WENN STRESS DAS HERZ ZERREIßT PROF. DR. K.-O. BISCHOFF 9.BGF-SYMPOSIUM 17.11.2010 KÖLN WOLKENBURG Das Herz ist seit Generationen in der abendländischen Gesellschaft zum Sitz der Seele geworden und als solcher Seismograph all unserer Empfindungen. Wenn wir Emotionen haben, so spüren wir es im guten wie im schlechten am Herzen. Enge, Beklemmung- wir nehmen es uns zu Herzen, es liegt wie ein Stein auf dem Herzen. „ DER KUMMER DER NICHT SPRICHT , NAGT LEISE AN DEM HERZEN, BIS ES BRICHT“ so Shakespeare im Macbeth, (genauer im 4.Aufzug, 3. Szene.) Andererseits spüren wir auch Freude, Wärme, Liebe usw. am Herzen, indem es freudig erregt die Brust sprengt oder bis in den Hals klopft. Sie mögen daraus erkennen, dass es sowohl in der akuten wie in chronischen belastenden Situationen zu Veränderungen des kardialen Zustandes kommt. Dauerhaft negative Gefühle können zu zweierlei führen : 1.) zu psychischen Veränderungen wie BURN-OUT oder - am häufigsten Depressionen ,und Angstzuständen oder 2. ) zu körperlichen Veränderungen bis hin zu somatischen Erkrankungen.. Aufgrund des Themas sind aus meiner Sicht zwei Fragen zu beantworten, die in enger Wechselwirkung stehen : 1. ) Warum werden immer mehr Menschen in Deutschland in den letzten Jahrzehnten psychisch anfälliger, so dass sie in Rente gehen müssen bzw. die Krankschreibungsrate mit dieser Diagnose drastisch zugenommen hat? Hierzu zwei Zahlen : die Erwerbsminderungsgründe durch psychische Erkrankungen haben von 1993 bis 2004 von 15% auf 31% aller Berentungsverfahren zugenommen. Im Jahr 2008 waren immerhin 17% aller durchgeführten Rehabilitationsmassnahmen der Deutschen Rentenversicherungsanstalt Fälle mit psychischen Störungen. ( Intenist : 51,1219 ff (2010) 2.) Welche Auswirkungen hat der chronische unangenehme Stress - und hierüber möchte ich sprechen-auf die Entstehung von Herz-Kreislauferkrankungen ? Stress an sich ist durchaus etwas physiologisches, ja, ohne Stress wäre unsere Welt grau und leer , ereignislos und schädlich. Akuter Stress aktiviert schlagartig körperliche Systeme: Die Schmerzschwelle sinkt , die Augen sehen besser, die Lunge nimmt mehr Sauerstoff auf, die Leber produziert mehr Zucker und löst Fettreserven auf. Das Herz schlägt schneller , der Blutdruck steigt , die Hormondrüsen stoßen mehr Adrenalin und Kortison aus, das Immunsystem reduziert seine Abwehrfunktion. Klingt der Stress ab , so kommt es in kurzer Zeit zu einer Entspannung mit verbesserter Durchblutung und abklingendem Blutdruck , es dominiert nun der Parasympathikus, der Ruhenerv. Das Gehirn belohnt sich bei erfolgreicher Anstrengung mit Ausschüttung der Opioide als Wohlfühlhormon und dem Oxytocin als Freundschafts- bzw. Bindungshormon. Jetzt ist auch wieder der Weg frei Dopamin auszuschütten , was als Antriebsdroge für weitere Aktivitäten gilt, es kann auch als Motivationshormon bezeichnet werden. 