die Temperaturerhöhung hingegen zumeist weniger als 1 K aus. In beiden Fällen werden die Winde jedoch mit großer Sicherheit durch föhnartige Absinkprozesse hervorgerufen. Während die Luftmassen bei Typ-1-Winden direkt über den Pfänder absteigen und somit einen Höhenunterschied von etwa 600 m überwinden, sinken sie bei Typ-2-Ereignissen etwa 300 m über den Pfänderausläufer und Gebhardsberg nach Bregenz herab. Trotzdem ist die Temperaturerhöhung bei den Südost-Winden (Typ-2) wesentlich stärker ausgeprägt. Diese Tatsache geht aus der unterschiedlich stabilen Schichtung bei Typ-1 und Typ-2 hervor, welche in den pseudovertikalen Profilen der potentiellen Temperaturdifferenzen in Abb. 4.10 und 4.21 (Kapitel 4.1.4 und 4.2.4 ) zu erkennen sind. Der massive Temperaturunterschied der Typ-2-Ereignisse ist eine Folge des stabilen, bodennahen Kaltluftsees, der durch nächtliche Auskühlung im Rheintal- und Bodenseegebiet entsteht und lediglich in Bregenz erodiert wird. Die potentielle Temperatur nimmt im bodennahen Kaltluftsee mit der Höhe stark zu. Da beim Absinken über den Pfänderausläufer potentiell wärmere Luftmassen aus einem Niveau oberhalb des bodennahen Kaltluftsees nach Bregenz absteigen, kommt es zu dem markanten Anstieg in der Temperatur. Bei Typ-1Ereignissen ist die Atmosphäre hingegen nur schwach stabil geschichtet. Somit erfolgt durch das Absinken von Luftmassen, die von oberhalb des Kammniveaus stammen, in Bregenz keine starke Temperaturerhöhung (vgl. Kapitel 4.1.4). Weiters werden mit der 68 Nordostströmung häufig kalte Luftmassen herantransportiert. Bei Föhnwinden, welche mit Kaltluftadvektion verbunden sind, werden die Luftmassen im Lee oft trotz adiabatischem Absinken nur durch geringfügig wärmere, oder sogar kältere Luftmassen ersetzt. Ein solcher Effekt wird beispielsweise bei Nordföhn in den Alpentälern beobachtet (Geier 2001). Wie im Fallbeispiel des Kapitels 3.1 angedeutet, kann bei synoptischen Lagen, die zu Typ-1Pfänderwinden führen auch Bora eintreten, die im Lee zu einer Abkühlung führt. In Kapitel 4.1.1 wurde gezeigt, dass Typ-1-Winde hauptsächlich abends auftreten. Damit Föhnwinde durchbrechen können, müssen sich entweder stromabwärts oder stromaufwärts die Bedingungen ändern. In Innsbruck gibt es beispielsweise am Nachmittag ein deutliches Föhnmaximum (vgl. z.B. Föst (2006), Ortner (2010)). Die bodennahe Kaltluft wird durch Strahlung vom Boden her, sowie durch turbulente Durchmischung von oben her abgebaut. Erst wenn die Kaltluft beseitigt ist, kann der Föhn ins Tal absteigen. Es handelt sich dabei also um einen stromabwärtigen Effekt, der den Föhn durchbrechen lässt. Wie in Kapitel 1.3.2 besprochen, ist die Geschwindigkeit im Lee aber auch eine Funktion der Anströmungsgeschwindigkeit und der Stabilität stromaufwärts. Obwohl es nicht ausgeschlossen werden kann, ist es doch unwahrscheinlich, dass sich die synoptische Anströmung stets abends verstärkt. Generell können sich Schwerewellen nur dann bilden, wenn die Überströmung des Gebirges länger dauert als eine Schwere-Oszillation. Da die Oszillationsperiode umso kürzer ist, je stabiler die Schicht ist (vgl. Kapitel 1.3.2), können