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Diss ETH Nr. 7738
PHOSPHATRÜCKLÖSUNG AUS SEDIMENTEN
ALS FOLGE DER REDUKTION VON EISENOXIDEN
Abhandlung
zur Erlangung des Titels eines
Doktors der Naturwissenschaften
der
EIDGENÖSSISCHEN TECHNISCHEN HOCHSCHULE
ZÜRICH
vorgelegt von
BETTIN A ZINDER
dipl. Chem. Universität Zürich
geboren am 15. Nov. 1948
von Burg FR
Angenommen auf Antrag von
Prof. Dr. Werner Stumm, Referent
Prof. Dr. Walter Schneider, Korreferent
ADAG Adminis tration & Druck AG
Zürich 1985
Die geheimnisvollen Wirklichkeiten, die sich unseren Sinnen entzogen:
die Naturkräfte, die Planeten, die Moleküle, die Wellen, waren nichts
als die gähnende leere, die wir mit unserer Ignoranz erforschten und
unter Worten versteckten. Niemals würde die Natur uns ihre Geheimnisse
ausliefern: sie hatte keine Geheimnisse: wir waren es selbst, die
Fragen erfanden und Antworten formulierten, und niemals würden wir auf
dem Grund unserer Retorten etwas anderes entdecken als unsere eigenen
Gedanken.
Simone de Beauvoir
Ich danke besonders:
Herrn Prof. Werner Stunm, seine fach 1i ehe Kompetenz und sein enormer
Ueberbl i ck über das Gebiet der Chemie natürl i eher Gewässer wie auch
sein Optimismus, sein Charme und die Liebe zu seinen Doktoranden,
machen ihn zu einem unvergleichlichen Lehrer.
Herrn Prof. W. Schneider für die Uebernahme des Korreferats.
Laura Si gg und Röbi Kummert, deren Dissertationen einen fruchtbaren
Einfluss auf die vorliegende Arbeit gehabt haben.
Geri Furrer, der in mancherlei Beziehung eine unschätzbare Unterstützung war. Seine Ideen und Korrekturen haben den Abschluss meiner Arbeit erheblich erleichtert.
Den vielen Mitarbeitern der EAWAG, die mir während der Dissertation
geholfen haben. Stellvertretend für alle möchte ich Heinz Bader, David
Kistler und Hans Weber nennen. Von ihrem Wissen und ihrer beruflichen
Erfahrung konnte ich, dank der grossen Hilfsbereitschaft, viel profitieren.
Meinen Kollegen Johannes, Norbert, Erich, Bernhard und Vreni. Sie
haben mir nicht nur oft fachlich weitergeholfen, sondern waren hauptsächlich Freunde, die am meisten dazu beigetragen haben, dass mir die
Zeit der Doktorarbeit in schöner Erinnerung bleiben wird.
1
Seite
VERZEICHNIS DER ABKUERZUNGEN
4
l. EINLEITUNG
5
1.1. Phosphatkreislauf eines Sees
5
1.2. Phosphat und Eutrophierung
6
1.3. Das Sediment als Phosphatsenke
7
1.4. Fragen zur Phosphatrücklösung
7
2. PHOSPHORVERBINDUNGEN IM SEE
9
2.1. Gelöste Phosphorverbindungen
9
2.1.l. Anorganische Phosphate
2.1.2. Organische Phosphate
2.1.3. Hydrolyse kondensierter Phosphate
2.2. Feste Phosphorverbindungen
2.2.1. Kristalline Phosphate
2.2.2. Phosphatadsorption
9
12
12
13
14
16
3. PHOSPHATRUECKLOESUNG
20
3.1. Die klassische Rücklösungstheorie
20
3.1.1. Redoxbedingungen im See
3.1.2. Eisen-Phosphat Verhältnis im Sediment
3.2. Allgemeine Möglichkeit der Rücklösung
3.2.1.
3.2.2.
3.2.3.
3.2.4.
Einfluss der ·wasserstoffionenkonzentration
Mineralisierung von organischem Material
Ligandenaustausch
Reduktive.Rücklösung
22
27
29
30
31
31
33
2
4. VERWITTERUNG VON METALLOXIDEN
34
4.1. Auflösung schwerlöslicher Festphasen
34
4.1.1. Die protonenkatalysierte Auflösung
4.1.2. Die anionenkatalysierte Auflösung
4.1.3. Die reduktive Auflösung
4.1.3.1. Die Elektronenübertragung
4.1.3. l; Kinetik der reduktiven Auflösung
.
36
39
43
45
48
5. EXPERIMENTE UND RESULTATE
55
5.1. Die Auflösung von Fe(IIl)-Phasen als entscheidender
Schritt der Phosphatrücklösung
55
5.1.1. Pie protonenkatalysierte Auflösung von Goethit
5.1.2. Die anionenkatalysierte_Auflösung von. Fe( III)Oxiden und -Hydroxiden
5.1.2.1. Oxalat als Auflösungsligand
5.1.2.2. Phosphat als Auflösungsligand
5.1.2.3. Inhibition der Auflösung
5.1.2.4. Weitere Auflösungsliganden
5.1.3. Die Reduktive Auflösung
5.1.3.1. Ascorbinsäure als Reduktionsmittel ·
5.1.3.2. Ascorbinsäure und anionische Liganden
5.1.3.3. Die Goethitauflösung in Anwesenheit von
Belebtschlamm
57
60
61
67
70
·72
73
74
76
81
5.2. Andere - im Zusammenhang mit der Phosphatrücklösung
stehende - Probleme
84
5.2.l. Kann das im Sediment an Eisen(III) gebundene
Phosphat analytisch erfasst werden
5.2.2. Ligandenaustausch an Goethit
5.2.3. Hydrolyse kondensierter Phosphate
84
92
94
3
5.3. Methoden und Materialien
5.3.1. Eingesetzte Analytik
5.3.2~ Eingesetzte Substanzen
6. DISKUSSION
96
96
97
99
ZUSAMMENFASSUNG
104
ABSTRACT
106
ANHANG
108
LITERATURVERZEICHNIS
111
4
VERZEICHNIS DER ABKUERZUNGEN
[ ]
{ }
>M
K
negativer Logarithmus der Elektronenkonzentration in Lösung
E
Redoxpotential
k
Geschwindigkeitskonstante
R
Reaktionsrate
spezifische Oberflächenprotonierung (mol m-2)
spezifischer anionischer Oberflächenbedeckungsgrad (mol m-2)
Anzahl der protonierbaren Metallzentren an der
0xidoberfläche (mol m-2)
1
<l>L
Anzahl der Lewis-Zentren an der Oxidoberfläche (mol m-2)
w
Wahrscheinlichkeitsfaktor
w
Wahrscheinlichkeit
Indizes
H
Protonen
e
Elektronen
L
anionische Liganden
1
T
II
Zähnigkeit der Liganden
total
5
1. EINLEITUNG
1.1. Phosphatkreislauf eines Sees
Alle in ein Gewässer gelangenden Substanzen unterliegen einerseits dem
Kreislauf des Gewässers selbst und andererseits den substanzei genen
Umwandlungsprozessen. Diese sind unter anderem eine Funktion der chemischen Erscheinungsform der vorliegenden Elemente, sowie der Art und
Menge ihres Eintrages.
Phosphat, das sich in einem See befindet, stammt aus verschiedenen
Quellen. Neben den natürlichen P-Frachten zählen Abwässer (häusliche
wie industrielle) und landwirtschaftl iche Abschwemmungen zu den grossen Phosphatliefera nten. Phosphor gelangt in Form gelöster anorganischer wie organischer Phosphate (beide auch kondensiert) und als partikuläres Phosphat in die Seen.
Beobachtet man den Kreislauf (In-, Output) eines Sees, so wird das
Phosphat entweder durch die natürlichen Aus 1äufe abtransportiert oder
auf den Grund befördert und dort eingelagert. Innerhalb der Wassersäule eines Sees, bestehend aus Epilimnion, Metalimnion, Hypolimnion,
Porenwasser und Sedimentfestkörper, kommen für das Phosphat einige
Umwandlungsprozesse in Betracht, die in Fig. 1.1 schematisch dargestellt sind. Im Epilimnion, der obersten, lichtdurchlässig en Wasserschicht, ist die Photosynthese der wichtigste Umwandlungsvorgang, in
welchem gelöstes Phosphat zu Biomasse (partikulärem organischen Phosphat) aufgebaut wird. Neben der Photosynthese findet auch Respiration
statt. Wichtige Vorgänge im ganzen Wasserkörper sind Adsorption und
Desorption des gelösten Phosphates an anorganisches, partikuläres
Material. Oie hauptsächlichsten Abbaumechanismen sind Mineralisierung
und Hydrolyse hochmolekularer Phosphate zu Orthophosphat. Oie Sedimentation der Phosphorverbindungen geschieht durch Absetzen von Partikeln
auf den Seegrund. Weitere vertikale Transportvorgänge sind die Wirbelund die molekulare Diffusion. Im Hypolimnion sind (bis auf die Photosynthese) alle oben genannten Vorgänge vertreten. An der SedimentWasser-Grenzfl äche können die gelösten Phosphate an Sedi mentparti kel
adsorbieren. Adsorption und Desorption, sowie die Auflösung von Festphasen, sind die vorherrschenden chemischen Reaktionen im Sediment-Porenwasser-System, wo auch neue anorgani sehe Phosphatphasen gebi 1det
6
werden können. Der Transport im Porenwass er geschieht , mit Ausnahme
der Bioturbat ion in den oberen Sediments chichten, ausschlie sslich
durch molekular e Diffusion .
6
1
3
2
2
5
4
5
1
Fig. 1.1: Schematische Darstellung der verschiedenen
Phosphaterscheinungsformen in einem See und deren Beziehungen
un~ereinander. (P = Phosphat; a = anorganisch; o = organisch; g =
gelöst; p = partikulär ; Sed = Sedimentfestkörper)
Austauschvorgänge zwischen den P-Boxen:
1 Photosynthese - Respiration
2 Adsorption - Desorption sowie Bildung und Auflösung anorganischer
Phosphatphasen
3 Mineralisierung (Hydrolyse)
4 Photosynthese (einzelne 'organismen können direkt organisches
Phosphat aufnehmen) - Respiration (partiell)
Adsorption - Desorption
5 Sedimentation
6 Adsorption von gelöstem anorganischem Phosphat ans Sediment
7 RUck Jösung
1.2. Phosphat und Eutrophie rung
Der zunehmende Nährstoff eintrag in unsere Gewässer hat zur Eutrophie rung einer immer grösser werdenden Anzahl von Seen geführt. Phosphor,
in den meisten Seen der limitieren de Faktor der Primärpro duktion, ist
7
bei der Eutrophierung von entscheidender Bedeutung. Um die Umweltprobleme - besonders die Sauerstoffzehrung im Hypolimnion - die durch die
Eutrophierung verursacht werden, zu bewältigen, ist eine genaue Kenntnis des Phosphatk reis lauf es notwendig. Die Anstrengungen, die unternommen werden, um den Phosphateintrag in die Seen zu reduzieren, sind
mit ebenso grossen fi nanzi e11 en Aufwendungen verbunden wie die Seensanierungen. Es ist daher nicht verwunderl i eh, dass Phosphor das am
meisten untersuchte Element in den Gewässerwissenschaften ist.
1.3. Das Sediment als Phosphatsenke
Im Phosphatmetabolismus eines Sees spielen die Sedimente eine entscheidende Rolle. Die durch Respiration und Mineral i si erung frei werdenden Nährstoffe werden durch Einlagerung in die Sedimente aus dem
Kreislauf entfernt. Die sedimentierten Phosphate werden damit der
produktiven Seeschicht entzogen. Unglücklicherweise wird bei manchen,
oft sehr eutrophen Seen, eine grosse Remobilisierung des sedimentierten Phosphats beobachtet. Diese Phosphatrück 1ösung erhöht zusätzl i eh
das Nährstoffangebot im Epilimnion, was wiederum zu vermehrter Primärproduktion führt.
Aufgrund der hier kurz erwähnten Tatsachen stellen sich einige Fragen,
deren Beantwortung bei der Lösung des Eutrophi erungsprob l ems eine
grosse Hilfe sein könnten.
1.4. Fragen zur Phosphatrücklösung
Um die kurz geschilderten Phänomene quantitativ zu erfassen, lassen
sich aus chemischer Sicht zwei Hauptproblemkreise definieren.
Es ist entscheidend zu wissen, welche chemischen Mechanismen der Phosphatfreisetzung möglich sind und welche Einflussgrossen die Rücklösung
kontrollieren. Falls es verschiedene Mechanismen gibt, stellt sich die
Frage, wel eher der Mechanismen (bei gegebenen Bedingungen) bezügl i eh
auflösbarer Menge (Thermodynamik) oder Auflösungsgeschwindigkeit
(Kinetik)· der dominante ist.
Vor allem ist von Interesse, in welcher Form das Phosphat im Sediment
eingelagert ist und ob durch die Kenntnis der Phosphatbindung im Sediment auf dessen potentielle Remobilisierung geschlossen werden kann.
8
Die beiden angesprochenen Problemkreise:
- Art der Phosphatbindung und
Rücklösungsmechanismen
sind die zentralen Themen der vorliegenden Arbeit.
9
2. PHOSPHORVERBINDUNGEN IM SEE
2.1. Gelöste Phosphorverbindungen
Das Element Phosphor kommt in natürlichen Gewässern fast ausschliess lich als vierfach koordiniert e Verbindung in der Oxidationsstufe ~vor
und ändert seinen Oxidationszustand weder durch biologische noch durch
chemische Transformationen. Es handelt sich bei diesen Phosphorverbindungen in Gewässern um anorganische und organische Phosphate, also um
die Anionen der entsprechenden Phosphorsäuren. Das einfachste Phosphat
ist das Orthophosphat (P0 4 3-), das den Grundbaustein aller übrigen
Phosphate darstellt.
Gelöste Phosphate gelangen durch die Verwitterung und die Auflösung Phaltiger Mineralien, sowie durch Erosion und Bodenabschwemmungen ins
Wasser. Assimilations- und Dissimilationsvorgänge bringen organische
Phosphate in die Seen, und ein grosser Teil der Phosphatfracht wird
durch industrielle und häusliche Abwässer verursacht [Stumm 70].
2.1.1. Anorganische Phosphate
Sowohl das monomere Orthophosphat wie auch polymere anorganische Phosphate (sogenannte kondensierte Phosphate) finden sich in Gewässern.
Orthophosphat ist das Hydrolyseendprodukt aller kondensierten organischen wie anorganischen Formen. Das dimere Pyrophosphat (P 0 4 -) und
2 7
das trimere Tripolyphosphat (P 30 10 5-) sind von den kondensierten anorganischen Phosphaten diejenigen, die am häufigsten in unsere' Gewässer
gelangen [Degens 68]. Ein geringer Tei 1 der kondensierten Phosphate
stammt aus Pflanzen. Diese können Pyrophosphat aus Orthophosphat synthetisieren und damit Energie speichern [Kirby 79]. Der grösste Teil
der kondensierten Phosphate ist jedoch anthropogenen Ursprungs, besonders das Tripolyphosphat, das den Waschmitteln beigegeben wird. Auch
hochmolekulare kondensierte Phosphate, die aus Ketten von bis zu 10 PEinheiten ([PnO(Jn+l )](n+ 2)- = Polyphosphate), Ringen mit 3 bis 7
Phosphoratomen (Metaphosphat: [(P0 )n] 2n-) und Vernetzungen (Ultra3
phosphate) aufgebaut sind [Cotton 74], können in die Seen gelangen.
Die Phosphate als Säureanionen sind je nach pH des Gewässers protoni ert ~ Bei einem pH eines Sees von 7. 5 bis 8. 5 liegt die Orthophosphorsäure als Hydrogen- (HP0 4 2-) und Dihydrogenphosphat (H Po 4-) vor.
2
10
Die Pyrophosphorsäure ist zu über 90% in Form von HP 0 7 3- und die Tri2
phosphorsäure zu HP 3 0 10 1+- und wenig P30 5- dissoziiert. In Fig. 2.1
10
ist die pH-Abhängi gkei t der 3 genannten Phosphorsäuren graphisch dargestellt.
Phosphate sind gute Komplex- und Chelatbildner und bilden mit fast
allen in Gewässern vorkommenden Metallkationen lösliche Komplexe. Die
Komplexbildung ist vom pH, den Konzentrationen (sowohl des Phosphates
0
100
b
r--t
0~
.__.
0..
u
so
0
100
c
. so
1
2
3
4
5
6
1
8
9
10
11
12
11
pH
Fig. 2.1: Prozentuale Verteilung der Phosphorsäuren und ihrer Anionen
in Abhängigkeit des pH's. a) Ortho- b) Pyro- c) Tripolyphosphorsäure
(P steht für eine Orthophosphat-Einheit)
11
wie der Metalle), als auch von der Anwesenheit und Menge anderer Komplexbildnern (z.B organischer Säuren) abhängig. In Tab. 2.1 sind einige Komp l exbi l dungskonstanten mit den für den Phosphork reis lauf wichti gen Metallkationen aufgeführt.
Die Eignung der Phosphate als Komplexbildner hat nicht nur einen grossen Einfluss auf die Verteilung der gelösten Phosphatspezies, sondern
auch auf die totale Löslichkeit der einzelnen Verbindungen. Die Lös1i chkei t einiger Meta 11 i onen kann durch Phosphat als Ligand um ein
Vielfaches erhöht werden. Dies ist ein Grund für die Triphosphatzugabe
Tab. 2.1:
Phosphatkomplexbildungskonstanten der bei pH 7.5 bis 8.5
vorherrschenden Komplexe von Mg 2+, Ca 2+, Fe 3+, Fe 2+ und
Al 3+. (T = 25°C, Ionenstärke + 0)
Reaktionen
Mg2+ + HPO 2=
4
ca2+ + PO 3=
4
ca2+ + HPO 2=
4
Fe3+ + HPO 4 2=
Fe3+ + H2PO 4 =
Fe2+ + HPO 4 2=
Fe2+ + H2PO 4 =
Al3+ + H2PO 4 =
Mg2+ + p 0 4=
27
Mg2+ + HP 207 3- =
ca2+ + P o 4=
27
ca2+ + HP 2o7 3- =
Fe3+ + 2HP 207 3- =
Mg2+ + p 0 5- =
3 10
Mg2+ + HP 30 10 4 - =
ca2+ + P o 5- =
3 10
Ca 2+ + HP 30 10 4- =
log K
MgHP0 4 (aq)
CaP0 4 CaHPO 4( aq)
FeHP0 4+
FeH 2PO 4 2+
FeHP0 4 (aq)
FeHlO/
AlH 2PO 4 2+
MgP 207 2MgHP 2o7 CaP 207 2CaHP 2o7 Fe(HP 207 ) 23MgP 3010 3MgHP 30 10 2CaP 30 10 3CaHP 30 10 2-
2.91
6.46
2.74
8.30
3.47
3.60
2.70
- 2.10
1.20
3.06
6.80
2.30
22.0
8.60
3.50
8.10
3.04
Literatur
[Smi th 76)
II
II
II
II
II
II
II
II
II
II
II
II
[Sillen 64)
[Smi th 76]
II
II
II
II
II
II
[Sillen 64]
[Smi th 76]
II
II
II
II
II
II
12
in Waschmittel. Das Calciumion bildet mit dem Triphosphat einen lös1 ichen Komplex, ·womit die Ausfäl l ung von Calciumkarbonat verhindert
wird.
2.1.2.
Organische Phosphate
Natürlich vorkommende org~nische Phosphorverbindungen in Gewässern
sind immer Abbauprodukte aus Biomasse und bestehen aus Phosphatbaustei nen, die, wie die anorganischen Phosphate, über Sauerstoffatome
verknüpft sind [J. Williams 71]. Ein grosser Teil des organisch gelösten Phosphats sind hochmolekulare Verbindungen und stammen zu etwa
50% aus DNS und RNS oder Bruchstücken dieser beiden Säuren (Minear
72]. Weitere Phosphorverbindungen, die als Abbauprodukte der Biomasse
entstehen, sind Phospholipide aus Zellmembranen und Zellwand-Polysaccharide, die als Bindungszentren für Calcium- und Magnesiumionen wirken [R. Williams 79].
Eine zunehmende Anzahl auch organischer Phosphorverbindungen sind
anthropogenen Ursprungs. Hier sind einerseits pharmazeutische Produkte, andererseits Herbizide und Pestizide zu nennen. Allerdings machen
diese Verbindungen bloss einen verschwindend kleinen Teil des Gesamtphosphors aus und sind deshalb kaum von Bedeutung für die Eutrophierung. Diese Phosphorverbindungen sind aber, im Gegensatz zu den natür1 ich vorkommenden Phosphaten, im Wasser oft schlecht abbaubar und
deshalb mit anderen Risiken verbunden [R. Williams 79].
2.1.3. Hydrolyse kondensierter Phosphate
Alle kondensierten Phosphate hydrolysieren in wässriger Lösung zu
Orthophosphat. ·Die Hydrolyse polymerer Phosphate in steriler Lösung·
kann mit einer Kinetik pseudo 1. Ordnung beschrieben werden [Watanabe
76, Van Wazer 52,55]. Bei Tripolyphosphat läuft die Reaktion nach der
folgenden Sequenz ab:
P30105- + H20
+
PO 4 3- + P20 7 4-
P2 0/•-
+
2 P0 4 3 -
+ H20
+ 2 H+
+ 2 H+
Die Hydrolyse ist eine pH-abhängige Reaktion und kann durch Inertelektrolyte katalysiert werden _(negativer oder positiver Salzeffekt). Der
zweite Teilschritt der Reaktionsfolge ist für die Gesamtreaktion geschwindigkeitsbestimmend. Oie Aktivierungsenergie liegt für den ersten
Hydrolyseschritt bei 110 kJ/molK und für den zweiten bei 125 kJ/molK
13
(Zinder 84 ]. Oie Reaktion verläuft unter sterilen Bedingungen extrem
1angsam und würde bei pH 8 und einer Temperatur von 15° C eine Ha 1bwertszei t von ca. 15 Jahren aufweisen (Griffith 59]. Wird die Triphosphathydrolyse unter natürlichen Bedingungen oder in Anwesenheit von
Algenkulturen untersucht, so verläuft die Reaktion tausendmal schneller [Clesceri 65]. Die Halbwertszeit reduziert sich entsprechend auf
wenige Stunden. Eigene Untersuchungen der Triphosphathydrolyse in
einem Belebtschlamm deuten auf die gleiche Folgereaktionskinetik wie
unter sterilen Bedingungen hin. Oie Halbwertszeiten der Gesamtreaktion
liegen, je nach Belebtschlammkonzentrationen, zwischen 5 und 10 Stunden. Diese enorme Beschleunigung der Hydrolyse in Anwesenheit von
Mikroorganismen wird mit einer enzymatischen Biokatalyse erklärt
[ Hei nke 69].
Oie kondensierten organi sehen Phosphate unterliegen dem gleichen Abbauvorgang wie Tripolyphosphat. Auch hier führt die Biokatalyse zu
einer Beschleunigung der Reaktion um 2 - 3 Zehnerpotenzen. Organische
Polymere, die aus absterbendem Algenmaterial stammen, werden somit in
relativ kurzer Zeit durch Bakterien zu Orthophosphat abgebaut [Watt
63].
2.2. Feste Phosphorverbindungen
In Sedimenten existieren, neben magmatisch und metamorph gebildeten
Gesteinen, hauptsächlich sekundär entstandene Neubildungen aus Verwitterungsprodukten. Einige dieser Verbindungen sind die Tonmineralien
(z.B. Kaolinit und Montmorillonit) und die Oxide und Hydroxide der
Elemente Si, Al, Fe und Mn sowie Calcit. Das Magnesiumcarbonat kommt
selten als reines Magnesit vor, sondern meist als Dolomit {CaMg(C0 3 } 2 }
oder Ankerit {Ca(Mg,Fe,Mn}(C0 3 } 2 }, diese beiden Verbindungen werden in
den See eingebracht und bilden sich nicht im Sediment. Unter anaeroben
Bedingungen kann auch Siderit {FeC0 3 } im Sediment entstehen [Schäffer
79]. In den kristallinen Phasen eines Sedimentes ist Phosphor hauptsächlich als anorganisches Phosphat zu finden [Boström 82). In natürlichen Mineralien ist das Element Phosphor nur in Form von Orthophosphat bekannt (Degens 68]. Als Gegenionen einer kristallinen Phosphatphase in einem Sediment kommen Eisen, Aluminium und Calcium in Frage.
Eine wichtige Art der Bindung von Anionen in Böden und Sedimenten ist
14
die Adsorption , an Oxide und Hydroxide, besonders an Oxide und Hydroxide von Eisen und Aluminium, s.owie an die feinen Ueberzüge dieser
Verbindungen auf Tonmineralien.
2.2.1. Kristalline Phosphate
Aus dem Lösl ichkei tsprodukt kri stal 1i ner Eisen-, Alumini um- und Calciumphosphate (Tab. -2.2) wird abgeschätzt, ob eine entsprechende Phase
in einem Sediment existieren kann. Zu den wichtigsten Phosphatphasen,
die in einem Sediment thermodynamisch möglich sind, gehören Variscit
{AlPOlt}' Strengit {FePOlt}' Hydroxyapatit {Ca 10 (P01t) 6(0H) 2} und weitere
Calciumphosphate sowie Fluorapatit.
Die in Figur 2.2 abgebildeten Löslichkeitskurven von verschiedenen
Phosphaten in Abhängigkeit des pH-Wertes zeigten eine mi nima 1e Lös1i chkei t von Fe- und Al-Phosphaten bei pH 5 bzw. 6. Bei einem pH-Wert
von 8 müsste schon eine Phosphatkonzentration von 10-1tM erreicht werden, damit Variscit entstehen könnte. Diese hohen Ko~zentrationen
werden aber nur in Ausnahmefällen oder lokal erreicht. Im Porenwasser
Tab. '2. 2: Lös 1i chkei tsproduk te (1 og Ks) verschiedener Meta 11phosphate. (T = 25°C, I = OJ [Leckie 70]
- log Ks
FeP01t(s)
Fe 3 (P01t) 2(H 20) 8 (s)
CalO(POlt)6(0H)2(s)
CalO(POlt)6(F)2(s)
AlP01t·2H 20(s)
CaHAl(P01t) 2(s)
CaHPOlt(s)
Ca1tH( POit) 3 ( s )'
CalO(POlt)6(0H)2(s)
+ 6 H20
= Fe3+ .+ PO lt 3= 3 Fe2+ + 2 PO lt 3-
= 10 Ca 2+ + 6 PO lt 3- + 2 OH= 10 ca 2+ + 6 PO lt 3- + 2 F-
= Al 3+ +PO lt 3- + 2 H20
= Ca 2+ + Al 3+ + H+ + 2 PO lt 3 ~
= Ca 2+ + HPO lt 2= 4 Ca2+ + 3 PO lt 3- + H+
= 4 [Ca 2(HPO 1t )(OH) 2] + 2 Ca 2+
+ 2 HP01t 2-
23.0
36.0
114
118
21.0
39.0
6.6
46.9
17.0
15
des Vierwaldstätter sees sind beispielsweise maximale Phosphatkonzentrationen von 3 · 10- 5M bei einem pH von 7. 5 bis 7. 7 gemessen worden
[Staub 81 ]. Diese Phosphatkonzentrationen werden im Porenwasser selten
überschritten, ausser unter stark anoxi sehen Bedingungen, wo Konzentrationen bis 3.5 · lQ-'+M vorkommen [Stumm 71 ]. Strengit und Variscit
sind bei pH-Werten über 1.4 bzw. 3.1 instabil, und es ist sehr unwahrscheinlich, dass im Sediment Al- oder Fe-Phosphate als kristalline
Phase existieren, selbst wenn diese Phasen ursprünglich im Sediment
eingelagert wurden [Syers 73]. Etwas anders sind die Verhältnisse bei
Calciumphosphaten. Hydroxiapatit kann beispielsweise epitaktische
Aufwachsungen auf Calcit bilden. Dies kommt besonders in stark eutrophen und ca 1ci umrei chen Seen vor. Bei pH-Werten zwi sehen 6. 8 und 8. 3
findet keine Umwandlung von Calcit zu Apatit statt, sondern die Cal.,.
2
3
4
-°'
~
a..
0
5
{Ca4 H(PO„h}
6
1
8
9
10
1
2
3
4
5
6
1
pH
8
9
10
11
12
F1g. 2.2: Lösl1chke1tskurven einiger Phosphatphasen. Die Löslichkeit
der Metallhydroxide bestinmt die Konzentrationen von Aluminium und
~isen;
Die Fluoridkonzentration ist durch die CaF 2 Löslichkeit
gegeben. [ca2+1 = 10-3; T = 25°C; Pt = lösliche Phosphate.
16
cite werden von dünnen Schichten Apatit überzogen [Stumm 71 ]. Obwohl
die Bildung von Apatit sehr langsam verläuft, wird unter bestimmten
Bedingungen Apatit in Sedimenten gebildet [Deer 63]. So hat man beispielsweise im Greifenseesediment, bei calciumreichen Partikeln, Hinweise auf Apatitphasen erhalten [Emerson 78). Dagegen sind in den
Madison Seen, trotz hoher Uebersättigung, nur sehr kleine Mengen Apatit gefunden worden [J. Williams 71]. Im Lake Erie wiederum fand sich
Apatit, der allogenen Ursprungs war, aber nicht im Sediment gebildet
wurde [J. Williams 76].