1 Chronischer STRESS im Beruf entsteht -allgemein -gesprochen, durch ein UNGLEICHGEWICHT zwischen extremen ANFORDERUNGEN und eigenen KONTROLLMÖGLICHKEITEN ( Karasek ,R. 1979 Admin.Sci.Q. 24 „Demand -Control -Model) bzw. durch GRATIFIKATIONSKRISEN mit VERAUSGABUNG und mangelnder MATERIELLER UND IMMATERIELLER GRATIFIKATION ( Siegrist,J. 1996,J.Occup.Health Psychol.1). Die berufliche Stressbelastung trifft vor allem Männer durch Monotonie und mangelnde Entscheidungsbefugnis am Arbeitsplatz , während Frauen durch die Mehrfachbelastung wie häuslicher Stress , partnerschaftliche Konflikte, Familie und Beruf betroffen sind. Auch hier gilt,dass gering qualifizierte am stärksten die negativen Folgen des Arbeitstress erleiden. Erstaunlich ist , dass nach dem 2. WK nicht nur die sog. Zivilisationskrankheiten wie Herzinfarkte massiv zugenommen haben, sondern auch die psychischen Störungen von Arbeitnehmern. So geht aus Daten der DAK hervor,dass die Tage der Arbeitsunfähigkeit wegen psychischer Erkrankungen von 1997 bis 2004 um nahezu 70% zugenommen haben,. Nach vorliegenden Studien tritt im Laufe des Lebens bei Männern mit einer Wahrscheinlichkeit von 12- 17% eine Depression auf , bei Frauen liegt dieses Risiko dtl. höher, etwa bei 25 - 30%. Nach Durchsicht verschiedener Metaanalysen sind ca. 25% aller Depressionen durch beruflichen Dauerstress ausgelöst.(nach Sigrist,J. Die Motivation zu gesundem Verhalten im Betrieb.VI,in Stärkung der persönlichen Gesundheitskompetenz im Betrieb .Haarfeld Verlag2008 ) In der Entstehung der Herz-Kreislauferkrankungen spielen sog. Risikofaktoren eine dominante Rolle. 2 Wir können sie unterteilen in unbeeinflussbare RF wie Alter ,Geschlecht und Genausstattung und beeinflussbare bzw. vermeidbare RF, die hier aufgelistet sind . Unter einer Koronaren Herzerkrankung verstehen wir die Folgen der Durchblutungsstörung der Herzkranzgefäße, die das Herz mit sauerstoffreichem Blut versorgen. Kommt es zu einem Verschluss der Herzkranzgefäße so sprechen wir von einem Herzinfarkt. Uns interessiert zuerst einmal der krankmachende Stress, der Disstress und die eng mit ihm verknüpfte Depression. Eine Depression lässt sich hinsichtlich des herzkranzgefäßschädigenden Effektes dem Aktivrauchen und eine unterschwellige depressive Störung dem Passivrauchen gleichsetzen. Zwei Metaanalysen beschreiben übereinstimmend, dass Depressivität mit einem 60 % igen Anstieg des Risikos eine Koronare Herzerkrankung zu bekommen, einhergeht. Dabei verdoppelt eine Major-Depression das Risiko, während schon eine leichtere depressive Verstimmung ,also eine Minor -Depression eine fast 50%ige Risikoerhöhung verursacht. ( Anda R et al. Epidemiology 1993;4:285-294 ;Frasure-Smith N.et al Canadian L.of Psychiatry 2006;51:730-737) Viele durch chronischen Stress psychisch angeschlagene Personen reagieren somatisch, d.h. körperlich auf die depressive Verstimmung: sie entwickeln chronische Rückenschmerzen, Schlafstörungen, Nervenschmerzen, Herzstolpern etc. Dies erklärt auch die relativ lange Krankschreibungszeit: sie gehen mit ihren Schmerzsymptomen zuerst zu ihrem Hausarzt, der schaltet somatische Ursachen durch verschiedene, zeitlich nicht immer optimal abgestimmte Untersuchungen aus und am Ende steht dann die Diagnose : Depression mit Weiterleitung an einen Facharzt, der aber auch wieder relativ lange Wartezeiten hat. Eine Depressive Verstimmung führt zu Verlust des Interesses , der Freude sowie zu einer deutlich Antriebsminderung, zur Traurigkeit bis hin zum „ Nichts mehr Fühlen“. Alles wird zuviel, dieArbeit , die Familie, der Freundeskreis, es schleicht sich Konzentrationsschwäche ein , Versagensängste entstehen gepaart mit Schuldgefühlen, innerer