n at i o n a l Der Schweizer Pianist Oliver Schnyder im Interview Es war eine grosse Ehre, die Schweiz vertreten zu dürfen Jedes Jahr fiebern wir Schweizer Lions mit, wenn sich junge Musikerinnen und ­Musiker dem Lions-Musikwettbewerb stellen. Gross ist die Freude, wenn sich eine Kandidatin oder ein Kandidat dann auch noch am Europa Forum auf die ersten Plätze spielt. Was aber geschieht danach? Einer, der es bis an die Weltspitze geschafft hat, ist der Aargauer Pianist Oliver Schnyder. Was bedeutete für Sie die Teilnahme am Lions-Musikwettbewerb am Europa Forum 1998 in Budapest? Oliver Schnyder: Es mag Sie überraschen, aber für mich war die Anspannung bei der Schweizer Ausscheidung viel grösser als beim Wettbewerb in Budapest. In der Schweiz nahmen damals mehrere Pianisten teil, mit denen ich auch an anderen Wettbewerben schon in enger Konkurrenz gestanden war. Dass ich die Ausscheidung in der Schweiz gewann, hatte für mich deshalb mehr Bedeutung als der Preis in Budapest. Dort war die Konkurrenz nicht mehr so gross. Noch dazu mussten Sie den zweiten Platz mit einer Finnin teilen, die nach Meinung vieler den Preis mehr ihrem Vater, einem einflussreichen Lion, zu verdanken hatte als ihrem Talent. Das stand für mich überhaupt nicht im Vordergrund. Mir sind andere Aspekte von meiner Teilnahme am Lions-Wettbewerb in Erinnerung geblieben. Der Lions-Wettbewerb ist der einzige ausser dem Eurovisionscontest, bei dem man sein Land vertreten darf. Das empfand ich als grosse Ehre. Sehr gefreut habe ich mich auch über die grosse Schweizer Delegation, die mich begleitete. Wir unternahmen eine Sightseeing-Tour in Budapest, assen wahnsinnig gut und wohnten in einem sehr schönen Hotel. Ausserdem reiste ich kurz danach zum Weiterstudium in die USA. Der Preis am Lions-Musikwettbewerb fiel deshalb in eine für mich aufregende Zeit und war ein positiver Abschluss vor dem grossen Tapetenwechsel. Wettbewerbe zwingen zu einer normierten Interpretation Welche Bedeutung haben Wettbewerbe generell für junge Musiker? Die Zeit der Wettbewerbe ist seit längerer Zeit vorbei. Sie zwingen zu einer normierten Interpretation, und es ist eine Illusion zu glauben, ein Wettbewerb bedeute einen Karriereschub für den Preisträger. Das gilt selbst für die Gewinner bekannter Wettbewerbe. Eine grosse Ausnahme Oliver Schnyder, Jg. 1973, gewann 1998 den Lions-Musikwettbewerb im Multidistrikt 102 und erzielte den zweiten Preis an der internationalen Ausscheidung anlässlich des Europa Forums in Budapest. Heute gehört der Aargauer Pianist zu den gefragtesten Musikern der Schweiz. Seine Konzertreisen führen ihn um die ganze Welt. Er hat zahlreiche CD aufgenommen und spielt mit den international renommiertesten Orchestern, Dirigenten und Solisten zusammen. Oliver Schnyder wohnt in Ennetbaden, ist mit einer Geigerin verheiratet und hat einen sechsjährigen Sohn, der sich diesen Sommer entschieden hat, Elektrogitarre zu spielen, und der seit seinem dritten Lebensjahr sämtliche Songs der Beatles auswendig kennt! www.oliverschnyder.com Oliver Schnyder in Baden, seiner Heimatstadt (Foto: Heidi Mühlemann) 5 I 2013 23 n at i o n a l ist der Chopin-Wettbewerb in Warschau, der alle fünf Jahre stattfindet. Da gehen die besten Leute aus aller Welt hin, und selbst die Zweit- und Drittplatzierten können mit einer internationalen Konzertkarriere rechnen. Aber sonst zählen heute andere Kriterien. Welche? Dieselben Fähigkeiten, die auch ausserhalb der Musik zum Unternehmertum gehören: Konstanz, Disziplin, Kommunikationsfähigkeit, Umgang mit den Medien, Imagepflege. Da müssten wir Lions eigentlich über andere Unterstützungsmöglichkeiten nachdenken. Ich finde es äusserst wichtig, dass Lions und auch Rotarier junge Musiker unterstützen! Es gäbe aber griffigere Massnahmen als ein Wettbewerb, um jungen Musikern zu helfen. Die Lions könnten zum Beispiel ein kleines Fachgremium zusammenstellen, das in Musikhochschulen gezielt nach aufstrebenden Talenten sucht. Ich bin in Zürich oft Experte beim Solistenmaster. Jedes Jahr 24 5 I 2013 erlebe ich dort zwei, drei junge Talente, von denen ich denke, man sollte ihnen helfen, eine Karriere aufzubauen. Ich rate diesen jungen Leuten jeweils, sich einen Sponsor zu suchen. eine CD-Aufnahme finanziert. Bei Verhandlungen mit Musikveranstaltern ist es für einen noch unbekannten Interpreten sehr hilfreich, wenn er darauf hinweisen kann, dass ihn eine Institution wie die Lions-Organisation finanziell unterstützt. Ein Club könnte die Gage für einen Auftritt übernehmen oder eine CD-Aufnahme finanzieren Ihre Website und Ihre Facebookseite verraten, dass Sie viel Humor haben. Unter anderem gibt es da eine Rubrik iFAQ, infrequently asked questions. Die erste Frage lautet: «Stimmt das mit den Bananen?». Ihre Antwort darauf: «Ja!». Das müssen Sie uns erklären. Bananen sind die ideale Kraftnahrung vor einem Auftritt. Egal, wie gross die Nervosität ist, Bananen gehen immer runter, und sie enthalten einen natürlichen Betablocker. Ich gehöre nicht zu jenen Musikern, die den Veranstaltern lange Listen von extravaganten Wünschen zukommen lassen. Aber drei ­Bananen und drei Liter Wasser im Musikerzimmer gehören zu meinen unumstösslichen Vertragsbedingungen. Welche Aufgabe hätte ein solcher Sponsor? Der Aufbau einer Musikerkarriere ist sehr kostenintensiv. Nicht jeder hat Eltern, die ihm dies finanzieren können. Selbst mit einem Stipendium ist es vielen nicht möglich, zum Beispiel im Ausland zu studieren. Solche Ausbildungskosten zu übernehmen, übersteigt vielleicht die Möglichkeiten eines Lions Clubs, aber ein Club könnte helfen, indem er zum Beispiel die Gage für einen Auftritt übernimmt oder Interview: Heidi Mühlemann