Stein Wunder Land Binntal

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Faszination
Stein
Binn ist bekannt als Mineraliendorf. Zu Recht – denn das
Binntal ist tatsächlich sehr reich an Mineralien. Diese lagern in den vielfältigen Gesteinen, welche das Tal aufbauen.
Während die Mineralien aber nicht ganz einfach zu finden
sind, können Sie die Gesteine auf Schritt und Tritt finden
und studieren. Dazu soll Ihnen dieser kleine Führer Begleiter und Ratgeber sein. Es orientiert sich am 2016 komplett
erneuerten und erweiterten Gesteinserlebnisweg zwischen
dem Weiler Fäld und der Mineraliengrube Lengenbach und
ergänzt die Informationen auf den Tafeln.
Stein
Wunder
Land
Binntal
Erfahren Sie zudem mehr über den geologischen Bau des
Binntals, die Wunderwelt der Mineralklüfte, den ehemaligen Abbau von Erz, die seltsame Umwandlung von Gesteinen oder die kleine Weltsensation am Lengenbach!
LANDSCHAFTSPARK
BINNTAL
www.landschaftspark-binntal.ch
Kleiner Führer
zum Gesteinserlebnisweg
Fäld-Lengenbach und
zur Geologie und Mineralogie
des Binntals
Jürg Meyer
Faszination
Stein
Binn ist bekannt als Mineraliendorf. Zu Recht – denn das
Binntal ist tatsächlich sehr reich an Mineralien. Diese lagern in den vielfältigen Gesteinen, welche das Tal aufbauen.
Während die Mineralien aber nicht ganz einfach zu finden
sind, können Sie die Gesteine auf Schritt und Tritt finden
und studieren. Dazu soll Ihnen dieser kleine Führer Begleiter und Ratgeber sein. Es orientiert sich am 2016 komplett
erneuerten und erweiterten Gesteinserlebnisweg zwischen
dem Weiler Fäld und der Mineraliengrube Lengenbach und
ergänzt die Informationen auf den Tafeln.
Stein
Wunder
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Binntal
Erfahren Sie zudem mehr über den geologischen Bau des
Binntals, die Wunderwelt der Mineralklüfte, den ehemaligen Abbau von Erz, die seltsame Umwandlung von Gesteinen oder die kleine Weltsensation am Lengenbach!
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Kleiner Führer
zum Gesteinserlebnisweg
Fäld-Lengenbach und
zur Geologie und Mineralogie
des Binntals
Jürg Meyer
Steinwunderland Binntal
1
Diese Buchproduktion wurde unterstützt von
© 2017 Landschaftspark Binntal
ISBN 978-3-033-05816-3
Konzeption & Texte
Dr. Jürg Meyer
GestaltungCH.H.GRAFIK
Drucks+z:gutzumdruck
Fotos
Die Fotos stammen mit Ausnahme
der hier aufgeführten vom Autor.
Landschaftspark Binntal: 18, 19
Toni Imhof: 65-71
Mischa Crumbach: 72-75
Wikimedia: 45, 48, 49, 53, 54, 77, 78
Die Nummerierung der Abbildungen auf einer Seite erfolgt in Schreib­richtung.
Die Masslinien auf den Makro-Fotos stellen 1 cm dar, sofern nichts anderes
angegeben ist.
2
Stein
Wunder
Land
Binntal
Kleiner Führer
zum Gesteinserlebnisweg
Fäld–Lengenbach und
zur Geologie und Mineralogie
des Binntals
Jürg Meyer
3
4
Inhalt
IEinführung
Der Gesteinserlebnisweg Fäld–Lengenbach
Geologie des Binntals
Gesteine
II Der Gesteinserlebnisweg
1
2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 III 7
9
13
Serpentinit
Paragneis Heller Gneis Stein-Erlebnisse
Grünschiefer Blockmauer
Metagabbro Gesteins-Aufschluss
Bündnerschiefer Dolomitmarmor und Lupenstation
Vom Dolomit zum Kalkmörtel 15
19
25
29
33
37
41
45
49
53
59
Wissenswertes rund um die Gesteine und Mineralien
Quarz Dolomit
Gesteinsmetamorphose
Adern und Spalten im Gestein
Mineralklüfte
Mineraliengrube Lengenbach Ozeanbodenkruste Erz im Binntal Asbest Gesteine, Böden und Flora Lockergesteine
Antworten
Glossar
Ausgewählte Literatur
61
65
67
69
73
81
85
89
91
93
95
99
101
104
5
6
IEinführung
Der Gesteinserlebnisweg
Fäld–Lengenbach
Entlang des Alpsträsschens vom Restaurant Imfäld bis zur Mineraliengrube Lengenbach können Sie einen Einblick in die wichtigsten
Gesteine des Binntals erleben. Die Strecke ist 1.25 km lang und steigt
150 Höhenmeter an. Die reine Gehzeit beträgt rund 30 Min. An zwölf
Stationen werden Ihnen die wichtigsten Gesteine vorgestellt, welche
die Landschaft des Binntals prägen und in denen die vielfältigen
Mineralien vorkommen. Am Ende des Wegs lädt der Klopfplatz vor
der Mineraliengrube Lengenbach zu einem Besuch ein. Ganz nach
Ihrer Lust und Laune können Sie mehr oder weniger Zeit bei den
einzelnen Gesteinsarten verbringen. Die Tafeln richten sich an Laien
und verzichten weitestgehend auf Fachbegriffe und Fachchinesisch;
jeweils ein kleiner Absatz richtet sich an die Experten. Sie sind auch
eingeladen, an verschiedenen Stationen selbst aktiv zu werden und
Dinge auszuprobieren.
Die Reihenfolge der Gesteine entspricht keiner besonderen geologischen Logik; sie wurde mit einer Ausnahme vom schon länger bestehenden Gesteinsweg übernommen. Dies steht dem Verständnis
jedoch nicht im Wege – im Gegenteil, so ist es abwechslungsreicher,
den verschiedenen Gesteinen zu begegnen. Die Gesteinsportraits in
diesem Büchlein orientieren sich an diesen Tafeln, geben Ihnen jedoch noch mehr Wissenswertes mit. Dazu erfahren Sie im zweiten
Teil in kurzen Kapiteln viel Spannendes rund um Gesteine und Mineralien allgemein und bezogen auf das Binntal.
Abb. 1 Gesteinspanoptikum Binntal.
7
8
Geologie des Binntals
Zwei Welten stossen aufeinander
Der Verlauf der Täler, die Formen und Farben der Berge, die Böden
und die Vegetation: Alles hängt von den darunter liegenden Gesteinen und deren räumlicher Lage ab. Die Geologie und die Gesteine
bestimmen die Landschaft! Genau so ist es auch im Binntal. Der Talverlauf wird durch eine geologische Grenzzone bestimmt, und die so
unterschiedlichen Bergformen auf der Nord- und Südseite des Tales widerspiegeln die gänzlich verschiedenen Gesteine dieser Zonen
(Abb. 2 und 3).
Nördliche Talseite
Es herrschen weiche Bergformen mit braunen, schiefrigen Gesteinen vor, die weitgehend von Weiden und alpinen Rasen bedeckt sind.
Es handelt sich um grosse Massen recht monotoner, so genannter
Bündnerschiefer. An der Grenze zur südlichen Talseite sind in diese
Bündnerschiefer verschiedene Lagen eines weissen Gesteins eingelagert, welches in der Landschaft besonders auffällt. Dies ist der
berühmte, weisse Dolomitmarmor des Binntals. Berühmt, weil er an
verschiedenen Stellen Vererzungen aufweist, in denen eine weltweit
einzigartige Vielfalt von seltensten Mineralien gefunden wurden.
Südliche Talseite
Hier sind die Berge steiler, es gibt viele Felswände, groben Schutt
und Bergsturzblöcke. Die Gesteine sind heller und härter. Es sind
Gneise und Schiefer. Vom Schwarzhorn bis zum Rothorn beim Geisspfadsee liegt nochmals ein ganz anderes Gestein vor. Es ist im frischen Bruch grün bis schwarz, mit verwitterter Oberfläche in rostigbrauner Kruste. Dies ist der Geisspfad-Serpentinit.
Abb. 2 Oben die NE-Seite des Binntals mit dem Ofenhorn, unten die SW-Seite mit Bättlihorn rechts und Hillehorn links. Die geologische Zweiteilung ist an den Landschaftsformen gut erkennbar.
9
Aarmassiv
Gotthard-Decke
Bündnerschiefer
Dolomitmarmor
Kristallin Monte-Leone-Decke
Berisal-Decke
Serpentinit
Antigorio-Decke
Fiesch
e
on
Rh
Ernen
Ofenhorn
Ausserbinn
Binntalhütte SAC
Grengiols
Binn
Fäld
Albrunpass
Lengenbach
Geisspfadpass
Breithorn
Heiligkreuz
Saflischpass
Alpe Dèvero
Alpe Veglia
Abb. 3 Geologische Übersichtskarte des Binntals.
Geologischer Bau
Beide Gesteinseinheiten gehören zur gleichen Baueinheit, welche bei
der Alpenbildung als riesiger Gesteinsstapel von seiner ursprünglichen Unterlage abgeschert und als so genannte Decke um viele
Kilometer auf die nördlich davon liegenden Gesteine überschoben
wurde. Man nennt diese Decke Monte-Leone-Decke. Bei der Überschiebung wurden die Gesteine in eine riesige, liegende Falte gelegt.
Das Binntal liegt in der Frontumbiegung dieser Falte (Abb. 4). All
diese Prozesse liefen in grösserer Tiefe von 30-35 km ab, wo Temperaturen von 550-600 ºC herrschten. Dabei wurden die Gesteine
10
NW
SE
Schwarzegge
Hohsandhorn Ofenhorn
Lago Busin superiore
3 km
2 km
1 km
0
Gr. Fülhorn
Fäldbach
Binntal
Geisspfadsee
3 km
Dèvero
2 km
1 km
0
Helsenhorn
Breithorn
Scatta d’Orogna
3 km
Saflischtal
2 km
1 km
0
Abb. 4 Drei geologisch-tektonische Profilschnitte durch das Binntal.
unter grossem Druck und hohen Temperaturen umgewandelt und
liegen deshalb heute samt und sonders als Umwandlungsgesteine
vor (metamorphe Gesteine). Beim langsamen Aufstieg im sich hebenden Alpengebäude wurden die Gesteine mehrfach zerbrochen. In den
entstehenden Spalten und Klüften konnten alle die Mineralien kristallisieren, für welche das Tal bis heute berühmt ist.
11
tropisches Land
Tethys-Meer
Tonpartikel
absinkende
Kalkschalen
T
1
170-140 Mio. Jahre (Jurazeit)
5
Ablagerung von Kalk- und Tonschlamm
im tropischen Tethysmeer
Zukunft
Verwitterung, Erosion, Transport
und Wiederablagerung
im Meer der Zukunft
Molasse
T
Molasse
T
2
150-140 Mio. Jahre
Afrika
Europa
Überdeckung durch jüngere
Ablagerungen und Verfestigung
zu Kalk-Ton-Gesteinen
4
30 Mio. Jahre
bis heute
Anhebung zur heutigen
Höhe, die darüber
liegenden
Gesteinsdecken
werden wegerodiert
und in Molassebecken
abgelagert
ca. 30 km
Europa
Afrika
T
3
50-30 Mio. Jahre
T — Gesteine der Twingischlucht
12
Versenkung infolge KontinentalKollission Europa-Afrika
Gesteine —
Geschichtsbücher der Erde
Nimmt ein Geologe in der Twingischlucht ein Stück Gestein vom Wegrand, dann erkennt er darin folgende Geschichte: Es war einmal ein
Kalkstein mit tonigen Zwischenlagen, also eine Meeresablagerung.
Solche Gesteine wurden vor rund 150 Millionen Jahren in einem
tropisch warmen Meer abgelagert – eine Landschaft, wie sie heute
etwa in der Karibik anzutreffen ist. Noch nichts von den Alpen oder
einem Binntal in Sicht! Allerdings liegt dieser Kalkstein hier nicht
mehr in seiner ursprünglichen feinkörnigen Ausbildung als mausgraues Gestein vor, sondern zeigt schöne, glitzernde Körnchen von
Kalkspat, er ist rekristallisiert, wie der Geologe sagt. Daraus erkennt
dieser, dass der Kalkstein bei der Alpenbildung in Tiefen von vielen
Kilometern gedrückt und dort bei Temperaturen von einigen Hundert Grad eine Umwandlung (Metamorphose) erlitten hat, bei denen
sich die grösseren Kalkspatkörner bildeten. Aus dem Kalkstein wurde ein Kalkmarmor, aus dem Tonstein wurden Glimmerschieferlagen
(S. 25). Danach wurde das Gestein im sich hebenden Alpengebäude
langsam an die Oberfläche gebracht, wo wir es heute antreffen. Aber
bald werden die Steinwände der Twingi wieder abgetragen sein, der
aufgelöste Kalk wird über Flüsse ins Meer transportiert sein, wo er
Meerestieren zum Bau ihrer Kalkschalen verhilft, die dann wieder
zu Kalkstein abgelagert werden können – und ein ähnlicher Prozess
von vorne beginnen kann. Das nennen wir einen Gesteinskreislauf
(Abb. 5). Eine der Hauptaufgaben der Geologen besteht darin, solche
Gesteinskreisläufe zu entziffern. Es ist immer eine spannende, mit
vielen Fallstricken und Sackgassen verbundene Detektivarbeit, diese
Gesteins-Geschichten aufzudröseln. Wir werden Ihnen mit den sieben Gesteinen des Erlebniswegs sieben solche geologische Gesteinsgeschichten etwas näher bringen.
Abb. 5 Geologischer Kreislauf der Kalkmarmore und Glimmerschiefer aus den Bündnerschiefern der Twingischlucht.
13
14
II Der Gesteinserlebnisweg
Serpentinit
Dunkler Botschafter aus
dem Erdinnern
1
Name und Merkmale
Serpentinit stammt vom lateinischen serpens, Schlange, weil manche Serpentinite eine Musterung aufweisen, die einer Schlangenhaut
ähnelt. Der Binntaler Serpentinit ist ein spezifisch recht schweres
Gestein, extrem feinkörnig und sehr zäh. Die Farben variieren von
hell- bis dunkelschwarzgrün. Er kann auch schiefrig ausgebildet
sein und weist dann oft stark glänzende und gewellte Oberflächen
auf. Er besteht aus feinsten Serpentinmineralien, die eng miteinander verwachsen sind, dazu aus Olivin und schwarzen Erzkörnern
(Magnetit, Ilmenit, Chromit). Die Kristalle der Serpentinmineralien
sind mikroskopisch fein und bilden verfilzte schuppige oder faserige Verwachsungen. Es gibt verschiedene Arten, die von Auge nicht
unterschieden werden können. Das Serpentinmineral Chrysotil kann
gar haarartige Kristalle bilden – dies ist Asbest (S. 91).
Entstehungsgeschichte
Die Erdkruste mit ihren Gesteinen wie Granit, Gneis, Kalkstein,
Basalt etc. ist nur etwa 50 km dünn, darunter kommt der 3000 km
mächtige Erdmantel, der aus dem Gestein Peridotit besteht (Sta­tion 4). Durch Kontakt mit Gesteinswasser wird es zu Serpentin umgewandelt. Dies geschieht meist an den mittelozeanischen Rücken
(S. 85). Bei Gebirgsbildungen können Späne von Mantelgestein abgeschürft und in das werdende Gebirge eingebaut werden. So geriet
auch der Binntaler Serpentinit in seine Umgebungsgesteine. Bei der
Alpenbildung wurde er in rund 30 km Tiefe bis auf 550-600 ºC aufAbb. 6 Frischer, dunkler Serpentinit auf bunt verwittertem Serpentinit.
Abb. 7 Serpentinit-Oberfläche mit Muster von Adern und Verwitterung.
15
16
geheizt. Dabei begannen sich die Serpentinmineralien abzubauen
und es entstand wieder Olivin – wie im ursprünglichen Erdmantelgestein Peridotit. Die Olivinkörner sind sehr fein und eng miteinander verzahnt und ergeben ein sehr hartes und extrem zähes Gestein
namens Olivinfels. Ein grösserer Teil des Binntaler Vorkommens ist
so ausgebildet.
Vorkommen Binntal – Alpen – weltweit
Ein 2 x 5 km grosser Körper von Serpentinit/Olivinfels ist in den
Gneisen der südlichen Talseite eingelagert. Dieser Geisspfad-Serpentinit reicht vom Geisspfadpass bis an den Scherbadung. Der
Kontakt vom dunklen Serpentinit zu den helleren Gneisen ist in der
Landschaft gut sichtbar. Der Serpentinit zerbricht gerne in riesige
Blöcke. Bis hausgrosse Bergsturzblöcke und Blockmassen finden
sich rund um die Berge des Geisspfadgebiets sowie entlang des Gesteinserlebniswegs. In den Bündnerschiefergesteinen auf der Nordseite des Binntals gibt es vereinzelte eingelagerte Serpentinitlinsen.
Diese sind umhüllt von einer Reaktionszone von so genanntem Giltstein, welcher früher für den Bau von Wohnungsöfen abgebaut wurde. Es gibt in den Alpen etliche ähnlich grosse Vorkommen wie im
Binntal, dazu viele kleinere. Weltweit ist Serpentinit nur in relativ
geringer Menge zu finden.
Besonderheiten
Am Serpentinit bildet sich gerne eine rostbraune Verwitterungskruste. Dies hat dem Rothorn am Geisspfad seinen Namen gegeben.
Am nur 2 km westlich gelegenen Schwarzhorn prägt jedoch die eigentliche dunkle Innenfarbe den Bergnamen! Serpentinite sind oft
von einem wilden Netzwerk aus Mineraladern durchzogen. In einigen davon kann Asbest gefunden werden (vgl. S. 91).
Abb. 8 Orangebraun verwitterte Serpentinitfelsen am Geisspfadsee.
