Freiheitsbeschränkungen durch Medikation Österreichische Rechtslage Univ.Prof. Dr. Michael Ganner 1 Einordnung medikamentöser FB Medizinische Behandlung – Informed consent FB nach HeimAufG FB durch Medikation Bloße Nebenwirkung Patient Vertreter HeimAufG nicht anwendbar § 110 StGB Zulässigkeitsvoraussetzungen: – Indikation - Informed consent - Indikation – Voraussetzungen Intendiert HeimAufG anwendbar Zulässigkeitsvoraussetzungen: - Informed consent - Indikation - materielle + formelle Voraussetzungen des HeimAufG • Psychische K/ geistige Behinderung • ernstliche + erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung – Keine Zustimmung erforderlich – Anordnung durch Arzt • Meldepflicht 2 OGH • Eine Freiheitsbeschränkung durch medikamentöse Mittel ist nur zu bejahen, wenn die Behandlung unmittelbar die Unterbindung des Bewegungsdranges bezweckt, nicht jedoch bei unvermeidlichen bewegungsdämpfenden Nebenwirkungen, die sich bei der Verfolgung anderer therapeutischer Ziele ergeben können. • 7 Ob 186/06p; 2 Ob 77/08z; 1 Ob 21/09h; 3 Ob 176/10v; 7 Ob 142/11z; 7 Ob 235/11a 3 BG Silz 19.9.2012, 1 HA 1/12x Das Verfahren hat ergeben, dass die Gefährdung durch andere Maßnahmen abgewendet werden könnte. Die Gabe der Bedarfsmedikationskombination von Psychopax und Haldol zur Behandlung der Aggressivität und zur Sedierung ist nämlich kontraproduktiv, da beide Medikamente in ihren Nebenwirkungen die Sturzgefahr deutlich erhöhen. Hingegen wäre die Erhöhung der Dauermedikation von 7,5 mg Olanzapin (Zyprexa) zur Abwehr einer erheblichen Gefährdung eine bessere Variante. LG Linz 26.01.2011, 15 R 18/11i Selbst eine therapeutisch indizierte medikamentöse Behandlung ist als Freiheitsbeschränkung zu beurteilen, wenn sie primär der Unterbindung von Unruhezuständen und der Beruhigung des Bewohners dient. Im vorliegenden Fall wurde das Dominal wegen der motorischen Unruhe verabreicht und angeordnet, dieses Medikament bei weiterer Unruhe erneut zu geben. Die Verabreichung diente also der Ruhigstellung der Bewohnerin. Dominal dient ausschließlich der Sedierung und hat keinen heilenden Effekt auf die Lunge. Es wirkt allgemein dämpfend, der Antrieb wird reduziert, weshalb dann keine 4 Handlungen gesetzt werden, aus denen Gefahren resultieren. FB iSd HeimAufG • Eine medFB liegt vor, „wenn… unmittelbar die Unterbindung des Bewegungsdrangs bezweckt wird, nicht jedoch bei unvermeidlichen bewegungsdämpfenden Nebenwirkungen, die sich bei der Verfolgung anderer therapeutischer Ziele mitunter ergeben können.“ (RV 9) • Gesetzesinterpretation – Welche Maßnahmen sollen kontrolliert werden? • Gewollt / bewusst vorgenommene Freiheitsbeschränkungen • „zufällige“ und fahrlässig verursachte Beschränkungen fallen nicht unter HeimAufG (Tür klemmt, Aufzug bleibt stehen) – Aber allenfalls Verletzung von Behandlungs- und Heimvertrag » zB Verwechslung von Medikamenten • Fahrlässige Körperverletzung + Schadenersatzansprüche 5 Ergebnis • Medikamentöse FB nach HeimAufG, wenn intendiert/gewollt – dolus specialis; dolus principalis fraglich – Frage: würde die Maßnahme bei nicht bewegungsbeschränkender gleichwertiger Alternative auch durchgeführt? 6