Unruhe und Schlafstörungen. Sie werden fragen, warum reagieren in vergleichbaren Stresssituationen die Einen mit depressiver Verstimmung und die anderen nicht ? Als Antwort darf ich etwas wage formulieren, dass eine unterschiedliche Reaktion auf Stress durch ein genetisch unterschiedlich ausgeprägten Dopamin-Serotonin Transport Mechanismus im Gehirn aber auch durch seine eigene Biografie verursacht werden kann. Die Forschung läuft hier über auf Hochtouren. In der Amygdala , dem Mandelkern ist unser Angstzentrum lokalisiert und im Zusammenspiel mit der Hypophyse , dem Hypothalamus und der Nebenniere kommt es unter Bewertungskontrolle der Cortex zu einer Ausschüttung von Stresshormonen wie Glutamat, Noradrenalin, Adrenalin und Cortisol Bei dtl. erhöhter Ausschüttung von Acetylcholin kommt es z.B.zu erheblichen Schlafstörungen mit vor allem frühzeitigem Erwachen. Allerdings werden Anforderungen inter- und intraindividuell unterschiedlich wahrgenommen, wir haben es also mit dem Verhältnis von 3 KörperGefühls und Geisteswelt zu tun . Das individuelle Zusammenspiel von diesen drei Ebenen führt bei Dauerstress zu Verhaltensänderungen. Diese drei Welten stehen in enger und sich dauernd verändernden Wechselbeziehungen. Der Stress wird in der Regel von der Gefühlswelt wahrgenommen und beeinflusst die Körperwelt ebenso wie die Geisteswelt , also die Gedanken. Er beeinträchtigt z.B. das Einfühlungsvermögen und bewirkt eine Depersonalisation mit der Konsequenz von Wut und Hass auf den Stressor. Ganz entscheidend ist aber das ,was der Einzelne selbst über die Stresssituation denkt, wie er mit seinen Gefühlen und Gedanken die Stresssituation interpretiert. Nicht die Dinge an sich beunruhigen uns ,sondern die Meinungen die wir über sie haben. Welche Wirkung hat nun der chronische Dysstress auf den Kreislauf ? Im Einzelnen kommt es vereinfacht gesagt, bei chronischen Stresssituationen zu physiologischen Veränderungen : 4 ....HPA:Hypohyse/Hypothalamus/Nebenniere . ..SNS: Sympathicusaus nach H.Faller et al Depression bei Herzinsuffizienz INTERNIST Band 49 Heft 4 (2008) der autonom- nervösen Regulation des Herzen- Kreislaufsystems - -des Blutgerinnungssystem ,das aktiviert wird. - das Immunsystem wird geschwächt - Beteiligt sind dabei folgende im Körper vorhandenen Regulationssysteme: - Der Hypothalamus, also das Althirn - die Hypophyse also die Zirbeldrüse und - die Nebenniere mit Aktivierung des Sympathicus durch vermehrte Ausschüttung von Adrenalin und Noradrenalin mit der Konsequenz der Blutdruckerhöhung und Pulsbeschleunigung - sowie von Cortisol. Über die Aktivierung des Sympathikus kommt es zu einer Erhöhung des Blutdrucks, nicht bei jedem , also individuell durchaus verschieden. Einschränkend sollte nicht verschwiegen werden , dass es nicht ganz gesichert ist , ob solche intermittierenden Blutdrucksteigerungen zu einer dauerhaften Hypertonie führen . Ärger und Angst -zwei Kernsymptome des Dauerstress-führen zu einer Erhöhung des Widerstandes in den arteriellen Gefäßen mit der Folge , dass z. B. Arbeitnehmer, die um ihren Arbeitsplatz fürchten ,häufiger einen hohen Blutdruck entwickeln., das Gleiche gilt erst recht für die Depression. Ein hoher Blutdruck ist ein dominanter Risikofaktor für die Entwicklung von Herzerkrankungen wie