Abb. 9 Vom Gletscher geschliffene Serpentinitbuckel,
im Hintergrund helle, steil stehende Orthogneisfelsen, Geisspfad.
17
Kluftmineralien im Serpentinit
Kluftmineralien im Serpentinit sind selten und klein. Die wichtigsten sind hellgrüner und braunroter Granat, Vesuvian, Diopsid, Epidot, Aktinolith-Strahlstein, Titanit. Berühmt und heiss begehrt sind
die zwar kleinen, aber wunderschönen, grünen Granate, Demantoid
genannt (vgl. S. 73 ff.).
Für Experten
Der Geisspfad-Serpentinit gehört zu den grossen Serpentinitkörpern
der Alpen. Wie die meisten andern stammt er aus der mesozoischen
ozeanischen Kruste des Tethysozeans, genauer des Walliser Beckens,
wobei dort kaum richtige Ozeanbodenkruste entwickelt wurde, sondern der Erdmantel durch die Dehnungen exhumiert wurde. Eine
erste Serpentinisierung dürfte schon submarin vor der Alpenbildung erfolgt sein. Die Bedingungen der alpinen Metamorphose erreichten 550-600 ºC und rund 9 kbar. Dabei wurde wieder neuer, metamorpher Olivin aus dem Antigorit-Serpentin gebildet. Über weite
Strecken müsste man das Gestein deshalb als Olivinfels bezeichnen.
Ihre Beobachtungen
—— Welches finden Sie das schönste Farb- oder Adermuster unter den Blöcken?
—— Können Sie im Block 1 ganz winzige farblose Nädelchen erkennen?
Die Blöcke am Gesteinserlebnisweg
1 Massiger bis leicht schiefriger Serpentinit mit den typischen Farben und mit
schwarzen Flecken von körnigem Erz (Magnetit, ev. auch Chromit). Dies ist der am
weitesten verbreitete Typus im Binntal.
2 Block mit wenig Serpentin, fast alles ist körniger Olivin (hellgrünlich).
3 Gespaltener Block mit braunroter Verwitterungskruste. Am Geisspfad oben wird
die ganze Landschaft durch diese rostbraunen Farben geprägt.
4 Gerundeter Block mit typischen Serpentinfarben.
5 Block mit Netzwerk von Serpentinadern. Diese Adern entstanden während und
nach der alpinen Metamorphose.
18
Paragneis Glitzernde Gesteinsvielfalt
2
Name und Merkmale
Para kommt aus dem Griechischen und bedeutet so etwas wie nicht
richtig. Paragneise sind also nicht ganz richtige Gneise. Die Geologen meinen damit alle Gneise, die nicht wie die Orthogneise (die
richtigen, Station 3) aus Graniten entstanden sind, sondern aus irgendwelchen Ablagerungsgesteinen. Somit können Paragneise sehr
unterschiedlich aussehen. Aber die Abgrenzung hat sich im Feld bewährt. Man sagt ja beispielsweise auch einfach die Walliser – wohl
im Bewusstsein, dass jeder Walliser, jede Walliserin auch ein Individuum ist. Im Unterschied zu den hellgrauen, recht glimmerarmen
Orthogneisen enthalten Paragneise ziemlich viel Glimmer, vor allem
den dunkelbraunen bis schwarzen Dunkelglimmer (Biotit), aber auch
den silbrig glänzenden Hellglimmer (Muskowit). Da diese plättchenförmigen Glimmermineralien durch Druck- und Umkristallisationsvorgänge bei der Alpenbildung alle in einer Ebene eingeregelt wurden, spalten diese Gneise beim Zerschlagen sehr klar entlang von
solchen Glimmerebenen. Die Geologen nennen das eine Schieferung.
Die vielen Glimmerplättchen glänzen stark beim Bewegen im Licht.
Zwischen den Glimmerplättchen liegen viel Quarz und andere körnige Mineralien (v.a. Feldspäte). Mit etwas Glück finden Sie manchmal
auch runde, rotbraune Granate oder stängelförmige schwarzgrüne
Hornblende.
Entstehungsgeschichte
Die Entstehung liegt bei den meisten Paragneisen ziemlich im Dunkeln der vergangenen Jahrhundertmillionen. Sie wurden in einem
uralten Meeresbecken gebildet, lange bevor der so genannte Tethysozean entstand, in dem die heutigen Ablagerungsgesteine der Alpen
gebildet wurden. Es waren schlammige Ablagerungen aus Sand und
19
20
Ton, und manchmal spuckte ein Vulkan in der Nähe noch basaltische
Lava dazu. Diese tonigen Sandsteine wurden dann bei mehreren Gebirgsbildungen in grosse Tiefen gedrückt, dort unten bei Hitze und
Druck umkristallisiert und anschliessend wieder angehoben und gegen die Erdoberfläche verfrachtet. Das letzte Mal passierte das bei
der Alpenbildung. Und jetzt warten die Gesteine darauf, dass sie hier
im Binntal durch Verwitterung und Erosion abgetragen und mit der
Rhone ins Mittelmeer verfrachtet werden, wo die Bestandteile dann
wieder abgelagert werden – und die Wiedergeburt als Ablagerungsgestein eingeleitet werden kann!
Vorkommen Binntal – Alpen – weltweit
Paragneise sind auf der südlichen Talhälfte anzutreffen, als Bestandteil des kristallinen Grundgebirges der Monte-Leone-Decke.
Man erkennt sie im Gelände als bräunlich verwitternde Gesteinszüge zwischen den hellen Orthogneisen. In allen kristallinen Grundgebirgsteilen der Alpen kommen Paragneise in grösseren Mengen vor,
und sie sind ein sehr weit verbreitetes Umwandlungsgestein, das in
Gebirgen und in alten Kontinentalkernen vorkommt.
Besonderheiten
Manchmal sind diese Gesteine derart reich an Glimmermineralien,
dass ihre Schieferung noch viel ausgeprägter wird, und man sie eigentlich Schiefer nennen muss. Im Gegensatz zu einem Gneis spaltet
sich ein Schiefer viel leichter und in deutlich dünnere Platten.
Kluftmineralien im Paragneis
Obwohl Paragneise recht unspektakuläre Gesteine sind, schlummern
in ihren Kluftspalten doch wunderschöne Mineralien. Besonders bekannt sind kleine Kristalle von dunkel-honigfarbenem Anatas (ein
Abb. 10 Paragneis, mit leichter Stoffbänderung, reich an Glimmern
und Feldspäten (weisslichgrau).
Abb. 11 Paragneis-Aufschluss am Passo di Valdeserta, Wechsel von
hellen und dunklen Gneislagen, Ausschnitt ca. 1 m breit.
21
22
Titanoxid). Diese haben neben den Mineralien des Lengenbachs das
Binntal für Mineraliensammler berühmt gemacht. In den steilen
Hängen oberhalb des Lengenbachs, dem Gebiet Lärchultini, wurden
die ersten und schönsten dieser Anatase gefunden.
Für Experten
Die Paragneise des Binntals zeigen, wie für alpines Grundgebirge typisch, eine grosse Bandbreite von chemischen bzw. mineralogischen
Zusammensetzungen. Allen gemein ist der Reichtum an Quarz und
Biotit. Beim Ausgangsmaterial dürfte es sich im Wesentlichen um
sandig-tonige Sedimente gehandelt haben. In den Paragneis-Serien
kommen auch Amphibolite und weitere Gesteinsarten vor. Die Aufschlüsselung der Serien nach Herkunft, Alter und Geschichte ist Gegenstand aktueller Forschungen.
Ihre Beobachtungen
—— Können Sie in den weissen Linsen von Block 2 den weissen Feldspat vom gräulichen Quarz unterscheiden? Erkennen Sie die dunklen Säume aus Biotit um diese
Linsen herum?
—— Welcher der vier Blöcke tanzt aus der Reihe?
Die Blöcke
1 Gebänderter Biotitgneis mit dunklen biotitreichen Schlieren.
2 Feinlagiger Biotitgneis mit weissen Feldspat-/Quarz-Linsen. Diese Linsen entstanden während der Gesteinsmetamorphose.
3 Glimmerreicher Paragneis bzw. Schiefer. Der Glimmerreichtum weist auf einen ursprünglich hohen Gehalt an Tonmineralien hin.
4 Hornblende führender Paragneis.
Abb. 12
Abb. 13 Lage von dunklem Amphibolit und gebänderten
Paragneisen, Steinejoch.
Lage von dunkelgrauem Paragneis am Schwarzhorn,
darüber Serpentinit, darunter heller Orthogneis.
23
24
Heller Gneis Der geplagte Granit
3
Name und Merkmale
Gneis ist eine alte Bergmannsbezeichnung für grob spaltbare, kristalline Gesteine. Gneis erhielt seinen Namen vom althochdeutschen
Wort gneisto (Funke), weil diese harten Gesteine beim Abbau leicht
Funken schlugen. Ortho bedeutet im Griechischen soviel wie richtig,
gerade. Also sind die Orthogneise sozusagen die richtigen Gneise. Es
sind helle, weissgraue, massige und harte Gesteine. Sie bestehen aus
den gleichen Mineralien wie Granite, also aus Quarz (grau, transparent, glänzend) und Feldspat (milchig weiss) sowie schwarzbraun
glänzendem Dunkelglimmer (Biotit), manchmal auch silbrig glänzendem Hellglimmer (Muskowit). Die Glimmerplättchen sind in Lagen angereichert und in einer Ebene ausgerichtet. Diese Anordnung
entstand bei der Metamorphose während der Alpenbildung in rund
30 km Tiefe. Sie definiert eine grobe Schieferung. Deswegen spalten
die Orthogneise in Dezimeter dicke Platten auf. Manchmal sind die
Feldspäte gross und linsenförmig wie Augen, diese Varietät wird als
Augengneis bezeichnet. Die Augen entstanden durch Verformung bei
der Metamorphose aus ursprünglich quaderförmigen Feldspatkristallen, wie sie für manche Granite typisch sind.
Entstehungsgeschichte
Die Orthogneise entstanden vor rund 270 Mio. Jahren als Granite,
viele Kilometer tief in der Erdkruste. Danach wurden sie bis nahe
an die Erdoberfläche angehoben. Bei der Alpenbildung wurden sie
vor etwa 40 Mio. Jahre nochmals bis in rund 30 km Tiefe verfrachtet,
wo es über 550 ºC heiss war. Dabei wurden sie durch Umkristallisation im festen Zustand zu Gneis umgeformt. Die Glimmer regelten sich in einer Ebene ein und erzeugten so die Schieferung. Quarz
Abb. 14 Nahaufnahme eines Orthogneis mit Dunkel- und Hellglimmer.
Abb. 15 Orthogneis in Ausbildung als Augengneis.
25
26
und Feldspäte wurden zu plattigen Gebilden verformt. Dann ging’s
im Rahmen der Heraushebung des Alpengebäudes wieder hoch an
die Oberfläche. Dort werden die Gneise nun durch Verwitterung und
Erosion langsam wieder abgebaut.
Vorkommen Binntal – Alpen – weltweit
Die Orthogneise bilden auf der Südseite des Binntals die schroffen
Berge vom Ofenhorn über Schinhorn und Stockhorn bis zum Hillehorn. In den ganzen Alpen finden sich grosse Orthogneis-Vorkommen. Beispiele sind die Walliser Hochalpen, die Silvretta-Berge und
vor allem die bekannten Tessiner Gneise. Man findet Orthogneise in
den meisten Gebirgen. Auch besteht ein beträchtlicher Teil der alten
Kontinentalschilde aus solchen Gesteinen.
Besonderheiten
Man verwendet Orthogneise gerne zum Bau von Steinmauern, weil
sie hart, verwitterungsbeständig und praktisch zum Formen von
rechteckigen Quadern sind. Im Tessin und auf der italienischen Seite des Binntals (Devero und Veglia) werden Sie zahlreiche Alphütten
und Häuser aus Orthogneis-Bausteinen sehen. Im Binntal selbst bestehen viele Mauern aus Orthogneisen (Station 6). Eine weitere Besonderheit für viele grosse Orthogneiskörper ist die selektive Verformung bei der Metamorphose – darauf wird bei Station 6 eingegangen.
Kluftmineralien in den Orthogneisen
In Klüften und Spalten von Orthogneis finden die Strahler eine Vielzahl verschiedener Kluftmineralien: Bergkristall, Rauchquarz, Amethyst, Adular, Albit, Hämatit, Magnetit, Rutil, Anatas, Titanit. Im Gebiet Scherbadung-Ritterpass sind auch seltene Arsen- und seltene
Erden-Mineralien zu finden.
Abb. 16
Abb. 17
Orthogneisfelsen am Aufstieg vom Maniboden zum Geisspfad, typisch plattige Gneisstruktur.
Ein Nebengipfel des Schinhorns – typische Formen und Strukturen für massige Orthogneise, in der Mitte eine Linse von dunklerem Paragneis.
27
Für Experten
Die Orthogneise des Binntals gehören zum alpin amphibolitfaziell
metamorphen, kristallinen Grundgebirge der Monte-Leone-Decke.
Wie der Grossteil der alpinen Orthogneise entstanden sie als grosse Granitplutone bei der variszischen Gebirgsbildung. Die Intrusion des Monte-Leone-Granits ist auf etwa 270 Mio. Jahre datiert
(Permzeit). Charakteristisch für Orthogneise ist die heterogene Deformation, wo fast undeformierte, granitähnliche Partien mit hochdeformierten Partien in Scherzonen abwechseln. Von der mineralogischen Zusammensetzung her zeigen die Orthogneise ebenfalls eine
grössere Bandbreite. Es gibt in der Monte-Leone-Decke auch noch
Orthogneise, welche schon bei der ordovizischen Gebirgsbildung
metamorphosiert wurden. Diese sind von Laien aber kaum von den
variszischen Orthogneisen unterscheidbar.
Ihre Beobachtungen
—— Versuchen Sie die Mineralien Feldspat, Quarz und Dunkelglimmer zu erkennen! Mit
einer Lupe geht dies leicht, aber auch mit genauem Hinschauen von blossem Auge
sollte es gut gehen.
—— Welcher der Blöcke sieht am ehesten noch wie ein richtiger Granit aus?
—— Welcher Block zeigt eine stängelige (lineare) Struktur?
Die Blöcke
1 Grobflaseriger Augengneis mit wenig Quarz.
2 Das Gestein wurde von der Vergneisung praktisch vollständig verschont, und anstatt Glimmermineralien hat es schwarze Hornblende. Also eigentlich ein Hornblende-Granit.
3 Gneis mit vielen Dunkelglimmer-Fasern.
4 Grobkörniger Augengneis mit grossen Feldspat-Augen.
5 Gneis mit bleistiftartig ausgezogener Struktur. Solche Strukturen entstehen gerne
an Überschiebungszonen.
28
Stein-Erlebnisse
Kopfloch und Lithophon
4
Die Geheimnisse der Klanglöcher
So wie Sie bei der Meeresmuschel am Ohr nicht das Meer rauschen
hören, so flüstert Ihnen auch der Serpentinit nicht wirklich etwas zu.
Sie hören auch nicht, wie das lange angenommen wurde, das Rauschen Ihres eigenen Blutstromes. Sie hören einfach die stark verstärkten Resonanzen der Umgebungsgeräusche – hier also vor allem des Mässerbachwassers. Aber die Vorstellung, der Stein flüstere
Ihnen Geheimnisse zu, ist ja Grund genug, über diese Geheimnisse
nachzudenken, nicht wahr?
Bergsturzblöcke auf dem Eis-Förderband
Aus dem zähen Serpentinit können sich sehr grosse Blöcke bilden, die
auch einen Bergsturz unzerbrochen überleben. Im Geisspfad-Gebiet,
besonders auf der italienischen Seite, können Sie Bergsturzmassen
aus riesigen Blöcken bewundern. Nur eine gute Stunde von hier, auf
dem wunderschönen Maniboden, liegen solche wie von Riesenhand
hingestreute Blöcke herum. Die Blöcke hier stürzten gegen Ende der
letzten grossen Eiszeit auf den damaligen Gletscher und ritten auf
diesem wie auf einem Förderband über die Ebene des Maniboden
bis hierher, wo sie der abschmelzende Gletscher dann liegen liess.
Das Lithophon oder der „Steinklinger“
Auf griechisch heisst Lithos Stein und Phon bedeutet Klang, Laut,
Ton. Deshalb werden Installationen mit klingenden Steinen Lithophone genannt. Sie können hier ein neuartiges Lithophon aus
drehbaren Serpentinit-Platten ausprobieren (Abb. 20). Wegen ihres
feinstkörnig-zähen Mikrogefüges klingen diese Serpentingesteine beim Anschlagen ganz besonders. Sie können die Steine auf der
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Breit- und auf der Schmalseite anschlagen und so unterschiedliche
Klangtypen erzeugen. Lithophone werden in verschiedenen Ausführungen erstellt, sei es als xylophonähnliche Instrumente oder als
kunsthandwerklich hochstehende Instrumente, die aus einem einzigen polierten Gesteinsblock gesägt sind und mittels Reibung mit
nassen Händen zum Klingen gebracht werden.
Peridotit
Das Ausgangsgestein für die Bildung von Serpentinit ist der so genannte Peridotit (Abb. 18). Dieses auch ästhetisch wunderschöne
Gestein wird fast ausschliesslich vom harten und körnigen Mineral Olivin aufgebaut. In seiner schönsten grünen Ausbildung wurde
Olivin schon im Altertum als Edelstein geschätzt und von den Griechen Peridot genannt. So wird er auch heute noch in der Edelsteinbranche gehandelt, und von daher wird das Gestein aus Olivin auch
Peridotit genannt. Weil dieser erst ab rund 50 km Tiefe im obersten
Erdmantel entsteht, findet man ihn recht selten an der Erdoberfläche. Bei der Alpenbildung wurde ein grosses Stück oberer Erdmantel
ohne vorgängige Serpentinisierung in das Alpengebäude einverleibt
und an die Oberfläche angehoben. Man findet diesen Gesteinskörper auf der Alpensüdseite im Piemont als so genannter Ivrea-Körper
aufgeschlossen. Die besten Peridotit-Stücke findet man jedoch eingeschlossen in Basalt-Vulkangesteinen, die direkt aus dem oberen
Erdmantel an die Erdoberfläche gelangen. Solche Vorkommen sind
etwa bekannt aus den Vulkanschloten der Auvergne und der Kanarischen Inseln.