In eutrophen Seesedimenten ist die sekundäre Bildung von Vivianit
{Fe 3 (P0 4 ) 28H 2 0} thermodynamisch möglich. Bei einem Löslichkeitsprodukt
von 10- 3 6 ist die Lös 1i chkei t des Vivianits durch das freie Fe 2+ bestimmt, da. im Gegensatz zu. Fe 3+ weder die Hydroxo- noch die Phospha...
tokomplexe thermodynamisch stabil sind. Die Vivianitbildung wird in
Anwesenheit von Carbonat bzw. Sulfid thermodynamisch durch diejenigen
vo~ Siderit und Eisensulfid konkurrenziert (Sigg 79). Dennoch sind im
Sediment des Greifensees Hinweise auf Vivianit erhalten worden, obwohl
starke Uebersättigung bezüglich Siderit herrschte [Emerson · 78].
Selbst wenn in einem eutrophen See Phosphat durch Vivianitbildung aus
der Wassersäule entfernt werden kann, so ist dies doch eine sehr uneffekti ve Phosphatsenke, da das Kristallwachstum ein sehr langsamer
Vorgang ist.
Aus dem kleinen Ueberblick ist festzustellen, dass t~ermodynamische
Rechnungen nur eine vorläufige Abschätzung der vorliegenden Verhältni sse erlauben. Bei der Betrachtung eines~ komplexen Systems, wie es
ein Tiefenwasser darstellt, sollte man die unter Laborbedingungen gemessenen Konstanten nicht kritiklos übernehmen.
2.2.2. Phosphatadsorption
Wie schon erwähnt, sind sowohl für den Transport gelöster Stoffe auf
den Seegrund als auch für die Einlagerung von Ionen ins Sediment Adsorptionsvorgänge wesentl i eh.· Anionen wie Kationen adsorbieren unter
bestimmten Bedingungen an Festkörperoberflächen wie Tonmineralien,
Metalloxiden und Hydroxiden, aber auch an organi sehe Oberflächen.
Da die adsorbierten Ionen häufig "inner sphere" Komp 1exe bi 1den, kann
die thermodynamische Beschreibung der Adsorptionsreaktionen analog der
17
von Komplexreaktionen in Lösung durchgeführt werden. Die Bildung von
"inner sphere" Komplexen ist als Ligandenaustausch an funktionellen
Oberflächengruppen (>Me-OH, >R-OH und >R-COOH) gegen Hydroxylionen
(für Anionen) und gegen Protonen (für Kationen) formulierbar. An Metall hydroxi doberfl ächen werden Anionen bei niedrigem pH, Kationen bei
hohem pH spezifisch adsorbiert. An organi sehe Oberflächengruppen adsorbieren vorzugsweise Metallkationen. Anionen und schwache Säuren
chemisorbieren an diesen Oberflächen wenig bis gar nicht. Für die
Adsorptionsreaktion formuliert man Gleichgewichtskonstanten wie für
lösliche Komplexe. Die genannten Adsorptionsreaktionen lassen sich für
Hydroxidoberflächen allgemein
>M-OH + Me2+
+
>M-OH + A2-
+
>M-OH + HB
+
>R-OH + Me2+ ·
+
>M-A-
+ OW
>M-B
+ H20
schreiben, für organische Oberflächen gilt [Sigg 84]:
Zwei wesentliche Bestätigungen der Annahme von "inner sphere" Komplexbildung sind mit IR und ESR Daten gelungen. Infrarotspektren von Eisen- und Alumini umoxi dfil men wiesen die gleichen Strukturen wie die
analogen freien Komplexe auf, was eindeutig auf Bildung von "inner
sphere" Komplexen schliessen lässt. Als Liganden wurden sowohl aus
Seewasser extrahierte Ful vi n- und Huminsäuren eingesetzt, wie auch
Oxalsäure und Phosphorsäure [Parfitt 77a,b,c]. Aus ESR-Messungen von
adsorbiertem Vanadyl und Kupfer an Aluminiumoxidoberflächen wurden
Kupfer- Sauerstoff- und Vanadium-Alumini um-Abstände in der Grössenordnung von chemi sehen Bindungen errechnet, was eindeutig für "inner
sphere" Komplexe spricht [Rudin 84, Motschi 84].
Bei der Phosphatsedimentation spielt die Adsorption eine besonders
wichtige Rolle. Phosphate können über einen weiten pH-Bereich an vielen Oxidoberflächen sehr stabile Komplexe bilden. Studien an Aluminiumoxid über den pH-Bereich von 2 bis 10.5 ergaben eine hohe P-Adsorption. Das Adsorptionsmaximum sowohl von a-Al 20 3 wie auch von
y-Al 203 lag bei pH 4 [Chen 72, Huang 75]. Die maximale Phosphatadsorption an Lepidokrokit (y-FeOOH) liegt [Gupta 76] genauso wie diejenige
18
an Goethit {a-FeOOH) bei pH 3. Bei einem pH von 8 können an a-FeOOH
Oberflächen noch 4·10- 6 mol Phosphat pro m2 adsorbieren [Sigg 79]. An
. amorphes FeOOH adsorbiert 2 bis 3 mal mehr Phosphat als an kristalline
Phasen [Berner 80]. An Kaolinit wird bei einem pH-Wert von 5 am meisten Phosphat adsorbiert [Chen 72], während das Adsorpti onsmaximum an
Silikaten bei noch tieferem pH liegt [Boström 82]. Alle diese Adsorptionsmessungen lassen sich mit Langmuir-Isothermen gut beschreiben.
Für die Strukturen der Produkte sind mono- und bimolekulare "inner
sphere" Komplexe postuliert worden. An organischen Oberflächen wird
keine Phosphatadsorption beobachtet, dagegen bilden die gelösten Phosphate mit organi sehen Verbindungen metal l organi sehe Chel ate [Boström
82].
Ein wichtiges Phosphatadsorbens im Sediment ist das Eisenhydroxid. Das
bei der Verwitterung freigesetzte Eisen wird als Fe{IIl)-Hydroxid
abgeschieden und im Gegensatz zum Aluminium nur wenig in Tonmineralien
eingebaut. Wie in Kapitel 2. gezeigt, kommt es praktisch nur unter
reduzierenden Bedingungen zur Bildung anderer fester Eisenverbindungen
[ Schef fer 79].
Für die drei protoni ge Phosphorsäure sind verschiedene Protoni erungsgl ei chgewi chte in Lösung und an der Oberfläche formulierbar. Das Dih~drogenphosphat geht mit Eisenhydroxid folgende Gleichgewichtsr eaktionen ein.
>FeOH + Hlo4-
+
>FeOH + Hlo4-
+
>FeOH + Hlo4-
+
>FeP0 4H2 + OH>FeP0 4W + H20
>FePO 42- + H3o+
>Fe-0
OH
'\p/
/ '\
>fe-0 O
Bidentate Komlexe können auch in mononuklearer Form
19
geschrieben werden. Diese Reaktion ist stöchiometrisch von der erstgenannten nicht zu unterscheiden. Wegen der vielen Protonierungsgleichgewichte wirkt sich die Phosphatadsorption über einen breiteren pHBerei eh aus als die Adsorption anderer Anionen.
20
3. PHOSPHATRUECKLOESUNG
3.1. Die klassische Rücklösungstheorie
Die klassische Beschreibung des Phosphataustausches zwischen Sediment
und Wasser basiert auf der Wechselwirkung zwischen Eisen und Phosphor
unter aeroben und anaeroben Bedingungen. Bei aeroben Verhältnissen
liegt das Eisen vorwi~gend als Fe(Ill)-Oxid, bzw. Hydroxid vor. Diese
Eisenverbindungen dienen als Adsorbens für gelöste Phosphate. Treten
im Sediment anaerobe Verhältnisse auf, wird das Fe(III) zu Fe(II)
Luft
l
c:
0
"Ci.
UJ
r{C 116 Hm 0111 N16 P]
Oz
c:
E
o-P
Fe ( 11)
1
1
o-P
~
>Fe(lll)
~
~
>Fe ( 111 )- P
)
>Fe( III)
(
)
>Fe( III)- P
1
0
0..
>-
:X:
Fe ( II)
Fig. 3.1: Vereinfachte schematische Darstellung des an Eisen
gekoppelten Phosphatkreislaufs (klassische Rilckl6sungstheorie) unter
anoxischen und oxischen Bedingungen in Sediment und Porenwasser.
{}: Algenformel nach Redfield (Redfield 63): o-P: gelöstes
anorganisches Phosphat (Orthophosphat); >Fe(lll): Eisenoxid-,
Hydroxid-Oberfläche; >Fe(IIl)-P: an Eisenoxid adsorbiertes Phosphat
21
reduziert, und das ursprüngl i eh an das Eisenhydroxid chemi sorbi erte
Phosphat muss gleichzeitig mit dem reduzierten Eisen in Lösung gehen.
Diese Rücklösungstheorie wurde in den Arbeiten von Einsele (36, 37],
Ohle [37] und Mortimer [41] erstmals postuliert und gilt heute als
anerkannte Lehrmeinung.
In Fig. 3.1 ist diese an den Eisenkreisl auf gebundene Rücklösung schematisch dargestellt . Phosphat, das direkt eingetragen oder durch den
Abbau der Biomasse frei wird, adsorbiert an Eisenoxide und Hydroxide.
Diese Partikel sedimentieren und setzen sich auf den Seegrund ab. Wenn
dann im Sediment-Porenwasser-System anox i sehe Bedingungen herrschen,
wird das Eisen reduziert und geht mit dem vorher adsorbierten Phosphat
in Lösung. Durch das entstehende Konzentrati onsgefälle diffundieren
P0 4 3 - und Fe 2+ in der Was.sersäul e nach oben, wo das Eisen ih Schichten
mit Sauerstoff sofort aufoxidiert wird und sich als Hydroxidkolloid
erneut absetzt. Das Phosphat kann wieder in den Photosynthe sekreislauf
gelangen oder auch direkt an Partikel adsorbieren und sedimentier en.
Als Reduktionsmittel für die Reaktion Fe3+ zu Fe2+ eignen sich organische Substanzen wie Oxalsäure [Goltermann 75], Huminsäuren oder
andere Abbauprodukte der Biomasse [Tessenow 72]. Eine wichtige Reaktion für Eisen im anoxischen Sediment ist die Reduktion durch H S.
2
Schwefelwa sserstoff entsteht bei sehr tiefen Redoxpotentialen aus
Sulfat und kann, als sehr starkes Reduktionsm ittel, nicht nur Eisen
reduzieren, sondern mit dem gebildeten Fe(II) schwerlöslic he Eisensulfide bilden. Da die Sulfatreduk tion erst bei einem erheblich tieferen
Potential als die Eisenreduktion einsetzt, muss letztere anfänglich
durch organische Verbindungen verursacht werden.
Viele,,. Autoren haben das besprochene Modell seit seiner Postulierung
durch eigene Versuche bestätigt, und es gibt keinen Zweifel, dass in
vielen eutrophen Seen die anaerobe Phosphatrücklösung mit der Reduktion von Fe(III) gekoppelt ist.
Aus zwei Gründen müssen aber auch andere Rücklösungsmechanismen diskutiert werden. Einerseits bestätigen manche Untersuchungen auch die
Existenz einer aeroben Rücklösung, andererseit s reicht die Eisenkonzentration in einigen Sedimenten für die Phosphatbindung nicht aus.
22
3.1.1. Redoxbedingungen im See
Im besprochenen Rücklösungsmodell wird die Phosphor-Rückhaltekapazität
durch die Redoxverhältnisse an der Sediment-Wasser-Grenzfläche bestimmt. In einem aquatischen System sind PE-Werte von +14 bis -10
möglich. An den Redoxre~ktionen in einem natürlichen Gewässer nehmen
nur wenige Elemente teil. Dies sind vor allem Kohlenstoff, Stickstoff,
Sauerstoff, Schwefel, Eisen und Mangan. Ist das Wasser im Gleichgewicht mit der Luft (d.h. sauerstoffg esättigt), hat es einen PE von
+ .13.6 (p(0 2) = 0.21 atm, pH = 7, T = 25°C). Bei dieser "Elektronenkonzentratiön" liegen die oben genannten Elemente in ihrer höchsten
Oxidationsstufe vor (s. Tab. 3.1). Die beiden Metalle Eisen und Mangan
sind in ihrem höchsten Oxidationszustand fast ausschliess lich in fester Phase zu finden.
Tab. 3.1:
Element
c
N
s
Fe
Mn
Oxidationszustände einiger Elemente und deren wi'chtigste
Verbindungen in einem See [Morris 67].
Bei den Säuren sind die An1onen je nach pH des Systems
die Haupterscheinungsformen.
höchster Oxidationszustand
co 2,
H2C0 3
NO 3 H2S0 4
FeOOH( s), Fe 20 3 (s)
Mn0 2
reduzierte Form
(CH 20)n, (COOH)n
NO 2- , N2, NH ,_.+
H2S
,.··Fe2+aq
Mn2+ aq
Unter thermodynamischen Gesichtspunkten kann eine klare Sequenz der
auftretenden Reduktionen bei abnehmendem PE aufgestellt werden (Fi g.
3. 2). Die Berechnung des PE ist eine Gl ei chgewi chtsrechnung. In einem
wässrigen System, das nicht im Gleichgewicht ist, ist ein PE nicht
.definiert. Darauf ist bei PE-Rechnungen in natürlichen Gewässern zu
achten, wo durch Einsetzen der analytischen Konzentrationen der Redoxpaare in die chemischen Gleichungen das Redoxpotential bestimmt werden
23
pE
EH [V]
Redoxpaare
1.0
Ox
Red
' 14
035
c
0
:c
12
.Ji:
:J
"D
~
1
10
0.5
0
;:
a
:!!!
....
........
·;:
„
Cl
8
;;
c
:r
t
6
0.25
&
c
2:
4
e
0
~
.X
-6„
a:
1
&
z
2
0
0
.-2
-0.25
-4
Fe C03
lH30H
1ls-
~[l"t-i
CH4
cetat
IMH•
J
-6
-0.5
-8
4
Elhanol
, Methanol
Pyruvat
....
( H20 (Glucose)
Format
--„
u..
t
...)(
0
u..
ö
.i:
....etCU
::c
....a.
0
,;
•
a:
c
0
;:
l!
c
„
„....E
u..
1
~
u
~
Ff g. 3.2: Redoxsequenz (Reihenfolge der fn einem See auftretenden
Reduktionen) bei einem pH von 7; [HC0 -] = 10-3M; [S)(tot) = 10-3M;
3
(No3-1 + [No2-1 + [NH4+] + (NH3) = 10- 3M; (N2JCaq) = s·10-4M; Die
Konzentrationen von Fe und Mn sind durch das löslichkeitsprodukt der
Metalloxide gegeben.
24
soll. Noch weit problematischer ist das "in situ" Messen der Redoxpotentiale im Gewässer, da es. sich bei den aus diesen Messungen erhaltenen Werten um Mis.chp·otentiale von sich überlagernden Redoxsystemen
handelt [Mortimer 71].
Das für die klassische Rücklösungsinterpretation entscheidende
Fe{lll)-Fe{II)-System wird durch die Möglichkeit der Bildung fester
Phasen des einen oder anderen Eisenions komplizierter. Fig. 3.3 zeigt
einige der thermodynamisch möglichen Eisenverbindungen in Abhängigkeit
des Redoxpotentials. Bei sehr tiefem pe sind die Eisensulfide die
dominanten Eisenfestphase n. Bei pe > 0 werden hauptsächlich
--
-
u.. u..
B
-""•
-Cll
u..
C f)
..__
""
"'
GJ Vl
QJ
10
6
{Fe~P04 ) 3 }
4
{Fe eo)}
C'I
0
2
{fe(OH)1}
(Fe2·J
0
-2
-4
-6
-4
-2
0
2
pE
4
6
e
10
Fig. 3.3: Stabilität einiger Eisenphasen in Abhängigkeit des
Redoxpotentials (E = PE 59mV) bei einem pH von 7 und folgenden
Konzentrati~nen: c(tot) = 10-3M; S(tot) = 10- 3M; P(tot) = 3.2·10-6M.
25
1 die Eisenoxide des dreiwertigen Eisens auftreten.
Einen wichtigen Einfluss auf das Potential von Metall-Redoxpaaren hat
die Komplexbildung. Normalerweise verschiebt sich das Redoxpotential
eines Redoxpaares mit der Komplexierung des höherwertigen Elements in
negativer Richtung. Die Reduktion des Eisen( II I}-Aquokompl ex zum Eisen (II )-Aquokompl ex hat ein Standardpot ential von 0.77 V. In Anwesenheit von Cyanid oder Flourid wird ein Potential von 0.38 V bzw.
0.36 V gemessen [Lingane 41 ]. Den gleichen Effekt (Verschiebung nach
negativerem Potentialen ) zeigen auch die Oxalato- [Stackelber 40] und
Phosphatokomplexe [Vogel 61 ]. Eine Ausnahme bildet das Fe(III)/Fe( II)Redoxsystem in Gegenwart von Phenantroli n. Bei diesem System liegt das
+
E
(Relluzierbarkeit nimmt zu)
a)
Phe
Fe l•aq I Fe2• aq
b)
oz-
Phe
>Fe"'
L
'L
>Fe(lll) 0 q /Fe 2·aq
Fig.3.4: Graphische Darstellung der R~doxpotentialverschiebung durch
Ligandenaustausch. Die Fixpunkte, relativ zu denen die Verschiebung
anzusehen ist, sind: a} in Lösung das Fe3+/Fe2+_Aquokomplex-Redoxpaar
und b) im Festkörper die Paare Eisen( III) im innern/Fe 2+(aq) und
Fe(III} an der Oberfläche/Fe2+(aq). Die Potentiale sind nicht
Masstabgetreu dargestellt. Phe = Phenantrolin
26
Halbzellenpotential höher als dasjenige des Aquokomplex-Redoxpaars, da
das Fe(II) mit Phenantrolin stabi-lere Komplexe bildet als Fe(III)
[Stunm 81 ]. Die Erklärung der Potentialverschiebung liegt allgemein in
der Stabilität der jeweiligen Komplexionen. Je stabiler die dreiwertigen Komplexverbindung, desto unzugänglicher ist aus thermodynamischer
Sicht das Zentralatom für ein Elektron. Für die Reduktion eines
Fe(III) in einem Oxid. zu einem gelösten Fe( II) können die gleichen
Gesetzmässigkeiten gelten. Unter der Annahme einer "inner sphere" Korn-·
plexbildung lassen sich die Metallzentren der festen Phase gleich
behandeln wie die Zentralionen des freien Komplexes (Fig. 3.4). Ein
Eisenion, das sich im Inneren des Kristallgit ters befindet, ist demnach sehr stark komplexiert (als Liganden gelten die 02-_ bzw. OH--
8
/
1
.,,• ..--
. :X:::
Cl\
0
\7 H2P04
6
Ouls.
<Y'salicyls.
H2S04\7
?'HF
Salicyls.\7
5
4
\l H4 SiOi. /
3
\7
2
/
CH3(00H
0 0 Benzoes.
Brenzkatechin
/
/
1
0
6:1
0
1
.._,
2
3
~
s
6
1
8
9
10
log K1
Fig. 3.5: Verglei~~ zwischen den Komplexbildungskonstanten in Lösung
(K1 ) und an der Oberfläche (K 1 S*) (v) an a-FeOOH und (o) an Al 0 •
2 3
Die Konstanten der organischen Säuren an Al 203 stanmen von [Kummert
79, furrer 84] die der anorganischen Oberflächenkomplexe von (Sigg 79]
und die der löslichen Komplexe aus [Sillen 64].
27
Ionen des Kristalles) . Das Potential des so- gebundenen Fe(IIl}-Ion s
zum gelösten Fe(II)-Aquokomplex ist sehr viel negativer als das des
gelösten Aquokomplexes-Redoxpaares (für FeOOH(am) -0.56 V, für Fe 0
2 3
-0.75 V [Stußlll 81 ]). Ein Eisenatom an der Oberfläche eines Oxids nimmt
eine Mittelstellu ng zwischen den Extremen "Kristallgi tter" und "Aquokomplex" ein. Ein Teil der Valenzen sind mit 02- und oH- abgesättigt ,
ein anderer Teil mit H20-MolekUlen an der Kristallobe rfläche. Entsprechend wird das Potential des Redoxpaares (Eisen an der Oberfläche/ Eisen( II)-Aquokomplex) positiver sein als dasjenige im Inneren des Kristalls, aber negativer als das des freien Fe(III)-Fe(II )-Aquokomp lexsystems. In gleicher Weise wie die Komplexierung des Aquokomplexsystems das Redoxpotential ändert, erfährt· auch das Redoxpotential des
Eisenatoms an der Oberfläche eine Aenderung, wenn die Wassermoleküle
durch ani oni sehe Liganden ersetzt werden. Die Verschiebung des Redoxpotentials lässt sich aus den Stabilitätsk onstanten der Komplexe berechnen. Fig. 3.5 zeigt, dass für viele Liganden die freien Komplexe
und die Oberflächenkomplexe praktisch gleich stabil sind. Das Potential des Redoxpaar >Fe(III)/Fe2 +(aq) wird deshalb eine gleich geartete
Aenderung erfahren wie das des Fe3+(aq)/Fe 2+(aq)-Paar es, wenn ein
Ligandenaustausch stattfindet . Die Reduktion eines Eisen(III) an einer
Eisenoxidob erfläche, ist mit jedem Liganden, thermodynamisch sehr viel
gUnstiger als diejenige eines Fe(III) im Inneren des Kristalls.
3.1.2. Eisen-Phosp hat-Verhältn isse in Sedimenten
Ein weiteres, schon angesprochenes, Problem ist der Eisengehalt von
Sedimenten und die damit verbundene Phosphatrückhal tekapazität , die
mit den Ei senoxi doberfl ächen korreliert.
Um Phosphat im Sediment an Ei senoxi doberfl ächen zu binden, muss eine
ausreichend e Menge Eisen vorhanden sein. Das minimale Eisen zu Phosphor Verhältnis wäre im Fa 11 e einer Strengi tfäll ung l : 1 . Ueb l i cherwei se können keine FeP0 -Phasen in Sedimenten nachgewiesen werden. Es
4
ist trotzdem nicht. auszuschl i essen, dass amorphe Ei senphosphatbi 1dungen vorkommen. Die wichtigste Art der Phosphatbindung an Eisen dürfte
aber auf jeden Fall die Adsorption an FeOOH-Oberflächen sein. Diese
Art der Bindung verlangt einen Ueberschuss an Eisen im Sediment. An
einem gut kristallinen Goethit mit einer BH-Oberfläche von 29 m2/g
ist das Fe:P Verhältnis 64:1 (Sigg 79]. Dagegen braucht es bei einem
28
frisch gefällten amorphen FeOOH nur noch 9 Eisen pro Phosphoratom
[Lijklema 77]. Für ein Eisenhydroxid in einem Sediment kann man abschätzen, dass 3 bis 4 Eisenatome benötigt·werden um ein Phosphat zu
binden. Dies gilt unter der Bedingung, dass die Eisenhydroxide dünne,
eventuell nur wenige Atomlagen umfassende Ueberzüge auf anderen Festkörpern wie Calciten, Aluminiumoxiden und Silikaten bilden. Die EisenPhosphor-Verhältnisse in Frischsedimenten (sedimentierendes Material,
das in verschiedenen Höhen der Wassersäule gesammelt wird) liegen sehr
oft unter dem obigen Minimalwert. Da es sich beim Fri sc~sediment zu
einem grossen Teil um organisches Material, d.h. Biomasse oder deren
Abbauprodukte handelt, kann die chemische Zusammensetzung mit derjenigen von Algen vergleichbar sein. So fanden sich im sedimentierenden
Material des ZUrichsees 1983 durchschnittlic h 1.8 Eisen pro Phosphor,
wobei Höchstmengen an Eisen im Dezember und Januar von fast 4 Eisen
und Minimalmengen im August von einem Eisen pro Phosphor gemessen
wurden [Sigg 83]. Im Vergleich dazu fanden sich im Frischsediment des
eutrophen Rotsees 1969 /70 zwi sehen l und 2. 5 Eisen pro Phosphor. Im
gleichen Zeitraum gemessene Proben aus der Horwer Bucht (Vierwaldstättersee) hatten erheb lieh höhere Eisenanteile, die zwi sehen 4 und 8
Eisen pro Phosphor lagen (Bl ösch 74 ]. Frischsedimente des Bal deggersees 1977 enthielten im Durchschnitt 3 Fe und im Alpnachersee im Mittel 4.5 Fe pro P [Baccini 84 ].
Während also im Zürichsee und im Rotsee das se·dtmentierende Eisen mehr
oder weniger als biologischer Detritus absinkt, muss bei den anderen
Seen ein beträchtlicher Anteil des Eisens anorganischer Natur sein.
Die sedimentierende Biomasse wird· am Seengrund mit der Zeit mineralisiert. Das dadurch freiwerdenden Orthophosphat und Eisen gelangt in
die Wassersäule. Unter oxischen Bedingungen wird das Eisen aber sofort
als Hydroxid ausgefällt. Damit müsste sich das . Verhältnis Fe:P in
älteren und tieferen Sedimentschichten zugunsten des Eisens verändern.
Tatsächlich wurden in Sedimentbohrkernen bedeutend grössere EisenPhosphor-Verhäl tni sse gefunden als in den entsprechenden Fri schsedimenten (s. Tab. 3.2). In 'einigen dieser Sedimente ist der Eisenanteil
in den oberen Zentimetern erheblich kleiner als in tieferen Schichten.
Auch dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass oben noch unmineralisiertes or~anisches Material vorhanden ist.
29
Zusanmenfassend ist'festzustellen, dass in manchen Seesedimenten genügend Eisen eingelagert ist, um das Phosphat in einem vereinfachten Modell allein dem Eisen gebunden zuzuordnen. Ausnahmen bi 1den ganz sicher die. sehr eutrophen Seen, in denen das Eisen als gelöstes Fe2+
vorliegt oder als Eisensulfid ausgefällt wurde. Gerade in diesen Seen
sind enorm hohe Phosphatkonzentrationen anzutreffen, was oft daran
liegt, dass die Phosphatkonzentration bis um das Hundertfache zugenommen hat, während die Eisenkonzentration über Jahrzehnte etwa gl ei eh
geblieben ist. In eutrophen Seen steht somit im Verhältnis zu oligotrophen Seen inmer weniger Eisenhydroxid für die P-Adsorpti on zur
Verfügung.
Tab. 3.2: Molares Eisen zu Phosphor-Verhältnis in Sedimentbohrkernen verschiedener Schweizerseen
Gewässer
Fe/P
Literaturangabe
Baldeggersee
Bodensee (Obersee)
Alpnachersee
Zugersee
Vierwaldstättersee
(Kreuztrichter}
Zürichsee
Greifensee
Lützelsee
6
15
[Bacci ni
[Frevert
[Baccini
[Baccini
[Baccini
10 - 30
6 - 20
5
[Schär 76]
[Schär 76]
[Wehrl i 71]
14 - 28
20 -25
10
84]
79 ]
85]
85]
85]
3.2. Allgemeine Möglichkeiten der Rücklösung
Wie aus einigen Seedaten vermutet werden kann, ist nicht unbedingt
alles Phosphat im Sediment an Eisenhydroxide gebunden. Untersuchungen
am Lake 227 (Kanada) ergaben trotz anoxischer Bedingungen keine Phosphatrücklösung. Schindler kommt daher zum Schluss, dass das klassische
30
Rück 1ösungsmode11 nicht auf alle Seen angewendet werden darf. Vor
allem weist er darauf hin, dass das Sediment eine gewisse P-Sättigung
aufweisen muss, damit es überhaupt zu einer Rücklösung kommt (Schindler 77]. Untersuchungen im Lake Mendota in Wisconsin zeigten, dass die
Phosphatsedi mentation nicht durch Eisen kontrolliert ist [Lee 77].
Die beiden letztgenannten Seen haben Sedimente mit sehr hohen Anteilen
an organischem Materi a1 • Solche Sedimente sind typisch für nicht mit
Eise~ korrelierbare P~Rücklösung.
An der Rücklösung sind die verschiedensten Prozesse beteiligt: Physikalische Vorgänge wie Advektion und Diffusion, biologische Prozesse
wie die mikrobiell verursachte Löslichkeit und ·eine Reihe von chemischen Ursachen, die sich in vier Gruppen unterteilen lassen. Diese im
folgenden einzeln besprochenen chemischen Ursachen sind pH-Einflüsse,
Mineralisierung, Adsorptions-Desorptionsreaktionen und Redoxreaktionen.
3.2.1. Einfluss der Wasserstoffionenkonzentration
Die Eisen-, Aluminium- und Calcium-Phosphat-Löslichkeit eines Sediment-Porenwasser-Systems, ist im allgemeinen vom pH der Lösung abhängig. Dagegen soll die anaerobe Rücklösung, wie sie in 3.1. beschrieben ist, im neutralen bis leicht basischen Bereich relativ pH-unabhängig sein [Lee 77].
Aenderungen des pH-Wertes entstehen besonders durch biologische Aktivitäten. Bei intensiver Primärproduktion kann z.B. in seichten Gewässern das pH um bis zu zwei Einheiten ansteigen [Boström 82].
Für die Adsorption von Phosphat am Sediment haben solche pH-Aenderungen eine bedeutende Auswirkungen. Besteht das Adsorbens aus Hydroxidoder Oxid-Oberflächen, so adsorbieren Phosphate (wie allgemein Ani onen.) mit steigendem pH schlechter. Phosphat wird bei abnehmender Protonenkonzentrati on eines Gewässers desorbiert und gelangt in die Wassersäule. Das umgekehrte Verhalten findet sich oft in sehr calciumreichen, basischen Seen, wo Hydroxiapatit epitaktische Aufwachsungen
auf Calcit bildet und Phosphat aus der Wassersäule entzieht [Stumm
71]. In kal krei chen däni sehen Seen konnten bei de Reaktionsarten nachgewiesen werden, und zwar eine steigende P-Rücklösung beim Anstieg des
pH's von 8 bis 9.5 und eine Hydroxiapatitfällung bei noch höherer
31
Basizität [Andersen 75].