Herzinfarkt , Herzleistungsschwäche, Schlaganfall. - Cortisol aus der Nebenniere erhöht das Hungergefühl , den Blutzuckerspiegel und 5 langfristig kommt es zu einer neurohumoralen Regulationsstörung mit - Entwicklung eines Bluthochdrucks - eines Diabetes - zu Übergewicht - zur Erhöhung der Blutfette ( Cholesterin und Neutralfette) - und bereits mehrfach erwähnt zu Herz.Kreislauferkrankungen mit Zunahme der Infarkte, - Es kommt zu einer Zunahme der Symptome der Koronaren Herzerkrankungen und zu einer Zunahme - der sog. Entzündungsmediatoren. - All diese Veränderungen im menschlichen Körper können klinische Folgen wie Zunahme der kardiovaskulären Ereignisse wie Infarkt oder Schlaganfall oder Herzrhythmusstörungen oder eine Herzleistungsschwäche haben. - Wenn jemand wissen will , ob er unter chronischem Dysstress leidet , so hat er heutzutage die Möglichkeit den Cortisolgehalt in den Haarspitzen nachweisen zu lassen, dessen Konzentration direkt mit der Dystress -Situation des Einzelnen korrelieren soll. Kommen mehrere dieser durch chronischen Stress induzierbaren Erkrankungen mit dem Übergewicht zusammen , so sprechen wir vom metabolischen Syndrom. Hierunter versteht man ein tödliches Quartett aus Adipositas Fettstoffwechselstötung Bluthochdruck und verminderter Glucosetoleranz.(Kaplan NM hypertension Res. 1996;Suppl.I :S9-11).Neben älteren Patienten sind es vor allem Personen in sozial unterpriveligierter Stellung, vor allem, wenn sie über lange Zeit beruflichem chronischem Stress ausgesetzt sind. Sie entwickeln mehr als doppelt so häufig wie andere ein Metabolisches Syndrom. ( Chandola ,T. et al Chronic Stress at work and metabolic Syndrom BMJ 332 ,521-5252006 ) . Das Metabolische Syndrom ist ein potenzierender Risikofaktor in der Entstehung der Herzerkrankungen. In einer 2004 publizierten Studie mit 30000 Teilnehmern, der INTERHEARTSTUDIE, wurde Stress sogar weltweit nach der Fettstoffwechselstörung und dem Rauchen als drittwichtigster Infarktrisikofaktor beschrieben (Yusuf et al. 2004, Lancet 364). Nach einer 2005 von Cukic publizierten Metaanalyse stellt emotionaler SRESS bei Frauen sogar den häufigsten und bei Männern den zweithäufigsten identifizierbaren Infarktauslöser dar. ( Culic,V. et al. 2005, Int. J. Cardiol. 99). Nebenbei: wir rechnen in der Kardiologie damit, dass ca. 20 % aller Herzinfarkte durch Stress ausgelöst werden, aber nicht nur der Infarkt kann durch Stress ausgelöst werden, fast wichtiger ist die Induktion von Risikofaktoren durch Verhaltensänderungen, die durch chronischen Stress induziert werden. Aufgrund einer Krankenhausstatistik ( Gesundheitsberichterstattung des Bundes Heft 33 2006) aus dem Jahr 2006 können sie erkennen ,das arbeitslose Frauen in einer wesentlich höheren Anzahl mit psychischen Störungen im Krankenhaus liegen. Daten belegen, dass arbeitslose Frauendies trifft auch für Männer zu- mit nahezu dem Faktor 3 häufiger mit psychischen Erkrankungen ins Krankenhaus eingeliefert werden als andere Frauen. Einschränkend muss hinzugefügt werden, dass über die Ursache der Arbeitslosigkeit nichts ausgesagt wird, theoretisch könnten natürlich psychische Erkrankungen die Arbeitslosigkeit herbeigeführt haben- aber um den Faktor 3? Tiefgreifende sich beschleunigende Veränderungsprozesse in Wirtschaft