Ihre Beobachtung
—— Wie schwer ist der riesige Serpentinitblock an der Station 4? Versuchen sie eine
Schätzung zu machen.
Abb. 18 Peridotit, das Ausgangsgestein des Serpentinits aus dem Erdmantel.
Abb. 19 Lausche in die Klanglöcher hinein!
Abb. 20 Das Lithophon mit seinem innovativen Drehmechanismus.
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Grünschiefer Alte Unterwasservulkane
5
Name und Merkmale
Grünschiefer heissen so, weil sie immer grünlich und oft auch schieferig ausgebildet sind. So einfach ist das! Allerdings können solche
Grünschiefer mehr oder weniger gut geschiefert vorliegen, es gibt
auch sehr kompakte und massige Typen mit wenig Schieferungsflächen. Dann redet man allgemein von Grüngesteinen. Grünschiefer
kommen als Lagen in den Bündnerschiefer-Serien vor (Stationen 8
und 9). Diese können mehrere Meter mächtig werden und sich über
Hunderte von Metern erstrecken. Mengenmässig sind sie unbedeutend, aber für die geologische Entstehungsgeschichte sind sie von
grosser Bedeutung – gleich wie der Metagabbro von Station 7. Sie
können Grüngesteine von der Strasse zwischen Binn und Fäld beim
Weiler Giessen am gegenüberliegenden Ufer beobachten. Die Blöcke
am Gesteinserlebnisweg gehören eher zu den massigen Typen; sie
bestehen aus eng verzahnten Mineralkörnern. Mit der Lupe können Sie fleckige Ansammlungen von braunem Dunkelglimmer sowie
feinste, grüne Stängelchen erkennen. Das ist Strahlstein oder Aktinolith aus der Familie der Amphibolminerale.
Entstehungsgeschichte
In der Jurazeit, zwischen rund 180 bis 140 Mio. Jahren vor heute,
bildeten sich im zukünftigen Alpenraum neue Ozeankrusten, weil
Eurasien und Afrika sich in Nord-Südrichtung auseinander zu bewegen begannen. Dabei entstand dazwischen ein System von neuen
Ozeanbecken, welches vereinfachend mit der Bezeichnung Tethysozean versehen wurde. Weil in der Geologie die Namen der Mineralien und Gesteine weniger auf das Lateinische abstützen, sondern
mehr auf das Griechische, wählte man für dieses Meeressystem den
Abb. 21 Feinkörniger Grünschiefer mit feiner Bänderung.
Abb. 22 Die Grünschieferlage an der Binna bei Giessen.
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Namen der griechischen Meeresgöttin Tethys aus. Infolge des Auseinanderdriftens von Afrika und Europa floss rund 1200 ºC heisses
Basaltmagma aus dem obersten Erdmantel direkt an den tief liegenden Meeresboden aus. Dabei formten sich unter gewaltigem Zischen und kleinen Explosionen kissen- und wurstartige Gebilde aus
abgeschrecktem Basaltgestein, so genannte Kissenlaven. Solche Kissenlaven entstehen heute noch weltweit an den mittelozeanischen
Rücken. Bei der Alpenbildung wurden diese Gesteine wie alle andern
auch in Tiefen von 30-35 km Tiefe versenkt und kristallisierten bei
den hohen Temperaturen von rund 550 ºC um zu metamorphen Grüngesteinen. Dabei wurden die ganzen Kissenstrukturen zerstört. Weiter östlich, auf italienischem Gebiet, wurden allerdings noch Relikte
von Kissenstrukturen gefunden, welche den Beleg für die untermeerische Entstehung geliefert haben.
Vorkommen Binntal – Alpen – weltweit
Es gibt einen Hauptzug von Grünschiefern, eingelagert in den Bündnerschiefern, der sich von Binn selbst über das Feldbachtal bis zum
Hohsandhorn hinauf verfolgen lässt. Dazwischen gibt es auch kleinere Vorkommen. Im Fäldbachtal sind die Gesteine generell stärker
schieferig ausgebildet. Grüngesteine markieren die ehemaligen Ozeanböden, die sich vor der Alpenbildung in verschiedenen Meeresbecken des Tethysozeans gebildet haben. Es gibt etliche grössere
Vorkommen, wo die ursprünglichen Kissenformen der Basalte noch
erkennbar sind. Bekannt sind etwa die bestens erhaltenen Kissenlaven am Aroser Hörnli und diejenigen in der Region Zermatt/Saas Fee,
welche trotz extremer Metamorphose in fast 100 km Tiefe zonenweise noch gut erhaltene Kissenstrukturen zeigen, so etwa am Gipfelaufbau des Rimpfischhorns (4199 m). Die am besten erhaltenen
und bei der Alpenbildung nicht umgewandelten Kissenlaven findet
man am Berg Chenaillet am Montenèvre-Pass bei Briançon in den
Abb. 23 Bestens erhaltene, 150 Mio. Jahre alte Kissenlaven des
Tethysozeans am Mt. Chenaillet bei Briançon (F).
Abb. 24 Deformierte und hoch metamorphe Kissenlaven auf 4000 m
am Rimpischhorn bei Zermatt.
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französischen Westalpen. Fast in allen alten und jungen Gebirgen
der Welt sind basaltische Grüngesteine als Zeugen ehemaliger Ozeanböden zu finden. In den uralten Kontinentalkernen, beispielsweise
in Südafrika oder Kanada, kommen riesige so genannte Greenstone
Belts (Grüngesteinsgürtel) vor, die wahrscheinlich auch als ehemalige Meeresboden-Basalte entstanden. Und unter unseren Weltmeeren
zieht sich ein rund 60’000 km langer Gebirgszug der mittelozeanischen Rücken durch, an dem laufend neue Kissenlava gefördert wird
– für uns aber unsichtbar unter 2-3 km Ozeanwasser!
Für Experten
Wie die Metagabbros dürften die Grünschiefer primär in bzw. auf
die Sedimente der Fäldbach-Serie der Bündnerschiefer als lokale
submarine Basaltergüsse abgelagert worden sein. Reliktische Kissenlava-Strukturen wurden weiter nordöstlich im Gebiet des Lago
Sabbione gefunden. Aufgrund dieser stratigrafischen Stellung dürften die Grüngesteine ein unter- bis mitteljurassisches Alter haben.
Die Bündnerschiefer-Einheiten wurden in jüngeren Forschungsarbeiten neu gegliedert in eine Holzerspitz-Serie und eine Pizzo-delVallone-Decke; in Letzterer sind die Grüngesteine eingelagert.
Ihre Beobachtung
—— Mit blossem Auge können sie bei gutem Licht den dunkelbraunen Glimmer (Biotit) und einzelne grüne Aktinolith-Nadeln erkennen. Dazu hat es viel Feldspat, den
man aber zwischen den grünen Mineralien von Auge oft nicht erkennen kann.
Die Blöcke
1 Dunkelglimmer lässt sich gut erkennen. Das Gestein ist fein gefältelt.
2 Auf der Schieferungsfläche sind feine Aktinolithstängel erkennbar.
3 Ein massiger Grünschiefer mit einer Bänderung.
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Blockmauer
Orthogneis-Variationen
6
Diese eindrückliche Mauer wurde aus grossen Blöcken des Tales gebaut. Neben einem einzigen auffälligen Serpentinit-Block handelt es
sich bei den Gesteinen vor allem um Orthogneise der Monte-LeoneDecke. An den Blöcken 1-8 kann die Vielfalt der Orthogneise nachvollzogen werden. Zu dieser Vielfalt tragen primäre Unterschiede
des Granitgesteins und verschieden starke Verformungen bei der
metamorphen Umkristallisation während der Alpenbildung bei.
Verformung von Granitgesteinen
Wenn ein grosser Granitkörper – nehmen wir als Beispiel den zentralen Aaregranit der Berner Hochalpen mit seinem rund 10’000 km3 Volumen – bei einer Gebirgsbildung in die Tiefe gedrückt wird, wo Temperaturen von mehreren hundert Grad und Drücke von tausenden
von Bar herrschen, dann wird er in aller Regel plastisch verformt. Er
wird zu einem Orthogneis umkristallisiert, im festen Zustand, durch
langsame Reorganisation, Abbau und Neukristallisation seiner Mineralien. Doch die Verformung zu einem Gneis vermag in aller Regel
das riesige Volumen nicht vollständig zu durchdringen, sondern sie
konzentriert sich auf bandartige Zonen, so genannte Scherzonen.
Diese umfliessen praktisch unveränderte Granitlinsen. Also wird
man in einem grossen Orthogneiskörper alle möglichen Übergänge
vom ehemaligen Granit ohne jegliche Veränderung bis zum hoch deformierten und geschieferten Orthogneis finden. Genau diesen Effekt sieht man auch in den Orthogneisblöcken aus der Monte-LeoneDecke, die hier in dieser Mauer versammelt sind. Auch unterwegs
auf Wanderungen auf der südlichen Talseite werden Sie neben hoch
deformierten, gut geschieferten Orthogneisen immer wieder fast undeformierte Granite finden – doch alle gehören zum Gesteinsköper
des Monte-Leone-Gneis!
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Die nummerierten Blöcke
1 Grobkörniger, dunkler Zweiglimmergneis – Die beiden Glimmerarten sind gut erkennbar: silberglänzender Hellglimmer (Muskowit) und schwarzbrauner Dunkelglimmer (Biotit).
2 Hellerer Gneis – Die grünlichen Körper sind eine der beiden Feldspatarten, der so
genannte Plagioklas. In Graniten und Orthogneisen kommen zwei Feldspatarten
vor, Kalifeldspat und Plagioklas. Ersterer enthält viel Kalium, Plagioklas hingegen
viel Natrium und Calcium. Beide sind im frischen Zustand weiss und oft von Auge
kaum unterscheidbar. Kalifeldspat hat eine Tendenz zu rötlichen Veränderungsfarben, Plagioklas zu grünlich-gelblichen (Abb. 50).
3 Grünlicher, glimmerarmer Gneis.
4 So genannter Augengneis – warum, dürfte klar sein! Die Augen sind ehemalige
grosse, klötzchenförmige Kalifeldspatkristalle, die zu linsenförmigen Formen zerdrückt wurden (Station 3).
5 Stark vergneister, kompakter Typ. Solche Gesteine verlockten schon in der Steinzeit zu Steinritzungen – und das Bedürfnis hält offenbar an...
6 Dieses Stück überlebte die alpine Deformation fast völlig – es ist eigentlich ein
Biotit-Granit geblieben. Das ist eine der vielen Verwirrungsquellen, mit denen uns
die Gesteinswelt konfrontiert: dass in einem Gneisgebiet zonenweise nicht vergneiste Partien vorkommen können (und umgekehrt).
7 Hier erkennt man die hellgrauen, rundlichen Quarzkörner gut. Körniger Quarz in
Gesteinen erscheint fast immer grau bis bräunlich. Weitere charakteristische
Merkmale sind die fehlenden geraden Spaltflächen (Quarz bricht wie Fensterglas
muschelig), der fettige Glanz auf den Bruchflächen und die grosse Härte. Mit Stahl
ist er nicht ritzbar. Sie können das mit der Klinge Ihres Taschenmessers prüfen.
8 Hier sieht man kleine Verfaltungen und dunkle Scherbändchen aus Biotit (Dunkelglimmer). Bei den hohen Temperaturen von 550 ºC lassen sich die meisten Gesteine plastisch verformen, sie können gebogen und ausgewalzt werden.
9 Der Exot in dieser Mauer: ein Serpentinitblock. Wir blicken auf einen so genannten
Rutschharnisch, auf eine Bewegungsfläche eines alten Bruches. Die verschiedenen Grüntöne der Serpentinmineralien, von fast schwarz bis sehr hellgrün, kommen gut zur Geltung.
Abb. 25 Mauerblock Nr. 1. Grober, dunkler Zweiglimmergneis.
Abb. 26 Mauerblock Nr. 5. Fein gebänderter heller Gneis.
Abb. 27 Mauerblock Nr. 6. Praktisch undeformierter Ursrprungsgranit.
Abb. 28 Mauerblock Nr. 8. Dunkler Gneis mit biotitreichen Scherbändchen.
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Metagabbro Der geheimnisvolle
Onkel des Serpentinits
7
Name und Merkmale
Gabbro ist der Name eines kleinen Dorfes in der Toskana, wo dieses
Gestein erstmals beschrieben und kurzerhand nach dem Dorfnamen
benannt wurde! Dies ist ein typisches Beispiel dafür, wie zufällig
und unsystematisch die Nomenklatur von Gesteinen ist – ein weiteres wird beim Dolomit ausgeführt (S. 65). Dies ist ein zähes Gestein!
Sie erkennen von blossem Auge ein eng verzahntes Gewebe von weisslichen Feldspatmineralien und dunkelgrünen Hornblenden aus der
Familie der Amphibolminerale. Das Gestein besteht damit aus den
genau gleichen Mineralien wie der Grünschiefer, nur dass sie etwas
grösser sind. Zudem ist das Gestein völlig ungeschiefert. Von seiner
Körnigkeit und homogenen Innenstruktur her hat das Gestein Ähnlichkeiten mit einem Granitgestein, doch es besteht eben nicht aus
Feldspat, Quarz und Glimmer – das vergess’ ich nimmer – sondern
aus anderen Mineralien.
Entstehungsgeschichte
Der Metagabbro hat die gleiche Geschichte hinter sich wie der Grünschiefer von Station 5. Der einzige Unterschied besteht darin, dass
er nicht wie die Basaltgesteine der Grünschiefer an den Ozeanboden ausgeflossen ist, sondern als Magmakörper in die weichen Sedimentgesteine der Bündnerschiefer eindrang, langsam abkühlte und
zu einem Gabbrogestein erstarrte. Daher kommt sein gröberes Korn.
Mehr zu Aufbau und Entstehung von ozeanischer Erdkruste können
Sie ab S. 85 nachlesen. Bei der Alpenbildung wurde der Metagabbro
Abb. 29 Nahaufnahme eines Metagabbros.
Abb. 30 Ein klobiger Klotz von Metagabbro schaut aus
dem Erlengebüsch bei Freichi.
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wie alle Gesteine des Binntals bei rund 550 ºC in seine heutige Erscheinungsform umkristallisiert.
Vorkommen Binntal – Alpen – weltweit
Langgestreckte Linsen und Lagen von Metagabbro kommen eingelagert in den Bündnerschiefer-Serie vor, etwa im Fäldbachtal und
bei der Freichi am Albrunweg. Wenn Sie von der Station Brunnebiel
des Bus alpin dem Fahrsträsschen entlang Richtung Albrunpass
wandern, werden Sie ab der Alp Freichi Blöcke und Aufschlüsse
dieses dunkeln Gesteins beobachten können. Kleinere und grössere
Metagabbro-Körper kommen an vielen Orten in den Alpen vor. Der
bekannteste und schönste ist der Allalin-Metagabbro (SmaragditGabbro) mit seinen grossen, hell- bis dunkelgrünen Flecken, der gerne auch zu Dekorationsgegenständen verarbeitet wird. Sie können
solche in den Mineralienläden in Fäld und in Binn bewundern oder
erstehen. Gabbro wird heute an allen mittelozeanischen Rücken der
grossen Weltmeere gebildet. Man trifft ihn in den meisten Gebirgen
und in alten Kontinentalschilden an. Er ist dort mengenmässig viel
seltener als Granitgesteine.
Besonderheiten
Manchmal enthält der Binntaler Metagabbro kleine, goldbraun glänzende Plättchen von dunklem Glimmer (Biotit) sowie rostige Flecken,
die sich um kleine Erzmineralkörner gebildet haben.
Kluftmineralien in Metagabbro
In diesem Gestein kommen dieselben Mineralien vor wie in den
Grünschiefern, weil ihre chemisch-mineralogische Zusammensetzung dieselbe ist. Die Zusammensetzung eines Gesteins diktiert immer auch das Spektrum der Kluftmineralien, weil sich diese ja aus
der Auslaugung des Gesteins um Kluftspalten herum bilden (S. 69 ff.).
Abb. 31-34 Variationen des schönsten Ophiolit-Gabbros der Alpen,
des Allalin-Metagabbros.
43
Für Experten
Der Metagabbro von der Freichi im hinteren Binntal gehört zu einem
Ensemble von Linsen und Lagen, die in der Fäldbach-Serie der mesozoischen Bündnerschiefer eingelagert sind. Neben Metagabbros
finden sich vor allem Grünschiefer und Serpentinite. Bei Letzteren
ergab sich bei der alpinen Metamorphose oft ein Reaktionssaum
mit den umgebenden Kalkglimmerschiefern, in welchem sich TalkChlorit-Serpentin-Gesteine entwickelten. Dies sind die bekannten
Ofen- oder Giltsteine, welche vielerorts in den Alpen für den Bau
von Öfen abgebaut wurden. Am Gandhorn sind Reste eines solchen
Abbaus zu finden. Vermutlich intrudierten die Gabbros in Form von
Lagergängen in die Sedimente hinein. Heute geht man davon aus,
dass sich im Walliser Becken keine voll entwickelte Ozeankruste bildete, sondern dass an der ausgedünnten kontinentalen Kruste ein
subkrustaler Mantel mit vereinzelten basischen Intrusionen den
Ozeanboden bildete.
Ihre Beobachtungen
—— ­­Schauen Sie die Blöcke gut an! Können Sie die beiden Hauptmineralien erkennen?
Sehen Sie, wie die Hornblendekristalle treppenartig gespalten sind?
Die Blöcke
Alle 3 Blöcke sind praktisch identisch, weil sie alle vom sehr homogenen MetagabbroVorkommen bei der Freichi stammen.