sich über dem Pfänder möglicherweise erst dann Schwerewellen und folglich Föhnwinde ausbilden, wenn die Grenzschicht auskühlt und die Stabilität entsprechend ansteigt. Gohm und Mayr (2005) weisen für Bora-Winde einen durch Grenzschichteffekte hervorgerufenen Tagesgang in der Windstärke nach. In der Nacht bildet sich durch Auskühlung eine stabile Grenzschicht, die mit einem sogenannten „low-level-jet“ einhergeht und die Bora verstärkt. Untertags baut sich eine konvektive Grenzschicht auf, der „low-level-jet“ verschwindet und die Borawinde werden schwächer. Ein ähnlicher Effekt ist auch bei Typ-1-Pfänderwinden denkbar. In den späteren Nachtstunden hebt der Pfänder-„Föhn“ jedoch durch lokal erzeugte Kaltluft im Lee wieder ab. Typ-2-Pfänderwinde treten hingegen erst dann auf, wenn im Rheintal- und Bodenseegebiet ein ausgeprägter Kaltluftsee vorhanden ist, also zumeist in den frühen Morgenstunden. Während der Typ-2-Ereignisse herrscht nördlich oder nordwestlich der Alpenkette tiefer Luftdruck und die Anströmungsrichtung ist folglich vorwiegend westsüdwestlich. Wie in Kapitel 4.2.3 besprochen, tritt in Einzelfällen auch eine hochreichende Südströmung auf, bei der im südlichen Rheintal Südföhn herrscht, welcher von der bodennahen Kaltluft im nördlichen Rheintal zum Abheben gezwungen wird. Die warmen Luftmassen strömen oberhalb des ruhigen Kaltluftsees weiter nach Norden und sinken lediglich in Bregenz erneut ab. Wie bereits erwähnt, ist eine hochreichende Südströmung die Ausnahme. Bei Südwestbis Westströmungen kann jedoch seichter Föhn entstehen (vgl. Kapitel 1.3.2). Da in mehr als 40 % aller Typ-2-Fälle an der 1241 m hoch gelegenen Station am Gäbris Südwinde registriert werden, ist eine seichte südföhnige Strömung oberhalb des Kaltluftsees während dieser Ereignisse wahrscheinlich. Wie oben beschrieben wird der Kaltluftsee lediglich in Bregenz 69 erodiert. Trotzdem verbleiben noch etwas mehr als die Hälfte der Ereignisse, während derer weder am Säntis, noch am Gäbris Südwinde registriert werden. Der tiefe Luftdruck nördlich der Alpen kann aber möglicherweise dennoch oberhalb des Kaltluftsees eine, wenn auch nur gering vertikal ausgedehnte ageostrophische Ausgleichsströmung hervorrufen, von der die höher gelegenen Stationen nicht beeinflusst werden. Weiterhin bleibt die Frage bestehen, weshalb die warmen Luftmassen in Bregenz absinken. Hier können nur Vermutungen angestellt werden, da für einen Nachweis Simulationen nötig wären. Der Ausläufer des Pfänders liegt mit 600 bis 700 m Höhe knapp über dem Kaltluftsee und somit in einem Bereich, in dem sich die Inversionschicht befindet. Durch die Föhn- oder Ausgleichströmung wird der Bergrücken angeströmt. Damit sich Schwerewellen bilden können, müssen die stromaufwärtige Stabilität, Anströmungsgeschwindigkeit und Bergbreite in einem Verhältnis zueinander stehen, bei dem die Überströmung des Gebirges länger dauert als eine Schwereoszillation (vgl. Kapitel 1.3.2). Im Fall des Typ-2-Pfänderwindes wird ein Bergrücken mit geringer Ausdehnung überströmt. Damit sich Schwerewellen bilden können, muss die Schichtung folglich sehr stabil sein und der