2. Abschnitt: Kurstag 6

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SS 2009
Chemische Übungen für Biologen
(300030 UE, 4 Stunden, 8 ECTS)
Chemische Übungen für Lehramt Biologie und Umweltkunde
(300441 UE, 3 Stunden, 3 ECTS)
Chemische Übungen für Lehramt Haushaltsökonomie und Ernährung
(330045 UE, 3 Stunden, 3 ECTS)
2. Abschnitt: Kurstag 6
Praktischer Teil: Qualitative Organische Analyse
1. Bestimmung des Siedepunkts ............................................................................. 2
2. Bestimmung des Brechungsindex ....................................................................... 3
3. Bestimmung des Schmelzpunkts
a) Heizbank ..................................................................................................... 5
b) Schmelzpunktsmikroskop ........................................................................... 5
4. Identifizierung des Alkohols ................................................................................. 6
a) Tabelle zur Identifizierung von Alkoholen ................................................... 7
b) Fehlerquellen .............................................................................................. 7
Theorie
1. Der Siedepunkt.................................................................................................... 8
2. Der Brechungsindex
a) Abhängigkeit von der Wellenlänge des verwendeten Lichtes ..................... 9
b) Abhängigkeit von der Temperatur............................................................. 10
3. Der Schmelzpunkt
a) Verunreinigungen ..................................................................................... 10
b) Zersetzung ................................................................................................ 11
c) Korrigierte Schmelzpunkte ........................................................................ 11
d) Molekulare Zusammenhänge ................................................................... 11
Fragen ......................................................................................................................... 12
2
Qualitative Organische Analyse
Von unbekannten organischen Verbindungen werden die physikalischen und chemischen Eigenschaften bestimmt und Derivate hergestellt. Aus dem Schmelzpunkt des
Derivats (oder, besser: den Schmelzpunkten zweier Derivate) und dem Schmelzpunkt
und/oder Siedepunkt und/oder Brechungsindex der ursprünglichen Probe kann man
anhand von Tabellen feststellen, um welche Verbindung es sich bei der Probe gehandelt hat (vorausgesetzt, es handelt sich um eine bereits literaturbekannte Substanz).
Unter Umständen kann es nötig sein, flüssige Proben zunächst durch Destillation bzw.
feste Proben durch Umkristallisieren zu reinigen. Reinheitskriterien für flüssige Proben
sind bis zu einem gewissen Grad der Siedepunkt (Sdp; oder Kochpunkt Kp; oder boiling point bp), und vorallem der Brechungsindex (nD); für feste Proben der Schmelzpunkt (= Fließpunkt, Festpunkt Fp; oder auch Schmp; oder melting point mp).
1. Bestimmung des Siedepunkts
Gummischlauch
Thermometer
Eprouvette
Alkohol
Siedestein
Drahtnetz
Eisenring
Achtung: Die Eprouvette und auch die Pipette zur Entnahme des Alkohols müssen
trocken sein, ansonsten wird die Siedepunktsbestimmung verfälscht!
3
Es wird der Siedepunkt des Alkohols bestimmt, der bereits am Arbeitstag 5 für die
Derivatisierung verwendet wurde.
Eine vorher getrocknete Eprouvette mit 1 bis 2 mL flüssiger Probe (d.h. Füllhöhe etwa
1 cm) und einem Siedestein wird an einem Stativ über Brenner und Drahtnetz knapp
unter der Öffnung mit einer Klammer eingespannt. Ein Thermometer wird an demselben
Stativ mit einer weiteren Klammer so eingespannt, dass sich die Thermometerkugel
mindestens 5 cm über der Flüssigkeitsoberfläche befindet.
Das Thermometer darf nicht in die Flüssigkeit eintauchen und soll die Glaswand der
Eprouvette nicht berühren. Das Thermometer wird am oberen Ende einspannt, damit
die Skala nicht durch die Klammer verdeckt wird. Zwischen Thermometer und Klammer
gibt man ein Stück Gummischlauch, um die Bruchgefahr zu vermindern (die Klammer
nur ganz leicht und vorsichtig anziehen!).
Vor der Inbetriebnahme des Teclubrenners vergewissern Sie sich, dass auf dem Eisenring keine Gummischlauchstücke befestigt sind. Solche sind unbedingt zu entfernen!