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Gesteins-Aufschluss
Geologenrealität
8
Aufschluss – das Zauberwort der Feldgeologen
Hier ist die erste Stelle an diesem Gesteinsweg, wo Sie ein Gestein
nicht in hertransportierten Blöcken, sondern an Ort und Stelle seines Vorkommens beobachten können. Wir Geologen reden dabei von
einem Aufschluss. Es ist nicht immer ganz trivial zu entscheiden,
ob ein Stück Fels wirklich in seiner ursprünglichen Lage vorhanden
ist – die Geologen reden dann vom anstehenden Fels. In den tieferen und mittleren Höhenlagen ist bei uns die Bodenbildung und Vegetation stark ausgeprägt, was die Menge und Qualität von guten
Aufschlüssen stark einschränkt. Deshalb sind Geologen im Mittelland und in tieferen Berglagen oft auf Flusseinschnitte, Strassenanschnitte und Steinbrüche angewiesen. Erst im Hochgebirge ist die
Aufschlussmenge und -qualität sehr gut, und der Geologe kann viel
leichter zu seinen Informationen kommen.
Auch wenn heute viele Untersuchungen im Labor mit aufwändigen
Analysegeräten und am Computer mit Modellen erfolgen, ist die genaue Feldforschung nach wie vor die Grundlage der Geologie – eine
der Faszinationen dieser Disziplin. Ein Modell kann noch so elegant
und schlüssig sein – wenn an einem einzigen Aufschluss die Gesteine
und ihre Strukturen ihm nicht entsprechen, muss man es verwerfen!
Der Geologe untersucht am Aufschluss das Gestein genau mit der
Lupe, er schaut auf die Strukturen (Schichtung, Schieferung, Falten,
Klüfte etc.), misst diese mit dem Geologenkompass ein, macht ev.
eine Skizze oder Fotos und trägt seine Beobachtungen in sein Feldbuch ein. So arbeitet er sich mit viel Geduld von Aufschluss zu Aufschluss und erhält so langsam ein Gesamtbild des geologischen Aufbaus eines Gebietes.
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Die Gesteine an diesem Aufschluss des Gesteinserlebniswegs bezeichnen wir Geologen als Bündnerschiefer. Sie werden an der
nächsten Station mehr darüber erfahren. Hier können Sie einfach ein
wenig Geologen-Detektivarbeit mitmachen. Denn Geologen sind eine
Art Detektive, die den Gesteinen mit Lupe und anderem Instrumentarium auf die Schliche zu kommen versuchen. Also nicht Sherlock
Holmes, sondern SherRock Holmes!
Eines der allerwichtigsten Feld-Instrumente des Geologen ist ein so
genannter Geologenkompass, mit dem Strukturen genau eingemessen werden können. Geologenkompasse haben neben der Bussole
noch eine Wasserwaage (Libelle) und ein Neigungspendel (Klinometer), um den Bezug von Strukturen zur Horizontalen messen zu
können. Für Ihre Beobachtungen hier reicht es, wenn Sie eine grobe
Vorstellung davon haben, wo Norden ist. Zudem verfügen die meisten Smartphones sowieso über eine Kompassfunktion.
Ihre Beobachtungen
1 Wie liegt die Schieferung der Gesteine im Raum? Halten Sie die flache Hand so hin
wie die Schieferung und überlegen Sie deren Orientierung Nord-Ost-Süd-West und
den Neigungswinkel.
2 Wie verhält sich diese Lage der Schieferung zur Topografie des Binntals?
3 Sehen Sie an den Bergen nördlich von hier ähnliche Gesteinsaufschlüsse (braune,
schiefrige Gesteine)? Wie liegt dort die Schieferung?
4 Sehen Sie Verfaltungen? Falls ja, wie würden Sie diese charakterisieren?
5 Wie verlaufen die Umbiegungsachsen der Falten?
6 Sehen Sie verschiedenartige Gesteine im ganzen Aufschluss?
7 Sehen Sie Spuren von Erosion?
Abb. 35 Geologen diskutieren an einem Dolomitaufschluss
die Lage der Schichtung.
Abb. 36 Der Bündnerschiefer-Aufschluss bei Station 8.
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Bündnerschiefer
Ein Gestein, das gar keines ist
9
Name und Merkmale
Die frühen Alpengeologen fanden in Mittelbünden grosse Mengen
schiefriger Gesteine und fassten diese als Bündnerschiefer zusammen. Dies blieb bis heute so, auch wenn man sie unterdessen auch
aus dem Wallis und den ganzen Alpen kennt. Zum Trost fürs Wallis: Heute wissen wir, dass die Gesteine in einem Meeresbecken
namens Walliser Trog abgelagert wurden! Die Franzosen fanden
mit „schistes lustrés“ (Glanzschiefer) und die Italiener mit „calceschisti“ (Kalkschiefer) wesentlich bessere Namen... Der Begriff wird
ausschliesslich im Alpenraum verwendet. Bündnerschiefer sind ein
Gesteins-Ensemble, das aus Lagen verschiedener Gesteine besteht –
deshalb die Aussage: Ein Gestein, das gar keines ist. Sie bestehen aus
Schichtbänken von grauem Kalkmarmor mit dazwischen gelagerten
Schiefergesteinen. Diese Zwischenlagen machen die Bündnerschiefer zu leicht erodier- und verwitterbaren Gesteinsabfolgen. Nur dort,
wo die Kalkmarmore überwiegen, entstehen solidere Felsformationen. Bei der Alpenbildung wurden die Kalksteine zu grauem Marmor mit glitzernden Calcitkristallen und die Tonlagen zu Glimmerschiefer umgewandelt. Oft sind in diesen auch bis über 1 cm grosse
braunrote Granatkristalle eingelagert, die an verwitterten Gesteinsoberflächen wie kleine Warzen aussehen. Bündnerschiefer-Serien
bilden eher weiche Topografien, wie etwa in den Bergen nördlich der
Binna, wo sie vom Breithon über das Eggerhorn bis zum Schweifgrat
die rundlichen Bergformen mit ihren bräunlich anwitternden, brüchigen Felsflanken bilden. Die alte Strasse durch die Twingischlucht
durchquert ausschliesslich Bündnerschiefer.
Abb. 37 Bündnerschieferfelsen an der alten Strasse in der Twingischlucht.
Abb. 38 Verfaltete Einschlüsse von Quarz (weiss) und Calcit (gelb)
in Bündnerschiefern des Feldbachtals.
Abb. 39 Quarzreicher Granat-Glimmerschiefer aus den Bündnerschiefern.
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Entstehungsgeschichte
Die Alpenbildung begann mit der Bildung von grossen Meeresbecken, also quasi mit dem Gegenteil von Bergen. Vor etwa 250 Mio.
Jahren begann das ursprünglich mit Europa verbundene Afrika
nach Süden zu driften, und dazwischen bildeten sich Meeresbecken,
in denen sich Sedimente ablagerten, welche langsam zu festen Gesteinen wurden. Am Südrand des damaligen Europas lag das Walliser Becken, in dem von 150-80 Mio. Jahren kalkige bis sandig-tonige
Sedimente abgelagert wurden. Ab etwa 100 Mio. Jahren kehrte Afrika seine Bewegungsrichtung um und kollidierte später mit Europa,
wobei sich als Knautschzone die alpinen Gebirgszüge von den Pyrenäen über die Alpen, den Apennin und das Balkangebirge bis zum
Himalaya bildeten. Dabei wurden die Sedimentgesteine des Walliser
Beckens zu den Bündnerschiefer-Serien umgewandelt.
Vorkommen Binntal – Alpen – weltweit
Die nördlichen Seiten des Binn- und des Saflischtals sind von Bündnerschiefern aufgebaut. Deshalb sind die Berge dort nicht sehr
schroff und mit blumenreichen Rasen bedeckt. Bündnerschiefer
kommen in den ganzen Alpen, vor allem in Mittelbünden, im Gebiet
zwischen Binn und Airolo und im südwestlichen Wallis vor. Vergleichbare Gesteinsabfolgen finden sich in vielen Gebirgen.
Besonderheiten
Häufig finden Sie in Bündnerschiefern weiss-gelbliche, linsenförmige Kristallisationen. Das weisse Mineral ist Quarz, das gelbliche
Kalkspat (Calcit). Diese Ausscheidungen entstanden während der
Metamorphose. In den Bündnerschiefern finden sich auch grössere
und kleinere Linsen von Serpentinit, um die sich sogenannte Giltsteine oder Ofensteine gebildet haben. Diese wurden früher für den
Ofenbau ausgebeutet.
Abb. 40 Die Flanken der Twingischlucht und das Bättlihorn bestehen aus monotonen Bündnerschieferserien.
Abb. 41 Verfaltete Bündnerschiefer im Domleschg, Graubünden.
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Kluftmineralien in den Bündnerschiefer-Serien
In den steil gelagerten Bündnerschiefern finden sich zahlreiche horizontal verlaufende Quarzklüfte, die oft nur weissen, derben Quarz
enthalten, aber immer auch wieder Hohlräume mit schön kristallisierten Mineralien bilden. Darin finden sich hauptsächlich Bergkristalle, Calcit, Albit, Pyrit, Rutil, Muskowit.
Für Experten
Die Bündnerschiefer des Binntals werden in zwei tektonisch-lithologische Einheiten unterteilt. Die südliche heisst Fäldbach-Serie. Sie
ist lithologisch wesentlich abwechslungsreicher als die nördlich anschliessende Rosswald-Serie. Die in der Fäldbachzone eingelagerten
metabasischen Gesteine (Metagabbro, Grüngesteine) und Serpentinite deuten auf eine ausgedünnte kontinentale Kruste mit Exposition von ozeanischen Krusten- und Mantelgesteinen hin. Die Ablagerungsalter der Fäldbach-Serie reichen vom mittleren Jura bis in die
Unterkreide. Die nördlich anschliessende Rosswald-Serie besteht
aus monotonen Kalkglimmerschiefern und hat Oberkreide-Alter.
Ihre Beobachtungen
—— In welchen der Blöcke finden Sie die braunen, rundlichen Granat-Kristalle? Wie
gross ist der grösste, den Sie finden können?
—— Finden Sie auf der Vorderseite von Block 1 die wenigen besenartigen Aggregate
von schwarzen Hornblendekristallen?
Die Blöcke
1 Auf der vorderen Schieferungsfläche silbrig glänzende Hellglimmer-Überzüge
(Sericit), schwarzbraun glänzende Dunkelglimmerkristalle (Biotit), braune, rundliche Granatkristalle und feine, schwarze Nädelchen von Hornblende.
2 Auf der Oberseite schöne Dunkelglimmer-Aggregate. Auf der Vorderseite Querschnitte durch helle, fladenförmige Ausscheidungen aus weissem Quarz und gelblichem Calcit.
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Dolomitmarmor Und
Lupenstation
Tropenstrand und Miniwelten
10
Name und Merkmale
Die Herkunft des Namens Dolomit ist eine kuriose, jedoch für die
Geologie durchaus typische Geschichte (S. 65). Das Anhängsel Marmor kommt daher, weil metamorphe Kalksteine und Dolomite generell als Marmore bezeichnet werden. Der Dolomitmarmor ist das
auffälligste Gestein des Binntals! Weiss und hellgrau leuchten seine
Felsen in der Landschaft. Er besteht im Wesentlichen aus einem einzigen Mineral, nämlich Dolomit, ein Calcium-Magnesium-Karbonat.
Dolomitmarmor kann kompakt ausgebildet sein, kann aber auch ein
loses Korngefüge haben und dadurch zuckerkörnig werden. Diese
Struktur hat mit den bei der Metamorphose entstandenen, perfekt
geraden Korngrenzen der Dolomitkristalle zu tun. Diese Gesteine
sind weich und oft sogar von Hand zu zerbrechen. Zuckerkörniger
Dolomitmarmor hat den Tunnelbauern am Gotthard viel Sorgen bereitet – doch zur grossen Erleichterung war er auf Tunnelniveau fest
und technisch leicht zu bewältigen.
Entstehungsgeschichte
Gebildet wurde das Gestein vor rund 230 Mio. Jahren (Triaszeit) an
einem tropischen, flachen Meeresstrand. Damals lag unser Gebiet
fast auf Äquatorhöhe, und durch das Auseinanderdriften von Afrika
und Eurasien bildete sich ein weites, flaches Meeresbecken. Es gab
weder das Binntal noch die Alpen, nur wüstenartiges Flachland und
weite Küstenebenen. An diesen wurde von Meeresplankton Kalkschlamm abgelagert, welcher dann durch magnesiumreiche Grundwässer zu Dolomit umgewandelt wurde. Bei der Alpenbildung wurden diese Dolomite zum weissen Dolomitmarmor umkristallisiert.
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54
Vorkommen Binntal – Alpen – weltweit
Dolomitmarmore finden sich in zwei talparallelen Zügen etwa in
der Mitte des Tales, an der Grenze zwischen den nördlich gelegenen
Bünderschiefer-Serien und den südlich anschliessenden Gneisen.
Flurnamen wie Wyssi Flüe und Schinerewyssi beziehen sich auf die
weissen Dolomitmarmore. Ähnliche Dolomitmarmore gibt es mancherorts in den Alpen. Das bekannteste Vorkommen ist dasjenige
der berüchtigten Pioramulde im Gotthardgebiet. Mächtige Serien
von unmetamorphen Dolomitgesteinen finden sich in den Engadiner
Dolomiten, im Südtessin und natürlich in den Dolomiten. Dolomitgesteine kommen weltweit vor, sind jedoch seltener als Kalksteine.
Die Besonderheiten
An verschiedenen Stellen, vorab aber am Lengenbach, enthält der
Dolomitmarmor des Binntals Vererzungen mit seltenen chemischen
Elementen und einer grossen Zahl seltenster Mineralien.
Kluftmineralien im Dolomitmarmor
In Dolomitmarmoren finden sich vor allem Dolomit-Kristalle in kleinen Klüften. In Vererzungen wie etwa am Lengenbach werden hingegen zahlreiche exotische Mineralien gefunden (S. 81).
Die Lupenstation
Sie können hier nochmals alle Gesteine des Gesteinserlebniswegs in
Ruhe mit der Lupe betrachten. Wir haben für Sie besonders typische
und möglichst schöne Stücke zusammengestellt. Richtiges Lupisieren: Halten Sie die Lupe nahe an ein Auge, schliessen Sie das andere,
und führen Sie mit der andern Hand das Gestein langsam zur Lupe
heran, bis Sie ein scharfes Bild sehen. Achten Sie auf einen guten
Abb. 42 Zuckerkörniger Dolomitmarmor; die hellbraunen Schüppchen
sind magnesiumreicher Glimmer (Phlogopit).
Abb. 43 Die Dolomitbrekzie von Block 4 belegt aktive Bruchzonen bei
der Ablagerung; diese dokumentieren das beginnende Zerbrechen des Megakontinents Pangäa.
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56
Lichteinfall auf die betrachtete Fläche. Wenn Sie an Gesteinen und
Mineralien interessiert sind, lohnt sich der Kauf einer guten Lupe
mit 10- bis 12-facher Vergrösserung. Neben Steinen lassen sich damit auch Blumen, Flechten, Kleintiere und viele weitere Dinge von
ganz nah betrachten.
Für Experten
Der Binntaler Dolomitmarmor liegt an der Basis der mesozoischen
Metasediment-Serien der penninischen Monte-Leone-Decke und
deshalb meist ziemlich direkt über dem Top von deren kristallinem
Grundgebirge. Die Dolomitzüge sind oft verfaltet und weisen infolge
tektonischer Beeinflussung unterschiedliche Mächtigkeiten auf.
Ihre Beobachtungen
—— Wie viele unterschiedliche Gesteinsarten sind in der Brekzie von Block 4 enthalten?
—— Finden Sie in einem der Blöcke goldgelbe Pyrit-Körner? Falls nicht, werden Sie
dann weiter oben bei der Mineraliengrube fündig!
Die Blöcke
1 Grauer, gebänderter Dolomitmarmor, grobkörnig und kompakt. Im obersten Block
ist das Gefüge der miteinander verwachsenen Dolomitkristalle gut zu erkennen.
2 Grauer, feinkörniger Dolomitmarmor. Die Bänderung entspricht der ursprünglichen Ablagerungsschichtung.
3 Weisser, zuckerkörniger Dolomitmarmor. Vereinzelte hellbraune Glimmerplättchen sind erkennbar (Phlogopit).
4 Gemenge von eckigen Gesteinsstücken in einer Matrix – eine Brekzie. Die Komponenten sind fladenartig ausgewalzte, graue Dolomitstücke; die Matrix besteht aus
Dolomit und Quarz.
Abb. 44 Weisse Felsen aus Dolomitmarmor am Turbengrat hoch über
dem Weg zur Binntalhütte.
Abb. 45 So sah das Binntal vor 240 Mio. Jahren bei der Ablagerung der Dolomite aus! Sabkha-Ebene am Persischen Golf.
57
6
5
4
3
2
1
1. Küche
2. Schnauze
3. Hölle
58
4. Himmel
5. Kalkkammer
6. Ofenmantel
Vom Dolomit zum
K alkmörtel Mörtelproduktion
in vergangenen Zeiten
11
An dieser Station tritt der weisse, zuckerkörnige Dolomitmarmor
an die Oberfläche. Er ist den Leuten im Tal seit Langem bekannt.
Wie überall wollten die Menschen auch im Binntal die Steinmauern
für ihre Häuser mit Kalkmörtel festigen. Aus Kalkstein kann man
Kalkmörtel durch Brennen einfach gewinnen, aus Dolomitgestein
braucht es einen doppelten Brennprozess. Die Menschen schafften
auch das in den ganz einfachen kleinen Feld-Brennöfen. Die Reste
eines solchen Ofens sehen Sie auf der andern Seite des Baches.