3.2.2. Mineralisierung von organischem Material
In vielen Seen ist ein grosser Teil des sedimentierenden Materials
organisch. Bei der Einlagerung ins Sediment wird dieses Material entweder biologisch abgebaut oder mineralisiert. Das Phosphat wird aus
der Biomasse freigesetzt und geht vorübergehend in Lösung. Diese Mineral isierung kann sich auf die Phosphatkonzentration in der Wassersäule
wie eine Phosphatrücklösung aus dem anoxischen Sediment auswirken. Man
sollte diese Art der Phosphatfreisetzung aber nicht als Phosphatrücklösung bezeichnen, da sie streng genommen eigentlich noch zum Respirationsvorgang gehört. Typisch für diesen Vorgang ist, dass er sowohl
aerob wie anaerob stattfindet. In sehr eutrophen Seen mit grosser
Primärproduktion, wo demzufolge sehr viel Detritus anfällt, ist die
Mi nera 1i s i erung am Seegrund besonders hoch. Da gerade in diesen Seen
nicht genügend Oberflächen zur Adsorption vorhanden sind, gelangt das
Phosphat zu einem grossen Teil in die Wassersäule.
Jahreszeitlich tritt die Mineralisierung praktisch zur gleichen Zeit
wie die klassische Rücklösung auf, da die 0 -Zehrung natürlich am
2
grössten ist, wenn am meisten Detritus anfällt.
3.2.3. Ligandenaustausch
Wenn die Adsorption an Metalloxidoberflächen wie die analogen Reaktionen mit freien Meta 11 en in Lösung behandelt werden, sind Adsorpt i ons-Desorpti onsreaktionen Li gandenaustauschreakti onen an der Oberfläche. Die Adsorption einer organischen Säure an ein Metallhydroxid
ist somit ein Ligandenaustausch des Säureanions mit einer Hydroxylgruppe oder einem Wassermolekül. Vergleicht man die Komplexbildungskqnstanten der freien Ionen mit denjenigen an Oxidoberflächen wie
Al 2 03 oder FeOOH, zeigt sich im allgemeinen eine sehr gute Korrelation
(Fig. 3.5). Es scheint, dass Phosphat an Eisenoxidoberflächen die
stabileren Komlexe bildet als mit dem freien Metallion. Möglicherweise
entstehen, nachdem Phosphat durch Oberflächenkomplexbildung an FeOOH
adsorbiert ist, neue Eisenphosphatphasen. Die organischen Säuren bilden demgegenüber an der Oberfläche ähnl i eh stabi 1e Komp 1exe wie mit
den freien Metallionen. Die Phosphate gehören zu den stabilsten Oberflächenk'Omplexen überhaupt. Diese Betrachtung lässt den Schluss zu,
32
dass organische Liganden Phosphat nur schwer von der Oberfläche eines
Metalloxids oder Hydroxids verdrängen können. Eine Bestätigung dieses
Ergebnises wurde aus Untersuchungen von Huminsäureadsorptionen an
Goethit erhalten, wo mit steigender Phosphatkonzentration immer weniger Huminsäure adsorbiert wird (Fig. 3.6). Im Vergleich dazu hat Silikat einen sehr viel kleineren Einfluss auf die Huminsäureadsorption
[Ti ppi ng 81 ] • Dieses Verhalten geht auch aus den ·Gl ei chgewi chtskons tanten in Fig. 3.5 hervor. Adsorptionsuntersuchungen an Goethit ergaben, dass Humi n- und Ful vi nsäuren aus steri sehen Gründen weniger Hydroxyl gruppen austauschen können als Phosphat oder Oxalat [Parfi tt
77a, b, c]. Eigene Ligandenaustauschversuche von Phosphat gegen organische Säuren (Citronensäure, Oxalsäure und Salicylsäure) zeigten in
allen Fällen, dass die organi sehen Säuren gegen Phosphat ausgetauscht
werden. In den untersuchten Austauschreaktionen an Goethit wird Phosphat selbst bei hunderfachem Ueberschuss des organischen Liganden
bevorzugt adsorbiert und organische Liganden werden auch bei nachträg1i eher Phosphatzugabe von der Oberfläche verdrängt.
Eine Phosphatrücklösung als Folge eines Ligandenaustausches ist somit
nicht wahrscheinlich. Selbst wenn ein Sediment keine freien Adsorptionsplätze mehr hat, müsste schon ein extremer Ueberschuss an Huminsäuren auftreten, damit Phosphat vom Adsorbens verdrängt würde.
-
„
E
1.6
Fig. 3.6: Abnahme der Huminsäureadsorption an a-FeOOH
in Anwesenheit von (o) H 2 Si0~
und (6) H 3 PO~. pH = 6.95
nach [Tipping 81]
1.2
I I)
c:
E
::J
0.8·
E
°'
0.4
:c
0
r-# ...,
0
-6
-5
log c
-4
-3
33
3.2.4. Reduktive Rücklösung
Nachdem alle anderen chemischen Vorgänge, die zu einer Phosphatrücklösung führen können, diskutiert wurden, muss man zum Schluss kommen,
dass die klassische Rücklösungstheorie, besonders für grosse P-Freisetzung unter anoxischen Bedingungen, weiterhin sehr überzeugend ist.
Eine Erweiterung des reduktiven Rücklösungsmodells unter Einbezug von
Transportvorgängen führt zu einer noch anschaulicheren Erklärung.
Sauerstoff diffundiert nur in die obersten Zentimeter eines Sedimentes
ein. Im tieferen Sediment herrschen anoxische, also reduktive Verhältnisse. Dies führt dazu, dass ein Fe2+_ bzw. Mn2+_Transport gegen oben
stattfindet. Gelangen diese Metallionen in die oxischen Schichten,
werden sie oxidiert und fallen als Oxid bzw. Hydroxid aus. An der
Grenzschicht von anoxi sch zu oxi sch entsteht eine Anreicherung von
Eisen- und Manganoxiden bzw. Hydroxiden [Davison 82]. Diese Eisenoxidbarriere ist keine horizontale Grenzschicht. Solche Oxidbildungen entstehen wahrscheinlich lokal und können höchstens in einem gewissen
Sedimentabschnitt gehäuft auftreten. Bei Seen mit oxischen Bedingungen
im Ti efenwasser 1i egen diese Ei senhydroxi danrei cherungen einige Zentimeter unterhalb der Sediment-Wasser-Grenzfläche. Unter anoxischen
Bedingungen muss sich diese Schicht nach oben verschieben. Beggi atoa
lebt in der oxisch-anoxischen Sedimentgrenzschicht und kann als Indikator-Organismus für die Ei senoxi dbarri ere angesehen werden [Bacci ni
85].
zusammenfassend gibt es drei chemi sehe Prozesse, die Phosphatrückl ösung verursachen:
Die Mineralisierung, die nicht unbedingt als Rücklösung anzusprechen
ist, da es sich um die Freisetzung von noch nicht endgültig im Sediment eingebauten Phosphaten handelt. Eine Vielzahl der gefundenen
Phosphatrücklösungen sind höchstwahrscheinlich auf diesen Mechanismus
zurückzuführen.
Die Auflösung anorganischer Phosphatphasen sowie Desorptionsreaktionen
verursachen je nach pH eine Phosphatrücklösung.
Der Vorgang, der aus chemischer Sicht für die Phosphatrück 1ösung am
wichtigsten ist, ist die Auflösung des Adsorbens (anorganische Festphasen) und die damit verbundene Freisetzung des Phosphates. Eine
besonders grosse Bedeutung haben hier die Eisenhydroxide und Oxide und
deren Verwitterung unter nicht reduktiven und reduktiven Bedingungen.
34
4. VERWITTERUNG VON METALLOXIDEN
· Die Auflösung der anorgan·i sehen Oxide in einem Sediment und die damit
verbundene Freisetzung der daran adsorbierten Phosphate ist ein Vorgang, der demjenigen der Verwitterung der Gesteine entspricht. Krista 11 i ne Festphasen werden nach ihrem Auflösungsmechanismus in zwei
Gruppen ei ngetei 1t. Zur ersten Gruppe gehören Festkörper, die unter
Diffusionskont rolle aufgelöst werden. Es sind dies die gutlöslichen
Salze, bei denen die Wegdiffusion der gelösten Ionen die Geschwindigkeit der Gesamtreaktion bestimmt., Zur zweiten Gruppe gehören die Verbindungen, die für die P-Rück 1ösung von Bedeutung sind. Es hande 1t
sich dabei im Allgemeinen um schwerlösliche Festphasen. Die Geschwindigkeit ihrer Auflösung wird durch chemische Reaktionen an der Kristalloberfläche bestimmt (Berner 78]. Auch be'i Verbindungen wie Al 0 ,
2 3
Fe 2 0 3 und FeOOH sowie bei Silikaten und Aluminiumsilika ten, ist der
Auflösungsproze ss durch identische Vorgänge an der Oberfläche kÖntrol1 i ert.
4.1. Die Auflösung schwerlöslicher Festphasen
Die chemische Verwitterung wird in ihrer Geschwindigkeit durch chemische Reaktionen an der Oberfläche der Festphase kontrolliert. Sie
unterscheidet sieh von der diffusionskontr oll i erten Verwitterung: Sie
ist sehr viel langsamer und hat demzufolge eine höhere Aktivierungsenergie. In einem Auflösungsexperiment wird die Geschwi ndi gkei t bei
der chemisch kontrollierten Auflösung nicht von der Rührgeschwi ndi gkei t beeinflusst, wie dies bei der diffusionskont rollierten Auflösung
der Fall ist.
Ein Beispiel für die chemisch kontrollierte Auflösung ist die Verwitterung von Kalifeldspat ({KAlSi 0 }), wo die Auflösungsrate durch
3 8
Reaktionen an der Oberfläche des Feldspats bestimmt wird. Aagaard
formuliert für den Auflösungsmechanismus einen akti vi ert.en Oberfl ächenkomp 1ex. Dieser entspricht einem Uebergangszustand, dessen Zerfall
die Geschwindigkeit der Reaktion bestimmt. Im sauren Bereich wird
dieser Uebergangszustand mit einer protonierten Oberflächenstru ktur
{(H 3 0)A1Si 30 8 (H 30)}+ gleichgesetzt. Oie Auflösung der Aluminiumsilikate ist meistens inkongurent und kann durch die Bildung sekundärer
35
Phasen zusätzlich kompliziert werden [Aagaard 82]. Binäre Metalloxide
folgen dem gleichen Auflösungsmechanismus, wobei die Auflösungskinetik
insofern einfacher ist, als dass es selten zur Bildung sekundärer
Phasen kommt.
Die Bruttoreaktion eines Metalles in einem Oxid lautet in der einfachsten Schreibweise:
Men+(Kristall)
+
Men+(aq)
So formuliert ist das Herauslösen eines Metalles aus einem Kristall
nichts anderes als ein Ligandenaustausch. Im Falle eines Metalloxides
werden die 02--Ionen gegen H20 ausgetauscht, was mit dem Ablösen des
Metalls einhergeht [Valverde 76a].
Auflösungsexperimente mit Goethit in 0.5 M Säure zeigten eine deut1 iche pH-Abhängigkeit der Auflösungsrate. Cornell und Mitarbeiter
formulierten daraus die Auflösungsrate:
d[Fe( III)] = k(H+]
dt
(4.1)
Als ge$chwindigkeitsbestimmender Reaktionsschri tt wird die Ablösung
eines Fe(OH)2+ postuliert, gefolgt von der schnellen Protonierung der
Oberfläche. Das Säureanion c1- beschleunigt die Auflösung, gegenüber
dem Anion c10 4 -, um das 12- bis 13-Fache. Eine erweiterte Formulierung
des Geschwindigkeitsgesetzes berücksichtigt diese Beschleunigung durch
Anionen.
d[Fe(III)]
dt
= k(adsorbierter
Komplex] [H+]
(4.2)
Das Anion geht als Oberflächenkomlex in die Differenzialgleichung ein,
wei 1 im Gegensatz zum Proton keine Proporti ona 1 i tät mit dem freien
Chlorid gefunden wurde (Cornell 76].
Zur gleichen mathematischen Formulierung für den allgemeinen Fall der
Oxi daufl ösung kamen Grauer und Stumm durch die Rei nterpretati on verschiedener Daten. Das von den Autoren genannte Koordinationsmodell
beschreibt die chemisch kontrollierte Auflösung von Metalloxiden. Die
Auflösungsrate (R) ist proportional einerseits der Protonenkonzentration in Lösung und andererseits dem anionischen Oberflächenbedeckungsgrad (eA) [Grauer 82].
36
+
R = k (H ] eA
{4.3)
Dieses Auflösungsgesetz enthält zwei Faktoren, die in unterschi edl icher Anwendung gebräuchlich sind. Die eine,. die H+-Konzentration in
Lösung, bezieht sich auf die Bul kphase, die andere, der ani oni sehe
Bedeckungsgrad, auf die Oberfläche.
Die Beschleunigung der Auflösung durch Säureanionen wie beispielsweise
c1- gegenüber c10~-, wie sie in einigen Arbeiten gefunden wurde [Valverde 76, Cornell 76], ist ein ·Hinweis, dass eine protonen- und eine
anionenkatalysierte Auflösung existiert. Dieser Tatsache wird die
Modellvorstellung von Furrer gerecht. Die Auflösungskinetik wird mit
einer protonen- und eine anionenkatalysierten Reaktion interpretiert
[ Furrer 83]. Diese Art der Beschreibung führt zu einer anschaulichen
Modellvorstellung des Auflösungsmechanismus.
4.1.1. Oie protonenkatalysierte Auflösung
Auflösungsreaktionen von Metalloxiden brauchen Protonen, um die negativen Ladungen zu kompensieren, die durch das Weglösen von Metallkationen an der Oberfläche entstanden sind. Wie aus der Bruttoreaktion zu
ersehen ist, braucht es pro Metallion soviele Protonen wie die Oxidationszahl des Metal 1s angibt. Das sind für ein zweiwertiges Metall
also 2 Protonen
MO + 2H+
M2+ + H20 •
und dementsprechend für ein 3-wertiges Metall 3 Protonen
+
1/2 M20 3 t 3H+ + M3+ + 3/2 H20 .
In Fig. 4.1 ist die Bruttoreaktion eines Metalloxidhydroxids zwei- und
eindimensional dargestellt. Die gewählte Darstellung ist rein formal
und soll keine strukturellen Assoziationen hervorrufen. Allgemein
formuliert lautet die Bruttoreaktion eines {2y/x)-wertigen Metalles
! MxOy + 2y H+ + M{2y/x)+ + ~ H2o
X
X
Y
Furrer zeigt, dass die Ablösung des Metalls der geschwindigkeitsbestimmende Schritt der Gesamtreaktion ist.
37
Oie Auflösungsrate (R) ist proportional dem Verhältnis von Oberflächenprotoni erung ( eH) zu protoni erbaren Metallzentren ( ~) in
(2y/x)-ter Potenz (Wertigkeit des Metalles), den protonierbaren Metallzentren (<PH) und w (allgemeine Bezeichnung für den Wahrscheinlichkeitsfaktor ). Der Ablösung sind (2y/x) schnelle Protonierungsgl ei chgewi chte vorgelagert. Das Geschwi ndi gkei tsgesetz für ein zwei wertiges Metall lautet somit
d[~!+J
=
k3 {C} =
k3b9H2~-1.
(4.5)
Die Konzentration der günstigen Abgangsgruppen {C} ist das Produkt der
protonierbaren Metallzentren und der Wahrscheinlich keit, dass ein
zweifach protoni ertes Metallzentrum auftritt (b Wahrschei nl i chkei tsfaktor, eH Oberflächenpro tonierung). Die Konstante k ist der Mes3
sung direkt nicht zugänglich. Die aus Messungen erhaltene Geschwindigkeitskonstante (~ ) ist das Produkt k b<lH -1. Resultate der Auflösung
3
a)
+ 3H+
)
- M3+ (aq)
OH
OH
'OH
'OH
OIL
" / " / \_ /---i
-M-0-M-0-M-O H
/' /' /
OH
/"
OH
"/"-/"-/"
'--M-0-M/
M-O-M-0-M-0
/
"\
/
'\,
/
'\,
/'\,
/"\
Bruttoreaktion:
b)
OH
0
~
' \M, /· "M
/"'M
\/
/"-/"/"
0
OH
OH
+3H+
)
Fig. 4.1: Bruttoreaktion der protonenkatalysierten Metalloxidhydroxidauflösung.
a) zweidimensionale Darstellung einer Defektstelle an der MOOH-Oberfläche.
b) Entsprechende eindimensionale Darstellung der gleichen Reaktion.
Mit dieser, auch im folgenden verwendeten Darstellung, werden die
stöchiometrischen Verhältnisse und die Ladungsbalance wiedergegeben.
38
von ö-Al 2 0 3 und Beo bestätigen diese Kinetik. Die Auflösungsrate von
Aluminiumoxid ist proportional der dritten Potenz der Oberflächenprotoni erung und die von Beryl 1i umoxi d proportiona 1 der zweiten Potenz
[ Furrer 85]. Wird die Auflösung bei grosser Oberflächenkonzentration
und fern vom Löslichkeitsgle ichgewicht durchgeführt, so ist die Zunahme des freien Meta 11 ~ mit der Zei,t linear. Unter diesen Bedingungen
ist die Oberflächenprotonierung konstant. Der grundlegende Unterschied
dieses Modelles gegenüber demjenigen von Cornell (Formel (4.1)) ist
die Verwendung der Oberflächenprotonierung gegenü~er der Wasserstoffi onenkonzentration in Lösung.
Die kinetische Beschreibung der Eisenoxidauflösung mittels dem Kubikwurzelgesetz [Sidhu 81]
(4.6)
kann mit den oben genannten. Randbedingungen in das Auflösungsmode 11
von Furrer überführt werden ("{, : Oxidkonz. beim Reaktionsbeginn, Wt:
Oxidkonz. zur Zeit t, k gemessene Geschwindigkeitskonstante). Wird
im beobachteten Zeitinterval nicht mehr als 1% des anfänglich vorhandenen Oxides aufgelöst, so ergibt auch das Kubikwurzelgesetz eine
zeitlich lineare Zunahme der freien Metallkonzentr ation.
Die Eisenoxidauflösung ist in ihrer Geschwindigkeit eindeutig durch
chemische Reaktionen an der Oberfläche bestimmt. Aktivierungsenergien
von gegen 100 kJ/mol und die Unbeei nfl ussbarkei t der Reaktion durch
Rührgeschwindigkeiten bestätigen dies [Cornell 75]. Betrachtet man die
Löslichkeitsgle ichgewichte der Eisenoxidphasen in Fig. 4.2, so wird
verständlich, dass Eisenoxidauflösungen nur in sehr konzentrierten
Säuren gemessen werden. Bei einem pH von 3 beträgt die maximale Lös1ichkeit des Fe(III)-Ions bei den kristallinen Phasen a-Fe 0 und
2 3
a-FeOOH: ca. lo-s M und bei dem amorphen FeOOH: lo- 6 M.
Aufl Ösungsraten verschiedener Eisenoxide und Hydroxide, auch in konzentrierten Säuren und bei hohen Temperaturen, sind sehr klein. Eine
k1are Bestätigung der dritten Potenz der Oberfl ächenprotoni erung bei
der Auflösung von Goethit war aus den oben genannten Gründen schwierig. Die grossen Streuungen bei den gemessenen Auflösungsraten, besonders bei höheren pH-Werten (max 3.5), erlaubten keine eindeutige Be-
39
weisführung, obwohl sich im statistischen Mittel eine Proportionalitä t
zur dritten Potenz der Oberflächenprotonierung ergab.
2
...„
4
„
6
a""FeOOH
a- Fe 2 0 1
Fe OOH (am)
-~8
u...
10
12
2 3
4 5 6 1 2 3 4
5 6 1
pH
2 3
4 5 6 1
Fig. 4.2: L6slichkeitsglefchgewichte der drei Efsenoxfdphasen: Goethit
(a-FeOOH), Hämatit (a-Fe 2 03 ) und Ferrfhydrft (FeOOH(am)) als Funktion
des pH's.
4.1.2. Die anionenkatalysierte Auflösung
In Anwesenheit von Säureanionen wird, wie gesehen, die Geschwindigkeit
der Auflösung stark beeinflusst, so z.B. durch Bildung von Fe-Cl-Oberflächenkomplexen [Sidhu 81 ]. Die Ablösung eines Metallions von einer
Oberfläche wird durch einige Komplexbildner wie z.B. CN- oder c2o 24
beschleunigt [Valverde 76a]. Die komplexbildenden Anionen können nicht
nur die Reaktion beschleunigen, sondern auch die Gesamtlöslichkeit
erheblich steigern. Die in Fig. 4.3 abgebildeten Löslichkeitskurven
40
von a-FeOOH mit und ohne Oxalat verdeutlichen dieses Verhalten. Mit
entsprechenden Komp 1exbi1 dnern ist es mögl i eh, die Auflösung von Ei senox i den in gl ei chgewichts fernen Bereichen bei pH-Werten über 2 zu
verfolgen.
Oie postulierten Geschwindigkeitsgesetze von Cornell (Formel (4.2))
und Grauer (4.3) tragen dem Verhalten der Beschleunigung durch anionische Komlexbildner Rechnung. In diesen Modellen gehen die Protonenkonzentration und die Anionenkonzentration an der Oberfläche als Produkt
in die Gleichung ein. Furrer teilt die Auflösungsrate in eine Summe.
\
2
--„
~
6
u..
8
00
-
-
-
-
- -
-
- [a-FeOOHhot.
O'I
0
1
10
12
14
2
3
4
5
6
1
pH
Fig. 4.3: Löslichkeitsgleichgewicht von «-FeOOH in Abhängigkeit des
pH's, die untere Kurve die Löslichkeit ohne anorganischen Liganden.
Die obere Kurve zeigt d)e Erhöhung der Löslichkeit in Anwesenheit von
10-3M Oxalat.
Die Linie (-·-) repräsentiert die mittlere Auflösungsrate x 30h und
markiert die Grenze, bis zu der Auflösungsexperimente fern vom Gleichgewicht durchgeführt werden sollen.
41
Der erste der Sumanden ist die Protonenauflösung und die weiteren
stehen für die Ligandenauflösung. Die Gesamtreaktionsrate (Rrl setzt
sieh somit zusammen aus der Auflösungsrate RH für die Protonenaufl ösung und der Sume aller RL für die Ligandenauflösung.
m
(4. 7)
l RL,n
n=l
Der Summand RH ist die Auflösungsrate der prototonenkatalysierten
Auflösung (s. 4.1.1.) [Furrer 83].
Rr
= RH
+
Anionen, besonders organi sehe Säureani onen, bi 1den, als mononuk 1eare
bidentate Oberflächenkomplexe, günstige Abgangsgruppen, die auflösungsbeschleunigend wirken. Besonders Chelatverbindungen, die mit dem
Meta 11 zentrum Ringe von 5 bis 7 Atomeinheiten bi 1den sind gute Abgangsgruppen. Die Protonen, die zum Ladungsausgleich benötigt werden,
können vor oder nach der Ablösung (geschwindigkeitsbestimmender
Schritt) an die Oberfläche gelangen, je nachdem, ob die polarisierende
Wirkung des Liganden ausreicht, um das Metall aus der Gitterstruktur
herauszubrechen. Die Bruttoreaktion lautet
.! MxOy + LH- + ((2y/x)-l )H
X
+
Ml((2y/x)-2)+ + ~ H2o.
l
y
In Fig. 4.4 ist die Reaktionsfolge der anionenkatalysierten Auflösung,
wie sie sowohl für FeOOH als auch für Fe 0 3 gilt, aufgeführt. Empi2
risch ergab sich die Auflösungsrate
(4.8)
Ausser dem Anion wird auch ein Proton an der Oberfläche benötigt, um
die Aktivierungsenergie für den Ablösungsschritt eines Fea+_Komplexes
herabzusetzen. Die Gesamtreaktion
{MOOH} + c2o4H- + 2H+
+
MC 2o4+ + 2H 20
lässt sich in vier Teilreaktionen aufteilen. Die Wahrscheinlichkeit,
dass an einen Oberflächenkomplex (el„) ein zusätzliches Proton angelagert ist, ist gleich dem Produkt aus d (Wahrscheinlichkeitsfaktor)
und der Oberflächenprotonierung (eH) zu protonierbaren Zentren (~H).
Dieses Produkt steht für die Konzentration der günstigen Abgangsgrup-
42
pen {CL}. Damit ist die Wahrscheinlich keit für den Oberflächenkomplex
plus Oberflächenprot onierung {BL}(l - d(eH'~H)). Die Summe {BL} + {CL}
ist gl ei eh der Konzentration der Liganden an der Oberfläche ( eL 11 ) .
Die folgende Herleitung des Geschwindigkei tsgesetzes beinhaltet das
Aufstellen der Bewegungsgleichungen der Teilreaktionen 1) bis 4) aus
Fig. 4.4 und deren spezielle Lösung.
1)
" M/~M/'"2 +-OJ ·
/ V "-oH 00
kl
_....
~
OH
2)
"'M/ "Mp] +H+
/ "-c/ 'o
3)
" /" /J
+ nH 0
2
4)
"-. /OH
M
H+
/
M
M
'\. / 'o
OH
/ ""-oo
+
_'\.M/ \i/OJ
k_l
/
k2
OH
"-.M/ XOJ
k_2
/
k
"/
.....--~
OH
OH
3
langsam
k4
schnell
"-o/ "-o
"
OH/
M
/
+ ML+ (aq) (CL ___,.
A 1+
ML+)
"OH
'\_ /OH2
M
(A'
+ H+~
/"-OH
W(BL)
W( CL)
{BL}
{CL}
l - deH/<l\f
deH/<l\f
(BL + H+ :;:= CL)
OH
Konzentration
=
+ U( ~ BL)
0
Wahrscheinlichkeit
=
(A
=
=
9t. (1 - d91iCJ.\( 1)
<\II d91iCJ.\( 1
II
Fig. 4.4: Reaktionsfolge·der anionenkatalysierte Auflösung eines 3wertigen o.xids oder Hydroxids mit einem vorgelagerten Protonierungsgleichgewicht. Oie Ablösung des Metalls ist der geschwindigkeitsbestimmende Schritt der Gesamtreaktion. Oie Rückreaktionen k_ und k_~
3
sind fern vom LöslichkeitsgJeichgewicht vernachfässigbar. Die Summe
von {A},{BL} und {A'} ist die Konzentration der durch den Liganden
koordinierbaren Lewis-Zentren (~) an der Oberfläche.
A)
43
dJ~L} = ki{A}[LH-] - k_i{BL} - k 2 {BL}[H+] + k_ 2 {CL}
(4.9)
d~~L} = k2 {BL}[H+] - k_ 2 {CL} - k 3 {CL}
(4.10)
d!~'}
(4.11)
= k 3 {CL} - k 4 {A' }[H+]
dJ~} = - ki{A}[LH-] + k_i{BL} + k 4 {A' }[H+]
(4.12)
Unter stationären Bedingungen ist die Zu- bzw. Abnahme pro Zeit (für
die Gleichgewichtsreaktionen) gleich null (Stationäritätsansatz).
Damit ist die Geschwindikeit der Gesamtreaktion
(4.13)
Das Produkt aus k 3 ,~-l und dem Wahrscheinlichkeitsfaktor (d) ist
eine konstante Grösse (kL), die aus der Messung direkt erhaltene
Reaktionskonstante.
Die anionenkatalysierte Auflösungsrate ohne zusätzl i eh vorgelagertes
Protonierungsgleichgewicht, wie sie bei Al 0 gefunden wird, lautet
2 3
für das 3-wertige Oxid
(4.14)
Die Herleitung dieser Formel ist hier nicht durchgeführt. Sie wird
durch identisches Vorgehen erhalten [Furrer 85].
Die Gesamtreaktionsrate für die FeOOH- bzw. Fe 2 0 3-Auflösung lautet
Rr =RH+ RL = kHeH 3 + kL9L"Efl = k4ceH 3<»tt- 2 + k3E>t.."d9Hif?tt-l· (4.15)
4.1.3. Die reduktive Auflösung
Existiert ein Metall in verschiedenen Oxidationsstufen, so können die
Oxide mit der formal höheren Oxidationszahl auch durch Reduktion aufgelöst werden. Die höherwertigen Oxide haben gewöhnlich einen ausgeprägteren koval enten Charakter und sind daher schlechter wasserl ös1 ich. Ein typisches Beispiel für das vorliegen dieser Bedingungen sind
die Fe(III)-Oxide und Hydroxide sowie die analogen Verbindungen des
Mangans.
Ein Beispiel der reduktiven Eisenoxidauflösung ist die bekannte Totaleisenextraktion aus Bodenproben mit Dithionit [Schwertmann 64]. Dieses
44
Verfahren beweist, dass es kinetische Effekte sind, die eine fraktionierte Extraktion erleichte rn. Oie thermodynami sehe Verschiebung des
Löslichkeitsgleichgewichts hat, bei einer oberflächenkontrollierten
Reaktion, nur auf die Menge des im Gleichgewicht gelösten Metalls,
nicht aber auf die Geschwindigkeit der Reaktion einen Einfluss. Die
Auflösung mit Dithionit ist im Gegensatz zur nichtreduktiven Auflösung
äusserst schnel 1, was für eine Reduktion im Festkörper spricht. Der
geschwindigkeitsbestimmende Schritt ist erneut die Ablösung, im reduktiven Fall die eines reduzierten Metallions. Ein reduziertes Metallion
ist eine sehr viel bessere Abgangsgruppe als ein unreduziertes Metallion.