Nun wird mit dem Brenner langsam erhitzt, bis die Flüssigkeit gering siedet (zuerst
treten aus dem Siedestein Gasbläschen aus!). Das Sieden der Flüssigkeit erkennt man
auch daran, dass an der kälteren Eprouvettenwand Dampf kondensiert, und das Kondensat in die Flüssigkeit zurückrinnt. Die Wärmezufuhr muss so geregelt werden, dass
die leicht erkennbare Rückflusszone die Höhe der Thermometerkugel nur gering übersteigt; am besten durch Vergrößern oder Verkleinern des Abstands des Brennerschornsteins zum Drahtnetz.
Vorsicht: Bei zu starkem Erhitzen kann Alkohol über den Eprouvettenrand treten und
außen nach unten rinnen. Alkohole sind brennbar!
Die Thermometerkugel befindet sich dabei in einer Zone, in der Flüssigkeit und Dampf
im Gleichgewicht stehen. Daher kann nun die Siedetemperatur abgelesen werden. Sie
sollte sich über einen Zeitraum von etwa einer halben Minute nur unwesentlich ändern.
2. Bestimmung des Brechungsindex
Eine weitere charakteristische physikalische Konstante für Flüssigkeiten, sowohl als
Reinheitskriterium als auch zur Identifikation, ist der Brechungsindex. Beim Übergang
eines Lichtstrahls in ein optisch andersartiges Medium erfolgt eine Ablenkung (Brechung) aufgrund der Änderung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit.
Der Brechungsindex wird mit dem Refraktometer nach ABBE bestimmt. Ein dünner Film
der flüssigen Probe wird planparallel von 2 Glasprismen eingeschlossen, dem unteren
polierten Messprisma und dem oberen mattierten Beleuchtungsprisma.
Beleuchtung
Probe
Messprisma
Beleuchtungsprisma
4
Das Licht fällt durch eine Öffnung im Beleuchtungsprisma ein, gelangt diffus verteilt in
die Probenschicht und wird an der Grenzfläche zum Messprisma gebrochen. Durch die
diffuse Beleuchtung wird auf jeden Fall auch der Grenzwinkel der Totalreflexion erreicht. Die sich dadurch ergebende Hell-Dunkelgrenze wird mit Hilfe eines drehbaren
Spiegels auf ein Fadenkreuz projiziert und auf dessen Schnittpunkt eingestellt. Mit dem
Drehspiegel mechanisch verbunden ist eine Skala auf welcher der Brechungsindex der
Probe direkt abgelesen werden kann.
1
2
3
4
5
Beleuchtungsprisma (aufgeklappt)
Messprisma
Winkelverstellung
Kompensator
Okular
Durchführung der Brechungsindexbestimmung:
Das Beleuchtungsprisma wird hochgeklappt und die flüssige Probe mit einer Pasteurpipette als dünner Film aufgebracht, so dass die Oberfläche des Messprismas bedeckt
ist. Das Beleuchtungsprisma wird geschlossen und durch Drehen am Knopf für die
Winkelverstellung wird im Okular die Hell-Dunkelgrenze in die Mitte des Fadenkreuzes gebracht. Erscheint die Hell-Dunkelgrenze unscharf bzw. ist sie von den
Spektralfarben umsäumt, muss dies mit dem oberen Drehknopf für den Kompensator
korrigiert werden. Wenn Sie keine Hell-Dunkelgrenze sehen, ist entweder zu wenig
Probe auf dem Prisma, oder es gelangt kein Licht in das Refraktometer.
Auf der Skala wird der Brechungsindex (möglicher Bereich 1,3 bis 1,7) auf 4 Nachkommastellen genau abgelesen. Bei einigen Geräten gibt es eine zweite Skala zum direkten Ablesen der Zuckerkonzentration in einer reinen wässrigen Zuckerlösung, diese
Skala ist für den vorliegenden Versuch nicht zu verwenden. Auf dem am Refraktometer
angebrachten Thermometer wird die Temperatur abgelesen.
Nach der Messung öffnen Sie das Beleuchtungsprisma und wischen Sie die Probe ab.
Die Reinigung der Prismen erfolgt nur mit Ethanol (kein Aceton verwenden!!!)