Die Dolomitaufschlüsse
Der Dolomit zerfällt an der Oberfläche richtiggehend in einen weissen Sand aus Dolomitkörnern. Manchmal ist noch die ursprüngliche
Ablagerungsschichtung mit einem Wechsel von weissen und grauen
Lagen erkennbar. Die Graufärbung geht auf Graphiteinlagerungen
zurück, die bei der metamorphen Umwandlung von Resten organischen Materials entstanden. Die nur wenige Meter weiter östlich beginnende Vererzung des Lengenbachs ist hier nicht mehr vorhanden.
Gebrannter Kalk
Seit über 10’000 Jahren kennen die Menschen die Herstellung von
weissem Kalkmörtel durch Brennen von Kalkstein bei Temperaturen
von über 900 °C. Das Calciumcarbonat (CaCO3) des Kalksteins gibt
bei Temperaturen über 900 °C Kohlenstoffdioxid (CO2) ab und geht
in Branntkalk über (Calciumoxid CaO) über. Dieser wird dann mit
Abb. 46 Reste eines Kalkofens am Wanderweg zur Binntalhütte.
Abb. 47 Schemazeichnung eines einfachen, alpinen Kalkofens.
Abb. 48 Nachbau und Betrieb eines einfachen Kalkofens.
59
Wasser zu Kalkmörtel, Kalkfarbe oder hydraulischem Kalk weiterverarbeitet. Da Dolomit nicht reines Calziumkarbonat ist, sondern
ein Calzium-Magnesium-Karbonat, ist der Brennvorgang aufwändiger, weil damit auch das Magnesium entfernt werden muss.
Brennöfen im Binntal, in den Alpen und weltweit
Im Binntal finden sich an verschiedenen Stellen Resten von Kalkbrennöfen, stets in unmittelbarer Nähe zu den weissen Dolomitmarmor-Aufschlüssen. Sie wurden bis Ende des 19. Jahrhunderts
verwendet. Der hiesige Brennofen wurde 1991 von der Uni Basel ausgegraben und restauriert. Ein weiterer gut erhaltener Rest befindet
sich am Weg zum Albrunpass, bei der Abzweigung vom Alpsträsschen. Im Alpenraum verbreitete sich die Herstellung von gebranntem Kalk vor gut 1000 Jahren, verbunden mit dem Bau von kühnen
mittelalterlichen Burganlagen. Für das Brennen wurden meistens
ganz einfache Feld-Brennöfen verwendet, die möglichst nahe beim
Kalksteinvorkommen erstellt wurden. Wichtig war auch ein genügender Holzvorrat, mussten doch für das Brennen von einem Kubikmeter Kalkstein drei Kubikmeter Holz oder mehr gerechnet werden.
Die Feld-Brennöfen bestehen aus einem ovalen, in einen Hang hinein gebauten Brennraum von 2-4 m Durchmesser und 2-4 m Höhe.
Das Mauerwerk wird aus rohen Kristallingesteinen mit Sand in den
Zwischenräumen erstellt. Die zu brennenden Kalksteinblöcke müssen kunstvoll in den Ofen eingelegt werden, sodass sie nicht in den
unten liegenden Feuerraum durchbrechen konnten. Unter dem Feuerraum liegt ein schmaler Zugluftraum. Ein Brennvorgang dauerte
rund 5 Tage, und nach 2 Tagen Auskühlung konnten die gebrannten
Kalke entnommen werden.
Der älteste gebrannte Kalk wurde in der frühgeschichtlichen Stätte
von Göbekli Tepe in Anatolien gefunden. Sie ist rund 11’000 Jahre
alt. Kalkmörtel in einfachen Brennöfen wurde fast in allen Kulturen
weltweit hergestellt.
60
III
Wissenswertes rund um die Gesteine und Mineralien
Quar z
Ein Mineral mit
tausend Gesichtern
Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose! Nein? Eben. Es gibt Rosen in
tausend Varianten, Grössen, Formen, Farben, mit oder ohne Dornen,
buschig oder einstielig, gross- bis kleinblütig, mehr oder weniger
duftend. Aber alles sind Rosen. Genau gleich verhält es sich mit dem
Quarz.
Quarz ist der Oberbegriff des Minerals mit der chemischen Formel
SiO2 – ein Silicium- und zwei Sauerstoffatome, die miteinander in
einem dreidimensionalen, regelmässigen Kristallgitter verbunden
sind (Abb. 49). Weil Silicium und Sauerstoff in der Erdkruste sehr
wichtige Elemente sind, ist das Mineral Quarz sehr häufig. In vielen
Gesteinen bildet er einen Hauptbestandteil, so etwa im Granit oder
Sandstein (Abb. 50). Wenn ein Quarz das Glück hat, in einem Hohlraum zu wachsen, kann er seine regelmässige atomare Kristallstruktur voll entfalten und frei als Bergkristall mit seiner sechsseitigen
Säule und der abgeschrägten Spitze auskristallisieren (Abb. 66). Wo
Quarz die Spalten der Mineralklüfte ganz auffüllt, entsteht weisser,
derber Gangquarz (Abb. 51). Werden solche Gangquarze durch die
Erosion aus dem Gesteinsverband gelöst und in Bächen und Flüssen
talwärts transportiert, so entstehen daraus die Ihnen bestens bekannten runden, weissen Quarzkiesel.
Es braucht nur geringste Beimengungen von anderen chemischen
Elementen oder Mineralien im Quarz, und er kommt in ganz anderen
Farben daher: Als brauner Rauchquarz, violetter Amethyst, rosaroter Rosenquarz, gelber Citrin, grüner Prasem, rostroter Eisenkiesel
61
62
– um die wichtigsten zu nennen. Bergkristall, Rauchquarz und Amethyst werden von den Strahlern auch im Binntal gefunden. Quarz
kann auch in extrem feinkörniger Form kristallisieren, das ergibt
dann Formen wie Feuerstein (Flint, Abb. 52), Jaspis, Achat oder Opal.
In der Steinzeit waren Feuerstein-Knollen ein begehrter Rohstoff für
die Herstellung von scharfen Klingen und Pfeilspitzen.
Es gibt sogar Meeresplankton, das seine feinsten Schalen nicht aus
Calciumkarbonat (Calcit) aufbaut, sondern aus mikrokristallinem
Quarz. Wenn diese absinken, können speziell harte Quarz-Ablagerungsgesteine namens Radiolarit gebildet werden. Diese haben in
der Regel durch feine Eisen- und Manganbeimengungen eine bordeauxrote Farbe. Wenn quarzhaltige Gesteine verwittern, werden die
Quarzkörner herausgelöst und in den Bächen und Flüssen wegtransportiert. Da Quarz sehr hart und chemisch ausserordentlich stabil
ist, werden die Körner dabei nicht zersetzt, sondern nur zunehmend
abgerundet, bis sie in Sandbänken oder Sandstränden abgelagert
werden. Daraus können dann Quarz-Sandsteine entstehen, wie etwa
der rote Buntsandstein der Region Basel oder der grüngraue Berner Sandstein. Reinste Quarzkristalle können heute auch künstlich
im Labor hergestellt werden. Solche superreinen Quarze werden für
Quarzuhren und andere Präzisionsinstrumente gebraucht.
Schauen Sie die Gesteine des Gesteinserlebniswegs mit einer Lupe
an und finden Sie heraus, in welchen Sie Quarzkörner erkennen können.
Abb. 49 Die dreidimensionale, verbundene Kristallstruktur des Minerals Quarz:
Silicium-Atome braun, Sauerstoff rot.
Abb. 50 Granit von Baveno, I. Quarz grau, Kalifeldspat rosa, Plagioklas-Feldspat weiss, Dunkelglimmer schwarz.
Abb. 51 Füllung einer Quarzkluft aus miteinander verzahnten zentimetergrossen
Quarz-Kristallen, Fundort Furggulti.
Abb. 52 Feuerstein (englisch Flintstone oder Chert), eine mikrokristalline
Ausbildung von Quarz.
63
64
Dolomit
Eine kuriose Namensgeschichte
Dolomit und die Dolomiten geben ein Beispiel dafür ab, wie willkürlich die Namensgebungen sind. Im 18. Jahrhundert erlebten die
Naturwissenschaften einen enormen Aufschwung. Für gebildete
Menschen höherer Gesellschaftsschichten war es normal, sich wissenschaftlich zu betätigen. Auf dem Landgut Dolomieu in Savoyen
kam Déodat Guy Sylvain Tancrède Gratet de Dolomieu als Sohn adeliger Eltern 1750 zur Welt. Er war ausserordentlich intelligent und
interessiert. Bald stürzte er sich auf die Geologie und Mineralogie.
1789 kam er in die Berge der heutigen Dolomiten, die damals Monti
Pallidi – die bleichen Berge – hiessen, was ihrem Charakter bestens
entspricht. De Dolomieu stellte fest, dass dort viele der wie Kalksteine aussehenden Gesteine etwas anderes sein müssen. Im Austausch
mit dem damals berühmtesten Alpenforscher, Horace-Bénédict de
Saussure, wurde klar, dass es sich um ein Calcium-Magnesium-Karbonat handelte. De Dolomieu wollte das neue Mineral und Gestein
zu Ehren von de Saussure Saussurite taufen. Doch er starb 1801,
bevor er das Vorhaben realisieren konnte. Der Sohn von de Saussure taufte in der Folge Mineral und Gestein nach dem Namen von
de Dolomieu. So erhielten sowohl das Mineral als auch das daraus
bestehende Gestein den gleichen Namen Dolomieu (deutsch: Dolomit). Die identische Benennung von Mineral und Gestein war allein
schon nicht besonders hilfreich. Doch es kam noch besser: Der Name
begann auch für die Monti Pallidi verwendet zu werden und wurde
schon ab 1876 auf den offiziellen Karten verwendet – wahrscheinlich
nicht zur Freude der Einheimischen. Geologische Namen sind also
eine ziemliche Glückssache.
Abb. 53 Graf Déodat Guy Sylvain Tancrède Gratet de Dolomieu (1750-1801).
Abb. 54 Horace-Bénédict de Saussure (1740-1799), der berühmteste
Alpenforscher des 18. Jahrhunderts.
Abb. 55 Die berühmten Drei Zinnen der Dolomiten bestehen ganz aus
geschichtetem Dolomitgestein.
65
66
Gesteinsmetamorphose
Das grosse Umorganisieren
Metamorphe Gesteine entstehen durch Umkristallisation in festem
Zustand, also ohne Aufschmelzung, von bestehenden Gesteinen,
wenn diese in der Erdkruste höheren Temperaturen und Drücken
als bei ihrer Entstehung ausgesetzt sind. Dies geschieht meist durch
Versenkung infolge tektonischer Prozesse, wie etwa bei der Alpenbildung, wo die Gesteine des europäischen Kontinentalrandes unter
die anrückende afrikanische Platte gedrückt wurden. Metamorphe
Umkristallisationen in Gesteinen beginnen bei rund 150 ºC und reichen bis rund 800 ºC. Bei höheren Temperaturen beginnen die Gesteine aufzuschmelzen und es entsteht glutflüssiges Magma. Der
Druck, welcher durch die Überlagerung einer viele Kilometer hohen
Gesteinssäule entsteht, spielt auch eine Rolle, aber der Hauptfaktor
der Metamorphose ist die Temperatur.
Was passiert bei der Gesteinsmetamorphose?
Gesteine verändern bei einer metamorphen Umwandlung ihre mineralogische Zusammensetzung und/oder ihre Struktur. So können
etwa in einem Tongestein bei mittelstarker Metamorphose schöne
Glimmermineralien wachsen, bei höherer Metamorphose treten Mineralien wie rotbrauner Granat, blauer Disthen oder brauner Staurolith auf. Anhand solcher neu kristallisierter Mineralien können die
Geologen die Metamorphose-Intensität abschätzen. Die chemische
Zusammensetzung der Gesteine ändert sich jedoch nicht. So wird
ein unmetamorpher Tonstein genau die gleiche chemische Zusammensetzung haben wie der bei 550 ºC daraus entstandene Granat-
Abb. 56 Tonstein, eine feinkörnig weiche Meeresablagerung aus Tontrübe.
Abb. 57 Dasselbe Gestein, aber bei rund 550 ºC metamorph umkristallisiert.
Abb. 58 Feinkörniger Kalkstein, wie er im Jura oft vorkommt.
Abb. 59 Dasselbe Gestein aus dem Tessin, bei rund 600 ºC zu grobkörnig-
weissem Marmor umkristallisiert.
67
Glimmerschiefer, wie wir ihn im Binntal finden. Es ist wie beim
Brot- oder Kuchenbacken: Wir kriegen dasselbe Lebensmittel aus
dem Ofen, das wir reingesteckt haben, es hat sich einfach von seiner
Struktur her verändert – mit einer Ausnahme: Das Brot ist trockener
als der feuchte Teig. Genau gleich geht es bei der Gesteins-Metamorphose: Bei zunehmender Temperatur verlieren die Gesteine Wasser, welches bei tieferen Temperaturen in den Mineralien eingebaut
ist, sie werden in der Regel trockener. Das Wasser in den Gesteinen
trägt entscheidend zur Geschwindigkeit der Umkristallisationen
bei: Je trockener ein Gestein, desto reaktionsträger ist es. Dies ist
der Hauptgrund, warum metamorphe Gesteine nach dem Höhepunkt
der Metamorphose bei der nachfolgenden Abnahme von Temperatur
und Druck durch die langsame Heraushebung nicht wieder zurück
in den Ursprungszustand reagieren. Manchmal zeigen metamorphe
Gesteine unterschiedliche Grade solcher Rückreaktionen, die man
retrograde Metamorphose nennt.
Sonderfälle Marmor und Quarzit
Auch wenn ein Ausgangsgestein chemisch ganz simpel zusammengesetzt ist, werden auch bei intensiver Metamorphose keine neuen
Mineralien entstehen, die Ausgangsmineralien kristallisieren sich
einfach um. Die wichtigsten Beispiele dafür sind Kalkstein, der nur
aus dem Mineral Calcit besteht, Dolomit (Mineral Dolomit) und
Sandstein, der nur aus Quarz besteht. Wird ein Kalkstein oder Dolomit metamorph, kristallisieren Calcit und Dolomit um, werden gröber und verzahnen sich zu glitzernden Körnern. Dann spricht man
eben von Marmor. Und beim Sandstein geschieht dasselbe mit den
Quarz-Sandkörnern. Sie lösen sich langsam auf, verzahnen sich miteinander und es entsteht ein harter und zäher Quarzit daraus. Diese
Vorgänge sind vergleichbar mit der Umwandlung von Lockerschnee
zu Gletschereis – das Material bleibt gefrorenes Wasser, aber die
Struktur verdichtet und vergröbert sich.
68
Adern und Spalten im Gestein
Wo der Gesteinssaft fliesst
Sehr oft nehmen Menschen von ihren Wanderungen Steine mit nach
Hause, die durch Klüfte und Adern hübsche oder faszinierende Musterungen erhalten haben (Abb. 60, 61). Wie oft werde ich gefragt, was
denn diese Streifen im Gestein bedeuten! Es sind jedoch keine Streifen, sondern dreidimensionale plattenförmige Gebilde, welche das
Gestein an ebenen Flächen durchschneiden. Es ist leicht nachzuvollziehen, dass das Gestein an diesen Flächen zerbrochen und zuweilen auch noch versetzt wurde. Wir haben es dabei mit einer spröden
Verformung von Gesteinen zu tun, schlicht mit dem Zerbrechen. Es
gibt kaum ein Gesteinsvorkommen, welches frei ist von Spröddeformationen. Stellen Sie sich einen Binntaler Gneis vor, der vor 30 Millionen Jahren in 30 km Tiefe und bei 550 ºC während der Alpenbildung
verformt, überschoben und dabei verfaltet wurde. Und heute treffen
wir ihn auf einer Bergwanderung auf 2000 m Höhe an. Also muss
er von 30 km Tiefe bis an die heutige Oberfläche angehoben worden
sein. Dass dies nicht ohne arges Drücken, Schieben, Ruckeln und Erschüttern ging, liegt auf der Hand. Die ganze Anhebung des Alpengebäudes war mit mannigfachen Zerbrechungen verbunden.
Spröde Strukturen
Sie können verschiedene Spröd-Strukturen in Gesteinen antreffen.
Kluft
Eine schlichte Bruchfläche im Gestein, ohne wesentliche
Öffnung oder Versatz.
Bruch
Bruchfläche, an welcher ein gewisser Versatz der Gesteine stattgefunden hat. Dieser kann von wenigen Millimetern bis
hunderte von Metern betragen.
Ader
Eine Kluft (oder Bruch), die eine gewisse Öffnungsbreite entwi-
ckelt hat, in der sich neu gebildete Mineralien auskristallisiert ha-
ben. Dies ergibt die oft so attraktiven „Streifen“ auf Kieselsteinen.
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Kristallkluft
In den Alpen wird von Kristallklüften und alpinen Zerrklüften gesprochen, in denen die vielen schönen Kluftmineralien gefunden werden. Diese sind abernicht einfache Klüfte im Sinne der Geologen, sondern eigentlich Adern mit Hohlräumen.
Wie entstehen die mineralischen Füllungen der Adern?