und Gesellschaft führen zu einer zu nehmenden Erschöpfung, da die Veränderungsbereitschaft individuell 6 und in Abhängigkeit vom sozio-ökonomischen Status unterschiedlich ausgeprägt ist. Um in der modernen Evolutionssprache zu bleiben : Die Anzahl der stressbedingten Meme nimmt rasant zu. Die Hauptbetroffenen sind Menschen aus den unteren sozio-ökonomischen Schichten, oder Menschen in sozialer Isolation, die z.B.mit einer dreifach so hohen Wahrscheinlichkeit eine Koronare Herzerkrankung (KHK) erleiden. Möglicherweise sind besser gestellte Schichten besser aufgeklärt, sie rauchen weniger, bewegen sich mehr und sind nicht so übergewichtig, wie gerade die OECD veröffentlicht hat. ( Rozanski,A. et al. 2005, J.Am.Coll. Cardiol.45 ; Wamala SP et al. The Stockholm Female Coronary Risk Study Social Science &Medicine 2000;51:481-489; Buchner B et al. Stress und Herzkrankheiten bei Frauen. Herz 2005;30: 416-428) Soziale Zurückweisung kann zu einer Zunahme von Entzündungsmediatoren wie Interleucin - 6 , CRP oder anderen Zytokininen im Körper führen . Entzündungsmediatoren erhöhen das Risiko der ENDOTHELIALEN DYSFUNKTION als den Startschuss der Arteriosklerose bzw. Gefäßverkalkung , in deren Folge es dann zur KHK bzw. zum Schlaganfall kommt (Miller GE et al. Clinical depression and infammatory risk markers for coronary heart disease Am.J.of Cardiol. 2002;90:1279-1283 Hafner S.et al J.of PsychatryRes. 2008; v42:163-165) .( s.Taylor , LA) In einem Experiment nach einer für die Probanden unangenehm längeren Stresssituation unter Zeitdruck waren die Entzündungsmarker z.B. im Speichel dieser Studienteilnehmer dtl. gesteigert. Gleichzeitig konnte eine gesteigerte Aktivität in zwei Hirnregionen , die bei der Verarbeitung von sozialem Stress eine Rolle spielen, nachgewiesen werden. Auch für MOBBING lassen sich solche negativen Reaktionen bei den Opfern mit Zunahme der entzündungsbedingten Erkrankungen nachweisen. Wir hören immer häufiger vom sog. BURN OUT SYNDROM, 7 gemeint ist damit eine durch Verausgabung in der Arbeitswelt entstehende vitale Erschöpfung mit deutlich depressiven Zügen. Wer unter einem Burn Out leidet ist resigniert, ist erschöpft, findet seine Arbeit sinnlos macht aber bis zum bitteren Ende weiter., vor allem wenn er ein Mann ist, der nicht gelernt hat über seine Gefühle zu sprechen. Die Betriebskrankenkassen gehen von neun Millionen Betroffenen aus, also jeder 4. Arbeitnehmer sei hiervon betroffen. Der Begriff leitet sich aus der Arbeitswelt her , man versteht darunter einen Zustand aus arbeitsbedingter Erschöpfung, Selbstentfremdung und verminderter Leistungsfähigkeit. Als häufige Ursachen werden gesteigerte Verantwortung ohne adäquate Belohnung angesehen. Es gehören vermehrte Anspannung, Schlafstörungen,Unruhe , Konzentrationsschwäche , Motivationsverlust und reduzierte Arbeitsleistung dazu. Die Abgrenzung zur Depression bzw. Angststörung fällt insofern schwer als das BURN OUT SYNDROM medizinisch nicht exakt definiert ist, eine inflationäre Verwendung des Begriffes auch seitens der Ärzteschaft ist anzunehmen,allerdings bestehen fließende Übergänge zur Depression. Nehmen wir exemplarisch den Beruf des Lehrers, der am meisten belasteten und verleumdeten Berufsgruppe. Lediglich 15-20 % der Lehrer werden als Gesund betrachtet aber 30 % befinden sich im Burn OUT, 1/3 hat die innere Kündigung ausgesprochen und befindet sich in einer Schonhaltung, 20% sind angestrengt also in der Vorstufe zum BURN OUT.