Achtung:
Die Pasteurpipette zum Aufbringen der Probe muss trocken sein! Wasser, aber auch
Aceton oder andere Lösungsmittel (auch die Alkohole der Nachbarn) verfälschen das
Messergebnis.
Vorsicht:
Zerkratzen Sie nicht die Prismen, vermeiden Sie den Kontakt mit der Pipette.
5
3. Bestimmung des Schmelzpunkts
a) Heizbank
Eine nur ungefähre Schmelzpunktsbestimmung kann mit der Heizbank (nach Kofler)
durchgeführt werden. An einem Metallstreifen wird zwischen den beiden Enden ein
Temperaturgradient (von 50 bis 260°C) eingestellt. Streut man Kristalle auf, so kann
man eine Grenze zwischen geschmolzenem und kristallinem Material beobachten. Stellt
man einen verschiebbaren Zeiger auf diese Grenze ein, so kann man an der damit verbundenen Skala den Schmelzpunkt mit etwa ± 2,5°C Genauigkeit ablesen.
Durchführung:
Die Probe wird mit der Spatel auf der kühleren Seite (rechts) aufgebracht und mit der
Spatel langsam nach links verschoben. Wird der Temperaturbereich erreicht, in dem die
Probe schmilzt, wird der Zeiger verschoben und genau auf die Grenze zwischen fester
(= noch nicht geschmolzener) und flüssiger (= geschmolzener) Probe gestellt. Auf der
Skala wird der Schmelzpunkt abgelesen. Nach der Messung wird die Probe abgewischt.
Achtung:
Berühren Sie nicht den Metallstreifen der Heizbank auf der linken Seite: sehr heiß!
Schalten Sie die Heizbank nach beendeter Messung nicht aus!
Die Heizbank muss mindesten 30 Minuten vor Beginn der ersten Messung eingeschalten werden. Der Temperaturgradient ist nicht vollkommen linear, daher muss die Heizbank mit Eichsubstanzen geeicht werden.
b) Schmelzpunktsmikroskop
Das Kofler Heiztischmikroskop unterscheidet sich von Mikroskopen herkömmlicher
Bauart in einigen wesentlichen Punkten:
6
Es besitzt im Allgemeinen nur ein Objektiv (meist nur 10-fach) und nicht wie sonst
üblich einen Objektivrevolver. Am Objekttisch befindet sich, von diesem thermisch
isoliert, eine elektrisch beheizbare Platte mit einsteckbarem Temperaturfühler oder
Thermometer und eventuell einer Einrichtungen zum Manipulieren der Probe. Der Heiztisch wird mit einer Abdeckplatte abgedeckt.
Abdeckplatte
Objektträger mit Kristallen
Thermometer
Heizung
Seitenansicht des Heiztisches
Durchführung:
Wenige kleine Kristalle (2 - 3) werden auf eine trockene, saubere Objektträgerhälfte
aufgebracht. Eine zweite Objektträgerhälfte wird darübergelegt; die Kristalle werden
durch gelindes Zusammendrücken der Gläser zerkleinert. Man zentriert nun auf dem
kalten Heiztisch des Schmelzpunktsgeräts die Probe unter dem Mikroskop. Dann wird
die Abdeckplatte aus geschliffenem Glas (Vorsicht! Teuer!) auf den Heiztisch gelegt,
das Mikroskop abermals fokussiert, die stufenlos regelbare Heizung eingeschaltet und
langsam aufgeheizt. Eventuelle Tröpfchenbildung, Zersetzung vor dem Schmelzen,
Kristallformänderung etc. wird protokolliert unter gleichzeitiger Angabe der jeweiligen
Temperatur, die am seitlich aus der Heizplatte ragenden Thermometer (Besondere
Vorsicht! Nicht anstoßen! Sehr teuer!) oder am Digitalthermometer abgelesen wird.
Als Schmelzintervall wird der Temperaturbereich zwischen dem Erscheinen der ersten
Flüssigkeitströpfchen und dem Verschwinden des letzten Kristallrests angegeben. Zu
beachten ist, dass in der Nähe des Schmelzpunkts die Aufheizgeschwindigkeit nur
1 Grad pro Minute betragen darf, damit ein Überheizen vermieden wird (das Thermometer hat eine gewisse Trägheit).
Nach der Messung wir die Heizung zurückgedreht, die Abdeckplatte entfernt und die
Objektträger (Vorsicht: heiß!) am besten mit der Pinzette vom Heiztisch genommen. Auf
den Heiztisch legt man den Kühlblock aus Aluminium, um die Temperatur des Heiztisches für die nächste Messung wieder abzusenken.