Eine Spalte im Gestein in mehreren Kilometern Tiefe kann sich nur
dann ausweiten, wenn Tiefengrundwasser eindringt. Sonst würde
sie sofort wieder kollabieren. Tiefengrundwässer lösen aus dem umgebenden Gestein die Mineralien heraus, und zwar so lange, bis sie
gesättigt sind. Wenn solche fluidgefüllten Spalten zusammen mit
dem Gestein langsam gegen die Oberfläche angehoben werden, reduziert sich der Druck und eine Abkühlung setzt ein. Dadurch wird die
Lösung im Fluid übersättigt und die darin gelösten Mineralien beginnen auszukristallisieren. Im Normalfall wird so die ganze Spalte
mit Mineralkörnern gefüllt, die, weil sie sich gegenseitig behindern,
nicht ihre eigenen Aussenflächen entwickeln können, sondern miteinander verzahnt kristallisieren. Nur wenn sich der seltene Fall ergibt, dass einzelne Stellen nicht ganz zuwachsen, können in diesen
Hohlräumen Mineralien mit ihren natürlichen Kristallflächen auskristallisieren – zur Freude der Mineraliensammler und -liebhaber
(Abb. 66). Deshalb bilden die Adermineralien in aller Regel die mineralogisch-chemische Zusammensetzung des Umgebungsgesteins
ab. In einem Kalkstein wird Calcit die Aderfüllung bilden, in einem
Quarzsandstein eben Quarz. Die kleine Tabelle gibt die Aderfüllungen für die wichtigsten Gesteinsarten des Binntals wieder:
Orthogneise, Paragneise Bündnerschiefer
Grünschiefer, Metagabbro, Amphibolit
Serpentinit
Quarz oder Quarz-Feldspat +/- Chlorit, Epidot
Calcit und Quarz
Epidot, Chlorit, Feldspat
Chrysotil-Asbest, Chlorit, Talk, Strahlstein
Abb. 60 Ein Flusskieselstein (Kalkstein) mit sich kreuzenden Adern aus Calcit.
Abb. 61 Serpentinitgestein aus dem Binntal mit Adern von
Magnesium-Karbonat (Magnesit).
Abb. 62 Eine unregelmässige Quarzader in Orthogneis vom Binntal.
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72
Mineralklüf te
Die verborgenen Wunderwelten
Mineralienvielfalt des Binntals
Binn nennt sich selbst Mineraliendorf, und das Binntal ist als Tal
der Mineralien bekannt. Dies zu Recht, denn es ist wirklich reich
an Mineralklüften unterschiedlichster Art und mit sehr vielen verschiedenen Mineralarten. Zusammen mit dem angrenzenden Gebiet
der Alpe Devero gehört es zu den mineralienreichsten Gegenden der
Alpen. Die Vielfalt ist eindrücklich: 273 Mineralienarten wurden hier
bisher geborgen (Stand Juni 2014), davon wurden 42 erstmals wissenschaftlich bestimmt (so genannte Typlokalitäten).
Woher kommt diese einmalige mineralogische Vielfalt? Die Legende
berichtet, dass Gott am Abend des sechsten Schöpfungstages müde
in seinem Sessel sass. So war er gar nicht erbaut, als der Engel Michael auftauchte und ihn darauf aufmerksam machte, dass zwischen
Gotthard und Simplon ein grosses Loch klaffte. Gott hatte diese Ecke
im Alpenbogen schlichtweg übersehen. So wies er den Engel an, die
Gesteinsresten auf dem Boden der göttlichen Werkstatt zusammen
zu wischen und damit das Loch zu füllen. Michael tat, wie im geheissen wurde. Der Herr war mit dem Ergebnis derart zufrieden,
dass er Michael zum Erzengel beförderte. So entstand das einmalige
Patchwork verschiedenster Gesteinsarten. Und die Binner widmeten
ihre Pfarrkirche dem Erzengel Michael. Wissenschaftlich betrachtet
liegt der Grund für den ungewöhnlichen Mineralienreichtum in der
Vielfalt unterschiedlicher Gesteine und Vererzungen und in der geologischen Geschichte der Region.
Abb. 63 Eine geschlossene Kluft in Paragneis mit Quarzfüllung und
typischer Auslaugungszone.
Abb. 64 Steil stehende Quarzader bei Schinerewyssi, die sich an einer Stelle zu einer offenen Kluft öffnet, Aderbreite ca. 30 cm.
Abb. 65 Das Bergen von Kristallen aus engen Klüften ist oft mühsam und nicht ungefährlich.
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Was sind Mineralklüfte?
Mineralklüfte sind Spalten im Gestein, welche durch Zerrbewegungen auseinander gerissen wurden und wo später Mineralien
frei kristallisieren konnten (Abb. 64, 66). Solche Zerrklüfte können
wenige Zentimeter weit sein, im Extremfall aber bis zu über 2 m
Öffnungsweite erreichen. Die grösste bisher gefundene Zerrkluft an
der Sandbalmfluh im Göschenertal wurde um 1670 entdeckt. In das
bis 4 m mächtige Quarzband wurde ein begehbares Gangnetz getrieben. In jüngster Zeit machte die grosse Kluft am Planggenstock
im Göschenertal Schlagzeilen, deren riesige Bergkristalle heute im
Naturhistorischen Museum Bern zu bewundern sind. Der grösste bis
heute bekannte Quarzkristall der Alpen wurde erst jüngst vom Walliser Strahler Werner Schmidt gefunden. Er wiegt rund 800 kg und
ist im Privatmuseum des Strahlers in Mörel bei Brig zu bewundern.
Wie entstanden die Mineralklüfte?
Die alpinen Zerrklüfte entstanden vor 20 bis 10 Mio. Jahren in einer jüngeren Phase der Alpenbildung. Die Gesteine wurden bei der
Alpenbildung in Tiefen von rund 35 km gedrückt und umgewandelt.
Bei der anschliessenden langsamen Anhebung entstanden Brüche
und Zerrspalten in den Gesteinen. In diese drangen Tiefengrundwässer ein und begannen die Mineralien des Kluftgesteins aufzulösen,
so lange, bis sie gesättigt waren – so wie man in einer Tasse Tee auch
nicht beliebige Mengen von Zucker auflösen kann. Und wie man in
einem heissen Tee viel mehr Zucker auflösen kann als in kaltem, so
funktioniert das auch bei den Kluftwässern – je heisser, desto mehr
Gesteinsmineralien können gelöst werden. Bei der langsamen Anhebung der Gesteine kühlten diese mitsamt den Kluftwässsern langsam ab. Deshalb wurden die Kluftwässer übersättigt, und die nicht
mehr lösbaren chemischen Elemente begannen in Form von Mineralien auszukristallisieren. Die sich bildenden Kristalle brauchten
einen so genannten Kristallisationskeim, und den fanden sie an den
Abb. 66 Eine offene Kluft mit Bergkristallen hoch oben am Scherbadung.
Abb. 67 Frisch aus einer Kluft geborgene, schöne Rauchquarzstufe.
75
Gesteins-Mineralkörnern der Kluftwand. So wuchsen die Kristalle
langsam heran, welche die Strahler heute finden (Abb. 67). Wenn dieser Prozess lange genug andauert, wird die Kluft langsam ganz zuwachsen und wir finden nur noch eine grobkörnige Masse von Kluftmineralien (Abb. 63). Hört das Kristallwachstum früher auf, bleibt
eine teilweise offene Kluft mit schön ausgeformten Kristallen übrig.
Wachstum im Schneckentempo
Schätzen Sie, wie lange es brauchte, bis ein 10 cm grosser Bergkristall gewachsen war! Es gelang erst in den letzten Jahren, die
Wachstumsgeschwindigkeit von Bergkristallen in Zerrklüften zu ermitteln. Die Resultate erstaunten selbst die Fachleute. Unser 10 cm
grosser Bergkristall wuchs nur mit etwa 0.0005 mm – einem halben
Tausendstel Millimeter – pro Jahr und brauchte 200’000 bis 300‘000
Jahre, um seine Grösse zu erreichen! Dagegen kriecht eine Schnecke
mit Überschallgeschwindigkeit. Mutter Erde hat eben sehr viel Zeit.
Natürlich wachsen nicht alle Mineralien überall gleich langsam – da
gibt es riesige Unterschiede. So können etwa Schwefelkristalle an
Austrittstellen von vulkanischen Gasen mit mehreren Millimetern
pro Jahr wachsen.
Die wichtigsten Kluftmineralien des Binntals
Die mineralogische Zusammensetzung eines Gesteins bestimmt darüber, welche Mineralien in seinen Klüften kristallisieren können. So
werden in einem quarzfreien Gestein, etwa in einem Marmor, auch
keine Quarzkristalle in den Klüften entstehen. Da im Binntal eine
Vielfalt unterschiedlicher Gesteine vorkommt, ist eben auch die Vielfalt an Kluftmineralien gross. Es kommt dazu, dass in verschiedenen
Gesteinen alte Vererzungen vorkommen, aus denen bei der Alpenbildung weitere, teilweise ganz exotische Mineralien entstehen konnten, etwa am Lengenbach (S. 81).
Auf der Tabelle rechts sind die wichtigsten Mineralien aufgelistet,
welche in den Hauptgesteinsarten des Binntals gefunden werden.
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Grüner, chromhaltiger
Granat-Demantoid
Aktinolith (= Strahlstein), Asbest (= Chrysotil-Serpentin), Talk, Chlorit, Epidot, Vesuvian,
Diopsid, verschiedene Granat-Arten
Dolomit, Calcit, Bergkristall, Muskowit,
Turmalin, Pyrit, Bleiglanz, Zinkblende
Neben obigen Mineralien eine Unzahl so genannter Sulfosalzmineralien mit Arsen, Thallium, Silber und weiteren Metall-Elementen
Serpentinit
(v.a. Randzone und
an Basalt-Gängen)
Dolomitmarmore
(ohne Lengenbach)
Dolomitmarmore
von Lengenbach
Welche wählen? Sicher Pyrit und
den knallroten, spektakulären
Realgar! Weitere siehe S. 82.
Grössere, klare Dolomitkristalle
kleine, vereinzelte Vorkommen
keine
Albit, Chlorit, Siderit, Chlorit, Epidot
Grüngesteine und
Metagabbros
Mineraliengrube Lengenbach
sowie weitere, weniger vielfältige
Fundorte
Alle Dolomitzüge im Binntal (weiss-­
liche Felsen in der Landschaft)
Region Geisspfad-Rothorn
Südl. Talflanke unter der Schinhorngruppe, Gorb, Lärchultini,
Chollergräben, Turbenalp
Bis mehrere zentimetergrosse,
honigbraune Anataskristalle
Region Wannigletscher,
Scherbadung-Ritterpass
Mättital, Blausee, Albrunpass
Bergkristall, Adular, Albit, Muskowit,
Turmalin; Anatas, Rutil, Hämatit, Magnetit,
Monazit, Xenotim
Rauchquarz und Amethyst
Bündnerschieferzone vom Fäldbachtal bis zu den Strahlgräten
Paragneise
Bergkristall, Rauchquarz, Amethyst,
Hämatit, Turmalin, Fluorit
Orthogneise
Klarste Bergkristalle im Binntaler Habitus, Fensterquarze
klassische Fundgebiete
Cafarsit, Asbecasit
Beryll (Aquamarin)
Bergkristall (Binntaler Habitus), Calcit,
Muskowit, Rutil
Bündnerschiefer
Berühmtheiten
Orthogneise der Region Rauchquarz, Adular, Amethyst, Hämatit,
Scherbadung-Ritterpass Apatit, Beryll, Cafarsit, Asbecasit, Cervandonit, Xenotim und viele weitere exotische
Mineralien mit Seltenen Erden Elementen
Häufigste Kluftmineralien
Gesteinsart
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Strahlen gestern, heute, morgen
Woher der Begriff des Strahlers für den Kristallsucher und dasWort Strahlen für die Bergkristalle kommt, ist nicht ganz geklärt.
Stellen wir uns einfach vor, er komme von den Sonnenstrahlen, die
im durchsichtigen Bergkristall gebrochen werden und vielfach abstrahlen. Im Binntal lassen Funde darauf schliessen, dass schon in
der Bronzezeit nach Kristallen gesucht wurde (über 1000 Jahre v.
Chr.). Dokumente zu Alp- und Nutzungsrechten aus dem 17. Jahrhundert belegen, dass damals das Suchen nach Kristallen ein wichtiger Nebenerwerb war – wie im ganzen Zentralalpenraum. Das
meiste Material wurde in den Raum Mailand verkauft und dort zu
Kristall-Kunstwerken geschliffen. Im 18. Jahrhundert begann auch
die wissenschaftliche Erforschung der Mineralien. So wurde man
auch bald auf die speziellen Mineralien im Binntal und besonders
im Dolomitmarmor des Lengenbachs aufmerksam. Der systematische wissenschaftliche Abbau begann dort um 1850 und hält bis
heute an. Nach dem 2. Weltkrieg begann eine Blütezeit des Strahlens.
Nicht mehr nur Wissenschaftler und Museen interessierten sich für
Mineralien, sondern eine beträchtliche Zahl von begeisterten Amateuren kaufte an Mineralienbörsen Mineralien oder ging selbst auf
die Suche. In den letzten 10-20 Jahren ging dieses Interesse stark
zurück. Anstatt einheimische Kristalle begeistern heute vielmehr
Mineralien und Steine rund um den ganzen Heilstein- und EsoterikBoom. Natürlich stellte sich in den letzten Jahren auch vermehrt
die Frage, ob nach all den Generationen von Strahlern und Amateursammlern, welche die Fundgebiet kreuz und quer abgesucht haben,
überhaupt noch Mineralien gefunden werden. Erstaunlicherweise
werden auch in klassischen Fundgebieten immer wieder Klüfte geAbb. 68 Ein schöner einzelner Bergkristall im Binntaler Habitus,
mit aufgewachsenen, schwarzen Rutilkristallen.
Abb. 69 Schwarzbrauner Rauchquarz (Morion), noch ungereinigt vor der Kluft.
Abb. 70 Perfekter, wenige Millimeter grosser Kristall von Anatas von der
berühmten Binntaler Fundregion Lärchultini.
Abb. 71 Zentimetergrosse Cafarsitkristalle vom Wannigletscher. Auch für dieses seltene Arsenmineral wurde das Binntal bekannt.
79
funden, weil die Strahler noch besser hinschauen, aber auch weil sie
sich heute in steilste und schwierigste Felswände wagen, und drittens geben die zurückschmelzenden Eisfelder und Gletscher auch
ständig neue Felsgebiete frei. Dann wird auch gefragt, ob man denn
nicht aus Respekt vor der Natur die Mineralien gar nicht mehr aus
den Klüften holen sollte – man darf ja auch nicht alle Blumen pflücken. Das ist aber ein Vergleich, der hinkt – denn verborgen im Boden
kann niemand diese Wunder der Natur erleben und sich dadurch für
die Natur begeistern lassen. Viel wichtiger ist, dass das Suchen und
Abbauen mit Respekt und möglichst naturschonend vor sich geht.
Die Schweizerische Vereinigung der Strahler und Mineralien- und
Fossiliensammler SVSMF hat seit Langem einen Ehrenkodex, in dem
die wichtigsten Regeln für die Rücksichtnahme gegenüber der Natur
verpflichtend festgelegt sind.
Wo und wie Kluftmineralien suchen? Wo sie bewundern?
Wer gerne weglos durch das Hochgebirge streift, hat je nach Gebiet
durchaus Chancen, mal ein Stück Bergkristall oder andere hübsche
Mineralien zu finden. Mehr soll man nicht erwarten. Möchte man
selbst auf die Suche nach Klüften gehen, fordert dies einen hohen
Einsatz an Geduld, Zähigkeit und Kondition. Und wenn man mal
eine Kluft entdeckt hat, sollte man auch wissen, wie man die Kristalle richtig und schonend bergen kann – das ist eine hohe Kunst!
Im Binn­tal werden traditionell Strahlertouren für Amateure angeboten. Ein kleiner, selbst gefundener Bergkristall hat ja viel mehr persönlichen Wert als die x-fach grössere Superstufe, die man käuflich
erwerben kann. Im Binntal und in der weiteren Umgebung gibt es
mannigfache Möglichkeiten, schöne Kluftmineralien in Ausstellungen zu bewundern und auch käuflich zu erwerben.
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Mineraliengrube
Lengenbach
Unscheinbare Weltsensation
Lengenbach! Ein winziger Nebenbach der Binna, doch an seinem unteren Ende verbirgt sich eine mineralogische Wunderwelt...
Launen der Natur schaffen weltweit Einzigartiges
Der Lengenbach ist ein kleines, alpines Seitentälchen des Binntals,
welches knapp 1 km östlich des Weilers Fäld steil gegen Südosten
ansteigt. Zuunterst hat der Bach einen etwa 300 m mächtigen Zug
von Dolomitmarmor freigelegt (Station 10). Im Bereich dieses Dolomitvorkommens vom Lengenbach und in geringerem Ausmasse
auch an andern Stellen im Binntal, bildeten sich während oder kurz
nach der Ablagerung des Dolomitgesteins im tropischen Flachmeer
vor rund 220 Mio. Jahren kleinere und grössere Erzvorkommen. Damals gab es im Untergrund einen recht regen Vulkanismus, welcher
zur Zirkulation von metallbeladenen, heissen Tiefengrundwässern
führte. Wo solche heissen Erzlösungen in das Dolomitgestein eindrangen, konnten sich Erzlagerstätten bilden, bei denen vor allem
Eisen, Zink, Blei, Arsen sowie weitere teilweise seltene Metalle sich
zu Metall-Schwefel-Verbindungen auskristallisierten (sog. Sulfidmineralien). Solche Erzvorkommen in Dolomitgesteinen aus dieser Altersperiode findet man in Europa immer wieder.
Die Dolomite des Binntals wurden jedoch bei der Alpenbildung nochmals in grosse Tiefen von bis über 30 km versenkt und dort Temperaturen bis 550 ºC ausgesetzt. Das Dolomitgestein wurde dabei zu
Dolomitmarmor umkristallisiert, die Vererzungen wurden hingegen
richtiggehend neu aufgemischt, weil Sulfide bei diesen Temperaturen schon aufzuschmelzen beginnen. So konnte sich eine grosse Zahl
von ungewöhnlichen Mineralien mit ganz speziellen Zusammenset81
82
zungen und Kristallformen bilden. Die Mineralogen sprechen von
Blei-Arsen-Thallium-Sulfosalzen. Erst dies machte die LengenbachVererzung so einmalig.
Mineralogischer Hotspot
Die seltene Vererzung des Lengenbach fiel den Mineralogen schon
vor bald 200 Jahren auf. Seither pilgerten viele von ihnen ins Binntal, um zu forschen und nach neuen Mineralien zu suchen. Heute
kennt man die Geologie und Mineralogie des Vorkommens sehr gut.