Auflösungsexperimente von verschiedenen Eisenoxidphasen mit Redoxpaaren wie V( IIl)/V( IV) oder Ce( III)/Ce( IV) zeigten eine Beschleunigung
der Auflösung um mehrere Grössenordnungen [Valverde 76b]. Studien der
Manganoxi daufl ösung zeigten das gl ei ehe Phänomen. Die Auflösung ist
chemisch kontrolli ert (unabhängig von der Rührgeschwindi gkei t). Ausserdem sind die Aktivierungsenergien von 37 kJ/mol für eine diffusionskontrol l ierte Auflösung zu noch [Stone 84]. Das von Stone postulierte Geschwindigkeitsgesetz
d[Mn 2+ l = k
[MnOx]
(4.16)
dt
exp
t
würde darauf hinweisen, dass weder der Elektronentransfer noch die
Komplexbildungsgleichgewichte für die Gesamtrekation geschwindigkeitsbestimmend sind ([MnOxJt Manganoxidkonzentration zur Zeit t). Das
Reduktionsmittel ist bei der Elektronenübertragung an der Manganoxidoberfl äche adsorbier t. Nach der Elektronenabgabe desorbi ert die oxidierte Form, meist aus strukture llen Gründen, sofort.
Als Reduktionsmittel kommen theoretisch alle Substanzen in Frage, die
genügend reduzierend wirken. Organische Verbindungen mit funktionellen
Gruppen, wie sie auch Abbauprodukte der Biomasse aufweisen, können
beispielsweise Manganoxide reduktiv auflösen [Stone 84]. Schwefelwasserstoff eignet sich·natü rlich auch ausgezeichnet zur reduktiven Auflösung [Krom 81 ].
Eine drastische Beschleunigung der Auflösung wird durch photochemische
Anregung des Reduktionsmittel s oder der zu reduzierenden Oberfläche
erreicht. Diese photoreduktive Auflösung wird z.B. bei der fraktio-
45
ni erten Oxa 1atextrak ti on ausgenutzt. In Abwesenheit von Licht werden
die amorphen, in Gegenwart von Licht die kristallinen Eisenoxid-Hydroxid-Phasen aufgelöst [Endredy 63]. Photoreduktion und damit verbundene
Auflösung von ~isenoxi den ist auch im Epilimnion von Seen bekannt
[Collienne 83]. Die durch Licht beeinflusste reduktive Auflösung von
Lepidokrokit wird in Anwesenheit von Citrat beschleunigt. Die Auflösungsrate ist dem adsorbierten Citrat proportional [Wait 84 ]. Der
gleiche beschleunigende Effekt wird auch durch andere organische Liganden wie Fulvin- und Huminsäuren verursacht [Wait 84 ].
Von den thermodynamischen Gegebenheiten her, ist die Reduktion eines
Metallzentrums an der Oberfläche weniger Wahrscheinltch, wenn dieses
z.B. mit Oxalat anstatt mit Wasser koordiniert ist (s. 3.1.1.). Experimentell zeigt sieh aber, dass durch adsorbierte Liganden die reduktive Auflösung beschleunigt wird. Diese Beschleunigung findet bei
Verwendung unterschiedlichster Reduktionsmittel in Kombination mit
Liganden statt. Na 2S204 mit Citrat [Schwertmann 70], Ascorbinsäure mit
Oxalat oder Phosphat und Detritus als Reduktionsmittel in Kombination
mit Phosphat zeigen dies es Phänomen. Der gl ei ehe Effekt wird, wie
beschrieben, bei der photoreduktiven Auflösung gefunden. Eine sol ehe
Beschleunigung kann nur kinetisch mechanistisch gedeutet werden.
4.1.3.1. Die ElektronenUbertragung
Wenn von einer reduktiven Auflösung die Rede ist, so ist damit gemeint, dass das Metall im Oxidverband reduziert wird und sich als
reduziertes Ion ablöst. Dies bedeutet, dass eine Elektronenübertragung
vom Reduktionsmittel zum Festkörper stattfinden muss.
Elektronentransferreaktionen sind die einfachsten chemischen Reaktionen, weil mit der ElektronenUbertragung keine weitere Aenderung - wie
Bindungsbruch oder Neubi 1dung - einhergehen muss [Marcus 64 ] •. All erdi ngs ändert in der Regel bei der Reduktion die steri sehe Anordnung
der LösungsmittelmolekUle oder die Bindungslänge. Im festen Zustand
manifestiert sich der Elektronentransfer als El ektronenl ei tfähi gkei t
[ Cannon 80 ] •
Bei dem Fe(IIIl-Fe(II)-System ist die Koordinationsphäre für beide
Kationen oktaedrisch. Die Bindungslänge des 3-werti gen Eisens gegenüber dem 2-wertigen ist kürzer. Die Fe-0-Bindung eines Fe(III)-Aquokomplex ist um~ 0.15 A kürzer als die in einem Fe(Il)-Aquokomplex.
46
Die Vibrationsfrequenz des Elektrons (v = l013s-l) ist gleichzeitig
auch die .schnellste Geschwindi_gkeit, mit welcher ein Elektronentransfer stattfinden kann. In diesem Fall führt jede Vibration zu einer
Uebertragung bzw. zur Reaktion. Die Geschwindigkeitskonstante k einer
Elektronenübertragung für eine bimolekulare Reaktion ist
k = KZe-öG*/kT •
(4.17)
In dieser Formel ist K der Wahrscheinlichkeitsfaktor für das Tunnelieren eines Elektrons, Z ist die Kollisionsfrequenz, öG-* die freie
Gibbsenergie zwischen aktiviertem Komplex und Produkt, k die Boltzmankonstante und T die absolute Temperatur. Der Wahrscheinlichkeitsfaktor
hat bei einer bimolekularen Lösungsreaktion den Wert 1011 1 mo1-1s-1,
für einen Elektronentransfer an einer Festkörperoberfläche 104 cm/s
[Marcus 75].
Der Elektronentransfer zu einem oberflächenständigen Fe(III) eines
Goethits läuft über ein adsorbiertes Reduktionsmittelmolekül und die
dadurch entstehende Taube-Brücke ab. Diese Elektronenübertragung geht
über einen "inner sphere" Mechanismus, wo sich der aktivierte Komplex
der Redoxreaktion in der inneren Koordinationssphäre des Metall zentrums befindet [Taube 70). Solche Elektronenübertragungsreaktionen sind
hauptsächlich an gelösten Komplexen untersucht. Bei einer analogen
Beschreibung des Elektronentransfers auf den.Festkörper ist das Elektron nach der Uebertragung nicht auf einem Metallion lokalisiert .
Dieses Phänomen ist auch bei gelösten dimeren Eisenhydroxidkomplexen
bekannt, wo sich eine Elektronenübertragung zu einem Fe(III) über
einen "inner sphere" Mechanismus auf bei de Eisenzentren des Dimers
gleich auswirkt. Wendet man diese Kenntnis auf einen Oxidfestkörper
an, bedeutet dies, dass die zugeführten Elektronen delokalisie rt - im
Sinne eines· Elektronengases - auf der Oxi doberfl äche verteilt sind.
Innerhalb des Oxides oder an dessen Oberfläche baut sich eine Elektronenleitfähi gkeit auf [Can~on 80 ]. Im Innern des Festkörpers kann der
Uebertragungsprozess im Prinzip genau gleich wie im gelösten Komplex
auch als Brückenelektronentransfer angesehen werden. Die Brücke bildet
das Sauerstoffion, das ein Fe(II) mit einem Fe(III) verbindet. Solche
Elektronenübertragungen wurden an· Croci do 1i t einem n-Lei ter untersucht
{Na 2 [Fe(III) 2 ,Fe(II) 3_x,Mgx)Si 8022 (0H) 2 }. Das Elektron gelangt von
47
einem Fe(II) über eine Sauerstoffbrücke zu einem Fe(III). Eine solche
Uebertragung kann sowohl thermisch wie optisch angeregt werden [Littler 65].
Die Geschwindigkeitsrate eines Elektronentransfers innerhalb eines
Festkörpers ist im allgemeinen sehr viel schneller als für ein Metall.Metall Redoxsystem in Lösung. weil durch die delokal isierten Elektronen keine radikale Aenderung der Koordinationssphäre des einzelnen
Metalls bewirkt wird [Marcus 75].
Für die reduktive Auflösung sind sowohl Elektronenübertragungsprozesse
innerhalb des Festkörpers als auch durch Reduktionsmittel zum Festkörper wesentlich. Erstere laufen sehr schnell ab und werden hier einfachheitshalber mit dem Modell des Elektronengases, der Elektronenleitfähi gkeit oder der delokal isierten Elektronen beschrieben. Die
Reduktion eines oberflächenständigen Fe(III) durch ein aus der Lösung
kommendes Reduktionsmittel ist in Fig. 4.5 dargest ellt. Das Reduktionsmi ttel, z.B. ein substitu iertes Ethylen-di-ol, wird an der Oxidoberfläche bidenta t, monomolekular chemisorbiert. Der damit entstandene Oberfl ächenkomp 1ex bi 1det die Taubebrücke, die eine Elektronen-
1)
M
/ "-rf '-._OH
""'
/ OH
"'-.. /
M
OH 2
+
~]/
OH
2)
S
"-/~/o)
/ '-if' "-o
+ Red
~
+ 2 "20
OH
_.....
.,-----
"-M/
/
"-M/o]I
'\,/ "-o
"'-._M(II) 2 +
..-- , /V "-oo
___,,, .
""'
M/OH
/OH
+ 2 "20
01
0,,:::.
+ H+
SRed
Fig. 4.5: Mechanismus der ElektronenUbertragungsreaktion von einem
organischen Reduktionsmittel an die Oberfläche (S) eines·3-wertigen
Metalloxids. Das Ubertragene Elektron ist in der Verbindung se
(Oxidoberfläche mit Elektron) nicht einem Eisenion zugeordnet sondern
del oka 1i s·i ert.
48
Übertragung nach dem "inner. sphere" Mechanismus ermöglicht. Ascorbi nsäure, die eine Ethylen-di-ol-Gruppier~ng aufweist, bildet in Lösung
Fe(lll)-Ascorbino-Komplexe wie ESR-Messungen bestätigten (Kiefer 84].
Nach der Elektronenübertragung muss das oxidierte Reduktionsmittel au.s
strukturellen Gründen desorbieren, womit im Oxid die Ausgangsgruppierung wiederhergeste llt ist. Das zusätzliche Elektron befindet sich
delokalisiert im Oxjd, wobei es sich aus thermodynamischen Gründen (s.
·Fig. 3.4) bevorzugt an der Oberfläche aufhält, wo das .Redoxpotential,
wegen der geringeren Abseht rmung der Zentra 11 adungen, positiver ist.
Die Oxidation des Reduktionsmitt els, beispielsweise von Ascorbinsäure,
läuft über radikalische Zwischenprodukte. Der geschwindigkeitsbestimmende Schritt der Reaktions fo 1ge ist der Elektronentrans fer auf das
Metall [Khan 67]. Da die Elektronenübertragung auf das Oxid mit der
Adsorption' des Reduktionsmittel gekoppelt ist, d.h. von der Gleic~ge­
wi chtskonzentrati on des Reduktionsmi ttel s an der Ob.erfl äche abhängt,
kann der Elektronentrans fer in Form einer Gleichgewichtsreaktion for.
'
'
muliert werden. Die Geschwindigkeit liegt in der Grössenordnung einer
Adsorptionsreak tion oder ist allenfalls etwas langsamer.
4.1.3.2. Kinetik der reduktiven Auflösung
Oie reduktive Auflösung setzt sich, wie die nicht reduktive, aus einer
Abfolge von Reaktionen zusammen. Schnelle Protonierungs- und Adsorptionsgleichgewi chte sind dem geschwindigkeitsbestimmenden Schritt der
Auflösung vorgelagert. Wie in 4.1.3.l. gezeigt, läuft der Elektronentransfer über eine Adsorption und kann unter bestimmten Bedingungen
a 1s vorge 1agertes Gl ei chgewi cht betrachtet werden. Der geschwi ndi gkei tsbestimmende Schritt für die Gesamtauflösung ist die Ablösung des
reduzierten Metallions aus dem Festkörper. Das Zustandekommen einer
günstigen .Abgangsgruppe ist damit für die Aufl ösungsgeschwindi gkei t
entscheidend. Wie die Expert mente zeigen, bilden anioni sehe Liganden
Oberflächenkomp 1exe, die ihrerseits mit dem reduzierten Metall günstigere Abgangsgruppen bilden al's Aquokomplexe dies tun. Thermodynamisch
(s. Fig. 3.4) ist die Reduktion eines oberflächenstän digen Fe(III)
wahrschei nl i eher, wenn es als Aquokoml ex vorliegt. Aus den Messungen
ist aber eine erhebliche Auflösungsbeschleu~igung bei Komplexierung
mit anioni sehen Liganden festzustellen. Dies führt zur Annahme, dass
gewisse Liganden mit dem redu~ierten Metallzentrum gute Abgangsgruppen
bilden und. beim Mechanismus der Ablösung eine .beschleunigende Wirkung
49
haben.
In Fig. 4.6 und Fig. 4.7 sind zwei mögliche Reaktio'nsfolgen
der reduk-
1)
2)
"\. M/~M /~ +
/
'--o/
'u.
"/)?'>
/'--o
~
+
H+
2
3)
4)
5)
/~M /°"2 +
"
/
'/
OH ~2
" M /~/
M Hi +
/ '\-{( "'°"2
H+
e
~
k2
____,,.
....--k_2
M
/
/~M/OH2
'--o/ ~
OH
OH
""M/
2
"'/ '
" M/
/
OH
k4
...-k_4
~
ks
langsam
f0e
"'
/~M /°"2
/
/~
M"'
~ B)
(B + H+
~
C)
~-
/ "-o( "'OH2
M
(A + H+
2
k_3
= aeH'\l\i
= beH21\l\12
= ceH31~3
=
M
"
~
Wahrscheinlichkeit
W(B)
W(C)
W(D)
W(De)
"
k3
.....----
-
/~2M(II)
/OH2
/V~2
""
kl
....-k_l
H+
/OH2
M(II)
<»(~
(C + H+
~
(D + e- ~
D)
De)
2
" M/°"2
+~+
/\._O H
(De~ A + ~+)
Konzentration
{B}
{C}
{D}
{De}
ae,.i
= be,.i 2«H - 1
=. ce,.i 3«H- 2
= f9e
=
Fig. 4.6: Reaktionsfolge der protonenkatalysierten reduktiven Auflösung eins 3-wertigen Metalloxids. Dem geschwindigkeitsbestimmenden
Schri tt, der Ablösung einer reduzierten Metalleinheit, sind drei Protonierungsgleichgewichte vorgelagert. Die Elektronenübertragung ist
als Gleichgewichtsreaktion formu liert, da sie mit einem Adsorptions
gleichgewicht gekoppelt ist. 0e = Konzentration der Elektronen an
der Oberfläche; f = Wahrscheinlichkeitsfaktor, dass sich ein Elektr
on
an einem dreifach protonierten Zentrum befindet; fee = Konzentratio
n
der reduzierten und dreifach protonierten Metallzentren an der
Oberfl~che
k1,k_1,k 2,k_ 2,k 3,k_ 3,kti ,k_ti »ks
50
tiven Auflösung ohne anionische Liganden aufgezeigt. Im Folgenden wird
die Auflösungsrate des Reaktionsschemas von Fig. 4.6 hergeleitet.
d~~}
=
ki{A}[H+) - k_i(B}
d!~}
=
k2 {B}[H+) - k_ 2 {C} - k 3 {C}[H+) + k_ 3 {D}
„
k 2 {B}[H+) + k_ 2 {C}
(4.18)
(4.19)
d!~} = k3 {C}[H+) - k_ 3 {D} - ki+{D}[e-) + k.„{De}
(4.20)
d!~e}
=
ki+{D}[e-] - k_ 4 {De} - k 5 {De}
(4.21)
d!~}
= -
ki{A}[H+) + k1 {B} + k 5 {De}
(4.22)
Unter stationären Bedingungen können die Formeln 4.18 - 4.21 gleich
Null gesetzt werden. Liegt das Oxid im Ueberschuss vor und ändert sich
die Konzentration seiner Oberfläche daher im Verlauf der Reaktion nur
unwesentl i eh, so ist auch für (4. 22) der Stationäri tätsansatz anwendbar. Die Zunahme der Eisen(Il)-Konzentration in Lösung
(4.23)
ist proportional der Konzentration der günstigen Abgangsgruppen
{De}. Aus den Messungen der ·Auflösung von Goethit erhält man eine
Auflösungsrate
~R = kR eH3,
(4.24)
die der dritten Potenz der Oberflächenprotonierung proportional ist.
Dieses Resultat wurde bei konstantem Redoxpotential und einem Ueberschuss des Reduktionsmittels erhalten, was bedeutet, dass die Konzentration der Elektronen an der Oberfläche (ee) konstant und .in der
gemessenen Geschwindigkeitskonstanten (k~) enthalten sind. Damit ist
diese Reaktionskonstante ein Produkt aus den theoretisch hergeleiteten
Werten k5 , ~ -2 , c, f (Wahrscheinlichkeitsfaktor, dass ein Elektron
sich an einem dreifach protonierten Metallzentrum befindet) und ee.
Die reduktive Auflösung eines 3-wertigen Oxides kann auch nach der in
Fi g. 4. 7 gezeigten Reakti.onsfol ge ablaufen. Das negative Ladungsdefizit, das durch die Ablösung eines 2-wertigen Mfrtallions entsteht, wird
durch eine schnell nachgelagerte Protonierung kompensiert. Für die
51
Zunahme des freien, zweiwertigen Metalls in Lösung ergibt sich, mit
gleiche r Herleit ung wie im Fall 4.6,
(4.25)
Aus den Messungen, durchgeführt unter den genannten Bedingungen, muss
in diesem Fall eine Reaktio nsrate resulti eren, die der Oberflächenproton i erung in zweiter Potenz propor t i ona_l ist.
RHe -_ keH 0-H 2 •
(4.26)
Bei den Eisenoxiden bildet ein dreifac hproto niertes Metallzentrum an
der Oberfläche eine wesent lich bessere Abgangsgruppe als ein zweifachproton iertes. Dadurch wird (reakti onskin etisch) die grösser e Wahrschein lichkei t der Ein- und Zweifachprotonierung überkompensiert. Die
1)
""' . /OH /OH2
M "'M
+
/
""-o/ ""-oH
""
2)
/
3)
4)
+
H+
""' /OH /OH2
M ".M
+
/ "'-0:
""
/~
/OH2
M /(II)
~ '\OH
2
""' MJE
./
'\OH
2
'\OH
+
H+
kl
/
k2
""
..----
e
k3
.~
.,...-
OH2
/'\/"
-OH
OH
/~M{II)
,,PH2
k4
"
/
"' ""
OH/
+ M2+
/
/
(C + e- ~
Ce),
(Ce~ A' + M2+)
OH
~/OH2
k5
(B + H+ ~ C)
OH
2
OH
M".
(A + H+ ~ B)
2
""'.
· M
/
schnell
OH
M/~/
k_3
langsam
/OH2
M /'\
'\O
OH
2
k_l
~
/O~
""'
--=->..
..----
k_2
"'-,/ "'-OH
2
/
5)
~H'\M /OH2
M
H+
(A' + H+ ~ A)
"-OH
Fig. 4.7: Reaktionsfolge wie in Fig. 4.6.
Anstelle des dritten Protonierungsgleichgewichts vor dem geschwindigkeitsbestimmenden Ablösungsschritt gelangt das dritte Proton erst nach
dem Ablösen an die Oberfläche.
52
reduktive Auflösung von Eisenoxiden läuft deshalb nach der Reaktionsfolge aus Fig. -4.6 ab.
Noch bessere Abgangsgruppen bi 1den anioni sch kompl exi erte, oberfl ä-
1)
"""
M "M
/OH
/OH2
/ " " 0- / " OH
"'M/ '\.M/)
OH
2)
+
/
"0 /
"
"'/'\,
0
/"ctM
-0
ID
J
+ H+
OH
3)
+e
OH
4)
5)
""M/ "~B
/ "'-ci
""' M/
/
OH
+
H+
kl
____.
...-k_l
k2
...--k
-2
~
Wahrscheinlichkeit
./""-/"
0
M M
" ' / " ' /OJ
/
\,{ '-o
k4
'\. /OH
/ 'o(
M
"-o
+ ML
M
(CL+ e- ~ CLe)
(CLe--+ A' + ML)
(A' + H+-+ A)
Konzentration
= l - d9Jt'~
W(CL)
W(CL e)
{BL}
= deH'~
{CL} = 0t_11d%~-1
{CL e} = ei_ 11d%~-1g(\
gee
~ CL)
/\.OH
\tl(BL)
=
(BL + H+
BL)
/"OH
.'\. /OH2
ks
:;::::.'!
OH
"-M/ "°'M{r~Q
langsam
(A + u(
OH
k3
.....--k_3
_..;....o,.
schnell
'\.OH
"'M/ 'M/)
OH
= <7\_110-d%~-1)
Fig. 4.8: Reaktionsfolge fUr dne anionenkatalysierte reduktive
Auflösung. Der geschwindigkeitsbestinmende Schritt ist die Ablösung
eines reduzierten Metallkomplexes. Diesem Schritt vorgelag~rt sind die
Gleichgewichte: Protonierung, ElektronenU~ertragung und Adsorption
eines anionischen Liganden. Zum Ladungsausgleich folgt eine schnelle
Oberflächenprotonierung.
g = Wahrscheinlichkeitsfaktor, dass sich ein Elektron an einem
komplexierten und protonierten Metallzentrum befindet; gee =
Konzentration der reduzierten, komplexierten und einfach protonierten
Metallzentren
53
chenständige Eisenzent ren. Wie die nicht reduktive (Fig. 4.4, Formel
(4.13)) wird auch die reduktive Auflösung durch Anionen katalysie rt.
In Fig. 4.8 ist eine mögliche Reaktionsfolge der anionenk atalysiert en
reduktive n Auflösung dargeste llt. Die Herleitun g des Geschwindigkeitsgesetzes lautet:
dJ~}
= - ki{A}[LH-] + k_i{BL} + k {A'}[H+]
5
dJ~L}
= ki{A}[LH-) - k_ {BL} - k {BL}(H+] + k_ {CL}
1
2
2
dJ~L}
=
k2 {BL}[H+] -
k_
2
{CL} - k 3 {CL}(e] + k {CLe}
3
d{~te} = k3 {CL}[e] - k_ 3 {CLe} - k {CLe}
4
(4. 27)
(4.28)
(4.29)
(4.30)
Die Different ialgleichu ngen (4.27 - 4.30) werden im stationäre n Fall
gleich Null gesetzt. Damit ist die Auflösungsgeschwindigkeit für die
anionenk atalysiert e reduktive Auflösung
d[ML]
dt
= k4 {CLe} = k 4-L
A. udA..a;..-lg
ee•
-11-11
(4.31)
wobei {CL e} für die Konzentration der günstigen Abgangsgruppen
steht. Diesem geschwindigkeitsbestimmenden Schritt wird eine schnelle
Protonieru ng der Oberfläche nachgelag ert, die nicht in das Geschwindigkeitsg esetz für die Gesamtauflösung eingeht.
(4.32)
Anstelle des vorgelage rten Protonieru ngsgleich gewichts können auch
zwei schnelle, nachgelag erte · Oberflächenprotonierungen stehen. In
diesem Falle wäre die Konzentrationszunahme des zweiwertigen Metalls
in Lösung mit der Zeit
(4.33)
Die Gesamtauflösungsrate ist die Summe der protonenk atalysiert en und
der anionenka talysi erten reduktiven Auflösung. Als weitere Summanden
kommen zusätzlic h diejenige n der nichtredu ktiven Auflösung dazu.
(4.34)
54
Die aus der Messung erhaltene Rate, unter der Bedingung einer konstanten Elektronenkonzentration an der Oberfläche und mit Reduktionsmittel überschuss, ist
(4.34)
Die Konstanten k~ und k ~ sind die aus der Messung erhältlich en Geschwi ndi gkei tskonstanten für die reduktive Auflösung.
55
5. EXPERIMENTE UND RESULTATE
5.1. Die Auflösung von Fe(III)-Phasen als entscheidender Schrit t der
Phosphatrücklösung
Wie aus Kap. 3 hervorgeht ist die anaerobe Phosphatrücklösung aus
Sedimenten zu einem grossen Teil mit der Auflösung der anorganischen
Phasen, an welche Phosphat gebunden ist, gekoppelt. Aus diesem Grund
befass t sich der experimentelle Tei 1 dieser Arbeit hauptsächl i eh mit
der Auflösung von Eisenoxiden und -hydroxi den, denen eine zentrale
Bedeutung als Phosphorsenke im Sediment zukommt.
Die Mehrheit der Auflösungsexperimente wurde mit Goethit ( a-F eOOH)
durchgeführt. Weitere Eisenverbindungen, die zum Vergleich untersucht
wurden, waren Hämatit (a-Fe 0 ), Lepidokrokit (y-FeOOH) und amorphes
23
Eisenhydroxid (FeOOH(am)). Die Herstellung der verwendeten Substanzen
ist in 5.3 beschrieben. Die drei kristal linen Phasen wurden röntgenographisch {Pulveraufnahmen Guinier I; CuKa1-Strahlung) identi fiziert und stimmten in Reflexen, Linienlage und Intens ität mit den
entsprechenden Literaturangaben überein [ASTM]. Das amorphe Ei senhydroxi d zeigte erwartungsgemäss keine Röntgenreflexe. Die BET-Oberflächen betrugen bei a-FeOOH 18. 7 m2/g, bei y-FeOOH 101 m2/g und bei
a-Fe 203 143 m2/g. Für FeOOH(am) wurde die BET-Oberfläche nicht bestimmt, da bei der Messung der thermodynamisch instabi len Phase Umlagerungen zu erwarten waren. Die spezifi sehe Oberfläche wurde deshalb
aus Elektronenmikroskopieaufnahmen und der Dichte auf 500 m2/g ge,schätz t. Die Oberflächenprotonierung ergab sich aus Säure-Base-Titrationen der Oxide [Sigg 79).
Da es sich bei den untersuchten Auflösungen um oberflächenkontrollierte' Reaktionen handelt, war es wichtig, möglichst jede Heterogenität
der Oberfläche zu vermeiden. Die Oxide wurden deshalb vor den Auflösungsversuchen einer besonderen Behandlung unterzogen. Nach der Her. stellun g wurde das jeweilige Oxid in einer einprozentigen Flusssäurelösung und anschliessend in 0.1 M Schwefelsäure während einigen Stunden gewaschen. Danach wurde die Suspension abzent rifugie rt, der Festkörper in bidest illierte m Wasser aufgeschlämmt und dann wieder abzentrifug iert. Dieses Vorgehen (Waschen mit bidest. Wasser) wurde solange
wiederholt, bis sich das pH der überstehenden Lösung nicht mehr verän-
56
derte, was nach 15 bis 20 maliger Durchführung der Fall war. Die Substanzen wurden in Suspensio n (Stalllllsuspension) aufbewah rt, um Aenderungen der Oberfläch e möglichst auszuschl i essen. Jede für die Aufl ösung gebraucht e Probe wurde vor dem eigentlich en Auflösung sexperime nts
nochmals speziell behandelt . Diese "Konditio nierung der Oberfläch e"
[Furrer 85] hat den Sinn, einerseit s die beim Aufbewahren eventuell
gebildete n amorphen Anlagerungen wegzulösen und andererse its Gleichge-
wichtsbed ingungen für die folgende Auflösung herzustel len. Die Konditionierun g wurde wie das nachfo 1 gende Auflösung sexperime nt durchgeführt. Die für den Versuch benötigte Menge der Stammsuspension wird
während mindesten s 48 Stunden mit jener Lösung ins Gleichgew icht ge-
bracht, in der nachher auch die Auflösung durchgefü hrt werden soll
(d.h. gleicher pH-Wert, gleiche lnertelek trolytkon zentratio n, gleiche
Anionenk onzentrati on wie im Experimen t). Nach dem Kondition ieren wird
der Batch-Ans atz abzentrif ugiert und das Zentrifug at in eine Lösung
aufgenommen, die sich bezüglich Konzentra tion von Elektroly t, Anionen
und Protonen, wie die überstehe nde Lösung der Kondition ierung zusammensetzt. Damit ist vom Start weg ein Adsorptio nsgleichg ewicht vorhanden, das während des ganzen Versuchs konstant bleibt.
Die Experimente wurden wie folgt durchgefü hrt. Jeder Ansatz war, zur
Konstanth altung des pH, mit einer automatis chen Titration sanlage verbunden, welche nach Bedarf die verbrauch ten Protonen mit HN0 nach3
titrierte . In gewissen Zeitabstän den wurden der Suspensio n einige
Millilite r entno11J111en und durch einen 0.01 µm Milli-por filter filtriert ,
um im Filtrat die Analy.se der interessie renden Ionen du.rchzuführen
(Analysemethoden s. 5.3.). Bei allen Experimenten wurde streng darauf
geachtet, dass keine Photoreak tionen stattfinde n konnten. Mehrere Vergleichsan sätze bei normaler Laborbele uchtung (ohne· direkten Sonnen-
einfall) und in Dunkelhe it ergaben, dass das vorhandene Licht keine
Bescltleun igung der Reaktion verursach te. Dies lässt darauf schliesse n,
dass die relativ dicke Suspensio n sich selbst vor Lichteinf all schützte. Dies bestätige n auch Transmiss ionsspekt ren der Suspensio n. Eine
hundertfa che Verdünnung der Suspensio n absorbier t, bei einer Zelldicke
von einem Zentimete r, 32% des einfallend en Lichts der Wellenlän ge
432nm. Bei höheren und tieferen Wellenlän gen ist es noch mehr, bei
800 nm schon 57%.
