Klimarettung durch Geo-Engineering mit Algen?

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Klimarettung durch Geo-Engineering mit Algen?
Das Projekt, die Ozeane mit Eisen zu düngen, um durch eine induzierte Algenblüte die
menschengemachte Kohlendioxid-Zunahme der Atmosphäre zu reduzieren, ist
wissenschaftlich fragwürdig und ökologisch höchst bedenklich. Trotzdem gab und gibt es
Befürworter solcher Pläne, hinter denen auch wirtschaftliche Interessen stehen.
Zur dritten Jahrestagung der Hartmut Hoffmann-Berling International Graduate School of
Molecular and Cellular Biology (HBIGS) in Heidelberg war am 24. März 2011 der Ökologe Dr.
Markus Reichstein vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie als Gastredner eingeladen
worden, um über „Klimaveränderungen auf der Erde – was wir wissen und was wir nicht
wissen“ – zu sprechen. Die HBIGS war als Instrument der Nachwuchsförderung durch die
Ruprecht-Karls-Universität und die großen Heidelberger Forschungszentren entstanden, als
sich Heidelberg erfolgreich als Elite-Standort im Rahmen der Exzellenzinitiative der
Bundesregierung beworben hatte.
Was veranlasste eine auf Molekular- und Zellbiologie ausgerichtete Graduiertenschule, einen
anscheinend eher „fachfremden“ Vortrag ins Programm ihrer Jahreskonferenz zu stellen?
Nicht nur wollte man den jungen Doktoranden aus vielen Ländern einen international bereits
renommierten Nachwuchswissenschaftler vorstellen, man wollte ihnen auch die Botschaft
vermitteln, dass sie über den eigenen Fachhorizont hinaus blicken sollen und dass
Wissenschaft jenseits der eigenen Disziplin soziale und ethische Auswirkungen hat.
Offene Fragen
Es kann keinen Zweifel geben, dass mit annähernd 36 Milliarden Tonnen an anthropogenen
Kohlendioxid-Emissionen pro Jahr die Menschheit den globalen Kohlenstoff-Kreislauf und
damit das Klima verändert, stellte Markus Reichstein in seiner HBIGS Lecture dar. Die erhöhten
CO2-Konzentrationen und steigenden Temperaturen beeinflussen das System Erde in
drastischer Weise: das Abschmelzen der polaren Eiskappen und des Dauerfrostbodens, die
Versauerung und Erwärmung des Ozeans und Veränderungen der Wolkenbildung und
Niederschlagsmuster. Alle diese Faktoren beeinflussen einander und führen zu
Rückkopplungseffekten auf den Kohlenstoff-Kreislauf und das Klima. Hinzu kommen vom
Menschen gemachte oder beeinflusste Faktoren wie die Emissionen anderer Treibhausgase,
Luftverschmutzungen, Aerosole und großräumige Eingriffe in die Vegetationsbedeckung der
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Der Umweltsatellit ENVISAT detektiert mit dem Sensor SCIAMACHY die Farbe des Ozeans. © ESA
Kontinente und der Phytoplankton-Konzentrationen in den Weltmeeren. Das macht genaue
Berechnungen und Vorhersagen extrem schwierig und unsicher.
Was tun?
Angesichts der Katastrophe von Fukushima in Japan wagt in Deutschland kaum noch jemand
Atomkaftwerke als „Null-CO2-Energieproduzenten" der Zukunft anzupreisen. Erzeuger
erneuerbarer Energien wie Windkraft- und Solaranlagen können aber, da sie nicht nur in der
erforderlichen Menge gebaut werden müssen, sondern auch neue Transport- und
Speichersysteme dafür notwendig sind, nur langfristig und in internationaler Zusammenarbeit
die fossilen Energieträger ersetzen. Ob wir so lange Zeit haben, wird eine immer drängendere
Frage.
Die Verteilung von Chlorophyll als Maß des Phytoplanktons im Weltmeer (geringe Konzentrationen: blau bis violett;
hohe Konzentrationen: gelb bis rot). © SeaWiFS, NASA
In diesem Dilemma wurde vor einigen Jahren ein, wie es scheint, pfiffiger Ausweg angeboten,
der auch neuerdings wieder in der Diskussion auftaucht. „Gebt mir einen halben Tanker gefüllt
mit Eisen, und ich gebe Euch eine neue Eiszeit“, hatte bereits in den frühen 1990er-Jahren der
amerikanische Ozeanograph John Martin verkündet. Was steht hinter dieser pathetischen
Behauptung? Obwohl die Biomasse der im Ozean lebenden Organismen wahrscheinlich
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tausendfach geringer ist als die des terrestrischen Ökosystems, erzeugen marine
Mikroorganismen durch Photosynthese ebenso viel organisches Material aus Kohlendioxid wie
alle Landpflanzen zusammen. Dieses Phytoplankton, das im Wesentlichen aus den drei
Algengruppen der Diatomeen, Dinoflagellaten und der Coccolithophoriden besteht, benötigt
für seinen Lebenszyklus, der im Durchschnitt nur eine Woche beträgt, im Wasser gelöste
Nährstoffe. Es hat sich nun gezeigt, dass das Wachstum dieser Algen in riesigen Gebieten des
Ozeans nicht in erster Linie durch Stickstoff, Phosphor oder CO2 und auch nicht durch Licht
begrenzt wird, sondern durch den Mangel an Eisen. Betroffen sind Meeresoberflächen mit einer
Gesamtausdehnung von annähernd der Fläche aller Kontinente zusammen. Düngung des
Meerwassers mit Eisen, so die Idee, führt zu einer Algenblüte, also einem vermehrten
Wachstum und damit einer erhöhten CO 2-Aufnahme des Phytoplanktons. Das aus der
Atmosphäre stammende Kohlendioxid wird in Kohlenstoff-Verbindungen der Algen fixiert und
gelangt, wenn diese absterben, als organisches Material in die Tiefe. Dieser Prozess wird als
biologische Pumpe bezeichnet. In der Konsequenz sinkt die Konzentration des Treibhausgases
CO2 in der Atmosphäre, und es wird kühler. So weit die Theorie.