Bis heute wurden am Lengenbach 140 verschiedene Mineralien gefunden. Von diesen sind 40 weltweite Erstfunde (sog. Typmineralien).
Etwa die Hälfte davon sind bis heute einzig vom Lengenbach bekannt geworden. Rund 20 Mineralarten, die es weltweit nur an diesem Ort gibt, und das in teilweise beträchtlicher Menge! Für Mineralogen aus der ganzen Welt ist der Lengenbach damit ein absoluter
Hotspot, und das wissenschaftliche Interesse an seinen Mineralien
und deren Genese ist ungebrochen. Fast alle diese Mineralien kristallisierten als höchstens wenige Millimeter grosse Kristalle in Drusen und Klüftchen. Dazu kommen grosse Mengen von goldgelbem
Pyrit (Eisensulfid, auch Katzengold genannt) und, seltener, auffällige
Kristalle von knallrotem Realgar (Arsensulfid, Abb. 72), welche im
weissen Dolomit extrem auffallen und sehr attraktiv wirken.
Der Lengenbach für Kinder und Steinsammler
Für den Liebhaber schöner Steine und Mineralien und für Kinder
sind die hoch seltenen und winzigen Mineralienspezialitäten weniger wichtig – sie freuen sich am schönen, weissen Dolomit mit seinen
eingesprenkelten goldgelben Pyritkörnern und hie und da weiteren
Mineralien. Solche attraktiven Coffee-Table-Stücke können auf der
Abb. 72 Realgar, das wohl auffälligste Mineral des Lengenbach,
ein reines Arsensulfid, das im Licht rasch zerfällt.
Abb. 73 Zinkblende, neben Pyrit eines der häufigsten Erzmineralien am Lengenbach.
Abb. 74 Lengenbachit, eines der exotischen Mineralien des Lengenbachs.
Abb. 75 Noch ein Mineral oder schon eine Pflanze? Das Silbersulfid Akanthit.
83
Abraumhalde der Grube leicht zugänglich gesammelt werden. Das
Abbauteam sorgt dafür, dass wenn immer möglich ein Nachschub an
frischen Proben für die Hobbysammler und Touristen auf die Halde
kommt. Vor allem für Kinder hat dieser Ort eine magische Anziehung
– Sie werden ihre Kleinen kaum mehr wegbringen.
Zukunft der Mineraliengrube
Die Grube Lengenbach wird zu Forschungszwecken weiterhin abgebaut. Nach einigen Wirren und grundsätzlichen Diskussionen
über den weiteren Betrieb der Grube ist dafür seit 2003 die Forschungsgemeinschaft Lengenbach FGL zuständig. Der sorgfältige
wissenschaftliche Abbau wird bewusst langsam betrieben, um eine
maximale Ausbeute der ausserordentlich feinen Kriställchen zu garantieren und mit den Reserven schonend umzugehen. Auf die FGL
kommen in den nächsten Jahren grössere Investitionen für die Grubenabsicherung und für die Weitererschliessung zu. So oder so wird
die Lagerstätte nicht vollständig abgebaut werden können.
Abb. 76 Die bänderartige Vererzung am Lengenbach im Grubenaufschluss.
Die sichtbaren Erze sind Pyrit und Zinkblende.
84
Oze anbodenkruste
Tiefseetauchen im Hochgebirge
Ozeanische Kruste – der gut versteckte Normalfall
Sie haben alle schon diese Weltkarte gesehen, die unseren Globus so
darstellt, wie er aussehen würde, wenn man – bildhaft gesprochen
– den Stöpsel der Weltozean-Badewanne rausgezogen und das Ozeanwasser abgelassen hätte (Abb. 77). Unter den Ozeanen sieht die
Landschaft komplett anders aus. Auffallend ist vor allem die über
60’000 km lange, zusammenhängende, untermeerische Gebirgskette
mit ihrer symmetrischen Struktur, einer zentralen Naht und zahlreichen parallelen Quergräben – die so genannten mittelozeanischen
Rücken. Diese in den 1960er-Jahren erstmals erstellte Karte hat die
Geologie revolutioniert!
Sie und zahlreiche weitere neue Daten über die ozeanische Erdkruste
führten zur Erkenntnis, dass unser Globus keine stabile Kruste hat,
sondern dass diese in rund 12 Platten aufgeteilt ist, welche ständig gegeneinander driften. An den mittelozeanischen Rücken wird
ozeanische Erdkruste aus aufgeschmolzenem Erdmantelmaterial
gebildet. Diese Ozeankruste ist komplett anders aufgebaut als die
kontinentale Kruste. Sie besteht aus Basalt, Gabbro und Serpentinit, nicht aus kristallinem Grundgebirge wie die kontinentale Kruste. Das herausragendste Merkmal von Ozeankruste sind sicher die
kissenförmigen Basalte (engl. pillow lava), die durch das Ausfliessen
der rund 1200 ºC heissen Basaltmagmen im kilometertiefen Ozeanwasser entstanden sind (Abb. 78).
So wie die Ozeane rund zwei Drittel unseres Globus bedecken, so
bestehen fast ebenso viele Anteile aus ozeanischer Kruste. Diese ist
also eher der Normalfall und nicht die kontinentale Kruste – aber
wir sehen sie eben nicht.
85
86
Von der Ozeankruste zum Ophiolith
Weil unsere Erde nicht ständig grösser wird, muss an andern Orten
Erdkruste auch vernichtet bzw. wieder in den Erdmantel hinunter
gebracht werden. Dies geschieht an den so genannten Subduktionszonen, wo die dünnere und schwerere Ozeanbodenkruste wieder abtaucht (subduziert wird), um viel später, tief im Erdmantel,
langsam wieder aufgeschmolzen zu werden und so den Kreislauf zu
vollenden. Wird die ganze ozeanische Kruste eines Meeresbeckens
subduziert, dann stossen zwei Kontinentstücke aufeinander. Weil
diese Krusten vergleichsweise leicht und sehr dick sind, kann keine
Seite ganz subduziert werden, die beiden Kontinente verkrallen sich
förmlich ineinander, und am Schluss liegt ein Kollisionsgebirge wie
die Alpen oder der Himalaya vor.
Bei solchen Kollisionsereignissen werden in aller Regel auch Stücke
der abtauchenden ozeanischen Kruste abgeschert, in die Kollisionszone einverleibt und mit dem entstehenden Gebirge angehoben, wo
wir sie heute untersuchen können. Solche auf den Kontinent gelangten Stücke von Ozeanbodenkruste nennt man Ophiolith. Die Ophiolithe im Gebirge sind sehr wichtige Einheiten, weil sie den Geologen
viel über die Existenz der heute verschluckten (subduzierten) Ozeanbecken erzählen. So ist das auch mit den Ophiolithen der Alpen.
Ophiolith-Gesteine im Binntal
Im Binntal stammen der Geisspfad-Serpentinit (Station 1), der Grünschiefer (Station 5) und der Metagabbro (Station 7) von solchen Resten ozeanischer Erdkruste.
Abb. 77 Die Weltkarte der Ozeanböden.
Abb. 78 Kissenlaven aus den Tiefen des Pazifiks vor Galagapos –
erst vor kurzer Zeit aus Basaltlava entstanden.
87
88
Er z im Binntal
Reich an armen Vorkommen
Mancherlei Erze und mineralische Rohstoffe wurden früher im
Binn­tal abgebaut – oft unter härtesten Bedingungen. Sie können im
Landschaftspark Binntal Zeugnisse des früheren Bergbaus vor Ort
erleben. Im Wallis, ja in den ganzen Schweizer Alpen, gibt es viele
Erzvorkommen. Doch die allermeisten sind klein und wenig ergiebig.
Das hat mit den Vorgängen bei der Alpenbildung zu tun, bei welchen
die Erzlager stark verformt, zerrissen und umgewandelt wurden.
Früher wurden jedoch auch noch so kleine Erzvorkommen abgebaut,
auch wenn sie hoch oben am Berg lagen, mühsam zu erreichen und
sehr gefährlich für den Abbau waren – so auch im Binntal. An verschiedenen Stellen wurde Giltstein (eine Art Speckstein) abgebaut,
der im Ofenbau Verwendung fand. Im Fäldbachtal und hoch über
Heiligkreuz wurde Eisenerz abgebaut. In der Geisspfadregion wurden verschiedene kleine Asbestvorkommen ausgebeutet. Wenig südöstlich des Albrunpasses liegt auf italienischem Boden eine aufgegebene Bleierzmine. Über die lokale Kalkmörtelgewinnung haben wir
bei der Station 11 (S. 59) berichtet.
Faszinierende Einblicke ins frühere Leben und Wirtschaften
Einige der alten Abbaustellen sind von den Wanderwegen des Binntals aus relativ leicht zu erreichen. Eine schöne Zusammenfassung
zu diesem Thema finden Sie im wunderbaren Buch „Das Binntal –
Exkursionen durch die Zeit“. Speziell auf den Eisen-Abbau geht das
Werk „Im Binntal befanden sich ehemals Eisengruben...“ ein (Angaben im Literaturverzeichnis).
Abb. 79 Eingang zur kleinen Magnetitmine im Fäldbachtal.
Abb. 80 Das vordere Helsenhorn hoch über Heiligkreuz. An der markierten
Stelle wurde lange Eisenerz abgebaut.
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90
Asbest
Der verteufelte Rohstoff
In früherer Zeit wurde im Binntal in bescheidenem Umfang Asbest
abgebaut. Asbest ist ein Sammelbegriff für Mineralien, welche in
Klüften von Serpentiniten in mikroskopisch feinen, haarähnlichen
Kristallen vorkommen. Im Geisspfad-Serpentinit gibt es zahlreiche
senkrechte, in Nord-Süd-Richtung verlaufende Klüfte, in denen Asbestmineralien in kleinen Vorkommen in mühseliger Arbeit abgebaut wurden. Asbest kommt in zwei Ausbildungen vor: erstens als
Serpentin-Asbest, wie im Geisspfad-Serpentinit. Dieser besteht aus
dem Serpentinmineral Chrysotil und bildet feinste, biegbare Nadeln.
Deswegen lassen sich Chrysotil-Asbeste leicht zu Stoffen und Fäden verarbeiten, die für feuerfeste Schutzanzüge und Handschuhe
verwendet werden können. Da diese Nädelchen so weich und biegsam sind, richten sie in der Lunge beim Einatmen vergleichsweise
wenig Schaden an. Zweitens gibt es den Amphibol-Asbest, dessen
Nädelchen hart und spröd sind. Er wurde vor allem für asbesthaltige Baumaterialien verwendet. Seine Nädelchen führen beim Einatmen schnell zu Lungenkrebs. Im Abraum der Asbestabbaustellen am
Geisspfad kann man durchaus noch interessante Proben des filzigen
Chrysotil-Asbestes finden (z.B. Koordinaten 2’662’281/1’133’461).
Asbest ist bei uns für Bauzwecke weitgehend verboten, und Gebäude mit Asbestelementen werden unter enormen Kosten saniert. Dies
betrifft fast nur Amphibol-Asbest. Chrysotil-Asbest ist nach wie
vor ein sehr vielseitiger, technischer Rohstoff, der auch in grossen
Mengen abgebaut wird. Seine Verwendung ist, wenn man die heute
bekannten Vorsichtsmassnahmen berücksichtigt, durchaus sinnvoll.
Denn manche der aufgrund der Asbest-Problematik etablierten Ersatzstoffe sind nicht weniger problematisch.
Abb. 81 Kluftspalte im Geisspfad-Serpentinit, wo früher etwas Asbest abgebaut wurde.
Abb. 82 Haarförmige Asbestkristalle vom Geisspfad – kaum vorzustellen, dass so etwas ein Mineral sein soll.
91
92
Gesteine, Böden und Flora
Auch Blumen sind wählerisch
Das Binntal ist für den Sommerbesucher in erster Linie einmal ein
Pflanzenparadies – die Gesteine erschliessen sich uns erst auf den
zweiten Blick. Alle Bergblumen, aber auch die Gräser, Büsche, Bäume und alle unsere Kulturpflanzen brauchen für ihr Leben neben
Sonnenschein und Wasser auch mineralische Nährstoffe – so wie
wir Menschen ja auch. Da wären etwa zu nennen: Kalium, Calcium,
Eisen, Magnesium – im Prinzip könnte man fast das halbe chemische Periodensystem aufzählen. Alle diese Nährstoffe sind in den
Gesteinen enthalten. Damit die Pflanzen diese aus den Gesteinen beziehen können, braucht es das, was man in der Computersprache ein
Interface nennt, sozusagen ein Vermittlungsmedium. Dieses Interface nennen wir Boden. Die Böden als Bindeglied zwischen der unbelebten Gesteins- und der belebten Pflanzenwelt sind deshalb eine
Kombination aus diesen beiden Welten. Das was wir, etwa wenn Kinder damit spielen, schlichtweg Dreck nennen, ist also etwas extrem
Wichtiges, und wir Menschen täten gut daran, mit diesen lebenswichtigen Schichten ebenso extrem sorgfältig umzugehen. Was wir,
weltweit gesehen, leider noch in keiner Weise tun – wir zerstören
laufend in grossem Massstab wertvolle Böden. Auch in der Schweiz
wird nach wie vor pro Sekunde rund ein Quadratmeter Boden durch
Beton, Asphalt oder anderes versiegelt und geht so für das Leben
verloren.
Das ABC der Bodenwelt
Ein klassischer, reifer Boden ist in drei Schichten unterteilt, welche die Bodenkundler einfach A-B-C genannt haben – Bravo! Die
C-Schicht besteht noch weitgehend aus mineralischem GesteinsmaAbb. 83 Edelweisse kommen im Binntal nur auf den basischen Böden
der Bündnerschiefer vor.
Abb. 84 Die Alpenrose hingegen wächst in den Gneisgebieten.
93
terial, die A-Schicht im Wesentlichen aus Pflanzenmaterial, die BSchicht aus beidem – die spannendste Schicht. Im Gebirge verläuft
die Bodenbildung sehr langsam und die meisten Böden sind nicht
voll entwickelt, sondern liegen im Wesentlichen als A-C-Böden vor.
Das können Sie am Rand eines Bergwegs im Binntal sicher einmal
beobachten.
Werden Sie nicht sauer!
Bei uns kann man Böden zudem nach ihrem Gehalt an – aus dem
Gestein – gelöster Kieselsäure unterteilen (Säure des Silicium, die
entsteht, wenn dieses Element aus Silikatmineralien und Quarz herausgelöst wird). Über Gesteinen mit einem hohen Gehalt an Quarz
und Silikatmineralien (z.B. Granite, Gneise, Sandsteine etc.) finden
sich saure Böden; über anderen wie etwa Kalkstein, Dolomit, Basalt
entstehen basische Böden. Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf
die Pflanzenwelt. Es gibt zahlreiche Bergblumen, welche entweder
nur auf sauren oder nur auf basischen Böden gedeihen. Oder dann
gibt es Pflanzengattungen wie etwa die Alpenrosen, die je mit einer
Art auf sauren und auf basischen Böden auftreten.
Im Binntal mit seinen ausgeprägt unterschiedlichen Gesteinen auf
der Nord- und Südseite kommt dieser Effekt sehr stark zum Ausdruck. In den basischen und kalkreichen Bündnerschiefern der
Nordseite kommen Basenzeigerpflanzen vor, während die siliciumreichen und damit sauren Gneise und Schiefer der Südseite von säurezeigenden Pflanzen geprägt sind.
Eine Ausnahme bildet der Geisspfad-Serpentinit. Dieses Gestein enthält keine oder sehr wenige der wichtigsten Elemente wie Natrium,
Kalium und Calcium. Deswegen weisen alpine Serpentinitgegenden
oft sehr spärlichen Bewuchs auf, was in Flurnamen wie Lichenbretter (oberhalb von Zermatt) oder Totalp (oberhalb von Davos) zum
Ausdruck kommt.
94
Lockergesteine
Das Make-up der Berge
Auch Sand und Schutt sind Gesteine
Die Geologen unterscheiden zwischen Fest- und Lockergestein. Die
Sand- oder Kiesbank am Fluss, die Gletschermoräne, den Hangschutt
am Fuss einer Felswand, Bergsturzblöcke oder den Tonschlick in unseren Seen rechnen sie zu den Lockergesteinen. Diese werden von
Geologen ebenso studiert wie die Festgesteine. Als Rohstoffe sind
sie für die Schweiz sehr wichtig – denken Sie nur an die vielen Kiesgruben! Diese Lockergesteine dokumentieren geologische Prozesse
von heute und der jüngsten Vergangenheit.
Schöne Kies-Gesteinssammlungen
Flusskiese sind oft sehr geeignet, um die Gesteine des Einzugsgebiets schon schön abgeschliffen und gerundet zu studieren und zu
sammeln. Im Binntal gibt es zwei Stellen, wo sich ein Herumstreifen
lohnt – und auch Kindern viel Spass bereitet. Die eine liegt an der
Binna in der Ebene bei der Freichi (bei der Bus-alpin-Station Brunnebiel), die andere am Lengtalwasser gleich hinter Heiligkreuz.
Alte Moränen – Zeugen kalter Zeiten
Die heutige Form der Berge und Täler wurde durch die mehr als 15
eiszeitlichen Gletschervorstösse bis weit ins Mittelland entscheidend geprägt. Die Gletscher der letzten Eiszeit stiessen auf ihrem
langen Rückzugsweg kurzzeitig immer mal wieder nochmals ein
Stück vor – es war ein regelrechtes stop and go – und jeder dieser
kleineren Vorstösse liess Moränenwälle zurück, die heute zum Teil
noch als überwachsene Geländerippen sichtbar sind. Die Häuser des
Binner Dorfteils Wilere liegen schön aufgereiht auf einem solchen
spätglazialen Moränenrücken, bestens sichtbar vom Hauptdorfteil
95
96
aus. Weit oben im Tal können Sie rund um den Mittlebärg herum eine
ganze Reihe von grasbewachsenen Moränen bewundern, etwa vom
Weg zum Albrunpass aus.