4. Identifizierung des Alkohols
Die Identifizierung von literaturbekannten organischen Verbindungen erfolgt durch Vergleich der experimentell ermittelten physikalischen Parameter mit den Werten in der
Literatur. Die Herstellung eines festen Derivats und dessen Schmelzpunkt soll diese
Identifizierung bestätigen.
Von dem zu bestimmenden Alkohol liegen nun folgende drei experimentell ermittelte
Parameter vor:
Siedepunkt des Alkohols
Brechungsindex des Alkohols
Schmelzpunkt des N-Phenylurethans (= Derivat des Alkohols)
Diese drei Werte können mit denen in der folgenden Tabelle verglichen werden. Für
den Vergleich der Brechungsindices rechnet man die Werte am besten auf eine einheitliche Temperatur von 20°C um (siehe Theorie: Temperaturabhängigkeit des Brechungsindex).
7
a) Tabelle zur Identifizierung von Alkoholen
Fp (°C)
Alkohol
Methanol
Ethanol
1-Propanol
2-Propanol
1-Butanol
2-Butanol
2-Methyl-1-propanol
2-Methyl-2-propanol
1-Pentanol
3-Methyl-1-butanol
2-Methyl-2-butanol
Cyclopentanol
1-Hexanol
Cyclohexanol
Benzylalkohol
1-Heptanol
1-Octanol
nD (°C)
Fp (°C)
Kp (°C)
α-Naphthyl
urethan
Phenyl
urethan
1,3306 (15,0)
1,3595 (25,0)
1,3853 (20,0)
1,3771 (20,0)
1,4012 (15,0)
1,3995 (15,0)
1,3977 (15,0)
1,3838 (20,0)
1,4117 (15,0)
1,4053 (20,0)
1,4052 (20,0)
1,4530 (20,0)
1,4191 (20,0)
1,4641 (20,0)
1,5373 (21,9)
1,4233 (22,4)
1,4304 (20,5)
-97,9
-114,5
-126,2
-89,5
-89,3
-114,7
-108,0
25,3
-78,5
-117,0
-11,9
-19,0
-51,6
23,0
-15,3
-34,6
-16,3
64,5
78
97
82
118
98
108
82,5
138
131
102
140
157
160
205
176
192
124
79
80
106
71
97
104
101
68
68
72
118
59
129
134
62
66
47
52
57
88
61
64
86
136
46
56
42
132
42
82
78
58
74
(Man vergleiche den Gang der Schmelz- und Siedepunkte bei 1-Alkanolen!)
b) Fehlerquellen
Sollte keine eindeutige Identifizierung möglich sein, wiederholen Sie gegebenenfalls die
Bestimmung der einzelnen physikalischen Parameter. Mögliche Fehlerquellen:
• Alkohol verunreinigt durch Wasser, Aceton, Alkohole der Nachbarn, wenn die
verwendeten Glasgeräte (Eprouvette, Pipette) nicht trocken waren.
• Siedetemperatur war noch nicht konstant; speziell bei den hochsiedenden
Alkoholen genau beobachten, und alle Abstände (Brenner – Drahtnetz, Drahtnetz –
Eprouvette, Eintauchtiefe des Thermometers in die Eprouvette) verkürzen, damit die
notwendigen hohen Temperaturen erreicht werden können.
• Aufheizgeschwindigkeit bei der Schmelzpunktsbestimmung war zu schnell, der
gefundene Wert ist dann zu hoch.
• Das Urethan ist nicht sauber, der gefundene Schmelzpunkt ist dann zu nieder.
• Die Berechnung zur Temperaturkorrektur des Brechungsindex ist falsch.
Protokollieren Sie:
Protokollieren Sie die Bestimmung der physikalischen Parameter in kurzen Worten in ihrem Laborjournal. Geben Sie gegenübergestellt die durch Sie ermittelten Werte und die
der Tabelle entnommene Literaturwerte an. Übertragen Sie die Werte in das Ergebnisblatt.