57
Die beschriebene Oxidvorbehandlung wie auch die Durchführung der Experimente war im Prinzip für allen Auflösungsexperimente gleich. Bei
den
einzelnen Experimenten wird deshalb nur bei zusätzlichen Besonderhe
iten oder Abweichungen nochmals darauf eingegangen. Die Resultate aller
Auflösungsexperimente sind im Anhang zusammengefasst.
5.1.1 . Die protonenkatalysierte Auflösung von Goethit
Wegen der geringen Löslichkeit der Oxide und Hydroxide des dreiw
ertigen Eisens ist eine Messung der Auflösung fern vom Gleichgewicht,
im
pH-Bereich zwischen 2 und 5, in einem analytisch zugänglichen Konze
ntratio nsber eich, praktisch ausgeschlossen (siehe 4.1.) . Im Falle einer
Auflösungsrate von 10-10 mol m-2h-1 wäre bei einem pH von 3 in hunde
rt
Stunden das Löslichkeitsgleichgewicht errei cht. Bei den Auflösungs
experimenten mit der beschriebenen Vorbehandlung kommt noch dazu,
dass
die Eisenkonzentration beim Versuchsbeginn nicht Null ist, da
durch
die Art der Konditionierung ein gewisser Anteil gelöstes Eisen in
das
Reaktionsgefäss eingebracht wird. Of~ wird allerd ings die aus
der
Gl ei chgewi chts 1ös11 chkei t berechnete Konzentration stark überschri
tten, weil die Nukleierung kinetisch gehemmt sein kann.
In Fig. 5.1 ist eine Auflösungskurve, wie sie typischerweise erhal
ten
wird, abgebildet. Die Auflösung ist selbs t dann linea r, wenn, wie
im
gezeigten Fall, die Gleichgewichtslöslichkeitskonzentration überschri tten ist. Bei der Auflösungsrate überlagern sich möglicherw
eise
mehrere Vorgänge. Dies können sein: Auflösung von Goethit und Nukle
ierung gefolgt von Kristallwachstum von FeOOH(am) mit. anschliesse
nder
Auflösung dieser neu gebildeten Phase. Diese Ueberlagerung von vielen
paral lel ablaufenden Reaktionen dürfte der Grund dafür sein, dass
die
Auflösungsraten, besonders bei pH-Werten über 3, erstens starke Streu
ungen aufweisen und zweitens, relati v zu den Raten bei kleineren
pHWerten, zu gross erscheinen. In Auflösungsexperimenten b~i pH <: 2
ist
-die Ionenstärke sehr gross, was zu nicht miteinander vergleichba
ren
Resultaten führt . Deshalb wurden auch in sehr saurer Lösung ke'ine
weiteren Versuche durchgeführt.
Auflösungsgeschwindigkeiten in Gleichgewichtsferne konnten aus
den
genannten Gründen nicht gemessen werden. Anhand der durchgefüh
rten
Experimente sind dennoch einige Folgerungen erlau bt. Die Auflösungs
-
58
geschwindigkeiten von Eisenoxiden sind sehr klein. Die Auflösungsrate
von Goethi t dürfte für pH 3 höchstens bei 10-10 mol m-2h-l liegen .
Diese Grössenordnung wird auch bestät igt, wenn man Daten von Cornell
et al. zum Vergleich beizieh t (Cornell 75,76). Auflösungsraten von
2·10-8 bis 5 ·10- 8 mol m- 2h- 1 in 0.5 M HCl (alle· Daten in Dimension
auf mol m-2h- 1 und T = 20°C umgerechnet) wurden für die Auflösung
eines (dem von mir verwendeten sehr ähnlichen) Goethi ts erhalte n.
Diese Raten ergeben auf pH-Werte von 3 bis 5 extrap oliert Auflösungsgeschwindigkeiten im Bereich von 10-11 mol m-2h-l - 10-13 mol m-2h-l.
(Es muss darauf hingewiesen werden, dass ich die Daten von Cornell in
diesem Falle direkt auf diese Theorie hin ausgewertet habe und es sich
nicht um eine vollstä ndige Zusanmenfassung der Arbeit handel t.) Demgegenüber sind Auflösungsraten von ö-Al 0 und Beo, bei pH 3 bis 5,
2 3
zehn- bis hundertmal grösser [Furrer 83].
4
'°C>
..-
:J:
„
0\
QJ
lL
3
2
1
5
10
15
20
25
30
Zeit (hJ
Fig. 5.1: Gemessene Auflösungskurve von Goethit bei pH 3 in O. lM
NaN0 3 (3.2g a-FeOOH/1 = 60 m2 Oberfläche/1). Die Anfangskonzentration
des gelösten Eisens ((FeH] 0 ) wird durch die "Konditionierung"
verursacht. (Experiment Nr. 3, s. Anhang 1)
RH(gem.) = 6.0B·lO-B mol 1-1h-1; RH(spez.) = 1.02·10- 9mo1 m- 2h- 1;
r2 = 0.98.
59
Im Vergleich zu Aluminiumoxid das bei pH 3.5 seine maximale
Auflösungs rate errei cht, die dann in saure rer Lösung konstant bleib
t, was
Furre r mit einer Sättigung der Oberflächenprotonierung erklä rt
[Furr er
85], ist bei Eisenoxiden und -hydroxiden eine solche Sättigung
nicht
festz ustel len. Möglicherweise wird eine konstante Auflösungsrate
erst
bei extrem tiefen pH-Werten errei cht, wo wegen der hohen Ionen
stärke
der Lösung-zusätzlich andere Effekte wichtig sind.
Wegen der Wahrscheinlichkeit von inkongruenten Reaktionen bei
den
proto nenka talysi erten Auflösungsexperimenten sind die Daten
nicht
verwendbar um die Abhängigkeit der Aufl'ösungsraten von der Oberf
l ä-
9.0
:z:
0:
°' 8.5
0
8.0
5.4
15
2
5.6
3 4
3.5
5.8
5
- log BH
pH
Fig. s.2: Ooppellogarithmische Darstellung der spezifischen Auflösungsraten von Goethit gegen die Oberflächenprotonierung.
RH = kHeHn + log RH = logkH + n~
Aus dieser Formel· kann die Potenz (n), mit der die Oberflächenprotonierung in das Geschwindigkeitsgesetz eingeht abgeschätzt werden.
(Experimente 1 bis 6) kH = 1.98·10 9 m~ mo1- 2h- 1 ; n = 3.25
60
chenprotonierung abzuleiten. Immerhin ist das Resultat (n = 3) nicht
unvereinbar mit der Formel (4.4) die in 4.1.1. abgeleitet wurde (s.
Fig. 5.2).
5.1.2. Die anionenkatalysierte Auflösung von Fe(III)-Oxiden und
-Hydroxiden
Bei der anionenkatalysierten Auflösung werden jene Summanden der Gesamtauflösungsrate betrachtet, die durch die Anwesenheit anioni scher
Liganden zustandekommen. Dies ist der Teil der totalen Auflösungsrate
(4. 7)
der durch die Teilraten RL gegeben ist. Die Raten RH und RL sind
zwei unabhängige Grössen, da die eine der Oberflächenprotonierung, die
andere der Anionenadsorption proportional ist. Anionen adsorbieren an
Lewiszentren, während sich Protonen an OH-, 0- und OH -Gruppen anla2
gern. In der Summation über alle Rl ist n die Anzahl unterschiedlicher Liganden (s. 5.1.2.2.) und deren verschiedener Oberflächenkomplexe. Da ein Anion sowohl mono-, bi- und eventuell polydentat adsorbieren kann, müssen streng genommen alle diese Spezies aufgeführt werden.
Diese Zähnigkeiten sind durch Hochstriche am Liganden markiert, also
L' für monodentat, L" für bidentat etc. Im vorhergegangenen Text wurden meist nur die bidentaten Oberflächenkomplexe berücksichtigt, weil
vorausgesetzt wurde, dass sie die aktivsten Abgangsgruppen bilden.
Genau genommen setzt sich die anionenkatalysierte Auflösungsrate für
einen Liganden (L) aber aus
RL = RL 1 + RL + RL111 + •••••
II
( 5.1)
zusammen, was auch
kLeL = kL'eL' + kL119t_11 + kL1119t_111 + •••••
(5.2)
geschrieben werden kann. Aus der Adsorpti onsmessung erhält man die
totale Menge des adsorbierten Liganden (eL). Dies ist die Summe
aller möglichen Oberflächenkomplexe.
eL = eL' + 0L" + 01_'" + •••••
(5.3)
Die aus den Messungen errechnete Reaktionskonstante (kL) ist somit
61
(5.4)
Diese Gleichun g zeigt, dass die einzelne n Geschwi ndigkeit skonstan ten
gewicht et in die Gesamtk onstante eingehen , und zwar zu demjenigen prozentuale n Anteil, zu dem der entsprec hende Oberfläc henkomp lex vorkamt. Weiter ist der Gleichun g (5.4) zu entnehmen, dass, wenn die
Konstan te
eines Komplexes (z.B. kL 11 ) sehr viel grösser als alle
anderen ist, die Konstan te der Gesamtr eaktion (kL) praktisc h gleich
derjenig en des bestimmenden Komplexes (0L") wird.
5.1.2.l. Oxalat als Auflösu ngsligan d
Versuch e, an verschie dene Eisenpa rtikel gebundene Phospha te im Sedi ment durch Oxalate xtraktio n zu untersch eiden (s. 5.2.1.), führten zur
Frage", wie der Mechanismus dieser Reaktion en zu erklären ist. Andererseits erwies sich Oxalat als ausgespr ochen günstige Verbindung bei
anionen katalysi erten, oberfläc henkont rollierte n Auflösun gsexperi menten
(Furrer 85].
Fig. 5.3 zeigt das typische Bild von, mit der beschrie benen Versuch s. anordnung durchge führten, Auflösun gsexperi menten. Die Steigung der
Geraden (tiFe(ge l) pro tit) entspric ht der totalen Auflösu ngsrate, die
sich aus protone nkataly sierter und anionen katalysi erter Rate zusammen-
setzt. ·Die Eisen~onzentration zur Zeit t = O ergibt sich durch die
Vorbehandlung der Probe und hat bei Messungen fern des Lös 1 i chkeits-
gl ei chgewi chts keine Bedeutung für die Bestimmung der Aufl ösungsk i netik. Die Auflösung ist, innerhal b des Messber eichs, eine lineare Funktion der Zeit und ihre Geschwi ndigkeit nimmt mit steigend em pH der
Lösung. ab. Um die anionen katalysi erte Auflösu ngsrate alleine zu erhalten, wird RH von Rr abgezoge n. Die protone nkatalys ierten Auflösungsrat en konnten, wie aus 5.• 1.l. hervorg eht, nur halbqua ntitativ
bestimm t werden. Sie wurden bei Bedarf durch Extrapo lation von bei
tiefem pH gemessenen Raten ermitte lt. Der Fehl er der entsteh t, wenn
die durch Oxalat katalys ierte Rate der Total rate gleichg esetzt wird,
macht auf die Reaktion skonstan te (kox) 2% aus. Dieser Prozents atz
liegt weit unter dem Fehler der durch andere Effekte verursac ht wird.
Da RH allein sehr klein ist, muss die anionen katalysi erte Auflösung
von Goethit pH-abhängi g sein. Um dies zu veri fi zieren wurde die Auf1 ösungsr ate einmal gegen die Konzent ration der Oxalatob erflächen kom-
62
pl exe und einmal gegen das Produkt aus Oberfl ächenprotoni erung und
Oberflächenkomplexkon zentration aufgetragen (Fig 5.4). Diese beiden
Darstellungen ergeben sich aus den Formeln (4.8) und (4.14). Oie Auftragung der Rate gegen die Oberflächenbedeckung weist keine Korre 1ation der aufgetragenen Wertepaare untereinander auf. Berücksichtigt
man nur diejenigen Messwerte, die bei pH 3 erhalten wurden, so ergibt
sich eine sehr gute Korrelation. Alle anderen Punkte liegen unter
dieser Geraden und zwar desto tiefer je höher das pH der entsprechenden Versuche war. In Fig. 5.4 ist dagegen eine lineare Abhängigkeit
aller Wertepaare ersichtlich. Oie Steigung dieser Geraden ist die aus
der Messung erhältliche Geschwindigkeitskonsta nte.
Zum Vergl ei eh wurden einige Experimente mit anderen Eisenoxiden bzw.
-hydroxiden durchgeführt. Auflösungsversuche mit Hämatit sind in Fig.
5.5 abgebildet. Oie Reaktion verläuft, wie bei Goethit, im beobachteten Zeitintervall linear. Dabei löst sich der eingesetzte sehr feinteilige Hämatit sichtbar schneller auf als der grobkristalline Goethit. Vergl eicht man die spezifi sehen Auflösungsraten (pro Oberfl äche), ist die Auflösungsreaktion von Hämatit ca. 2 mal schneller als
diejenige von Goethit bei gleicher Oberflächenbedeckung mit Oxalat.
8
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--""' 4
-'
GI
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2
5
10
15
20
Zeit lhJ
25
30
Fig. 5.3: Oxalatkatalysierte Auflösungskurven von a-FeOOH (60m 2 /1} in
O.lM NaNO • (o} Experiment Nr. 16, pH 3.2; (6) Exp. Nr. 10, pH 5.0.
3
63
Die Geschwindigkeitskonstante (kox) für die Hämatitauflösung berechnet mit der Formel (4.8) ist ca 5 mal grösser als diejenige von
Goethit. Die Oberfl ächenprotoni erung von Hämatit wurde der Literatur
entnommen (Breeuwsma 73].
Weitere Auflösungsexperimente in Anwesenheit von Oxa 1at wurden
schliesslich noch mit amorphem FeOOH durchgeführt. Im Falle dieses
Hydroxids wich die Vorbehandlung der Suspension vom üblichen Vorgehen
ab. Die Konditionierung mit Oxalat nt1sste unterlassen werden, da sich
im Gegensatz zu allen andern Experimenten die Auflösungsgeschwindigkeit hier um mehrere Grössenordnungen unterschied . Deshalb würde die
ilb liehe Vorbehandlung zu sehr grossen Auflösungsmengen führen, d. h.
das Löslichkeits gleichgewic ht würde erreicht und es stünde kein Oxalat
zur Adsorption an der Oberfläche mehr zur Verfügung. Das -Weglassen der
Konditionierung der Oberfläche ist bei FeOOH(am) nicht so relevant wie
bei den kristallinen Phasen, weil ein Effekt, nämlich das Ablösen
amorpher Schichten von der Oberfläche, in diesem Fall ja nicht notwendig ist. Bei den Auflösungsversuchen des Ferrihydrit s wurde das Oxalat
•0
Fig. 5.4: Durch Oxalat verursachte
anionenkatalysierte Auflösungsrate
(Rox> gegen das Produkt der
·Oberflächenbedeckung mit Oxalat und
der Oberfl ächenprotoni erung. Die
Steigung kox = 5.18·103m2 mol-lh-1.
ist die Geschwindigkeitskonstante
der Auflösungsreaktion:
Rox = koxeHeox (Exp.Nr. 7 bis 18).
.... 2
K
0
0::
1
2
4
9H9ox 1012
6
B
[(mol/rnZ) 2]
64
zum Zeitpunkt Null zugegeben, d.h. der Zeitpunkt der Oxalatzugabe war
gleichzeitig die Startzeit der Reaktion.
Betrachtet man die Auflösungskurven des FeOOH(am) in Fig. 5.6, erkennt
man sogl ei eh, dass Messungen fern vom Lösl i chkei tsgl ei chgewi cht mit
der gewählten Versuchsanordnung schwierig durchführbar sind. Um einige interessante Punkte zu diskutieren, habe ich eine grobe Abschätzung
der Auflösungsraten aus den Kurven vorgenommen. Für die Auflösungsreaktion bei pH 3 beträgt die geschätzte Rate 10-i. bis 10-3 mol m-2h-1
bei pH 5: 5·1Q-6 bis 5·10-5 mol m-2h-l. Die hohen Werte führen zur
Frage, ob die Auflösungsgeschwindigkeit noch durch Oberflächenreaktionen bestimmt wird oder ob ein Uebergang zu diffusionskontrolliert er
Kinetik vorliegt. Gegen die Diffusionskontrolle spricht allerdings
schon die Tatsache, dass die Geschwi ndi gkei t mit zunehmen der Säure-
25
"' 20
.
C>
J:
-. 15
a.
DI
~
GI
LL
10
5
5
10
15
20
25
30
Zeit [h)
Fig. 5.5: Durch Oxalat katalysierte Auflösungskurven von a-Fe 203 (49/l
: 572 m2 /l} in O. lM NaN0 3 .(o) Exp. Nr. 21, pH 3.0; (<>) Exp. Nr. 22,
pH 5.0
65
konzentra tion zunimmt. Die diffusion skontroll ierte Kinetik müsste eine
konstante Auflösungsrate haben, da ja der Wegtransport geschwi ndi g-·
keitsbestimmend ist. Daher kann die Frage nur heissen: nähert sich die
Reaktions rate der Diffusion sgeschwin digkeit (jA)? Nach dem 1. Ficksehen Gesetz
= DA
jA
c - c
grad c : DA o
l
(5.5)
1
kann ~ie Geschwindigkeit mit den konservativen Annahmen: DA (Diffusionskoef izient) = 10-6cm2/s, c0
c1 (Konzent rationsdif ferenz
zwi sehen Oberfläche und Lösung in der Diffus ionsschi cht) = 4·10- 3 M
(dies entsprich t der Gleichgew ichtskonz entration) , 1 (Dicke der Diffusionsschi cht) = 1_0-7m (10 rnal Partikeldu rchmesser ) gerechnet werden.
Die Diffusion sgeschwin digkeit beträgt damit 14.4 mol m-2h-l, was um.
3.4
""0
~
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i
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3.2
3.0
0.2
0.1
0
10
20
30
40
50
60
Zeit [min]
Fig. 5.6: Durch Oxalat katalysier te Auflösungskurven von FeOOH{am)
{2g/l = 1000m2 Oberfl ./1) in O.lM NaN0 , bis zum Löslichkeitsgleichge3
wicht gemessen.
{o) pH 3.0, [fe3+]{GG) = 4·1Q-3M, Rr = 2·10-4 bis 10-3 mol m-2h-l;
(o) pH 5.0, [Fe3+)(GG) = 2.5·1Q-4M, Rr = 6·10-6 bis
5.10-smo1 m-2h-l. Die angegebenen Auflösungsraten sind aus der
Anfangssteigung der Kurven abgeschätzt.
66
mehrere Zehnerpotenzen schneller ist als die schnellste durch Oxalat
katalysierte Auflösungsrate von FeOOH(am). Damit scheint es sicher zu
sein, dass die gemessene Auflösung nicht diffusionskontrolliert ist.
Die durch Oberflächenreaktionen kontrollierte Aufl ösungsgeschwi ndi gkei t kann, wie im vorhergegangenen Tei 1 immer angenommen, durch die
Ablösung eines Metallkomplexes bestimmt werden. Eine andere Möglichkeit ist die Limitierung der Geschwindigkeit durch die Adsorptionsgeschwindigkeit. Letzteres trifft zu, wenn die Auflösungsgeschwindigkeit
in der Grössenordnung der Adsorptionsgeschwindigkeit liegt.
Adsorptionsreaktionen verlaufen oft in Teilschritten, wo einer schnellen Reaktion langsame Prozesse, wie Umlagerungen oder Nukleierungen an
der Oberfläche, folgen können [Shon 73]. Im zu diskutierenden Fall
soll nur der Reaktionsverlauf innerhalb der ersten paar Sekunden angesehen werden. Für die Bestimmung der geschwindigkeitsbestimmenden
Oberflächenreaktion der Auflösung von Ferrihydrit ist nur diese Zeitspanne wesentlich. Adsorptionsmessungen von organischen Säuren an
einer Quecksilberelektrode haben gezeigt, dass bei Ligandenkonzentrationen kleiner als 10-2 M die Dauer der Hg-Tropfbildung (~ ls) ausreicht, um die Gleichgewichtskonzentration an der Oberfläche zu erreichen [Ulrich 84 ]. Mikami et al. untersuchten mit der "Druck-SprungTechnik" die Adsorptionsgeschwindigkeit der Reaktion
kl
)
>AlPO '+ 2- + H3o+
und erhielten eine intrinsische Reaktionskonstante (klnt) von
4.1 ·los l mo1-1s-1 (T = 25°C, 1 = 1.5 10-2) [Mikami 83]. Die intrinsische Geschwindigkeitskonstante ist mit einer Funktion des elektrostatischen Oberflächenpotentials in k1 überführbar. Am Ladungsnullpunkt ist damit k1 = klnt. Die Berechnung der Adsorptionsrate
(Rads> mit dieser Konstanten gibt einen Wert von 590 mol 1-1h-1
(die Rückreaktion, Desorption ist nicht berücksichtigt).
(5-6)
Die Austauschkapazität( [ >MOH ]T) wurde mit einer bei Goethit gefundenen Konzentration von 2·10-'+ mol/g [Sigg 79] eingesetzt und die Ligandenkonzentration wurde zu 10-3 Mangenommen.
67
Für die Auflösung von FeOOH(am) bedeuten die beiden diskutierten Probleme (Diffusionskontrolle und Adsorptionsgeschwindigkeit), dass auch
diese Reaktion oberflächenkontrolliert abläuft und dass der geschwindigkeitsbestimmende Schritt die Ablösung eines komplexierten Metallzentrums und nicht die Adsorption ist.
5.1.2.2. Phosphat als Auflösungsligand
Die Wahl von Phosphat als Auflösungsligand ergab sich durch die Frageste 11 ung der .Phosphat rück 1ösung. Da die Untersuchung der Eisenoxidaufl ösung durch diese Frage angeregt wurde, ist es natürlich wichtig
zu· wissen, o~ Phosphat als anionischer Katalysator auf die Auflösung
wirkt oder ob durch Phosphat eine inhibierende Wirkung zustandekommt.
Letzteres wird in manchen Arbeiten postuliert [Grauer 82, Stone 84]
und wird im nächsten Abschnitt detailliert behandelt.
Beim Einsatz von Phosphat in den Auflösungsversuchen müssen einige
thermodynami sehe Gegebenheiten beachtet werden. Phosphat erhöht im
Gegensatz zu Oxalat die Löslichkeit von Fe(III) nicht wesentlich. Es
kann im Gegenteil zur Bi 1dung von Eisenphosphaten kommen. Unterhalb
von pH 3.5 ist Strengit (FePO~) gegenüber Goethit der stabilere Festkörper [Sigg 79]. Aus diesem Grund ist bei grösserer Protonenkonzentration eine Umwandlung von Goethit in Strengit zu befürchten. Um eine
höhere Löslichkeit zu erha1ten, wurden die Auflösungsexperimente mit
Phosphat in Gegenwart von Oxalat durchgeführt. Damit konnte zusätzlich
der Einfluss von mehreren gl ei chzei ti g anwesenden anioni sehe l i ganden
abgeklärt werden. Die Bildung von sekundären Phasen ist nur bei einem
pH-Wert um 4 einigermassen auszuschl iessen, weshalb die Experimente
bei dieser Säurekonzentration durchgeführt wurden. Eine Ausnahme bildeten Testversuche bei tieferen pH-Werten. Die thermodynami sehen Voraussetzungen brachten es mit sich, dass nur ein sehr kleiner pH-Bereich abgedeckt werden konnte. Die Konditionierung der Oxide ·wurde
wegen der möglichen sekundären Phasenbildung nur mit Oxalat und ohne
Phosphat gemacht. Die Phosphatzugabe war der festgesetzte Startpunkt
der Auflösungsreaktion.
Die Zunahme der Eisenkonzentration in Lösung ist eine lineare Funktion
der Zeit. In Fig. 5.7 sind die anionenkatalysierten Auflösungsraten
gegen das Produkt von Oberflächenprotonierung und Oxalatbedeckung
abgebildet. Die eingetragene Gerade (Rox) markiert die durch Oxa-
68
lat alleine verursachte Beschleunigung (aus Fig. 5.4). Die Punkte der
mit Oxalat und Phosphat gemessenen Raten liegen alle über dieser Geraden, was dafür spricht, dass Phosphat eine zusätzliche Beschleunigung
der Reaktion verursacht. Entsprechend der Formel (4. 7) trägt jeder
Ligand einen Summanden zur anionenkatalysi erten Auflösungsrate bei.
Die vorliegende Kombination von Oxalat und Phosphat ergibt eine anionenkatalysierte Auflösungsrate
(5.7)
die sich aus den einzelnen Raten Rox und Rp zusammensetzt. Die
durch Phosphat katalysierte Auflösungsrate kann aus der Differenz von
RL und Rax berechnet werden. Rp aufgetragen gegen Oberflächenprotonierung mal Phosphatbedeckung ergibt eine Gerade, deren Steigung
die Geschwindigkeitskonstante (kp) der anionenkatalysierte Auflösung
mit Phosphat ist.
.
Die Eisen-Phosphat-Systeme neigen wie gesehen sehr stark zur Bildung
von sekundären Phasen und damit zur inkongruenten Auflösung, was bei
den gemachten Versuchen nie ganz ausgeschlossen werden konnte. Den
Resultaten ist trotzdem eindeutig zu entnehmen, dass Phosphat eine
Auflösungsbeschleunigung bewirkt. Diese Beobachtung wurde auch von
Künzi bei der Auflösung von Akaganeit (ß-FeOOH) gemacht. Er hält al-
.........
.#:.
-2
!
N
Fig. 5.7: Anionenkatalysierte Auflösungsrate gegen Oberflächenprotonierung mal
Oxalatoberflächenbedeckung. Im Vergleich
dazu die Gerade Rox gegen eHeox
(Fig. 5.4). Die Raten mit zusätzlicher
Phosphatzugabe liegen, bei pH-Werten von
3.85 bis 4.20, alle über der eingezeichneten Geraden (Exp. Nr. 23 bis 32).
0
E
..........
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6
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OH 90 x10 (Cmol/m2) 2 )
69
lerdings diesen "Phosphat-Effekt" fUr keine durch Oberflächenreaktionen verursachte Besch 1euni gung. Nach seinem Mode 11 unters tUtzt Phosphat den Angriff der_ Protonen an der Hydro xi doberfl äche (KUnzi 82].
Fig. 5.8 zeigt die Additivit ät der anionenkatalysierten Auflösungrate
für das System Oxalat-Phosphat. Die Summe der beiden Raten ergibt,
innerhalb der Fehlergrenzen, welche mit 15% angenommen wurden, die aus
dem Experiment erhaltene anionenkatalysierte Auflösungsrate.
3
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0
1
2
3
4
5 ·10- 12
Fig. 5.8: Anionenkatalysierte Auflösungsrate gegen Produkt 0H00x
(obere Kurve) bzw. 0H0P (untere Kurve). Oie Addition der Einzelraten ergibt die Rate RL. Diese Werte wurden innerhalb des Fehlers
(15i) auch bei der Messung erhalten. Als Beispiel~ sind die Experimente 23, 25 und 26 eingezeichnet. Die Sunme der eingezeichneten Balken
entspricht den gemessenen Raten (RL).
5.1.2.3. Inhibition der Auflösung
Inhibition der Auflösung im absoluten Sinn, d.h. die Verhinderung der
70
Auflösung durch adsorbierte- anionische Liganden an der Oberfläche
eines Oxides, konnte bei den untersuchten Systemen nicht nachgewiesen
werden. Liganden, die monomolekulare Schichten von di- und polynuklear
adsorbierten Oberflächenkomplexen bilden und damit sowohl die protonenkatalyisierte wie auch die anionenkatalysierte Auflösung verhindern, sind weder bei Eisen- noch Aluminiumoxiden [Furrer 85] bekannt.
Dagegen wurden verschiedene Effekte beobachtet, die sich phänomenologisch als Inhibition auswirken.
Die relative Inhibition: Als relative Inhibition bezeichne ich die
Reduktion der Auflösungsrate, die durch Ligandenaustausch an der Oberfläche zustande kommt. Diese Art der Inhibition lässt sich feststellen, wenn ein sehr auflösungsaktiver Ligand von einem weniger aktiven
Liganden von den Plätzen verdrängt wird, die günstige Abgangsgruppen
bilden. Dies ist beispielsweise im System Oxalat-Phosphat zu beobachten. Oxalat als sehr guter Auflösungskatalysator bildet weniger stabile Oberflächenkomplexe als Phosphat und kann folglich durch Phosphat
ausgetauscht werden. Da Phosphat ein etwas schlechterer Auflösungskatalysator ist, wird damit die Gesamtauflösung -bezüglich der total
zugegebenen Oxalatmenge reduziert.
Die von Stone in seiner Doktorarbeit gefundene Inhibition der Manganoxidauflösung durch Phosphat ist mit grösster Wahrscheinlichkeit eine
. relative Inhibition. Da das von ihm verwendete Auflösungsmodell mit
Konzentrationen in Lösung rechnet, ergibt sich eine Verringerung der
Auflösungsrate [Stone 83]. Bei dem hier vorgestellten Auflösungsmodell
ist die relative Inhibition sehr einfach erklärbar, da die Kinetik der
Reaktion nicht mit Totalkonzentrationen, sondern mit Oberfl ächenkonzentrati onen formuliert ist.