Blockgletscher – die langsamen Tatzelwürmer
Etwa eine doppelt so grosse Fläche der Hochalpen, wie diejenige,
die von Gletschern bedeckt ist, liegt im Permafrost. Im Gegensatz zu
den Gletschern kann man diesen jedoch nicht sehen – mit einer Ausnahme: die Blockgletscher. Dies sind Massen von groben Gesteinsbrocken, die langsam zu Tale kriechen, weil sie im Inneren mit Eis
verfüllt sind. Der schönste aktive Blockgletscher des Binntals liegt
an der Nordflanke des Stockhorns, gleich oberhalb des Schaplersees.
Vorne dran wird das Gebiet Gufer der Alp Hockbode von einem fossilen (also längst nicht mehr aktiven) Blockgletscher eingenommen.
Blockgletscher geben sich durch eine unruhige, löchrige Oberfläche
zu erkennen, die vom Einsinken der Steine infolge des Auftauens des
Eises herstammen.
Bergsturzblöcke – vor allem im Serpentinit
Bergstürze sind grössere Felsstürze mit einem Volumen von über
1 Mio m3. Im Binntal sind Bergstürze vor allem aus dem GeisspfadSerpentinit abgegangen, und zwar in Form von riesigen Sturzblöcken, die zu – wie von Riesenhand hingeschleuderten – Blockfeldern
geführt haben, etwa auf dem Maniboden. Die vielen grossen Serpentinitblöcke hinter Fäld gingen wahrscheinlich auf den spätglazialen
Gletscher nieder, wurden von diesem rittlings ins Tal befördert und
nach dem definitiven Abschmelzen des Gletschers dort liegen gelassen.
Abb. 85 Der Dorfteil Wilere ist hübsch auf einem späteiszeitlichen
Moränenrücken aufgestellt.
Abb. 86 Der immer noch aktive Blockgletscher beim Schaplersee.
97
98
Ant worten
Ihre Beobachtungen
Station 1: Serpentinit
—— Das ist das Mineral Tremolit,
ein Anzeichen für den hohen
Metamorphosegrad.
Station 2: Paragneis
—— Dem Geologen zeigen die
dunklen Biotitsäume an,
dass es zwischen den Linsen
und dem Gestein chemische
Reaktionen gab.
—— An sich ist schon der Block 3
etwas anders als Nr. 1 und 2,
weil er viel reicher an Glimmermineralien ist. Block 4 ist
jedoch deutlich anders, weil
er grosse Anteile des schwarzen, stängeligen Minerals
Hornblende enthält.
Station 3: Heller Gneis
—— Der Block 2 lässt praktisch
keine Schieferung erkennen.
Isoliert betrachtet, würde ein
Geologe ihn ohne weiteres als
Granit bezeichnen. Er enthält
neben Dunkelglimmer viele
schwarze Körner von Hornblende.
—— In Block 5 sind die weissen
Feldspäte zu länglichen
Gebilden ausgezogen, typisch
für Gesteine nahe grossen
Überschiebungszonen. Man
bezeichnet derartige Gneise
auch als Stängelgneise.
Station 4: Stein-Erlebnisse
—— Aus den ungefähren Massen
von 10 x 5x5 m ergibt sich
ein Volumen von rund 250 m3.
Mit einem spezifischen Gewicht von 3.3 t/m3 berechnet
sich ein Gewicht von rund
825 Tonnen. Haben Sie mehr
geschätzt? Falls ja, weshalb?
Station 7: Metagabbro
—— Die Hornblendekörner sind
grün, die Plagioklas-Feldspäte weisslich.
—— Die mit der Lupe sichtbare
treppenartige Struktur der
Hornblenden kommt daher,
dass alle Amphibolmineralien zwei Längs-Spaltbarkeiten
aufweisen, die sich mit etwa
120 Grad schneiden.
Abb. 87 Steinmannli aus Orthogneis auf Geisspfadserpentinit.
99
Station 8: Gesteins-Aufschluss
1 Die Schieferungsebene ist
ENE-WSW orientiert und
fällt mit rund 70 Grad gegen
SSE ein.
2 Die Schieferung verläuft
talparallel. Die Lage des Tals
wird durch diese Schieferung
definiert.
3 Die ganzen Berge der nördlichen Talseite bestehen aus
den gleichen Bündnerschiefer-Gesteinen. Ihre Schieferung liegt ungefähr gleich
wie hier im Aufschluss.
4 Im rechten Teil des Aufschlusses gibt es einige
offene Falten im DezimeterBereich.
5 Die Achsen dieser Falten liegen in der Schieferungsebene
und ungefähr horizontal.
6 Der ganze Aufschluss besteht
im Wesentlichen aus dem
gleichen Gestein. Helle linsenförmige Knollen von weissem Quarz und gelbem Calcit
kommen verstreut vor.
7 Im rechten Teil des Aufschlusses sind die Gesteine
gerundet und parallel zur
Schieferung gerieft. Die
Rundung dürfte das Werk
100
eiszeitlicher Gletscher sein,
die Riefung ein Effekt von
späteren Lösungserscheinungen von Wasser.
Station 9: Bündnerschiefer
—— Vor allem Block 1 enthält
beträchtliche Mengen an
Granat.
—— Diese finden sich im unteren
Mittelteil. Es gibt auch im
Binntal Gesteinslagen, die
voll von solchen HornblendeKristallbesen sind. Man
nennt solche Gesteine dann
Hornblende-Garbenschiefer.
Station 10: Dolomitmarmor
—— Der allergrösste Teil der
Komponenten besteht aus
grauen Dolomitmarmoren.
—— Höchstens in den Blöcken
Nr. 3 finden Sie mit etwas
Glück das eine oder andere
Pyritkorn. Erzmineralien
kommen in lokal konzentrierten Vererzungen wie weiter
oben am Lengenbach vor.
Glossar
Adular — Mineral der Feldspäte, weisse,
rhombenförmige Ausbildung des Kalifeldspats in alpinen Zerrklüften.
Biotit — Wichtiges, braunes bis schwarzes, eisen-magnesiumreiches Mineral
der Glimmerfamilie.
Aktinolith — Hellgrüne, stängelig-nadeliges Mineral der Amphibolfamilie, reich an Eisen und Magnesium.
Brekzie — Gestein, das aus eckigen
Fragmenten anderer Gesteine in einer
Matrix (Zement) zusammengesetzt ist.
Kann durch verschiedene Prozesse
entstehen.
Albit — Natriumreicher Vertreter der
Feldspäte, milchigweisse Kristalle in
alpinen Zerrklüften.
Amethyst — Quarz-Varietät. Violett durch
geringste Eisenbeimengungen und
Fehler im Kristallgitter.
Amphibole — Wichtige Gruppe der
Silikatmineralien, die alle eine SiO4Gruppe als Grundbaustein haben. Bei
den Amphibolen sind diese bandartig
angeordnet. Wichtigste Vertreter sind
Hornblende, Aktinolith, Tremolit.
Anatas — Eine der drei Varietäten von
Titanoxid. Wichtiges Kluftmineral im
Binntal, wo es in schönster Ausbildung
vorkommt.
Basalt — Weitaus wichtigstes Vulkangestein der Erde. Entsteht durch teilweise Aufschmelzung von Mantel-Peridotit. Bildet die Ozeanböden und riesige
Plateaubasalt-Decken auf Kontinenten
(Indien, Südamerika, Südafrika).
Bergkristall — Farblose Quarz-Varietät;
häufigstes Kluftmineral in den Alpen.
Calcit — Das weitaus wichtigste Karbonatmineral, Calciumkarbonat (CaCO3).
Auch Kalkspat genannt. Hauptbestandteil von Kalkstein und Calcitmarmor.
Dunkelglimmer — Synonym für Biotit.
Erdkruste — Der oberste Teil der festen
Erde. Es gibt zwei grundsätzlich unterschiedliche Krustentypen, die 30-50
km dicke kontinentale Kruste und die
5-7 km dicke ozeanische Kruste.
Erdmantel — Der mengenmässig grösste
Teil der gesamten Erde, zwischen
Kruste und Erdkern. Besteht im oberen
Teil aus dem Olivingestein Peridotit.
Feldspat — Häufigstes Silikatmineral,
baut rund 70% der kontinentalen
Kruste auf. Die SiO4-Gruppen sind
gerüstartig miteinander verbunden,
dazwischen können Kalium (Kalifeldspat, Adular), Natrium (Albit) oder
Calcium (Plagioklas) eingebaut sein.
101
Fluid — Tiefengrundwässer unter hohen
Drucken und Temperaturen oberhalb
des kritischen Punktes von H2O (374 ºC/
221 bar). Bei mittlerer und höheren
Metamorphosebedingungen vorherrschende Zustandsform.
Glimmer — Mineralgruppe der Silikate,
in denen die SiO4-Gruppen schichtartig gelagert sind. Deshalb bilden alle
Glimmermineralien plättchenförmige
Kristalle mit bester Spaltbarkeit in den
Plättchenebenen. Wichtigste Vertreter
sind Muskowit und Biotit. Eingeregelte
Glimmer bilden die Schieferungsflächen in Schiefern und Gneisen.
Gneise — Grobfaserig geschieferte quarzfeldspatreiche, hoch metamorphe
Gesteine; spalten in zentimeter- bis
dezimeterdicke Platten.
Granat — Mineralgruppe der Silikate
mit starken Gerüststrukturen, deshalb
sehr hart. Wichtigster Vertreter in
metamorphen Gesteinen ist der braunrote Almandingranat.
Granit — Weitaus wichtigstes Tiefengestein (Plutonit) in den kontinentalen
Krusten. Besteht aus Kalifeldspat,
Plagioklas, Quarz und Glimmern. Wird
bei hoher Metamorphose zu Orthogneis
umgewandelt.
Graphit — Hoch metamorphe Form von
Kohlenstoff C, gleiche Zusammensetzung wie Diamant, aber wesentlich
anderes Kristallgitter.
Grundgebirge — Sammelbegriff der Alpengeologie. Umfasst sämtliche Gesteine
der kontinentalen Krusten von Europa
und Afrika, die vor den Ablagerungen
der Meeresablagerungen in den Be-
102
cken des Tethysozeans ab der Triaszeit
(ab ca. 250 Mio. J.) vorhanden waren.
Hämatit — Eisenoxid-Mineral (Fe2O3),
welches in alpinen Zerrklüften recht
häufig ist und oft in Form von Eisenrosen kristallisiert.
Hellglimmer — Synonym für Muskowit.
Kalifeldspat — Kaliumreiches Mineral
der Feldspatfamilie. Kalifeldspat in
alpinen Zerrklüften wird als Adular
bezeichnet.
Kalkstein — Sammelbegriff für sämtliche
marinen Ablagerungsgesteine, die im
Wesentlichen aus Calciumkarbonat
bzw. Calcit bestehen. Am Aufbau von
Kalksteinen sind überwiegend Skelette
von Mikroorganismen beteiligt.
Karbonat — Chemischer Begriff für
Verbindungen eines zweiwertigen
Elements mit einer CO3-Gruppe. In der
Natur weitaus wichtigstes Karbonatmineral ist Calcit, gefolgt vom Fe-MgKarbonat-Dolomit.
Kristallin — Feldtauglicher Sammelbegriff für alle metamorphen und magmatischen Gesteine, die ein Grundgebirge aufbauen.
Lithologie, lithologisch — Von griechisch
lithos (Stein), Bezeichnung für die
Gesteinsart resp. auf die Gesteinsart
bezogen.
Magnetit — Wie Hämatit ein EisenoxidMineral Fe3O4, das magnetisch ist.
Wichtigstes Eisenerzmineral.
Muskowit — Wichtiges, silbrig glänzendes
bis hellgrünliches kalium-aluminium-
reiches Mineral der Glimmerfamilie.
Olivin — Wichtiges Mineral der Silikate
mit sehr einfacher chemischer Zusammensetzung (Mg, Fe)(SiO4 ). Die magnesiumreiche, olivgrüne Varietät heisst
Peridot und baut zur Hauptsache das
Erdmantelgestein Peridotit auf. Damit
ist Olivin insgesamt das häufigste
Mineral des Erdkörpers.
Plagioklas — Calcium- und natriumreiche Vertreter der Feldspatfamilie. Das
reine Natrium-Endglied heisst Albit.
Pyrit — Eisensulfid FeS2, auch Schwefeleisen oder Katzengold genannt. Wichtiges Eisenmineral, wird vor allem
zur Gewinnung von Schwefelsäure
abgebaut. Im Dolomitmarmor häufiges
Erzmineral.
Rauchquarz — Braune Quarz-Varietät.
Braunfärbung durch geringste Aluminiumbeimengungen und Fehler im
Kristallgitter, verbunden mit natürlicher radioaktiver Bestrahlung.
Schiefer, schiefrig, Schieferung — Schieferung entsteht durch Wachstum bzw.
Rekristallisation von Glimmermineralien in einem Spannungsfeld
bei der Gesteinsmetamorphose. Die
Glimmer wachsen dann bevorzugt
in der Ebene senkrecht zur grössten
Druckspannung. Dadurch entsteht
eine Schieferung. Als Schiefer bezeichnet man als Feldbegriff Gesteine mit
hohem Anteil an Glimmermineralien,
die beim Zerschlagen in millimeter- bis
zentimeterdicke dicke Plättchen und
Platten zerbrechen.
Silikatmineralien, Silikate — Weitaus wichtigste Mineralklasse der Erdkruste, die
als Grundbaustein eine SiO4-Gruppe
aufweisen. Dieses Molekül hat eine
Tetraederform, welche sich auf ganz
unterschiedliche Weise zu Kristallgittern verbinden kann. Darauf basiert
die Einteilung der Silikatmineralien.
Je nach Verbindungsart der Tetraeder
können ganz unterschiedliche weitere
Elemente in die Gitter eingebaut
werden, welche dann die einzelnen
Silikatmineralien definieren.
Strahlstein — Synonym für Aktinolith,
weil dieser oft in nadelig-strahligen
Aggregaten kristallisiert.
Tektonik, tektonisch — Die Tektonik beschreibt in der Geologie Aufbau und
Bewegung der Gesteinskörper.
Titanit — Titan-Silikatmineral, das in
alpinen Zerrklüften recht häufig in honigbraunen bis grünen, keilförmigen
Kristallen vorkommt.
Ton, tonig — Ton umfasst mineralogisch
gesehen die riesige Silikatfamilie der
Tonminerale; diese bilden nur mikroskopisch feine Kristalle. Sie gehören wie
die Glimmer zu den Schichtsilikaten,
haben aber wesentlich komplexere
Kristallstrukturen, die gekennzeichnet sind durch Austauschbarkeit von
Ionen und Wasseraufnahmefähigkeit.
Tonminerale sind die an der Erdoberfläche stabilen Silikate und entstehen
deshalb durch Verwitterung aller andern Silikatmineralien. Sie werden als
Tontrübe ins Meer getragen und dort
als feinstkörnige Tone abgelagert.
Tremolit — Weisses, stängelig-nadeliges
Mineral der Amphibolfamilie, fast
reines Magnesium-Endglied der
Aktinolith.
103
Ausgewählte Literatur
Das Binntal – Exkursionen durch die Zeit
Ein wunderbares Buch über alle Aspekte des Binntals, wo Mineralien und
Erze einen wichtigen Platz einnehmen.
Gerold Koller, Verlag hier+jetzt, 2014
Die besten Seiten des Binntals
Eine vielfältige und spannende Reise
in die Mineralienwelt des Binntals.
André Gorsatt (Herausgeber), KristalloGrafik Verlag, 2014
Das Binntal und seine Mineralien
Das umfassendste Buch über die Mineralien des Tals.
J. Schwanz, Th. Schüpbach, A. Gorsatt,
Verlag André Gorsatt, Binn, 1994
Kristallsuche
Eine Art Strahlerhandbuch mit konkreten Tipps vom langjährigen Profi und
einem schönen Fototeil.
Toni Imhof, Eigenverlag, 2011
Faszination Lengenbach
Ein sehr schön illustriertes und fachlich sehr breites Buch, auch ideal zum
Schmökern.
S. Graeser, R. Cannon, E. Drechsler, Th.
Raber, Ph. Roth (Hrsg.) KristalloGrafik
Verlag, 2008
Im Binntal befanden sich ehemals Eisengruben...
Erzählt die Geschichte von Abbau und
Verhüttung von Eisenerz im Binntal.
H.R. Rüegg, W. Bellwald, P. Aeberhard,
Simplon Druck, Brig-Glis, 2017
Gesteine der Schweiz – Der Bestimmungsführer
Das erste und einzige Werk, das die
Gesteine der Schweiz umfassend und
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reich illustriert vorstellt. Für steinliebende Amateure ein Muss.
Jürg Meyer, Haupt Verlag, 2017
Gesteine einfach bestimmen – Der Bestimmungsschlüssel für Feld und Praxis.
Der erste systematische und praxistaugliche Bestimmungsschlüssel für
Gesteine.
Jürg Meyer, Haupt Verlag, Herbst 2017
Steinland Alpen
Einführung in die wichtigsten Alpengesteine und die Entstehung der Alpen.
Jürg Meyer & Thomas Scheiber, Edition
Filidor, 2013
Geologie der Schweiz
Das berühmte Standardwerk in gänzlich neuer Überarbeitung.
Christian Gnägi & Toni P. Labhart, Ott
Verlag, 9. Auflage, 2015
Der Ozean im Gebirge
Eine spannende und bestens illustrierte Einführung in die Entstehung der
Alpen.
Helmut Weissert & Iwan Stössel, vdf
Hochschulverlag ETHZ, 3. Auflage, 2015
Das Matterhorn aus Afrika – Die Entstehung der
Alpen in der Erdgeschichte
Hervorragender Einstieg ins Thema,
mit tollen Illustrationen.
Michel Marthaler, Ott / hep Verlag 2013
Steinkunde Kompakt
Einstieg in die Geologie allgemein, in
die Welt der Gesteine der Schweiz und
in die Alpenbildung.
Alex Mojon, Eigenverlag, 2006
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