( J.Bauer 2007, Uni Freiburg) Zweifelsohne gilt es auch persönliche Veranlagungen anzuschuldigen. wie Aufopferungsbereitschaft oder Perfektionismus .In den Sozialberufen resultiert hieraus das sog. Helfersyndrom. Viele Menschen sind offensichtlich nicht mehr in der Lage , belastende Arbeits- und Lebensumstände selbst zu entschärfen, ihre Resilienz ist geschwächt. In einer 2000 durchgeführten Mitarbeiterbefragung gaben als Stressoren 54% die ständige Konzentration am Arbeitsplatz mit hoher Verantwortung 51% den Zeitdruck, 49% die Arbeitsverdichtung bzw. Mehrarbeit und 41 % eine Störung der Arbeitsabläufe an, die sie als Dauerstress empfinden. Ungerechtigkeit – selbst erfahren oder über die sog. „ Spiegelneurone“ empathisch miterlebt- macht krank. Nehmen sie den Risikofaktor Diabetes Mellitus Typ II, der im engen Zusammenhang mit der Entstehung des Übergewichtes auch infolge des Dauerstress auftritt. Hochrechnungen hinsichtlich der rasanten Zunahme der Diabeteshäufigkeit in der Welt lassen uns bei wachsendem Wohlstand erschauern: In Europa wird die Häufigkeit der Zuckererkrankung um 23 % bis zum Jahr 2025 ansteigen, in Asien werden es 85%, im Weltmittel ca. 76% sein. Dies bedeutet dass statt 159 Mill. Menschen im Jahr 2000 280 Millionen Menschen im Jahr 2025 behandelt werden müssen, was das Gesundheitsbudget vieler Staaten sprengen wird.(Zimmet et al.;Nature 414:2001) Diabetes entsteht in den meisten Fällen durch Fehlverhalten, z. B. Bewegungsmangel und Übergewicht. Sie erkennen aus dem Zusammenspiel der Risikofaktoren die vor uns stehende Brisanz. 8 All diese Erkrankungen sind schwerwiegende Risikofaktoren nicht nur für die Entwicklung der Herz-Kreislauferkrankungen . Mehrere gleichzeitig vorhandene Risikofaktoren potenzieren ihre negativen Effekte. Wenn die Risikofaktoren Rauchen , Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörung zusammenkommen erhöht sich beispielweise das Risiko von Männern zwischen 30-59 Jahren einen Herzinfarkt in den nächsten 10 Jahren zu bekommen um den Faktor 10 (Frangingham Studie) Um dem Stress gewachsen zu sein ,greifen viele zu Kompensationsmechanismen ,deren Gefährlichkeit dem Einzelnen nicht bewusst zu sein scheint. Sie verändern sukzessive ihr Verhalten, greifen - zur Zigarette, steigern das Essverhalten und vernachlässigen - körperliche Bewegung. DerAlkoholkonsum steigt , das Schlafmuster verschlechtert sich, Aggressionen werden stärker ausgelebt. Rauchen , Alkohol und Frustessen werden antidepressive Eigenschaften zugesprochen. Nehmen wir durch entsprechende Interventionen die Zigaretten weg oder dämpfen ihr Frustessen so kommt es nicht selten zu einer Zunahme der depressiven Symptome., da das körperliche Belohnungssystem mit Entzug der „Ersatzdrogen Rauchen , Alkohol oder Essen“ geschwächt wird. Sie erkennen hieraus die Schwierigkeit des therapeutischen Ansatzes. Um es an einem Beispiel klarzumachen : Stark übergewichtige Menschen sterben - genauso übrigens wie Raucher - acht bis zehn Jahre früher als normalgewichtige Personen. - Jeweils 15kg zusätzliches Gewicht erhöht das Risiko früher zu versterben