Mikroskopische Aufnahme von Dinoflagellaten und Diatomeen, Vertretern des Phytoplanktons der Ostsee. ©
Universität Kiel
In vielen ozeanografischen Expeditionen wurde seit 1993 die These geprüft, ob man mit einer
Eisendüngung des Ozeans den anthropogenen Treibhauseffekt begrenzen kann. Die Studien
kamen mehrheitlich zu dem Ergebnis, dass viele Faktoren zu Verlusten führen und die
ursprünglich vorgeschlagenen Mengen an Eisen bei weitem nicht ausreichen, um im großen
Maßstab eine deutliche Zunahme der CO2-Fixierung durch die Algen zu bewirken. So hatten
Wissenschaftler im Rahmen des europäischen Exzellenznetzwerks EUR-OCEANS die Wirkung
einer künstlichen Eisendüngung in einem begrenzten Gebiet auf dem Kerguelen-Plateau im
südlichen Indischen Ozean genau untersucht. Sie fanden, dass nur ein kleiner Teil des durch die
biologische Pumpe aus den Oberflächenschichten entfernten CO2 bis auf den Meeresboden
hinab rieselt und als Kalziumkarbonat im Sediment abgelagert wird; der Hauptteil wird durch
die biologischen Stoffkreisläufe wieder dem Oberflächenwasser zugeführt. Um ein Vielfaches
bedeutsamer ist die sogenannte physikalische Pumpe, wodurch das im Oberflächenwasser
gelöste CO2 durch die thermische Ozeanzirkulation in die Tiefe sinkt und so dem Austausch mit
der Atmosphäre entzogen wird. Dieser langsame Prozess ist durch die Zugabe von Eisen nicht
zu beeinflussen.
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CO<sub>2</sub>-Zertifikate
Planktos Inc., ein kalifornisches „Öko-Restorations“-Unternehmen, hatte aber die These von
John Martin aufgegriffen und ein Geschäftsmodell entwickelt, durch künstliche Eisendüngung
eine Algenblüte im Meer hervorzurufen und die dadurch verbrauchten CO2-Mengen als
Zertifikate („carbon credits“) den großen Kohlendioxid-Emittenten auf den Energiemärkten zu
verkaufen. Als das satellitengestützte Beobachtungsprogramm der NASA 2006 eine drastische
Verringerung des Algenwachstums aufgrund des erhöhten CO2-Gehalts in den Weltmeeren
konstatierte, verkündete Planktos, dass es hochwirksame, kosteneffektive und sofort
verfügbare Antworten gebe, um mit der Krise des Ozeans fertig zu werden. Genau dieses sei die
Kernmission des Unternehmens. Man plante, bei den Galápagos-Inseln im Pazifischen Ozean
Eisen ins Meer zu schütten. Das Projekt wurde erst nach heftigen weltweiten Protesten von
Wissenschaftlern, Umwelt- und Naturschützern aufgegeben.
Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme eines Vertreters der Coccolithophoriden. Aus den Kalkschuppen dieser
Phytoplanktonalgen sind die Kreidefelsen von Rügen und von Dover aufgebaut. © Universität Kiel
Damit ist jedoch die Idee, wie es scheint, noch nicht endgültig begraben. Ein Konzept, das
vorgibt, die Welt zu retten und womöglich damit auch noch Geld zu verdienen, erzeugt in ThinkTanks und Beratungskommissionen von Regierungen durchaus Charme. Geo-Engineering, die
gezielte Steuerung unserer globalen Umwelt, um das Klima und die Stoffkreisläufe zu unserem
Nutzen zu verbessern, hat viele Anhänger - nicht nur in den USA, China oder Russland. Wenn
man die anthropogenen Probleme lösen könnte, ohne die eigene Lebensführung und den
verschwenderischen Energieverbrauch tiefgreifend zu ändern, und dazu mikroskopisch kleine
Meeresalgen einsetzt, von denen die meisten Menschen keine rechten Vorstellungen haben,
umso besser!
Es ist aber so - wie Markus Reichstein in seinem Vortrag vor der HBIGS betonte - dass die
bisherigen Studien sehr klar zeigen, wie wenig wir die globalen Stoffkreisläufe und ihre
Bedeutung für langfristige Entwicklungen verstehen. Die Konsequenzen einer massiven
Eisendüngung des Meeres auf die lokalen und großräumigen Ökosysteme sind überhaupt nicht
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voraussagbar. Wir wissen noch nicht einmal, ob und unter welchen Bedingungen eine
vermehrte CO2-Fixierung durch Planktonalgen erfolgen kann und ob es nicht stattdessen, was
manche Umweltschützer fürchten, zu einer Massenvermehrung von N2O-produzierenden
Bakterien kommen würde. Solche Stickoxide sind hoch wirksame Treibhausgase und würden
zur weiteren Klimaerwärmung beitragen.
Angesichts der menschengemachten Krisen auf unserem Planeten scheint sich aber allmählich
die Einsicht durchzusetzen, dass wir unser eigenes Verhalten ändern und einen neuen,
sanfteren Umgang mit der geschundenen Natur finden müssen, anstatt auf groß angelegte
technische Lösungsversuche bis hin zum Geo-Engineering des Klimas zu setzen.
Fachbeitrag
04.04.2011
EJ
BioRN
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
Der Fachbeitrag ist Teil folgender Dossiers
Mikroalgen als Energielieferanten?
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