Formulieren Sie die Derivatisierungsreaktion mit ihrem gefundenen Alkohol.
8
Theorie
1. Der Siedepunkt
Der Siedepunkt einer Flüssigkeit ist jene Temperatur, bei der ihr Dampfdruck p den
Druck der umgebenden Gasatmosphäre erreicht. Jede Siedepunktangabe ist daher nur
dann sinnvoll, wenn auch der herrschende Luftdruck mitgeteilt wird. Im Zweifelsfall
nimmt man Normaldruck, also 1,013 Bar an.
In der Literatur findet man auch viele Siedepunkte, die bei niedrigeren Drücken bestimmt wurden. Es handelt sich dabei meist um Verbindungen mit sehr hohen Siedepunkten, die nicht ohne Zersetzung so hoch bis zum Sieden erhitzt werden können. Für
eine Abschätzung der Abhängigkeit des Siedepunktes vom Druck kann man für viele
organische Flüssigkeiten folgende Faustformel verwenden: eine Verminderung
des äußeren Drucks um die Hälfte reduziert die Siedetemperatur um etwa 15°C.
Der Siedepunkt ist von geringen Verunreinigungen relativ wenig abhängig. Der Grund
liegt darin, dass sich der Gesamtdampfdruck einer Mischung, welcher am Siedepunkt
den umgebenden Gasdruck erreichen muss, aus den Dampfdrücken der einzelnen
Komponenten zusammensetzt. Es gilt im Idealfall das Gesetz von DALTON:
pMisch = pA + pB + . . .
Die Dampfdrücke pA, pB, ... der einzelnen Mischungskomponenten A, B, ... ergeben
sich dabei nach dem Gesetz von RAOULT:
pA = p0a . xA bzw. pB = p0b . xB bzw. . . .
Dabei steht p0a, p0b, ... für die Dampfdrücke der jeweils reinen Komponenten und xA,
xB, ... für die molaren Anteile (Molenbrüche) der jeweiligen Komponenten, z.B.:
xA = Mole A / (Mole A + Mole B + . . .)
Kombiniert man die Gesetze von Dalton und Raoult, so erhält man den Gesamtdampfdruck einer Mischung bei gegebenem Mischungsverhältnis:
pMisch = p0a . xA + p0b . xB + . . .
Man sieht leicht, dass sich also bei kleinen molaren Anteilen an Verunreinigung B keine
wesentliche Änderung des Dampfdruckes ergibt, besonders wenn B selbst einen ähnlichen oder einen niedrigeren Dampfdruck besitzt wie die Hauptkomponente A. Anders
verhält es sich, wenn die beiden Komponenten ein Azeotrop bilden (näheres dazu am
Arbeitstag 8). Eine Reinheitsprüfung einer Flüssigkeit über den Siedepunkt ist daher
in der Praxis nicht möglich.
Eine Bestimmungsmöglichkeit für den Siedepunkt (wenn auch nur eine relativ grobe)
ist die Destillation unter Rückfluss: Man destilliert so lange, bis die abzulesende
Temperatur am in die Rückflusszone eintauchenden Thermometer konstant bleibt, sich
also das thermische Gleichgewicht eingestellt hat. Enthält die Probe auch noch Anteile
mit höherem Siedepunkt, so werden diese natürlich nicht erkannt. Etwas genauer kann
die Bestimmung durchgeführt werden, indem man in einer richtigen Destillationsapparatur eine größere Menge Flüssigkeit in konstanten Portionen abdestilliert und ein
Diagramm Temperatur gegen Volumen zeichnet. Aus solchen Siedekurven kann man
Verunreinigungen leichter ablesen.
(Mehr zum Thema Destillation am Arbeitstag 8).
9
2. Der Brechungsindex
Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichtes ist unterschiedlich in verschiedenen
Medien. Zur Beschreibung verwendet man den Begriff der optischen Dichte. Man bezeichnet ein Medium als optisch umso dichter, je geringer die Lichtgeschwindigkeit in
ihm ist.