um 30 %. Sie sehen hier die Folgen des Übergewichtes,: - Bluthochdruck, Diabetes Typ II, Bewegungsmangel etc. - 9 Nach einer Erhebung der OECD , kürzlich in der FAZ vorgestellt ( FAZ vom 24.9.2010) leiden 45 % der deutschen Frauen und 60% der Männer an Übergewicht , 16 % in beiden Gruppen an Fettleibigkeit. In den USA ist dieser Anteil noch höher. Auch hier sind es die weniger gebildeten Frauen die an Übergewicht und Fettleibigkeit leiden. Sie haben ein zwei bis drei mal so hohe Wahrscheinlichkeit übergewichtig zu werden., bei Männern sind diese Unterschiede nicht so eindeutig. Menschen entwickeln ja in der Regel ihr Risikoverhalten nicht mit bewusstem Vorsatz, ihren Körper zu schädigen, weshalb rein kognitive Appelle wenig bewirken. Hinzu kommen Gruppennormen und soziale Vorbilder, die zum Kontakt mit Suchtmitteln wie Nikotin, Alkohol und übermäßige Nahrungsaufnahme führen. Das gesundheitsrelevante Verhalten von Menschen wird maßgeblich von dem beeinflusst, was andere Personen in vergleichbarer Situation tun. ( M.Sieverding : Psychological Sci. 21(7), 2010 und in Health Psychology 29(1) , 2010 ) Sie sehen , dass diese Dinge ineinandergreifen, sich gegenseitig bedingen bzw. verstärken. Durch die Macht der Gewohnheit und negative Vorbilder aber auch aus Gründen der lieb gewordenen „Belohnung“ sind Verhaltensänderungen nur schwer erreichbar. Die Basis für Verhaltensänderungen ist nur durch Vertrauen und verständliche Informationen zu erreichen- nicht durch permanente Kontrolle und nur bedingt durch kognitive Appelle. Dies kann z.B. im Schutzraum der Selbsthilfegruppen unter Anleitung eines 10 Gesundheitscoaches oder in Begegnungsgruppen , in denen das empathische Miteinander und das daraus entstehende Vertrauen der Schlüssel zur Verhaltensänderung ist, erreicht werden. In den Selbsthilfegruppen wird sehr viel über die Spiegelneurone angesprochen und verstanden. Als Mittel des individuellen Stressabbaus sollten individuelle Gespräche geführt und durch entsprechende Kurse vertieft werden. Hilfreich sind Gruppenangebote mit Sport und Gespräch, mit Entspannungsverfahren, was durch die dabei entstehende Geborgenheit zur Öffnung seiner Probleme und damit zur Enttabuisierung führt und eine langfristige Verhaltensänderung ermöglicht. Das menschliche Gehirn ist auf zwischenmenschliche Beziehungen angelegt, denn neurobiologische Belohnungssysteme reagieren auf zwischenmenschliche Zuwendung und umgekehrt. Die Motivation hierzu steht immer im Zusammenhang mit Beziehungen zu Menschen. Besteht keine Beziehung kann es auch keine Motivation geben. Als stärkster protektiver Faktor gegen beruflichen Stress ist die soziale Unterstützung und die kollegiale Zusammenarbeit anzusehen. Ich komme zum Schluss: Massnahmen zum Arbeitsschutz und zur Arbeitsorganisation sowie Personalentwicklung sind bei der multifaktoriellen Ursache der beschriebenen durch Arbeitsstress ausgelösten oder verstärkten Erkrankungen ebenso unterstützend wichtig, wie individuelle Analyse und Beratung bzw. Schulung durch entsprechende Fachkräfte. Nur wenn wir gemeinsam den Werkzeugkasten aufmachen und die entsprechenden Werkzeuge zur Verfügung stellen wird aus einem Schuh ein Paar Schuhe mit denen man die lange Strecke zur Verbesserung der Situation zurücklegen kann. 11 12