Pfänderausläufer verhältnismäßig langsam angeströmt werden. Letzteres kann mitunter ein Grund sein, weshalb dieser PfänderwindTyp nur vereinzelt bei starken Föhnströmungen eintritt. Diese Betrachtungsweise gilt allerdings nur für ein kontinuierlich geschichtetes Medium. Da es bei Typ-2-Winden mit zunehmender Höhe jedoch häufig zu einer Winddrehung von Südost (Bregenz) auf Südwest bis West kommt, wird die vertikale Ausbreitung von Schwerewellen verhindert (vgl. z.B. Shutts 1995). Es ist daher auch möglich, dass sich dieser Pfänderwind-Typ ähnlich wie eine Flachwasserströmung verhält. Das sogenannte „kritische“ Niveau, an welchem die Strömungskomponente in Stromrichtung Null wird (Winddrehung von mindestens 90°), entkoppelt die Kaltluft von der Atmosphäre darüber. Die Grenzfläche zwischen dem Kaltluftsee und der darüber liegenden Südwest- bis Westströmung agiert somit als freie Oberfläche. Wie in Kapitel 1.3.2 besprochen, ist eine freie Oberfläche für die Interpretation als Flachwasserströmung günstig. Die Kaltluft stromaufwärts des Gebhardsberges könnte als Reservoir dienen, aus dem die Luft infolge des synoptischen Druckgradienten nach Norden „abgesaugt“ wird. Die langsame, unterkritische Strömung ("B < 1) wird am Kammniveau des südlichen Pfänderausläufers kritisch ("B = 1) und im Lee bzw. über Bregenz überkritisch ("B > 1) (vgl. Abb. 1.4, Kapitel 1.3.2). Um bei Föhn den Kaltluftsee im Lee abzubauen, gibt es nach Gubser und Richner (2001) drei Möglichkeiten. Erstens kann es in der Kaltluft durch Sonneneinstrahlung zu Konvektion kommen. Dieser Fall kommt für Typ-2-Pfänderwinde nicht in Frage, da sie vor allem in der Nacht und in den frühen Morgenstunden auftreten. Die zweite Möglichkeit ist turbulente Erosion an der Obergrenze der Kaltluft, da durch Scherung zwischen der Föhnströmung und dem ruhigen Kaltluftsee Schwerewellen und Turbulenz generiert wird. Die beiden Luftmassen werden somit durchmischt und die Kaltluft wird von oben schrittweise abgebaut. Drittens kann die Kaltluft statisch oder dynamisch von der Föhnluft „verdrängt“ werden. Möglicherweise ist auch die Temperatur des Bodensees im Vergleich zur bodennahen Kaltluft von Bedeutung. Zum einen wird die stromabwärtige Stabilität durch das, in der 70 Nacht vergleichsweise warme, Wasser reduziert, was den Luftmassen das Absinken erleichtert. Zum anderen kann ein Zusammenspiel von Hangabwinden und Land-Seewinden dazu führen, dass Föhnluft als Ersatz nachströmt. Des Öfteren wurde darauf hingewiesen, dass Typ-1-Pfänderwinde bei Bisenlagen auftreten. Da nach Wanner und Furger (1990) während des Entstehungsprozesses einer klassischen Bise schwacher prefrontaler Föhn wehen kann, welcher wiederum Typ-2-Winde hervorrufen kann, wird abschließend ein solcher Zusammenhang untersucht. Tatsächlich treten in immerhin 20 % der Typ-1-Ereignisse an weniger als drei Tage vor deren Beginn Typ-2-Winde auf, innerhalb von 5 Tagen vor Beginn eines Typ-1-Ereignisses werden in mehr als 30 % aller Fälle Typ-2-Winde registriert. Ein Beispiel hierfür ist der Zeitraum von 11. März 2003 bis 16. März 2003. Am 11. und 12. März traten je am frühen Morgen Typ-2-Winde auf, bevor