Tritt ein Lichtstrahl von einem optisch dünneren in ein optisch dichteres Medium über,
und trifft er dabei nicht genau normal zur Phasengrenzfläche (d.h. senkrecht, also mit
einem Einfallswinkel von 0°!) auf, so tritt die Erscheinung der optischen Brechung auf.
c1
Gesetz von Snellius:
sin α
α
Medium 1
(optisch dünner)
β
Medium 2
(optisch dichter)
sin β
c1, c2
n
=
c1
c2
= n
Lichtgeschwindigkeiten in
Medium 1 bzw. 2
Brechungsindex
(Bezugsmedium: Luft)
c2
Als Folge davon verläuft der Lichtstrahl im optisch dichteren Medium in einem kleineren
Winkel zum Lot (β < α) auf die Phasengrenzfläche, als im optisch dünneren Medium.
Man sagt: "Beim Übergang vom optisch dünneren zum optisch dichteren Medium
wird der Lichtstrahl zum Lot gebrochen". Die Fortpflanzungsrichtung des Lichtstrahles
ist dabei auch umkehrbar, ohne dass sich am Verhältnis der beiden Winkel etwas
ändert. Der Lichtstrahl wird also beim Übertritt aus einem optisch dichteren in ein
optisch dünneres Medium vom Lot gebrochen.
Der Brechungsindex n kann als Materialkonstante betrachtet werden. Die Brechungsindices fast aller Stoffe liegen zwischen 1 und 2,5; z.B. Vakuum: 1,0000; Luft: 1,0003;
Wasser: 1,3333; Glas: 1,4 - 1,8; TiO2: 2,4; Diamant: 2,4.
Fast alle Messgeräte zur Bestimmung des Brechungsindex (Refraktometer) benützen
dazu die Bestimmung des Grenzwinkels der Totalreflexion. Dieser kann über eine
Hell-Dunkelgrenze sehr leicht am Gerät eingestellt und beobachtet werden. Verbunden
damit ist eine geeichte Skala, der Brechungsindex n kann direkt abgelesen werden. Das
mit Abstand wichtigste Gerät ist das Abbe – Refraktometer. Dieses besitzt einen
Messbereich von 1,30 - 1,71. Als optisch dünneres Medium dient bei diesem Gerät die
zu messende Probe. Das untere Messprisma, auf dem die Probe aufgebracht wird, ist
das optisch dichtere Medium. Es besteht aus Flintglas und mit möglichst hohem Brechungsindex (welcher ja die obere Grenze des Messbereiches festlegt!).
a) Abhängigkeit von der Wellenlänge des verwendeten Lichtes
Da sich die Lichtgeschwindigkeit in einem Medium mit der Frequenz des Lichtes ändert, gilt ein angegebener Brechungsindex n nur für eine bestimmte Lichtfarbe. Licht
unterschiedlicher Wellenlänge wird unterschiedlich stark gebrochen, langwelliges
(rotes) Licht weniger stark als kurzwelliges (violettes) Licht.
10
rot
violett
Es muss daher auch immer die Wellenlänge angegeben werden. In den meisten Fällen
bezieht man sich auf die Natrium-D-Linie (Wellenlänge = 589 nm), daher erfolgt die
Angabe als:
nD
Bei fast allen Geräten erfolgt die Messung jedoch mit weißem (polychromatischem)
Licht. Das Abbe - Refraktometer besitzt allerdings eine Kompensationseinrichtung, die
das Arbeiten mit weißem Licht erlaubt. Mit einem Rad an der Geräteseite wird die auf
Grund der spektralen Dispersion als rötlich oder bläulich erscheinende HellDunkelgrenze auf eine scharfe Grenzlinie eingestellt. Die Mess-Skala ist auf nD geeicht.
b) Abhängigkeit von der Temperatur
Brechungsindices sind stark temperaturabhängig. Sie nehmen mit steigender Temperatur ab. Aus diesem Grund muss die Messtemperatur immer angegeben werden, z.B.
nD25
Eine Abschätzung des korrekten Wertes bei der Messtemperatur erlaubt die Faustregel:
Änderung der Temperatur um + 1°C bedeutet eine Abnahme des nD um 0,0004. Diese
Berechnung ist nicht exakt, aber in der Praxis verwendbar.
z. B.