I nhibi ti on durch inkongruente Auflösung: Entsteht durch Nuklei erung
und Wachstum einer sekundären Kristallphase eine inkongruente Auflösung, kann sich .dieses Verhalten wie eine Inhibition äussern. Am Beispiel der Auflösung von Goethit mit Phosphat und Oxalat soll dies in
Fig. 5.9 verdeutlicht werden. Im Gegensatz zu allen Auflösungsraten,
die bei pH 4 gemessen wurden, liegen diejenigen bei pH c; 3.6 unter
den durch Oxalat katalysierten Werten. Wie in Abschnitt 5.1.2.1.
schon beschrieben, ist bei hohen Protonenkonzentrationen Strengit
thermodynamisch stabiler als Goethit. Tatsächlich ist also die Abnahme
71
der Auflösungsrate nicht mit Inhibition sondern mit der Bildung von
Strengit zu erklären.
,.....,
s::.
~0
2
Ff g 5.9: Gleiche Darstellung wie
Ffg. 5.7. Die eingetragenen Punkte sind
hier die Raten gemessen bef pH 3.5 (o)
(Exp. Nr. 36 -39) bzw. pH 3 (<>) (Exp.
Nr. 33 -35). Die Werte liegen unter Rox•
was durch dfe mögliche Bildung von
Strengf t verursacht wird.
E
.........
..,
....
0
Ci:
„+
1
0
~
0
0
2
12
4
6
6H001110 [(mol/m2) 2]
Sättigung der auflösungswirksamen Oberflächengruppen:
An sich auflösungswirksame Liganden können, bei hohen Konzentrationen,
auflösung spassiv werden. Ist ein guter "Auflösungsligand" in grosser
Konzentrat; on vorhanden, kann die Gl ei chgewi chtskonze ntration an der
Oberfläche höher sein als die Konzentration der günstigen Abgangszentren. In diesem Falle muss man von einer Sättigung sprechen, die Auflösung.srate bleibt konstant (Fig. 5.10). Eine Sättigung der kinetisch
wirksamen Oberflächenbedeckung wurde auch bei ö-Al 0 beobachtet [Fur2 3
rer 85). Eine andere Möglichkeit, grosse K.onzentrationen von anionischen Liganden an Goethit zu adsorbier en, ist, dass bei hohen Konzentrationen die bi dentaten Oberfl ächenkomp 1exe, die besonders gute Abgangsgruppen bi 1den, auf gebrochen werden. Dadurch könnte dappe 1t soviel Oxalat an eine Goethitob erfläche adsorbieren [Parfitt 77b]. Weil
aber damit die Konzentration der sehr viel besseren Abgangsgruppen
abnehmen würde, müsste auch die Auflösungsrate abnehmen. Wie Fig. 5.10
72
zeigt ist dies bei den durchgeführten Experimenten nicht der Fa 11 •
Möglicherweise braucht es dafür sehr viel höhere Oberflächenkonzentrationen.
0
0
E
.__, 2
)(
0
1
a::
2
4
6
8
10
12 · 10·12
F1g. 5.10: Darstellung der durch Sättigung der gUnstigen Abgangsgruppen verursachten konstanten Auflösungsrate. Die Kurve ist durch den
0-Punkt verschoben. (Exp. Nr. 7 bis 20)
5.1.2.4. Weitere Auflösungsliganden
Die im weiteren verwendeten anionischen Liganden wurden hauptsächlich
auf mögliche Inhibition hin ausgewählt. Hierfür schienen am ehesten
polymere Verbindungen geeignet zu sein, welche polynukleare Oberflächenkomplexe bilden können. Die in diesem Abschnitt beschriebenen
Auflösungsexperimente wurden nur stichprobenartig mit einigen wenigen
Versuchsansätzen untersucht.
Tripolyphosphat: Das trimere Phosphat scheint für die Inhibition besonders prädestiniert, da es sehr stabile Mehrzentren-Komplexe bilden
kann. Zudem erhöht sich, wie bei Oxalat, die Löslichkeit von Fe3+
durch die Bildung löslicher Eisentriphosphatkomplexe. Zu berücksichtigen gilt es, dass diese Verbindung bei pH 3 innert 30 Stunden zu etwa
10% zu Orthophosphat hydrolysiert (Zinder 84].
Die Experimente durchgeführt bei pH 3 und totalen Tripolyphosphatkon-
73
zentrationen von lQ-3 M, 5·10-4 M und lo-4 M ergaben eine anionionenkatalysiert e Auflösung. Die Zunahme der Eisenkonzentration in Lösung
mit der Zeit war eindeutig grösser als bei der protonenkat alysierten
Auflösung bei sonst gleichen Bedingungen. Die Beschleunigung war nur
unwesentlich über derjenigen, die durch das Hydrolyseprodukt Orthophosphat verursacht wird. Es muss angenommen werden, dass Triphosphat
keine absolute Inhibition, d.h. Blockierung der Oberfläche bewirkt,
sondern im Gegenteil die Auflösung katalysieren kann. Der katalytische
Effekt ist aber aus strukturelle n Gründen (keine bidentaten mononuklearen Oberflächenkomplexe) sehr klein und geht im Fehler der gemessenen
Auflösungsrate unter.
Ful vi nsäure: Wie Tri polyphosphat ist auch bei Ful vi nsäure keine Bildung günstiger Abgangsgruppen zu erwarten. .Die gemessene Auflösungsgeschwi ndi gkei t lag, innerhalb des Fehlers, in der Grössenordnung der
protonenka talysierten Auflösung.
Poly-Maleinsäure: Auch hier gilt prinzipiell das gleiche wie für alle
anderen hochmolekularen Verbindungen. Mit zunehmender Konzentr~tion
war auch hier wie bei Triphosphat eine grössere Auflösungsrate festzustellen. Möglicherweise ist das Hydrolyseprodukt, die Mono-Maleinsäure, für die klare Beschleunigung gegenüber der protonenkat alysierten
Auflösung verantwortl ich.
Brenztraubensäure: Diese Säure war eigentlich als Reduktionsm ittel
gedacht, ihr Reduziervermögen reichte aber nicht aus, um Goethit reduktiv aufzulösen. Oie Auflösungsexperimente von pH 3 bis 6 zeigten
die für a-FeOOH typische pH-abhängige nichtredukt ive Auflösung. Das
Anion wirkte leicht katalytisch auf die Auflösung,.
Sorbit: Diese Substanz sollte ein güter Inhibitor sein. In saurer
Lösung adsorbierte Sorbit aber nicht an Goethit, obwohl sehr grosse
Konzentrationen (0.1 M und 1 M) eingesetzt wurden. Oie beobachtete
Aufl ösungsgeschwi ndi gkei t war daher .einer rein protonenkat alysi erten
Auflösung gleich.
5.1.3. Die Reduktive Auflösung
Mit reduktiver Auflösung ist diejenige Auflösung gemeint, wo es durch
Reduktion eines Metallzentrums an der Oxidoberfläche zur Auflösung des
Festkörpers konmt. Dadurch, dass bei der reduktiven Ei sen(hydr )oxi d-
74
aufl ösung das ge 1öste Eisen als Fe (II) anfällt, wird die Lös 1i chkei t
erheblich erhöht. Damit ist es sehr viel einfacher, die Auflösung weit
vor dem Löslichkeitsgleichgewicht zu verfolgen. Die Experimente wurden
im Prinzip wie schon für die nichtreduktive Auflösung beschrieben
durchgeführt. Der Start der Reaktion wurde durch dje Reduktionsmittelzugabe festgesetzt. Das Fe(II) wurde vor nachträglicher O~idation
durch Sauerstoff geschützt, indem unter Stickstoff oder Argon gearbeitet wurde. Sowohl die Probenahme wie auch die Filtration wurde
unter Argon durchgeführt.
5.1.3.1. Ascorbinsäure als Reduktionsmittel
Die Wahl des Reduktionsmittels war vom Wunsch bestirrmt, eine Substanz
einzusetzen, die einem natürlichen Elektronendonator vergleichbar sein
soll. Es musste daher eine organische Verbindung sein, die möglichst
einfach aufgebaut ist und genügend reduzierend wirkt, um Eisen(III) an
einer Oxid- oder Hydroxidoberfläche zu reduzieren. Bei Testversuchen
stellte sich Ascorbinsäure als einzige einfach a_ufgebaute organische
Verbindung heraus, die diesen Anforderungen genügte. Andere Substanzen
wie z.B. Brenztraubensäure oder Oxalsäure wirken nicht genügend reduzierend. Sie können zwar die Reduktion von Fe(III) zu Fe(II) in Lösung
bewirken, nicht aber am Festkörper. Ascorbinsäure bildet mit Fe(III)
schwache Komplexe (K = lQl· 99 in Lösung [Smith 76]) und ihr Beitrag
zur nichtreduktiven anionenkatalysierten Auflösung wird kaum gross
sein. Das Elektron wird über Adsorption auf die Oberfläche gebracht
[Khan 67] und bei der kleinen Komplexbildungskonstanten kann man auch
von einer kleinen Gl ei chgewi chtskonzentrati on der Elektronen an der
Oberfläche ausgehen. Die Reaktion ist desh~lb gut zu verfolgen. Die
Elektronenkonzentration an der Oxidoberfläche, die über das Adsorptionsgleichgewicht von Ascorbinsäure kontrolliert ist, wurde innerhalb
der Messdauer als konstant angenommen, was aber nur bei Reduktionsmittelüberschuss zutrifft. Deshalb soJ l te während eines Versuchs nicht
mehr als 10% der Ascorbinsäure oxidiert werden. Da Ascorbinsäure bei
ihrer Oxidation 2 Elektronen ~bgibt, sollten also bei einer Anfangskonzentration von 10-3 MAscorbinsäure maximal 2·10-4 mole Eisen reduziert werden.
In Fig. 5.11 ist die Fe-Zunahme mit der Zeit bei der reduktiven Auflösung von Goethit mit Ascorbinsäure abgebi 1det. Die Zunahme des Ei-
75
sen(II) in Lösung ist gleich der Zunahme der totalen Eisenkonzentration. Dies allein ist noch kein genügender Beweis für die Reduktion
des Eisens an der Oberfläche. Es ist auch mögl i eh, dass Fe( III) erst
in Lösung reduziert wird. Wenn diese Reaktion sehr viel schneller als
die Auflösung selbst abläuft, d.h. innerhalb von einigen Minuten,
würde das gelöste Eisen bei der Analyse auch als Fe(II) gemessen werden. Ein sehr viel überzeugenderes Argument bietet die Auflösungsgeschwi ndi gkei t. Diese ist um rund zwei Zehnerpotenzen grösser als bei
der protonenkataly sierten Auflösung und 2.5 mal so gross wie die maximale Auflösungsgesch windigkeit d\e durch Oxalat katalysiert wird. Das
Ascorbat ist als Auflösungsligan d nicht wirksam und die oxidierte Form
ist aus strukturellen Gründen nicht zur Adsorption geeignet. Damit
lässt sich eine anionenkatalys ierte Auflösung durch Ascorbinsäure mit
anschliessender Reduktion .des Fe(III) in Lösung ausschliessen, denn in
diesem Falle wäre die Auflösungsrate gleich der protonenkataly sierten.
Die erhebliche Beschleunigung muss davon herrühren, dass im geschwindigkeitsbestimm enden Schritt jetzt ein Fe(II)-Zentrum anstelle eines
Fe(III)-Zentrum s aus dem Hydroxidverband gelöst wird. Aus der doppel-
4
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0
.
..-
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QJ
u.
3
2
1
1
2
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4
5
6
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8
.9
Ze'it [hJ
Fig. 5.11: Fe(II)- (<>), bzw. Fe(total}-Konzentration (o) in Lösung
bei der reduktiven Auflösung von Goethit.
Jg a-FeOOH/l = 60 m2/l, pH = 3.0, Ascorbinsäurekonz. = 10-3M.
76
1ogari thmi sehen Auftragung der Auflösungsrate gegen die Oberflächenprotoni erung (Fig 5.12) resultiert eine Steigung von drei. Es sind
also auch im reduktiven Auflösungsfall drei Protonierungsgleichgewichte der Ablösung vo~gelagert. Eigentlich würde man eher erwarten, dass
das dritte Proton das zum Ladungsausgleich benötigt wird, erst nach
der Ablösung an die Oberfläche gelangt.
j
1.6
·,: 7.4
-°' 1.2
0
1
7.0
5.4
5.6
Fig. 5.12: Ooppellogarithmische
Darstellung der reduktiven Auflösungsrate gegen die Oberflächenprotonierung zur Ermittlung der Reaktionsordnung. (Exp. Nr. 55 bis 58)
e
e
log RH = log kH + n 1og 9H;
n = 2.93; k~ =. 1.23·109 m4 mol-2h-l;.
r 2 = 0.97
5.8
-log 9H
5.1.3.2. Ascorbinsäure und zusätzlich anionische Liganden
Stone fand bei den Untersuchungen der Manganoxidauflösung, dass anionische Liganden die reduktive Auflösung inhibieren [Stone 83]. Obwohl
man bei der Betrachtung der Thermodynamik zu diesem Schluss kommen
könnte (s. 3.1.1., Fig. 3.4), spricht das hier vorgeschlagene kinetische Auflösungsmodell gegen die Inhibition. Genau wie bei der nichtreduktiven Auflösung die Protonierung ist bei der reduktiven die Elektronenkonzentration der Oberfläche unabhängig von der Konzentration
der adsorbierten Anionen. Darum darf die Aufl ösungsgeschwi ndi gkei t,
die über Oberflächengruppen kontrolliert ist, nicht durch Komplexie-
77
rung anderer Zentren verring ert werden. Die Rate R~ darf durch anionische l i ganden nicht beeinflu sst werden. So 11 te dies doch der Fa 11
sein, müsste das vorgeschlagene Auflösungsmodell neu überprüft werden.
Aus diesem Grund wurden reduktive Auflösungen mit zusätzlichen anionischen Liganden untersucht. Oxalat wurde ausgewählt, weil dieses Säureanion schon als Auflösungskatalysator ohne Reduktion gut bekannt war.
In Fig. 5.13 sind die reduktiven Auflösungskurven von Goethit mit verschiedenen Oxalatoberflächenkonzentrationen abgebildet. Als Vergleich
dient die Auflösung ohne zusätzliche Anionenadsorption unter sonst
gleichen Bedingungen. Es zeigt sich eine deutliche Beschleunigung. (bis
zu efoer Zehnerpotenz) der Aufl ösungsgeschwi ndi gkei t bei Anwesenheit
von Oxalat. Diese grosse Geschwi ndi gkei tszunahme kann nicht mit der
durch Oxalat allein katalysi erten Auflösung erklärt werden. Diese wäre
bei Sättigung der Abgangsgruppen mit Oxalat mehr als zehnmal kleiner.
Da die Reduzierbarkeit eines mit Oxalat komplexierten Metallzentrums
kleiner ist als die eines mit Wasser komplexierten Zentru~s, ist dieses Verhalten erneut ein Beweis für die Geschwindigkeitskontrolle der
l:
1.5
- 1.0
4
C>
.....
QI
u..
...... 0.5
1
2
3
4
5
Zeit [ hJ
6
1
8
9
Fig. 5.13: Auflösungskurven von «-FeOOH (3g/l = 6()n 2/1) bei pH 4 in
Anwesenheit von 10- 3MAscorbinsäure und bei verschiedenen Oxalatkonzentratio nen. (o) eox = 3.3·10-6 mol/m 2 (Exp. Nr. 59),
(6) 1.87·10-6 mol/m2 (Exp. Nr. 60), (<>) 9.3·10-1 mol/m2 (Exp. Nr. 61),
und (o) ohne Oxalat (Exp. Nr. 58).
78
Gesamtreaktion durch den Ablösevorgang. Oxalat bildet offensi chtl i eh
wie bei der nichtreduktiven Auflösung eine bessere Abgangsgruppe als
ein protoniertes Eisenzentrum. Da die Elektronen delokalisiert an der
Oberfläche sind, ist es nur eine Frage der Wahrscheinlichkeit, dass
auch ein mit Oxalat komplexiertes Eisenzentrum reduziert werden kann.
Da ein reduziertes, mit Oxalat komplexiertes Zentrum eine verhältnismässi g sehr gute Abgangsgruppe bildet, muss die Aufl ösungsgeschwi ndi gkei t beschleunigt werden. Die lineare Korrelation (Fig. 5.14) der
Auflösungsraten gegen das Produkt 0H0Qx zeigt, dass die oxalatkatalysierte reduktive Auflösungsrate von Goethit mit der Formel
( 5. 7)
beschrieben werden kann. Diese Formel entspricht der Formel (4.31) des
allgemeinen Falls bei konstanter Elektronenkonzentration an der Oberfläche. Die aus der Messung erhaltene Geschwindigkeitskonstante ist
4
,.........
.c:.
-2
N
E
3
.........
....C> 2
..-
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0::
+
1
•:C
0::
Fig. 5.14: Darstellung der gemessenen Auflösungsraten gegen Produkt
aus Oberflächenprotonierung und Oxalatbedeckung. Die Steigung der
Geraden ist die Geschwindigkeitskonstante der durch Oxalat verursachten Auflösungsbeschleunigung (Exp. Nr. 58 bis 61).
(k = kox + kÖx> + kÖx = 3.77·10~ m2 mo1-1h-l Der Achsenabschnitt R0 entspricht der Rate R~.
79
das Produkt aus k4 t dt gt ~- 1 und ee (s. Abschnitt 4.1.3.2.) . Das
Resultat bestätigt die Unabhängigkeit der komp l exi erteri Eisenzentren
von der Elektrone nkonzentr ation an der Oberfläche. Die Fraget ob die
Oberfläche durch adsorbier te li ganden vor Reduktion geschützt werden
kann 9 muss im Falle von Eisenoxiden eindeutig mit. nein beantwort et
werden.
Ein gleiches Verhalten wie mit Oxalat sollte auch mit Phosphat zu
finden sein. Sieht man sich allerding s das Löslichke itsproduk t von
Vivianit (Fe 3 (P0 4 ) 2 (H 20)) an (Kso = 10- 36 [Smith 76]lt muss befürchtet werdent dass es bei der reduktiven Auflösung von Goethit in
Anwesenheit von Phosphat zu einer inkongruenten Auflösung kommt. Bei
Fe(II)-Ko nzentratio nen der Grössenordnung von 10-4 M ist kaum eine
kongruente Auflösung zu erwarten. Die durchgeführten Experimente
scheinen dies zu bestätige n. Aus den Messungen sind daher nur qualitative Aussagen möglich. Es ist immerhin bemerkenswert 9 dass nicht eine
der Auflösungsraten unter der entsprechenden reduktiven Auflösungsrate
10
0
8
...
---~o--
~
0
_,„
°'
~
QI
u..
0
6
4
2
2
6
8
10
20
1
30
)
Zeit [ hJ
Fig. 5.15: Reduktive Auflösungskurve von FeOOH(am) (1.9 g/l = 950m 2/l)
mit 10-3M Ascorbinsäure. (o) Ohne Phosphat, ~ = lh 45';
(o) 0p = 5.44·10-1 mol/m2, ~~ = lh. Die Ascorbinsäure wird im
laufe des Experiments aufgebraucht.
80
ohne Phosphat liegt. Raten, welche die reduktive Auflösung um das
Doppelte übersteigen, wurden dagegen gemessen. Es ist im Prinzip auch
mit Phosphat eine analoge Auflösungsbeschleunigung zu vermuten, wie
~ie mit Oxalat deutlich gezeigt werden konnte.
Auflösungsexperimente von FeOOH(am) lassen auch auf eine beschleunigende Wirkung des Phosphats schliessen (Fig. 5.15). Die Auflösungen
konnten a11 erdi ngs nicht fern vom Gl ei chgewi cht verf o1gt werden, da
die Reaktion viel zu schnell ist. Die Auflösung von amorphem Ferrihydri t wurde desha 1b bis zum Lös 1i chkei tsgl ei chgewi cht beobachtet. Die
Ascorbinsäure wurde bei diesem Experiment bis zu 50% aufgebraucht.
[Fe1rns.
2.0
l:
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0
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1.5
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8
R~
10
Zeit l h 1
Fig. 5.16: Inkongruente reduktive Auflösung von 3g ~-FeOOH/l plus lg
FePO /1 in O.lM NaNO 3 bei pH 4.0. (0°) Eisenkonzentration in USsung,
(o) Phosphatkonzentration in Lösung. Die gestrichelte Linie ist die
Differenz der beiden Lösungskonzentrationen. Zum Vergleich ist die
reduktive Auflösungsrate von Goethit ohne zusätzliche Liganden eingezeichnet. Reduktionsmittel 10-3M Ascorbinsäure.
„
81
Die Halbwertszeiten der Auflösungen, mit und ohne Phosphat als Ligand
unterscrreiden sich deutlich . Es ist daher von einer Auflösungsbeschleunigung durch Phosphat auszugehen.
Noch deutlich er kann der beschleunigende Effekt bei inkongruenten
reduktiven Auflösungsexperimenten von FeOOH und Eisen(II I)-Phosp hat
beobachtet werden. In Fig. 5.16 ist eine solche Auflösungskurve aufgezeichne t. Die Zunahme der freien Eisenkonzentration mit der Zeit ist
hier mehr als 10 mal grösser als bei der kongruenten Goethitauflösung.
Aus dem Experiment ist zwar nicht zu entnehmen, ob sich die FeP0 -Pha4
se so schnel 1 auflöst und das dadurch freiwerdende Phosphat sogl ei eh
am Goethit adsorbi ert oder ob die totale Auflösung sich aus· den Einzelauflösungen von Goethit und FeP0 zusanwnensetzt. Im zweiten Fall
4
wäre die Differenz zwischen Fe- und P0 -Konzentration die Auflösungs4
rate des Goethits . Was sicher aus diesem Experiment folgt ist, dass
Phosphat am Ab 1ösungszentrum enorm bes eh 1euni gend auf die Auflösung
wirkt. Dies stinwnt für die erst und zweit genannte Möglichkeit der
inkogruenten Auflösung und natürlic h auch für das simultane Vorkommen
beider Möglichkeiten.
Die allgemeine Aussage dieses Abschnitts kann wie folgt zusammengefasst werden. Anionisch komplexierte Eisengruppen an einer Oxidoberfl äche beschleunigen die reduktive Auflösung, auch wenn diese Zentren
thermodynamisch schlech t reduzier bar sind. Dies kann als weitere r
Beweis dafür angesehen werden, dass die Ab 1ösung eines Metalls von der
Oberfläche der geschwindigkeitsbestinmende Schritt der Auflösungsreaktion ist.
5.1.J.3. Die Goethitauflösung in Anwesenheit von Belebtschlamm
Es stellt sich nun die Frage, ob das vorgest ellte Auflösungsmodell auf
ein Sediment-Porenwassersystem und damit auf die Phosphatrücklösung
übertrag bar ist, ob in einem natürlic hen System auch eine klare Unterscheidung zwischen reduktiv er und nichtred uktiver Auflösung, rein
durch den Unterschied der Geschwi ndi gkei t, gemacht werden kann. Die
bei der Entwicklung des Modells verwendeten Substanzen, wie Oxalat und
Ascorbinsäure, sind in einem Tiefenwasser nicht, oder höchstens in
sehr kleinen Konzentrationen, vorhanden. Reduktionsmittel wie Schwefelwass erstoff, Methan oder Wasserstoffgas treten in sehr anaerobem
Tiefenwasser erst auf, wenn die Eisenoxidredu~tion schon stattgefu nden
82
hat. Die reduktive Phosphatrückl ösung braucht eine Elektronenquelle.
Das in der Biomasse vorhandene Material stellt das Reduktionsmittel
(Elektronenkomplex), das langsam das pe: der Lösung absenkt. Wie die
thermodynamische Redoxsequenz, die in Kap. 3 (Fig. 3.2) erläutert
wurde zeigt, wird dieses Potenti a1 nach Durchschreiten einer 1angen
Reihe erreicht.
Um die.Reduktion bei naturnahen Bedingungen zu zeigen wurde die Auflösung von Goethit in Anwesenheit von Belebtschlamm untersucht. Die
Reaktion wurde unter aeroben und anaeroben Bedingungen verfolgt.
Zu 100 ml einer, wie früher beschrieben vorbereiteten, Goethit-Suspension wurde (zur Zeit t = 0) 1 ml Belebtschl amm und je nachdem eine
bestimmte Menge Phosphat zugegeben. In dem zugegebenen Bel ebtschl amm
sind genügend organi sehe Säuren vorhanden, um mit dem Eisen (III) lös1i che Komplexe zu bilden und damit ein Ausfallen von FeOOH(am) zu
verhindern. Die Ansätze, die anaerob laufen sollten, wurden nach der
Belebtschlammzugabe mit Stickstoff ausgeblasen und in Penicillingläsern luftdicht verschlossen. Die Probenahme erfolgte mit einer von
Stickstoff durchblasenen Spritze durch den freien Teil der Gummikappe,
womit jeglicher Luftkontakt ausgeschlossen war. Die Filtration erfolgte unter Argon.
In Fig. 5.17 sind drei Auflösungskurven, verfolgt über 600 Stunden,
abgebildet. Die unterste Kurve, welche über die ganze Zeit linear verläuft, stellt das aerobe Vergleichsexperiment dar. Die beiden anderen
abgebi 1deten Kurven wurden unter anaeroben Bedingungen gemessen. Die
Geschwindigkeit der aeroben Auflösung ist in der Grössenordnung der
Gesamtauflösung mit Fulvinsäure, also einer protonenkatalysierten plus
einer anionenkatalysierten Auflösung mit einem sehr wenig aktiven Auflösungsliganden. Bei den unter anaeroben Bedingungen untersuchten
Auflösungen ist die plötzlich auftretende Zunahme der Geschwindigkeit
auffallend. Die gemessenen Auflösungsraten während der ersten 300
Stunden unterscheiden sich kaum von der aerob gemessenen Rate, wobei
die Auflösung mit Phosphat etwas schneller ist als diejenige ohne
Phosphat. Nach 300 Stunden steigt die Auflösungsgeschwindigkeit um das
Fünf- bis Sechsfache. Da davon ausgegangen werden kann, dass nicht
plötzlich grosse Konzentrationen von auflösungsaktiven Liganden freiwerden, muss die Beschleunigung mit dem Beginn einer reduktiven Auflö-
83
sung erklärt werden. Oie Tatsache, dass die anaerobe Auflösung über
einen beträchtlichen Zeitraum wie die aerobe verläuft zeigt das langsame Absinken des Redoxpotentials. Erst bei Erreichen des entsprechenden PE-Wertes kann die Eisenreduktion einsetzen.
Der Mechanismus kann, im gezeigten Fall der Goethitauflösung in Anwesenheit von Belebtschla11111, mit dem vorgeschlagenen Modell für die
reduktive Auflösung beschrieben werden. Das biologische Material
bringt, analog dem adsorbierten Reduktionsmittel, die Elektronen an
die Oxidoberfläche, von der sich dann ein reduziertes Eisenzentrum
ablöst. Der geschwindigkeitsbestimmende Schritt der Reaktion ist die
' 3
l::
b..... 2
100
200
300
400
Zeit l h J
500
600
Fig. 5.17: Goethitauflösung in Anwesenheit von Belebtschlalllm (3g/1
:: 60m2/1, pH 3). (<>) Im Gleichgewicht mit der Lu.ft durchgeführt, ep
= 4.3·10-1 mol/m2, die konstante Auflösungsrate Rr beträgt
2:1a·10-9 mol m-2h-1; (o) unter Luftabschluss ohne Phosphat, die
reduktive Auflösungsrate (Regression ab 300 Stunden)
Rr = 9.84·10-9 mol m-2h-l; (o) unter Luftabschluss,
0p = 8.7·10-7 mol -m-2h-1, Rr = 1.33·10-a mol m-2h-1.
84
Ablösung des Fe(II). Diese Aussage bestätigen auch die Experimente mit
zusätzlich zugegebenem Phosphat, wo die Rate signifikant grösser ist
als ohne Phosphat, was auf die Bildung besserer Abgangsgruppen zurückzuführen ist. Eine Quantifizierung ·der Beschleunigung durch adsorbiertes Phosphat ist mit den durchgeführten Versuchen nicht mögl i eh, da
das Phosphat sowohl von der Biomasse konsumiert wird als auch an ihr
adsorbiert, weshalb die Phosphatkonzentration an der Goethitoberfläche
nicht bestimmt werden konnte.
\
5.2. Andere - im Zusammenhang mit der Phosphatrücklösung stehende Probleme
5.2.1. Kann das im Sediment an Eisen(llI) gebundene Phosphat
analytisch erfasst werden
Um festzustellen, wie Phosphat im Sediment gebunden vorliegt und welcher Anteil davon zur Rücklösung prädestiniert ist, müssen Sedimentbohrkerne daraufhin·untersucht werden. Am schönsten wäre es, wenn phys i ka 1i sehe Fes tkörperuntersuchungsmethoden angewandt werden könnten.
Leider eignen sich solche Methoden vorwiegend zur Identifikation kristalliner Phasen, die in Sedimenten wenig oder gar nicht vorhanden
sind. Aus diesem Grund werden zur Spezi ierung von Phosphat in Sedimenten nasschemi sehe Verfahren bei gezogen, die unter der al 1gemeinen
Bezeichnung Extraktionsverfahren bekannt sind. Prinzipiell kann man
diese Extraktionen in drei chemische Reaktionsklassen unterteilen. Die
unterschiedliche Löslichkeit der vorhandenen Festkörper ist das am
häufigsten ausgenutzte Prinzip. Ausserdem werden Ligandenaustausch und
Reduktionsreaktionen und natürlich Kombinationen der drei chemischen
Reaktionsarten verwendet.