im Laufe des 12. März eine Kaltfront über Bregenz zog. Daraufhin schob sich ein Hochdruckgebiet an die Nordseite der Alpenkette und eine sogenannte Omegalage entstand. Diese und die damit verbundene Nordostanströmung blieb für mehrere Tage erhalten und von 13. bis 16. März traten täglich Typ-1-Pfänderwinde auf. 71 6 Schlussfolgerung In der vorliegenden Arbeit wurden Häufigkeiten sowie jahres- und tageszeitliche Abhängigkeiten der Bregenzer Pfänderwinde untersucht. Auch die lokalen und regionalen Windverhältnisse sowie Temperaturunterschiede zwischen Bregenz und den umliegenden Stationen wurden betrachtet. Weiters konnten erste Erkenntnisse über die Ursachen der Pfänderwinde gewonnen werden. Hierfür wurden zunächst Kriterien festgelegt, mit denen Pfänderwindereignisse in einer 11-jährigen Datenreihe identifiziert wurden. Für regionale Untersuchungen standen Messungen von 42 Wetterstationen im Rheintal- und Bodenseegebiet zur Verfügung. Eine erste wichtige Erkenntnis ist, dass Pfänderwinde in zwei unterschiedlichen Formen auftreten. Sie wurden in der vorliegenden Arbeit in Typ-1 und Typ-2 eingeteilt. Ersterer zeichnet sich durch vergleichsweise hohe Windgeschwindigkeiten und letzterer durch massive Temperaturunterschiede zwischen Bregenz und den umliegenden Stationen aus. Typ-1 tritt bei Nordostströmungen auf, die zumeist von einem Hochdruckgebiet nördlich der Alpen hervorgerufen werden. Dieselben synoptischen Lagen können im Schweizer Mittelland auch zu Bise und in den Dinarischen Alpen zu Bora führen. Typ-2 tritt hingegen bei Westsüdwestströmungen auf, wobei nördlich oder nordwestlich der Alpen tiefer Luftdruck herrscht. Eine südföhnige oder ageostrophische Ausgleichsströmung durch das Rheintal verhält sich dabei möglicherweise wie eine Flachwasserströmung, wobei die Luftmassen im Lee des südlichen Pfänderausläufers absinken. Der klassische, oder Typ-1-Pfänderwind tritt im Schnitt 12.7 Mal pro Jahr auf, wohingegen Typ-2 mit 40.5 Ereignissen pro Jahr wesentlich häufiger ist. Typ-1-Ereignisse treten zumeist im Frühjahr von März bis Mai ein. Typ-2-Ereignisse hängen hingegen nur geringfügig von der Jahreszeit ab. Allerdings treten sehr hohe potentielle Temperaturunterschiede von mehr als 7 K zwischen Bregenz und Dornbirn zumeist im Frühjahr oder im Herbst auf. Klassische Pfänderwinde (Typ-1) treten bevorzugt am Abend auf, während Südost-Winde (Typ-2) in den Nacht- und frühen Morgenstunden am häufigsten anzutreffen sind. Beiden Winden ist gemeinsam, dass sie meist nur wenige Stunden andauern. An der TAWES-Station von Bregenz liegt die Hauptwindrichtung während Typ-1Pfänderwinden zwischen 65 und 85°. Die Winde wehen somit direkt vom Pfändergipfel herab. Im Schnitt erreichen sie Geschwindigkeiten von 7.3 m s-1, wobei Böen stets Windstärken von mehr als 9 m s-1 aufweisen. Hierbei muss bedacht werden, dass nur jene Winde als Typ-1-Pfänderwind klassifiziert wurden, die einen Schwellwert von 6 m s-1 überschreiten (vgl. Kapitel 2.2.1). Dies wirkt sich auf die Häufigkeitsverteilung der Windgeschwindigkeiten aus. Bei Typ-2-Pfänderwinden liegen die Hauptwindrichtungen an der TAWES-Station zwischen 