Chang und Jackson haben das erste bekanntgewordene sequentielle Extraktionsverfahren ausgearbeitet. Nach dieser Methode soll an Aluminium gebundenes Phosphat mit einer NH~F-Lösung, das an Eisen gebundene
mit NaOH und das an Calcium gebundene mit HCl extrahierbar sein. Diesen drei , die verschiedenen Lös l i chkei ten ausnutzenden Extraktionsstufen, wird ein CDB-Aufschluss mit Citrat-Dithionit-Bicarbonat-Lösung
angeschlossen, wo das reduktiv lösliche Eisenphosphat erfasst werden
soll [Chang 57). Bei dieser Behandltmg ist die anschliessende Phosphatanalytik sehr beschwerlich, d.h. von starken Störungen beeinträch-
85
tigt [Boström 82). Die sequentielle Extraktion nach Chang und Jackson
wurde von vielen Leuten angewandt, getestet und kritisiert. Die Zuordnung ist bei diskret vorhandenen mi nera l i sehen Formen wie Vari seit
(AlP0 4 ), Strengit (FeP0 4 ) und Apatit (Ca (P0 ) (0H) ) eventuell mög10
4 6
2
lich. In Sedimenten, wo andere Phosphatformen vorherrschen, ist diese
einfache Unterscheidung schwierig. So soll der NH F-Extraktionsschritt
4
50 - 75% des an Fe gebundenen Phosphats miterfassen [Bromfi el d 67].
Zusätzlich kann es bei calciumreichen Sedimenten zur Bildung von CaF
2
kommen, woran das freiwerdende Phosphat dann adsorbiert. Im HCl-Extraktionssc hritt wird dieses Phosphat später als an Calcium gebunden
erfasst (Williams 71]. Ein anderes mögliches Problem bei der sequentiellen Extraktion ist, dass bei eisenreichen Sedimenten während den
NH 4 F- und NaOH-Aufschlüssen neue Eisenphosphatphasen gebildet werden,
die dann ihrerseits bei der folgenden CDB-Extrakti on erfasst werden
[Prentki 80]. Wegen der vielen kritisierten Punkte wurde das Verfahren
von Chan9 und Jackson von anderen Autoren als unbrauchbar fallengelas sen und es wurden neue Methoden ausgearbeitet. Die meisten in der
Folge aufgekommenen Spezi i erungsverfahren beruhen auf den Grundlagen
des "Chang und Jackson-Systems" und sind Abwandlungen dieses Verfahrens. Es würde zu weit führen hier auf alle Mehrstufenextraktionen
einzugehen. Eine Studie von van Eck hat acht der verbreitetst en Methoden miteinander verglichen und fand keinerlei Uebereinstimmung in der
1nterpretatio n der Daten. Trotzdem empfi eh 1t der Autor der Studie
eines der getesteten Verfahren als Routineanalyse [van Eck 82]. Diese
Extraktion bzw. eine Abwandlung davon habe ich genauer untersucht.
Im Extrakt befind~t sich das an X gebundene Phosphat, wenn 5g des
Sediments wie folgt behandelt werden (Hieltjes 80, Furumai 82]:
a) Das austauschbare (gegen c1-) und das an Carbonat gebundene Phosphat. 2 mal 30 Minuten in 1 M (oder 0.5 M) NH Cl-Lösung extrahie4
ren.
b) Das an Eisen und an Alumini um gebundene Phosphat. 16 Stunden in
0.1 M (oder 1 M) NaOH extrahieren.
c) Das an Calcium gebundene Phosphat. 24 Stunden Extraktion in 0.5 M
(oder 1 M) HCl.
Die Durchführung die~er Methode an einer Sedimentprobe ergab vernünftige Phosphatwerte der einzelnen Fraktionen. Die Konzentrationen sind
86
- entsprechend der Vorschrift interpretiert - im Rahmen des zu erwartenden ausgefallen. Die Fraktionen enthielten: a) 5.92 · 10-3 mg P/g TS
= ( 1% des totalen Phosphors, b) 0.594 mg P/g TS = 77% und c) 0.169 mg
P/g TS = 22%. Das Gesamtphosphat wurde mit H2S0 4 aufgeschlossen. 300mg
des Sediments werden in 5 ml H2 S0 4 aufgenommen. Dann werden 0.5 ml
H2 02 dazugegeben und das ganze während 2 Stunden auf 175°C und während
weiteren 2 Stunden auf 280°C erhitzt. Trotz der vertretbaren Ergebnisse sollte die angewandte Methode an ausgesuchten Modellsubstanzen
ausprobiert werden. Es wurde Fe{II)-P0 4 , Fe{III}-P0 4 , AlP0 4 ,
Ca 3{P0 4 ) 2 und an Goethit adsorbiertes Phosphat getestet.
Oie in Tab. 5.1 gezeigten Resultate der durchgeführten Extraktion an
Modellsubstanzen waren sehr ernüchternd. Dass sich ein feinteiliges
Ca 3{P0 4 ) 2 auch in einer Ammoniumchloridlösung auflöst, ist das am
wenigsten störende Ergebnis. Viel schwerwiegender sind die auftretenTab. 5.1: Resultate der Extraktionen mit Modellsubstanzen
Substanz
Fe 3{P0 4 ) 2
FeP0 4
Ca 3{P0 4 ) 2
>Fe-P0 4
Extr.Zeit
[h]
NH 4Cl
1
16
24
25% gelöst
1
16
24
0.04%
1
16
24
löst sich
1
16
24
neues GG
II
Extraktionsmittel
Na OH
P wird frei
Fe 304
HCl
gelöst
P wird frei
FeOOH
gelöst
unlöslich
gelöst
P desorbiert
neues GG
87
den Phasenumwandlungen im Na OH Extrak tionssch ri tt. Die inkongruenten
Auflösungen sind bei der Phosphatextraktion des Sediments umso schlimmer, weil sie - im Gegensatz zum Modellversuch - nicht unbedingt erkannt werden. Mit den Erkenntnissen aus den Testversuchen wird es
immer fragwürdiger, Daten aus Sedimentextraktionen nach Vorschr ift zu
interpre tieren. Zu dieser Feststel lung kommt auch Boström in einer
Literatu rübersic ht, indem er bemerkt; dass in vielen Fällen Extrakti onsschemen ohne die nötige kri ti sehe Distanz zur Anwendung kommen
[ Boström 82].
Extrakti onsverfa hren dieser Art sind als Ro~tinemethoden nicht empfehlenswer t. Ich habe gut 20 Vorschr iften der sequent iellen Extraktion
gefunden (es dürfte bedeutend mehr geben), die alle Variationen .des
gleichen Prinzips beinhalt en und nicht voll überzeugen können. Die
grosse Anzahl der Methode.n beweist einerse its schon ihre Unzulänglich-.
0
10
...... 20
E
u
........
.!! 30
QI
t=
40
so
1.5
2.0
2.5
3.0
[ PJ -10- 5 mol/g TS·
1.4
1.6
1.8 .2.0
[ Fe 1·10- 4 11tol/g TS
Fig. 5.18: Tiefenprofil eines Sedimentbohrkerns des Urnersees.
(o) Totale Phosphatkonzentration (H S0 -Aufschluss), (o) mit Oxalat
2 4
extrahier tes Phosphat, (.c.) mit Oxalat extrahier tes Eisen.
88
keiten. Anderseits sind sie untereinander nicht vergleichbar. Man
könnte allenfalls noch von durch irgendein Verfahren extrahierbares
Phosphat sprechen. Oi eser Aussage eine Zuordnung bezügl i eh Art der
Phosphatbindung zuzugestehen ist zweifelhaft, da bei Sedimentextraktionen alle möglichen Phasenumwandlungen, Neubildungen und damit zusätzliche Adsorbentien für Phosphat auftreten können.
Ein anderes Prinzip, Phosphat im Sediment zu klassifizieren, ist die
Oxalatextraktion nach Schwertmann. 1 bis 5g der abzentrifugierten
Sedimentprobe werden während zwei Stunden in 100 ml eines Gemisches
aus 0.2 M Ammoniumoxalat und 0.2 M Oxalsäure, pH 3 geschüttelt. Danach
wird die Suspension filtriert und das gelöste Eisen bzw. Phosphat
analysiert. Die konventionelle, colorimetrische Phosphatmessung wird
durch Oxalat verunmöglicht, sodass letzteres zuerst zerstört werden
muss (s. 5.3 .• ). Das auf diese Weise erfasste Phosphat ist derjenige
Anteil, wel eher im Sediment an röntgenamorphes FeOOH gebunden w_ar
[Schwertmann 64 ]. Die Oxalatextraktion nutzt kinetische Effekte der
Auflösung verschiedenkristalliner Eisenoxide aus. In Abschnitt
5.1.2.1. ist die Kinetik der Eisenoxidauflösung ausführlich diskutiert. Bei der Anwendung auf Sedimentproben muss darauf geachtet wer\
1.9
Fig. 5.19: Molare, mit Oxalat extrahierte Phosphorkonzentration gegen die entsprechende Eisenkonzentration. Die Werte sta111nen von
einem Sedimentstich des Urnersees. Die Extraktion
wurde an Proben verschiedener Tiefe durchgeführt.
Das Fe:P-Verhältnis beträgt
im Mittel 9:1.
Vl
ICI
~1.7
E
.
i.n
b.....
,......
0..
..........
1.5
1.3
1.2
1.4
1.6
[Fe 1·10'"4 mol/g TS
89
den, dass kristalline und amorphe Fe-Verbindungen ineinander übergehen. liegen z.B. sehr~ fein kristalline bzw. sehr kurz gealterte
a-FeOOH- oder y-FeOOH-Partikel vor, so werden diese durch Oxalat zum
Teil aufgelöst. Bei einem Test mit nur kurze Zeit gealtertem, aber
eindeutig identifizierbare m Lepitokrokit war nach 2 Stunden Extraktionszeit 60'.t des Hydroxideisens in Lösung. Wird das zur Rücklösung
zur Verfügung stehende Phosphat dem oxalatextrahier baren gleichgesetzt, muss der Kristallisation sgrad berücksichtigt werden. Um zu
sehen, ob das durch Oxal atextrakti on freiwerdende Phosphat mit dem
Eisen in Beziehung zu setzen ist, wurde ein Bohrkern des Urnersees
untersucht. In Fig. 5.18 ist das Tiefenprofil von mit Oxalat extrahiertem Phosphor bzw. Eisen und dem totalen Phosphor (H S0 ~Auf­
2 4
schl uss} aufgetragen. In den oberen Zentimetern, besonders aber in
lOcm Tiefe, gibt es offenbar keine Uebereinstimmung mit der Eisenkonzentration, dagegen mit der Gesamtphosphatkonzentration. Dies 1ässt
vermuten, dass unter Umständen auch andere als an Eisen gebundene
Phosphate erfasst wurden. Im unteren Tei 1 des Bohrkerns, besonders
deutl i eh bei 30 cm, ist der Verlauf der P-Kurve deutl i eh mit dem der
Fe-Kurve vergleichbar. In Fig. 5.19 sind die molaren Konzentrationen
von Phosphor gegen diejenigen von Eisen aufgetragen~ Das Fe:P Verhältnis beträgt im Mittel 9:1, die Korrelation ist, wie zu erwarten war,
ziehmlich schlecht. Es scheint möglich, dass durch die Oxalatextraktion auch andere, als an amorphe Eisenoxidhydroxide adsorbierte Phosphate erfasst werden. Trotzdem ist dieses Verfahren, in gewissen Grenzen und bei kritischer Anwendung, eine Möglichkeit, Zuordnungen zwischen Eisen und Phosphor vorzunehmen.
Eine von Krom und Berner vorgeschlagene Methode, die Unterschiede zwischen Phosphat in aeroben und anaeroben Sedimenten festzustellen, ist
die Behandlung einer Sedimentprobe mit Schwefelwasserstoff. Mit diesem
Verfahren soll das bei der reduktiven P-Rücklösung freiwerdende Phosphat ·erfasst weden. Die bei der einstündigen H S-Extraktion einer
2
oxisch~n Sedimentzone analysierten Menge Phosphat entsprach genau der
Menge, welche in der anoxischen Sedimentzone weniger ·vorhanden war
[Krom 81].
Oie Schwefelwasserstoffextraktion wurde von mir ausprobiert und folgendermassen durchgeführt. Eine Sediment oder Modellsubstanz wurde in
90
einem Carbonatpuffer (pH 7.5, 5·10- 3 M NaHC0 3 und p(C0 2 ) = 0.01 atm)
aufgeschlämmt. Durch diese Suspension wurde während einer Stunde H2SGas durchgeblasen. Das pH der Suspension musste kontrolliert und gegebenenfalls durch NaOH-Zugabe korrigiert werden. Nach einer Stunde wurde die Probe filtriert und das Filtrat analysiert. Die colorimetrische
Analyse von Phosphat wird durch H2S gestört, sodass es zuerst aus der
Lösung entfernt werden muss (s. 5.3.). Bei der Anwendung auf Sedimentproben ist eine P-Analytik mit Mo-Blau oft nicht mehr durchführbar,
weil die Störungen durch die vielen sich in Lösung befindlichen Ionen
zu gross sind. Tests der H2S-Extraktion an Modellsubstanzen wie
Fe 3 (P0 4 ) 2, FeP0 4 , Ca 3 (P0 4 ) 2 und Al 20 3 mit an Eisenhydroxidüberzüge
adsorbiertem Phosphat führten zu den folgenden Erkenntnissen. In Gegenwart von überschüssigem Hs- werden sowohl dreiwertige wie auch
zweiwertige Eisenphosphate gelöst oder kolloidal dispergiert. Wahrscheiniich kann das 52--Ion als starker Ligand das Fe(II) komplexie-
3
2
...2:
C>
,....
1
0
0..
<J
1.0
1.5
Fe (II)- Zugabe
2.0 1(1'3 M
... 1
Fig. 5.20: Phosphatfreisetzung bei der Behandlung mit H2S-Gas. Eine
Al 20 3 -Suspension mit unterschiedlichen Konzentrationen von EisenhydroxidüberzUgen und adsorbiertem Phosphat wurde während einer Stunde
in einem Bicarbonatpuffer mit Schwefelwasserstoff behandelt. Die
Ei senhydroxi doberfläche ist der anfänglich zugegebenen Ei sen(I 1)-Menge
proportional.
91
ren. Versuche mit Eisenhydroxidüberzügen auf Aluminiumoxid sollten die
Ei senphosphatbi ndung im Sediment möglichst naturähnl i eh repräsenti eren. Al 2 03 stellt hierbei das anorganische Sedimentmaterial dar, das
von dünnen Fe-Oxidschichten überzogen ist. Dazu wurde eine Aluminiumoxidsuspension (2g/l) in einem Bicarbonatpuffer (pH 7.5) gerührt. Dann
wurde langsam eine Fe(II)-Lösung zutitriert. Nach 24h war das Aluminiumoxid von sichtbaren bräunlichen Ueberzügen (FeOOH(am)) umgeben. Zu
lOOml dieser Suspension wurde lml 10-1 M H Po~- gegeben und das ganze
2
ins Gleichgewicht gebracht (24h gerührt), bevor reduziert wurde. Das
Ergebnis dieser Versuche ist in Fi~. 5.20 dargestellt . Das durch H S
2
freiwerdende Phosphat ist proportional der anfänglich zugegebenen
Fe(II)-Konzentration, also der Konzentration der Oberflächen gebildet
durch die FeOOH-Ueberzüge. Daraus folgt, dass tatsächlich das Phosphat
erfasst wird, welches an die Ferrihydride adsorbiert ist. Bei kleinen
Fe-Konzentrationen oder bei der Vergleichsprobe mit reiner Al 0 -Sus2 3
pension ist eine negative Desorption festzustelle n (der Achsenabschnitt der Geraden ist negativ). Dieses Verhalten zeigt, dass das
Al 2 03 mit H2 S bzw. mit Phosphat r.eagiert. Es bilden sich neue Phosphatphasen in Konkurenz zur durch Reduktion von FeOOH verursachten
Desorption des Phosphats. Ein schon angesprochenes Problem ist die
stark komplexierende Wirkung von Sulfidionen. Sie können nicht nur
Eisen(II)-Phosphate sehr effektiv auflösen, sondern auch bei Calciumphosphaten bilden sich neue Ca-Phasen, wenn während der Extraktion das
pH der Lösung kurzzeitig_ zu tief wird.
Allgemein ist zu sagen, dass reduktive Extraktionen grössere Chancen
bieten, an Fe(I~I) gebundenes Phosphat quantitativ zu erfassen. Leider
wird bei all diesen Methoden die Phosphatanalytik, besonders bei der
Anwendung auf Sedimentproben, ein grosses Problem. Wenn eine Speziierungsmethode angewendet werden soll, ist es auf jeden Fall wichtig,
nicht zu hohe Ansprüche bezügl i eh Untersehei dung mehrerer P-Phasen zu
stellen. Am vielversprechendsten ist meiner Ansicht die Methode, welche möglichst naturgetreu den Vorgang simuliert, bei welchem Phosphat
auch in der Natur in Lösung gelangt. Bei der reduktiven Phosphat-Rücklösung wäre hier am ehesten ein reduktives Verfahren angezeigt. Man
könnte beispielsweise die reduktive Rücklösungssimulation mit Belebtschlamm versuchen. Die Durchführung könnte ich mir analog den reduktiven Auflösungsexperimenten in Abschnit 5.1.3.3. vorstellen. Der
92
zeitliche Aufwand pro Probe würde allerdings um ein mehrfaches ansteigen, sodass sich dieses Verfahren nicht unbedi.ngt als Routinemethode
aufdrängt.
5.2.2. Ligandenaustausch an Goethit
Oie Möglichkeit der Phosphatrücklösung durch Ligandenaustausch ist in
Abschnitt 3.2.3. diskutiert. Wie dort in Fig. 3.5 gezeigt wurde, bilden Phosphate im Vergleich zu den organischen Liganden sowohl an FeOOH
wie auch an Al 2 0 3-0berfläche stabilere Komplexe. Fulvinsäuren werden
z.B. an Goethitoberflächen gegen Phosphate ausgetauscht (Tipping 81].
Ligandenaustauschprozesse sind wie Adsorptions- und Oesorptionsvorgänge im allgemeinen sehr schnelle Reaktionen.
Um die Richtigkei.t dieser Aussage zu überprüfen, wurden Ligandenaustauschreaktionen an Goethitoberflächen untersucht. Als organische
Liganden wurden Salicyl~, Citronen- und Oxalsäure eingesetzt.
Eine Goethitsuspension wurde mit einer der genannten organischen Säu-
:I:
---
5
5
...... 4
C>
4
CU
d
>u
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Jf
-.....
0
II)
II)
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d
.s:::.
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II)
0
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1
1
0
10
20
1
0
10
20
Q..
~
Zeit [ h1
Fig. 5.21: Ligandenaustauschreaktion an a-FeOOH von Salicylat (o)
gegen Phosphat(<>) bei pH 4.• 5·10-4M Salicylat werden mit Goethit 20h
ins Gleichgewicht gebracht, dann wird 5·10-4M Phosphat zugegeben
(zweiter Nullpunkt der Zeitachse).
93
ren 20 Stunden ins Gl ei chgewi cht gebracht. Nach dieser Zeit war ein
Teil, entsprechend der Oberfl ächenkomp l exbi l dungskonstanten, am Goethit adsorbiert. Nun wurde Phosphat zu den Versuchsansätzen gegeben.
Wie Fig. 5.21 zeigt, desorbiert der anionische Ligand innerhalb einer
Stunde praktisch völlig, wogegen das zugegebene Phosphat adsorbi ert.
In den folgenden"Stunden blieb die Säurekonzentration in Lösung konstant, während die Phosphatkonzentration weiterhin leicht abnahm. Dieses Phänomen wurde schon beschrieben und weist auf eine neue Phosphatphasenbildung auf der Oberfläche des Goethits hin. Die Experimente mit
Salicylsäure/Phosphat und Citronensäure/Phosphat wurden mit verschiedenen Konzentrationen durchgeführt. Dabei stellte sich heraus, dass
eindeutig ein Li gandenaustausch zugunsten von Phosphat stattfin det,
selbst wenn die Phosphatkonzentration 100 mal kleiner war als diejenige der organi sehen Säure. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Phosphat an Goethit um mehrere Zehnerpotenzen stabiler e Oberflächenkomplexe bildet als die meisten anionischen Liganden (s. Fig. 3.5). Wurde
die Reihenfolge der·Ligandenzugabe umgedreht, d.h. zuerst Phosphat mit
a-FeOOH ins Gleichgewicht gebracht und dann eine organische Säure
zugegeben, so konnte im zweiten Teil des Experiments erwartungsgemäss
'
t
keine Veränderung der freien Konzentrationen gemessen werden. In diesem Fall blieb der organische Ligand also in Lösung und konnte ni.cht
an Goethit adsorbieren, da die nötigen Oberflächenplätze schon von
Phosphat besetzt waren.
Die beschriebenen Versuche beweisen, dass eine Phosphatrücklösung
durch Li gandenaustausch kaum in Frage konnnt, ausser es würden ungewöhnl i eh hohe Konzentrationen an organi sehen Anionen im· Wasser sein.
Besonders die natürlich vorkonnnenden Säuren wie Fulvin- und Huminsäure, welche keine sehr stabilen Komplexe bilden und zudem durch ihre
Struktur einen grossen Platzbedarf aufweisen, sind nicht in der Lage,
Phosphate von den Eisenoxid- oder von den Aluminiumoxid-Oberflächen zu
verdrängen.
Die vorliegenden Experimente zeigen auch, dass die Kinetik der Austauschreaktion sehr viel schneller ist als eine Auflösungsreaktion
schwerlöslicher Oxide. Dies bedeutet, dass Ligandenaustauschreaktionen
in einem Sediment-Porenwassersystem durch einfache thermodynamische
Berechnungen abgeschätzt werden können.
94
5.2.3. Hydrolyse kondensierter Phosphate
Um Gewissheit über die Art der gelösten anorganischen Phosphatformen
in einem See zu erha 1ten, wurde die Hydro 1ysegeschwi ndi gkei t kondensierter Phosphate in einem Belebtschlamm untersucht. Wie in Abschnitt
2.1.3. beschrieben, ist die Hydrolyse von anorganischen wie organischen kondensierten Phosphaten eine unter sterilen Bedingungen sehr
langsam ablaufende Reaktion, die bei mittleren Temperatur- und pHBedingungen eines Sees Jahre dauern würde. Diese Reaktion wird aber
durch Mikroorganismen katalysiert und hat dann Halbwertszeiten in der
Grössenordnung von einigen Stunden.
Untersucht wurde die Hydrolyse von Tripoly- und Pyrophosphat in verschiedenen Schlammkonzentrationen bei einem pH von 8 ± 0.2 und einer
Temperatur von 21 ± 0.5°C. Während der Reaktionsdauer wurde die
Schlammsuspension mit Pressluft begast. Der Versuchsansatz war durch
die einzelnen Reaktanden gepuffert. Die Geschwindigkeit der Reaktion
--e 8
10
C1'
........
Cj
..c
Cl..
III
0
.c
a.
0
.s:::.
c..
0
6
4
2
1
2
3
4
5
6
1
8
9
Zeit [ h J
Fig. 5.22: Hydrolyse von Tripolyphosphat (o) und Pyrophosphat (<>) in
einem Belebtschlanm (TS = 3.38 mg/1)~ Die Nullinie ist unter Berücksichtigung der Phosphatadsorption am Belebtschlanm korrigiert.
pH = 8.1; T = 21°C
95
wurde bestimmt, indem die Orthophosphatzunahme in Lösung verfolg t
wurde. Bei hohen Schlammkonzentrationen war das gesamte Phosphat innert 2 Stunden aus der Lösung verschwunden, sei es, dass es an die
Partikel adsorbi ert war oder zum Teil auch konsummiert wurde. Dieser
Effekt konnte bei Verdünnungen stark verring ert werden. Dabei war es
mögl i eh eine Nu 11 i nie aufzunehmen, die dies es Verschwinden von Phosphat in Rechnung stellte. Die Reaktion wurde während maximal 14 Stunden verfolg t. Durch das langsame Absterben der Mikroorgani,smen konnte
nach ca. 3 Stunden eine leichte Phosphatzunahme registri ert werden,
die wohl hauptsächlich auf die Desorption von Orthophosphat und auf
das Zersetzen der Biomasse zurückzuführen ist.
Der Verlauf der Hydrolysereaktion, wie sie in Fig. 5.22 gezeigt ist,
spricht für eine Folgereaktion pseudo 1. Ordnung. Diese Reaktionskinetik wird auch bei der unkataly sierten Hydrolyse gefunden [Zinder 84 ].
,Eine mögliche Kinetik O. Ordnung, wie sie für ~ie biokata lysierte Hydrolyse von kondensierten Phosphaten auch postulie rt wird [Heinke 69],
scheint im vorliegenden Fall weniger zuzutref fen. Es ist allerdin gs
sehr gut mögl i eh, · dass bei höheren Bi omassekonzentrati onen eine von
der Zeit unabhängige Orthophosphatzunahme zu registri eren ist. Auch
bei den durchgeführten Experimenten mit höheren Schlammkonzentrationen
ist eine Tendenz zu einer Kinetik O. Ordnung zu beobachten. Bei den
verdünnten Belebtschlammkonzentrationen (( 5 mg TS/l) war die Korrelation mit. einer Kinetik 1. Ordnung sehr überzeugend. Man muss allerdings bedenken, dass bei der gewählten "Batch" Versuchsanordnung die
Katalys atorakti vität mit der Zeit abnimmt (da mit dem Absterben der
Mikroorganismen die Katalys atorkon zentrati on abnimmt) und es dadurch
zu einem Abflachen der Reaktionskurve kommen kann. Dieses Verhalten
würde eine lineare Kinetik verfälsc hen.
Je nach Schlammkonzentration wurden Halbwertszeiten der Triphosphathydrolyse von 3 bis 9 Stunden für die Gesamtreaktion gemessen. Die
katalyti sche Beschleunigung war umgekehrt proportional der Schlammkonzentrati on. Bei einer Verdünnung von 1 zu 10 konnte innert 24 Stunden
keine Orthophosphat-Zunahme mehr gemessen werden. Der ideale Konzentrations bereich des Schlamms bewegte sich von 2 mg TS/l bis 5 mg TS/l.
Alle Reaktionen wurden über mindestens eine Halbwe rtszeit,· meistens
aber bis zu 90% der Gesamthydrolyse verfolg t.
96
Die Zeitspanne von einigen Stunden
sierten Phosphate zum grössten Teil
thophosphat abzubauen. Spätestens in
normalerweise Monate beträgt, werden
hydrolysier t.
würde ausreichen, um die kondenschon in einer Kläranlage zu Oreinem See, wo die Aufenthaltszeit
kondensierte Phosphate vollkommen
Die grosse katalytisch e Beschleunigung wird hauptsächlich durch das
partikuläre Material verursacht. Experimente, bei welchen die Reaktion
im Schlaßl11Wasser (durch 0.45µm filtrierter Belebtschlamm) durchgeführt
wurden, zeigten, dass sich während 24 Stunden keine analysierbare
Veränderung der Orthophosphatkonzentration einstellte. Bei der extrem
langsamen Reaktionsgeschwindigkeit der unkatalysierten Hydrolyse (~ ~
10 Jahre) muss bei der Reaktion in Schlaßl11Wasser nicht von einen unkatalysierte n Reaktion ausgegangen werden aber der katalytische Effekt
aus der Biomasse ist um mehrere Zehnerpotenzen grösser.
5.3. Methoden und Materialien
5.3.1. Eingesetzte Analytik
Eisen total: Die totale Eisenkonzentration in Lösung wurde mit AtomAbsorptions-Spektrophotometrie analysiert. Dabei wurde bei Eisenkonzentrationen ) 0.02 mg/l mit Flamme (Perkin Elmer 5000) und bei [Fe]
< 0.02 mg/l flammenlos (Perkin Elmer, Typ 305 A mit Graphitrohrküvette
AGA74) gemessen.
Eisen (II): [Jenkins 71] Die Fe(II}-Konzentration wurde bestimmt,
indem Fe(II)-Phenantrolin-Komplexe colorimetrisch analysiert wurden.
Die Farbintensi tät der Komplexe wurde bei A = 510 nm mit einem Uvikon
810 Spektrophotometer (Kontron} gemessen. Aus der erhaltenen Absorption wurde mittels einer Eichkurve die Eisen(II)-Konzentration berechnet.
Orthophosphat: [Richtlinien 74] Die Orthophosphatkonzentrationen wurden colorimetrisch mit der Molybdänblau-Methode ermittelt. Die Farbintensität der Heteropolysäure wurde bei A = 710 nm mit einem Uvikon
810 Spektrophotometer bestimmt.
Bei Anwesenheit von Oxalat wurde dieses zuerst mit Permanganat zu C0
2
und H2 0 oxidiert. Der gebildete Braunstein wurde vor der Phosphatanalyse mit Ascorbinsäure zerstört.
97
Bei Anwesenheit von Schwefelwasserstoff wurde die Probe auf pH 2 a·ngesäuert und das H2S-Gas ausgeblasen. Die Probe wurde vor der Phosphatanalytik wieder neutralisiert.
Oxalat: Bei den Experimenten mit Oxalat wurden mit 14C markierte Verbindungen eingesetzt. Die Analyse wurde mit einem Fl üssi gkeits-Sci ntil l ati onszähl er (MR 300 DPM, Kontron BETAmatic; Scintillationsc octail
Luma Gel, Lumac NL) durchgeführt.
Salicylat: Es wurden 14C markierte Substanzen eingesetzt, die wie Oxalat analysiert wurden.
Bei Vorversuchen wurden auch UV-Spektren zur Analyse von Salicyl at
verwendet.