145 und 175°. Sie wehen über den südlichen Ausläufer des Pfänders und den Gebhardsberg herab. Ihre Windgeschwindigkeiten sind zumeist geringer 72 als jene der Typ-1-Pfänderwinde. Im Schnitt erreichen sie 4.3 m s-1, wobei Böen mit durchschnittlich 7.5 m s-1 auftreten. An der Hafenstation von Bregenz werden bei Typ-1-Winden aufgrund der geringeren Oberflächenrauigkeit über Wasser höhere Windgeschwindigkeiten als an der TAWES-Station von Bregenz gemessen. An den nahe gelegenen Stationen Altenrhein, Lindau und Dornbirn werden Nordostwinde verzeichnet, welche mit 2 bis 3 m s-1 allerdings schwächer sind als jene in Bregenz. Da Rohrspitz in der Verlängerung der Pfänder-„Föhn“-Strömung liegt, werden an diesem Standort im Schnitt etwa 2 m s-1 höhere Windgeschwindigkeiten als an den zuletzt genannten Stationen verzeichnet. Anders als bei Typ-1-Ereignissen wird die Hafenstation von Bregenz von Typ-2-Pfänderwinden kaum beeinflusst, was die Kleinräumigkeit dieses Phänomens demonstriert. Da Typ-2-Winde bevorzugt in den Nachtbzw. in den frühen Morgenstunden auftreten, werden an den Stationen im Untersuchungsgebiet, je nach Lage, zumeist Talauswinde, Hangabwinde oder Landwinde beobachtet. Die Stationen im nördlichen Rheintal befinden sich in einem ruhigen Kaltluftsee, weshalb die Windgeschwindigkeiten nur in wenigen Fällen 2 m s-1 übersteigen. Stationen im südlichen Rheintal werden hingegen in Einzelfällen auch von Südföhn beeinflusst. Aufgrund einer schwach stabilen Schichtung sowie Kaltluftadvektion kommt es bei Typ-1Ereignissen infolge des Absinkens beim Überströmen des Pfänders lediglich zu einer geringen Temperaturerhöhung von etwa 1 K. Während Typ-2-Pfänderwinden liegt im Rheintal- und Bodenseegebiet hingegen ein Kaltluftsee. Aufgrund der extrem stabilen Schichtung in Bodennähe kommt es durch Absinken von Luftmassen aus einem Niveau oberhalb der Kaltluft zu den massiven Temperaturunterschieden zwischen Bregenz und den umliegenden Stationen. Das Phänomen der „Pfänderwinde“ bedarf mit Sicherheit noch einer Reihe von Untersuchungen, um deren Ursachen und Abläufe tatsächlich zu verstehen und Ereignisse auch vorhersagen zu können. Trotzdem konnten mit dieser Arbeit ihre bevorzugten Jahresund Tageszeiten ermittelt und erste Erkenntnisse über ihre Entstehung gewonnen werden. Die, in dieser Arbeit aufgestellten, Hypothesen können als Basis für weitere Untersuchungen dienen. 73 Literaturverzeichnis Black, E., M. 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Der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) sowie Metomedia (insbesondere Sebastian Glink) möchte ich für die Bereitstellung zahlreicher Messdaten danken. Dieser Dank gilt auch Corinna Seiter von der Pfänderbahn AG, welche mir die Daten der Pfänderbahn zukommen ließ, sowie Arnold Tschofen, der mir Messwerte des Seezeichen 75 (Eigentum der Stadt Bregenz) zur Verfügung stellte. An dieser Stelle möchte ich auch Richard Werner danken, der unter anderem auf die Station Seezeichen 75 aufmerksam machte. Allen weiteren, die mich ebenfalls auf beliebige Art und Weise unterstützt haben, möchte ich hiermit meinen aufrichtigen Dank ausdrücken. 77