Citrat: 14C markiertes Citrat wurde wie Oxalat analysiert.
pH-Konstanthaltung: Die pH-Kontrolle und Konstanthaltung wurde mit
'
einem Metrohm Combi-Titrator erreicht (pH-Meter 605; Dosimat E535;
Impulsornat 614).
5.3.2. Eingesetzte Substanzen
Oie verwendeten Eisenoxide bzw. Hydroxide wurden wie folgt hergestellt:
a:-FeOOH: [Atkinson 67] Zu einer 2 M NaOH Lösung wurde unter Rühren
langsam eine 0.7 MFeC1 3 -Lösung zugetropft. Die entstandene Suspension
wurde bei ·pH 12 und 60°C etwa 60 Stunden gealtert.
y-FeOOH: [Brütsch 69] Eine 0.2 MFeC1 2-Lösung wurde bei 50°C während 2
Stunden mit Luft oxidiert.
FeOOH(am): [Cornell 79] Aus einer 5·10-2M Fe(N0 3 ) 3 -Lösung wurde das
Hydroxid gefällt, indem die Lösung während ca. 5-Minuten mit 2.5 MKOH
auf pH 10 gebracht wurde.
Weitere Chemikalien: Bei den eingesetzten Chemikalien handelte es
sich, ausser bei den aufgezählten Ausnahmen, um analysereine (pro
analysi) Substanzen der Firma Merck.
D(-)Sorbit: Merck fU.r biochemische Zwecke
Fulvinsäure: Extrakt aus Seewasser
Poly-Maleinsäure: Ciba-Geigy (überlassen für Forschungszwecke)
Natrium-Pyruvat (Brenztraubensäure): Fluka puriss
Tripolyphosphat: Steinfels (überlassen für Forschungszwecke)
98
Fe 3 (P0 4 ) 2 : Siegfried AG rein.
Ca 3 (P0 4 ) 2 2H 20: Fluka purum
AlP0 4 : Merck selectipur
Al 2 03 : Degussa Aluminiumoxid C
99
6. DISKUSSION
Die Auflösung von Eisenoxid- und Hydroxi dphasen ist ein sehr vielschi chti ges Gebiet und hat mancherlei Anwendungen in der Oekologie und
der Technik.
Bei der kineti schen Betrachtung der Auflösung von schwerlöslichen
Festkörpern sind chemische Vorgänge an der Grenzfläche von entsch eidender Bedeutung. Unter gewissen Bedingungen· kann eine Unterscheidung
der Auflösung in eine reduktive und eine nicht reduktive vorgenommen
werden kann. Dies allein durch die unters chiedl iche Geschwindigkeit
der beiden Auflösungsvorgänge. Die reduktive -Auflösung konnte anhand
von Experimenten mit Mikroorganismen naturnahe nachvo 11 zogen werden.
Dabei zeigte sich, dass. bei, wie im Tiefenwasser, langsamem Absinken
des Lösungs-pe eine aerobe Auflösung von FeOOH in eine anaerobe übergeht. Durch die stetig e Verringerung des Redoxpotentials wird eine
Vivian itbildu ng, welche sich beim Einsatz eines starken Reduktionsmittel s oft störend bemerkbar macht, verhin dert. In Anwesenheit von
anionischen Liganden wird sowohl die reduktive wie auch die nicht
redukt ive Auflösung besch leunig t, indem durch die Bildung von Oberflächenkomplexen besse re· Abgangsgruppen entste hen. Allgemein ist die
spezif ische Auflösungsrate von krista llinen Oxiden langsamer als diejenige von amorphen Phasen.
Sehr intere ssant in diesem Zusammenhang ist die Frage, ob der Elektr onentra nsfer an die Oxidoberfläche notwendigerweise über eine Adsorption erfolg en muss. Prinzi piell ist eine reduktive Auflösung auch mit
einer Elektronenübertragung nach dem "outer sphere" Mechanismus mög1ich. Ueberträgt man die für Lösungsreaktionen gemessenen Geschwindigkeitsk onstan ten dieser Elektr onentr ansfer reakti on auf diejen ige an den
Festkö rper, würde auch für einen "outer sphere" Mechanismus die Elektronenübertragung nicht der geschwindigkeitsbestimmende Schri tt der
Auflösungsreaktion sein. In den untersuchten reduktiven Auflösungen
war der Elektr onentr ansfer mit einer Oberflächenreaktion gekoppelt.
Sehr wahrscheinlich ist dies auch bei den natürl ich vorkommenden reduktiven Auflösungen der Fall. Die organischen Substanzen, welche in
der Natur als Reduktionsmittel wirken, besitz en funkti onelle Gruppen,
die zur Adsorption geeign et sind.
100
Unter der Annahme, dass der Ei senk reis lauf eines Sees mit demjenigen
von Phosphor gekoppelt ist, können für die Phosphatchemie der Sediment-Wasse.r-Grenzfl äche einige interessant e Folgerungen gezogen werden.
Im Prinzip ist das hier vorgestellt e Auflösungsmodell auf die Vorgänge
am Seegrund übertragbar , obwohl darauf hinzuweisen ist, dass sich die
Protonenkonzentrationen im See von denjenigen unterscheid et, bei welchen das Auflösungsmodell erarbeitet wurde.
Den eindeutigen Beweis für den Zusa11111enhang der Kreisläufe von Eisen
und Phosphor ist diese Arbeit schuldig geblieben. Mit nasschemischen
Methoden war eine Speziierung im Sediment nicht möglich. Eine andere
Möglichkeit, die Eisen-Phosphor Beziehung im Sediment zu bestimmen,
ist durch eine Elementaranalyse aus Elektronenmikroskopie-Aufnahmen
gegeben. Mit dieser Methode ist über die Art der chemischen Bindung
der Elemente (ausser wenn diskrete Eisenphosphate anfallen) keine
Aussage möglich.
Die in dieser Arbeit vorgeschlagene Möglichkeit, zur Phosphatrücklösung prädestinie rtes Phosphat im Sediment zu erfassen, ist phänomenologisch. Durch das Simulieren des natürlichen Phosphatrücklösungsvorgangs wird dasjenige Phosphat erfasst, das auch bei der Rücklösung
freigesetzt wird. Wie das Phosphat im Sediment chemisch gebunden vorlag, ist mit diesem Verfahren nicht zu ergründen.
Der Vorgang der Phosphatrücklösung (sowohl aerob wie anaerob) kann
auch ohne Koppelung mit dem Eisenkreisl auf auftreten. Bei der oxischen
Phosphatrückl ösung sind sicher andere Verbindungen, einerseits alle
möglichen anorgani sehen Adsorbenti en die in gl ei eher Weise aufläsen
wie Eisenoxide, andererseit s frisch sedimentier tes organisches Material, das sich zersetzt, wichtig. Die anoxische {anaerobe) Phosphatrück l ösung - verläuft sie nach dem vorgestellte n Auflösungsmodell muss mit einem reduzierbaren Metallzentrum verknüpft sein. Festkörper,
die diese Bedingung erfüllen sind in genügender Menge eigentlich nur
fn Form von Eisenverbindungen, insbesondere als Eisenhydroxide, im
Sediment vorhanden. In einigen Sedimenten werden kleine Mengen an
Eisenkonzentrationen gefunden. Dies ist insofern von Bedeutung, dass
dagegen die Phosphatmenge besonders in eutrophen Seen ständig im Zunehmen begriffen ist. Durch das Zustandekommen von "Eisenbarri eren",
101
welche sich besonders am Anfang der Eutrophierung bei wiede
rholten
Rücklösungsprozessen aufbauen, finde t eine lokale Aufkonzentration
von
Eisenoxidoberflächen statt . Somit stehen genügend Eisenoxide als
Phosphatadsorbentien zur Verfügung.
Die Bedeutung der Phosphatrücklös'ung zeigt sich besonders deutl
ich bei
· der Seenr estau rierun g. Die stark eutrophen Seen werden mit
intern en
· Massnahmen behandelt". Ein wicht iger diese r Eingr iffe ist die
Sauerstoff - oder Luftzufuhr ins Tiefenwasser. Diese Begasung hat den
Sinn,
die reduzierenden Bedingungen an der Sediment-Wasser-Grenzfläche
aufzuheben und damit die Phosphatrück l ösung zu verhindern. Die
Sauerstoffz ufuhr beruht auf der Annahme, dass Phosphor durch die reduk
tive
Auflösung von Eisenoxidhydroxid, an welches Phosphat adsor biert
ist,
frei geset zt wird. Die Begasung würde ihre· wesentl i ehe Aufgabe
verfe hlen, wäre die Phosphatrück l ösung nicht mit dem Auflösungsvorga
ng von
Eisenoxiden verbunden.
In diese r Arbeit konnte gezei gt werden, dass die reduktive Auflö
sung
ein relat iv schne ller Auflösungsvorgang für schwerlösliche anorg
anische Phasen ist. Damit schei nt zumindest eine schnell verlau
fende
Phosphatrück l ösung, die in Verbindung mit anorgani sehen Antei
len des
Sediments steht , eine reduktive Auflösung zu sein.
Die Belüftung und die Sauerstoffbegasung des Tiefenwassers sind
'
beides
teure Massnahmen, welche daher einen möglichst gezie lten Nutzen
bringen sollte n. Oie Phosphatrücklösung als folge der Eisenreduk
tion im
Sediment würde einen Eingr iff wie den Sauer stoffe intrag in einen
See
recht fertig en.
Eine weite re wichtige Anwendung der Auflösung von Eisenoxide
n unter
verschiedenen Bedingungen ist bei den chemischen Prozessen in Böden
zu
finde n. Das essen tielle Kation Eisen, welches bei nicht reauzierend
en
Bedingungen als Festkörper gebunden ist, muss den Organismen verfü
gbar
sein. Oamf t dies geschehen kann, müssen sieh Auflösungsproze
sse redukti ver Art abspi elen, damit das Eisen als Fe(II )-Ion im Boden
wasser
gelös t und zur Aufnahme berei t ist. Reduktive Auflösungsreaktionen
von
Eisenoxiden geschehen in den obersten Schichten eines Bodens mit
Hilfe
des ei nfa 11 enden Sonnenlichtes photochemisch. Die photochemi sehe
Reduktion von Eisenfestkörpern ist eine sehr rasche Reaktion. Durch
die-
102
sen Vorgang ist eine genügend grosse Fe2+_Konzentration im Bodenwasser
gewährleist et. In tieferen Bodenschichten oder in Sedimenten, wo die
Sonnenstrahlen keinen Zugang mehr haben, ist eine reduktive, nicht
photochemisch katalysiert e, Auflösung der Eisenoxide denkbar. Diese
Reaktionen sind zwar viel langsamer als die analogen photochemischen
Reduktionen, können aber für Mikroorganismen, welche in diesen Erdschichten leben, unter Umständen genügend grosse Konzentrationen an
gelöstem Eisen verursachen. Besonders in Anwesenheit organischer Verbindungen, wie z.B. Huminsäuren, welche als anionische Katalysatoren
wirken, ist eine reduktive Auflösung von Eisenoxiden sicher ein mög1i cher Vorgang, der den Bodenlebewesen auch in tieferen Bodenschichten
das notwendige Eisen liefert.
Auch auf Auflösungsvorgängen von schwerlöslichen Festkörpern beruht
die Podsol i di erung des Bodens, welche durch die zunehmende Uebersäuerung unserer Böden eine iR111er grössere Bedeutung erhält. Silikate,
aber auch die Aluminium- und Eisenoxide werden schneller aufgelöst als
sie gebildet werden können. Die. zunehmende Säurekonzentration führt
damit zur Auswaschung von Nährstoffkationen wie Calcium, Kalium und
Eisen aus· den oberen Schichten ~es Bodens. Von der Podsolidierung betroffen sind besonders Braunerden, welche als Kittstoffe hauptsächlich
Fe- und Al-Oxide enthalten. Dieser beschleunigte Verwitterungsvorgang
wird durch die Anwesenheit von organischen Substanzen, welche zusätz1ich die Löslichkeit erhöhen, katalysiert . Während das gelöste Aluminium im Bodenwasser toxisch wirkt, werden die essentiellen Nährstoffe,
also auch· Eisen, in tiefere Bodenschichten transportie rt, wo sie für
Pflanzen, insbesondere auch für Kulturpflanzen, nicht mehr verfügbar
sind. Auch das adsorbierte Phosphat kann gl ei chzei ti g mit seinen Adsorbenti en ausgeschwemmt werden. Es gelangt auf diese Art wieder in
die Gewässer, muss aber gleichzeitig durch Kunstdüngung dem Boden
zugeführt werden, womit noch mehr Phosphat in den ökologischen Kreis1auf gepumpt wird.
Weitere Anwendungen der Auflösung und Bildung von Eisenoxiden und
-Hydro xi den liegen mehr in techni sehen Gebieten. Die Korrosion, insbesondere die Korrosionsi nhibition dürfte die bekannteste und auch
eine der wichtigsten sein. Durch Bildung schwerlösli cher Verbindungen
mit anionischen Inhibitoren oder durch dicht festhaltende Oxidschich-
103
ten an der Metalloberfläche wird eine teilw eise Blockierung der
Anode
bewir kt. Neben anorganischer Anionen wie. z.B. Phosphat können
auch
Huminstoffe die Korrosion beein flusse n. Dabei wird sowohl die
Adsorptions fähig keit der Liganden an der Metalloberfläche wie auch ihr
Verbrauch an Saue~~toff als Hauptursache für ihre korros i onsschütze
nde
Wirkung angesehen. Die für das Kristallwachstum energ etisch günst
igen
Stelle n am Metall können durch anionische Liganden beleg t werde
n, was
die Metalloberfläche vor einer weiteren Oxidation schüt zt. Auf
diesem
Phänomen beruh t die Passivierung der Oberf llche. Darunter
wird im
allgemeinen die Ausbildung einer wenige Atomlagen umfassenden
Deckschic ht verstanden, welche die Oberfläche vor dem Zutri tt des
Oxidationsm 1ttel s (Saue rstoff ) schüt zt oder mindestens dessen Zugan
g erschwert.
104
ZUSAMMENFASSUNG
Oie Phosphatrücklösung aus Sedimenten spielt eine zentrale Rolle bei
der Eutrophierung eines Sees. Die Fragen, ob dieser Vorgang mit dem
Ei senk reis 1auf des Sees gekoppe 1t sei , wie das Phosphat im Sediment
gebunden sei und mit welchem chemischen Mechanismus die Rücklösung
beschrieben werden könne, waren die Ausgangspunkte der vorliegenden
Arbeit.
Anhand eines Indizient>eweises kann die Phosphatrücklösung aus .Sedimenten mit der Reduktion der Eisen(hydr) oxidpartike l in Zusammenhang
gebracht werden. Die Freisetzung des Phosphats, kann anhand der Kinetik des Auflösungsvorgangs in eine aerobe und eine anaerobe Rücklösung
.
.
eingeteilt werden. Eine nicht reduktive (aerobe) Auflösung - sowohl
der Phosphat- als auch der Phosphatadsorbensphasen - ist immer um
Grössenordnungen langsamer als eine reduktive (anaerobe). Während die
aerobe Phosphatrücklösung mit den unterschied lichsten Metalloxiden
gekoppelt sein kann, muss die anaerobe notwendigerweise mit einem
reduzierbaren Metalloxid, üblicherweise Fe(III)-Oxi d, in Verbindung
stehen. Das Metallion an der Festkörperoberfläche wird bei tieferen
Potential reduziert als das gleiche Metallion in Lösung.
Die Frage nach Art der Phosphatbindung im Sediment konnte nicht eindeutig beantwortet werden. Die eingesetzten chemischen Me~hoden, um
einerseits diskret vorkommende Phosphatphasen und andererseit s an
verschiedenen Festkörpern adsorbierte s Phosphat zu unterscheiden
brachten keine befriedigenden Ergebnisse.
Oie Chemie der Phosphat rück 1ösung kann mit den Mechanismen, die für
die reduktive und nicht reduktive Auflösung von schwerlöslichen Metalloxiden gefunden wurden, beschrieben werden.
Schwerlösliche Oxide, wie die untersuchten Eisen(hydr)oxide, lösen
sich nicht diffusionsk ontrolliert sondern oberflächen kontrolliert
auf.
Oie Reaktionskinetik der Eisenoxidenauflösung ergibt bei allen untersuchten Bedingungen fern vom Lös 1i chkei tsgl ei chgewi cht eine von der
Zeit unabhängige Auflösungsrate. Diese setzt sieh bei tiefem pH und
bei reduzierenden Bedingungen aus der protonenka talysierten, der anio-
105
nenkatalysierten, der reduktiv protonenkatalysierten und der reduktiv
anionenkatalysierten Auflösung zusanwnen. Die Raten bilden die einzel nen Sunwnanden der Gesamtauflösung und sind proportiona 1 der Konzentration der jeweiligen Oberflächenspezies. Die reduktive Auflösung von
Goethit in Anwesenheit anionischer Liganden kann
RT
=
RH
+
RL
+
R~
+
R~ = kHeH 3
+
kL eHeL
+
k.~eH 3
+
k~0H\
geschrieben- werden. Der geschwindigkeitsbestimmende Schri tt jedes
Auflösungssunwnanden ist die Ablösung eines Metallions von der Oberfläche.
Dass der mit Modell sub stanzen ausgearbeitete Mechanismus auf die reduktive Auflösung von Phosphatadsorbentien unter natürlichen Bedingungen anwendbar ist, zeigten Auflösungsexperimente bei denen das Redoxpotential durch mikrobiologisch kataly sierte Prozesse (Reduktion durch
zugesetzten Belebtschlanwn) sukzessiv reduziert wurde. Unter Luftabschluss, kann das pe genügend tief absinken, dass bei einem kritisc hen
Wert eine relati v langsame Auflösung plötzl ich in eine schnellere
übergeht. Diese Beschleunigung kann mit dem Auftreten der Reduktion
der Eisen(III)-Oxidhydroxide erklär t werden.
106
ABSTRACT
Dissolution of phosphate from sediments plays an important role in
l ake eutrophi cati on. An attempt was made to determi ne the dominant
form in which phosphate is present in lake sediments and to identif y
the chemical mechanisms responsible for the dissolution with special
emphasis on the role of the iron cycle.
The methods used to determine discret e phosphate phases and phosphate
bound to various surfaces did not provide satisfa ctory results ;
therefo re the i nqui ry i nto the speciati on of phosphate in l ake sediments could not be answered with certain ity.
The rates of phosphate dissolution occurring under aerobic (oxidising)
conditions (i.e. dissolution of discret e phosphate phases or adsorbent
solids) was found to be an order of magnitude slower than under anaerobic (reducing) conditions. The latter occurs due to the reductive
dissolu tion of the adsorbent (e.g., reduction of solid Fe(III) -oxide s
to soluble Fe(II) ions), thus bringing previous1y adsorbed phosphate
into solution. Thus, phosphate dissolution from sediments may be described by the kinetic s of the aerobic and anaerobic dissolution of
iron(II I) oxides or hydroxides.
For insoluble oxides, the rate-c·ontrolling step of the dissolu tion is
given by ·the chemical reactions occurring on the oxide surface. Under
all experimental conditions investigated, the rate of dissolution was
found to be independent of time.
Under reduci ng condi tions and at l ow pH, the di ssol uti on rate may be
described as the sum of the proton and l i gand catalysed, and the reducti ve proton and ligand catalysed reaction rates, which are proportional to the concentration of individual species at the surface. The
tota 1 rate of reduct i ve di s so l ut i on of goeth i te (Rr) , in the presence of anionic ligands may be written as:
e RLe -- kHeH 3 k
RT =RH+ RL +RH+
+ LeHel + keHeH 3 + keLeH°L
I
Where the additive terms in the right hand side of the equation represent the rates catalysed by surface protonation, ligand coordination,
reductive surface protonation, and reductive ligand coordination, re-
107
spectively. The rate-determining step of each contributing rate is the
detachment of the metal ion from the surface of the solid.
The application of this model was tested by reducing iron(II I) oxides
under natural conditions. The reduction was accomplished by adding
organic material in the form of biomass (activated sl udge); PE was
reduced gradually as a consequence of microbial reduction. In the absence of ai r, the di sso 1uti on rate became enhanced ma rkedl y af ter
exceeding a critica l PE·
108
ANHANG: ZUSAMMENSTELLUNG DER DATEM DER AUFLOESUNGSEXPERIMENTEN
1. Auflösung von a-FeOOH ohne anionisch e Liganden
Experimen te durchgefü hrt mit 3g/l (6Qm2/l) in O.lM NaN0
Exp.
Nr.
pH der
Lösung
0H
[mol m-2]
RH
[mol m-2h-l]
1)
2.00
1.50
3.00
3.70
3_75.10-6
4 .13 .10-6
2.87·10-6
2 .42 .10-6
2 .54 .lQ-6
2 .54 .10-6
4.46 .10- 9
8. 72 .10-9
1.02 .10- 9
2 .34 .10-9
8.91 ·10- 10
'l.56 .10-9
2)
3)
4)
5)
6)
3.~o
3.50
3
2. Auflösung von a-FeOOH mit Oxalat
3g/l (60m2/l) in O.lM NaN0
3
Exp.
Nr.
pH der
Lösung
0H
[mol m-2]
~X
[mol m-2]
Rr
[mol m-2h-1]
Rox
[ mo l m- 2h- 1 ]
7)
5.00
6.00
4.00
5.00
3.00
4.00
2.95
2.95
3.02
3.20
4.50
4.10
3.00
3.00
1.48 .10- 6
7 .38 .10-1
2.24·10-6
1.48 -10-6
2.87·10- 6
2 .24 .10-6
2.88 -10- 6
2 .88 .10- 6
2.87·10- 6
2.75·10- 6
1.81·10- 6
2 .17 .10- 6
2.87 .10- 6
2 .87 .10- 6
1.12·10- 6
2 .51·10-6
3.34 ·10- 6
2.42 .10- 6
1.85 -10- 6
2 .03 .10-6
8.98 -10- 1
1.43 .10- 6
1.75·10- 6
2 .30 .10-6
3.58 .10- 6
2.10.10-6
4.01·10- 6
3 .84 .10- 6
1.94·10-9
4.24 .10-9
2 .81·10- 8
8.07 .10- 9
1.97·10-8
1.89 .10-0
3.13·10- 9
1. 37 .10- 8
2.24·10- 8
2 .97 .10- 8
2.34.10- 8
1. 94 .10-0
3.05·10- 8
3 .02 .10-0
1.66 .10-9
4.14·10- 9
2. 73 ·10- 8
7.79·10- 9
1. 79 -10- 8
1.81·10- 8
1.33 ·10- 9
1.19 ·10- 8
2.06 .10- 8
2.81·10- 8
2.29·10- 8
1.86 ·10- 8
2.87 ·10- 8
2 .84 .10-0
8)
9)
10)
11)
12)
13)
14)
15)
16)
17)
18)
19)
20)
3. Auflösung von a-Fe 0 mit Oxalat
2 3
4g/l ( 572m2 /1) in 0. lM Na NO
3
Exp.
Nr.
pH der
Lösung
0H
[mol m-2]
~X
[ mol m- 2]
Rr
[mol m- 2h- 1]
Rox
[mol m- 2h- l]
21
3.00
1.35 .10- 6
22
5.00
6.50 .10-1
2.85·10- 1
2 .12 .10- 7
1.18 •lQ- 8
3 .15 .10- 9
1.00·10- 8
2.01.10-9
109
4. Auflösung von a-FeOOH mit Oxalat und Phosphat
·. 3g/l (60m2/1) in O.lM NaN0
3
Exp.
Nr.
pH der eox
Lösung [mol m-2]
23)
24)
25)
26)
4.10
3.85
4.15
3.85
27)
28)
29)
30)
31)
32)
33)
34)
35)
36)
37)
38)
39)
4.00
3.90
3.90
3.95
4.20
4.20
3.48
3.60
3.50
2.95
2.92
2.92
2.92
1.56 ·10- 6
1.32 .10- 6
1.90 ·10- 6
8.13 .10-1
1.67 .lQ-6
1.87 .10-6
1.80 ·10-6
2.01 .10-6
1.50 .10- 6
8 .93 .10- 7
7 .43 .10- 7
1.86 .10-6
2 .30 .10- 6
1.86 .10-6
1.72 ·10- 6
1.59 .10-6
1.66 .10-6
ep
[mol m- 2]
1.60 .10- 6
1.63 .10-6
8.13 -10- 7
1.67 .10- 6
1.31 ·10- 6
7 .17 .10- 7
3.66 ·10- 1
1. 36 .10- 7
. 7.65 ·10- 7
2. 76 .10- 6
1.67 .10- 6
6.35 .10- 7
6.06 .10- 7
4.01 ·10- 7
7.86 .10- 7
7 .97 .10- 7
7.86 ·10- 1
1.72 ·10- 8
1.34 .10-0
2 .20 -10-0
1.13 °10- 8
1. 71 ·10- 8
1. 74 .10-0
2.03 ·10- 8
2 .12 .10-0
1.08 .10- 8
4 .26 .10- 9
1.80 ·10- 9
1.26 .10-0
1.84 .10- 8
1.57 .10-0
1.19 .10- 8
1.29 .10-0
1.52 -10-0
6.82 .10- 9
4.45 .10- 9
8.10 ·10- 9
8.69 .10-9
4. 90 -10- 9
2 .oo .10- 9
5.70 ·10- 9
4.50 .10-9
1. 74 .10- 9
1.92 .10- 9
-1 • 52 .10- 9
-1.20 .10-9
-0 .90 .10- 9
-7 .60 .10- 9
-9.40 ·10- 9
-6.30 ·10- 9
-5 .10 ·10- 9
5 •. Auflösung von a-FeOOH mit weit eren Liganden
3g/l (60m2/1) in O.lM NaN0
3
Ligand
Exp.
Nr.
pH der
Lösung
·L-Konz.tot
(M)
Rr
Tripolyphosphat
40)
41)
42)
3.00
3.00
3.00
10-3
5 .10- 3
10-i+
Fulvinsäure
8.13 ·10- 9
2.67 ·10-9
5.94 ·10- 1°
43)
3.00
3.00
3.00
5 mg/l
10
II
20
II
9.36 ·10- 1°
5,31 .10-1 °
6 .92 .10-1 0
3.00
3.00
3.00
3.3°10- 4
3.3·1 0-5
3.J.1 0- 6
1.84 .10- 9
1.32 ·10- 9
8.18 ·10-l O
3.00
4.00
5.00
6.00
10-3
10-3
10-3
10-3
2.09 .10- 9
1.24 ·10- 9
5.63 .10-1 0
3.43 ·10- 10
3.72
0.1
1.0
1.25 .10- 9
7 .59 .10-1 °
44)
45)
Poly-Maleinsäure 46)
47)
48)
Brenztraubensäure 49)
50)
51)
52)
Sorb it
53)
54)
3.65
( mol m- 2 h-1]
110
6. Reduktive Auflösung von a-FeOOH
3g/l in 0.1 M NaN0 3; Reduktionsmittel 10-3 M Ascorbinsäure
Exp.
Nr.
pH der
Lösung
0H
[mol m-2]
·Rr
[mol m- 2h- 1]
Re
H
[mol m- 2h- 1]
55)
56)
57)
58)
3.00
4.20
3.00
4.00
2.87·10- 6
2 .09 .10-6
2.87·10-6
2.24 .10-6
6.54 ·10- 8
2 .60 .10- 8
7.50 ·10- 8
3. 73 .10- 8
6.36 ·10- 8
2.53 .10-8
7.32·10- 8
3 .65 .lQ-8
7. Reduktive Auflösung von a-FeOOH mit zusätzlichem Oxalat
3g/l in 0.1 M NaN0 3; 10-3 M Ascorbinsäure
'
Exp.
Nr.
pH der
Lösung
eox
[ mol m-2]
Rr
[mo 1 m- 2h- 1]
Re
59)
60)
61)
4.00
4.00
4.00
3.30· 10- 6
1.87 .10-6
9.30 .10-7
3.67·10- 7
2.26 .10- 7
1.34 ·10- 7
2.91·10- 7
1.66 .10-7
8.51 ·10- 8
[gä1
m- 2h- 1]
8. Reduktive Auflösung von a-FeOOH mit zusätzlichem Phosphat
3g/l in O.l M NaN0 3 ; 10- 3 M Ascorbinsäure
Exp.
Nr.
pH der
Lösung
0p
[mol m-2]
Rr
[mol m-2h-1]
62)
63)
64)
65)
66)
67)
68)
69)
4.00
2.89·10- 6
2 .26 .10-6
1.87 .10- 6
2.98 .10-6
2.66 .10-6
3 .82 .10- 7
8.18·10- 7
1.41·10-6
3.90 .10- 8
4 .69 .10-8
6.24·10-8
8.38·10-8
1.98·10- 9
4.0l ·10- 8
3.80 .10- 8
4.12 .10-0
4~00
4.00
3.00
5.00
4.00
4.• 00
4.00
111
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Lebenslauf
15 .11.1948
Geboren in Basel
1955 - 1959 Primarschule in Basel
1959 - 1962 Realschule in Basel
1962 - 1964 Realschule in Reinach Bl
1964 - 1970 Auslandsaufenthalt
1970 - 1975 Kaufmännische Anstellung
1971 - 1975 Maturitätsvorbereitung
1975
Eidgenössiche Maturitätsprüfung Typus C
1975 - 1980 Studium der Chemie an der Uni vers
ität Zürich
1980
Diplom in Chemie
1980 - 1981 Auftrag für Gesundheitsinspektora
t,
Abt. Immissionsschutz, Zürich
1981 - 1985 Ass iste ntin an der EAWAG, Dübendo
rf
1981 - 1985 Dis sert atio n am Ins titu t für Gew
ässerschutz,
ETH Zürich
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