Beobachteter Wert: nD18 = 1,3325
Extrapolierter Wert: nD25 ≈ 1,3325 - 0,0028 ≈ 1,3297
3. Der Schmelzpunkt
Der Schmelzpunkt oder die Schmelztemperatur eines Stoffes ist die Temperatur, bei
der die Schmelze mit der festen Substanz im Gleichgewicht steht. Jede absolut
reine, einheitliche Verbindung besitzt einen scharfen Schmelzpunkt, d.h. vom Beginn der ersten Schmelzerscheinung (z.B. Abrundung der Kristallkanten) bis zum
Schmelzen des letzten Kristalls einer Probe, ändert sich die Temperatur innerhalb der
Probe praktisch nicht. Die exakte Bestimmung ist nur durch Aufnahme von Schmelzkurven möglich, bei den üblich verwendeten Methoden beobachtet man im Allgemeinen
Schmelzintervalle von einigen Zehnteln bis zu 1°C, bei der Kofler-Heizbank bis zu 5°C.
a) Verunreinigungen
Jede Verunreinigung mit anderen mischbaren Stoffen führt zu einer deutlichen
Erniedrigung des Schmelzpunktes, auch wenn die Verunreinigung selbst einen höheren Schmelzpunkt hat. Das Schmelzen erfolgt dann auch innerhalb eines größeren
Schmelzintervalls, d.h. die Temperaturdifferenz vom Beginn der ersten sichtbaren
Schmelzerscheinung bis zum Wegschmelzen des letzten Kristalls kann einige wenige
bis viele Grade betragen. Die Zusammenhänge sind in einem einfachen Schmelzdiagramm für eine Zwei-Komponenten-Mischung ersichtlich, unter der Annahme einer
11
vollkommenen Mischbarkeit in der flüssigen Phase (Schmelze) und Nichtmischbarkeit in
der festen Phase (keine Mischkristallbildung).
Einfaches Schelzdiagramm einer
binären Mischung aus A und B:
XA, XB
TA, TB
TE
Molenbruch A,B
Schmelzpunkt A,B
Schmelzpunkt Eutektikum
Die Schmelzkurven AE bzw. BE geben für jede Zusammensetzung die Gleichgewichtstemperatur zwischen der Schmelze und der festen Phase A bzw. B an. Am eutektischen Punkt E befinden sich alle drei Phasen Schmelze, festes A und festes B im
Gleichgewicht. Bei diesem ganz bestimmten Mischungsverhältnis beobachtet man
wieder einen scharfen Schmelzpunkt. Der Schmelzpunkt dieser Eutektischen
Mischungen liegt dabei immer tiefer als der niedrigste Schmelzpunkt der Einzelkomponenten. Sie besitzen oft technische Bedeutung, z.B. Lötzinn, eine Mischung aus Zinn
und Blei 63 : 37, Fp 183°C; FpSn 232°C; FpPb 327°C.
Häufige „Verunreinigungen“ sind auch die bei der Umkristallisation verwendeten
Lösungsmittel. Bei der Schmelzpunktbestimmung muss daher besonders auf diese
Feuchtigkeits- und Lösungsmittelspuren in der Probe geachtet werden.
b) Zersetzung
Viele organische Verbindungen schmelzen unter Zersetzung, die sich äußerlich meist
durch Verfärbung und Gasentwicklung zeigt. Diese Zersetzungstemperatur ist im allgemeinen unscharf und schwierig zu reproduzieren. Manche Stoffe haben überhaupt
keine charakteristische Umwandlungstemperatur und verkohlen beim starken Erhitzen.
c) Korrigierte Schmelzpunkte
Die verwendeten Apparaturen zur Schmelzpunktsbestimmung, speziell die Thermometer, können natürlich leichte Unterschiede aufweisen und damit werden die beobachteten Schmelzpunkte leicht variieren. In der Literatur findet man für solche Werte oft die
Bezeichnung: unkorrigierter Schmelzpunkt. Will man diese Geräteabhängigkeit berücksichtigen, muss man durch Messung der Schmelzpunkte von einer Reihe von
Standartsubstanzen eine Kalibrierung im gewünschten Messbereich vornehmen. Die
Messfehler durch Verunreinigungen oder zu schnelles Aufheizen führen allerdings in
der Praxis zu deutlich größeren Abweichungen in der Schmelzpunktsbestimmung.
d) Molekulare Zusammenhänge
Zwischen dem Schmelzpunkt und der Molekülstruktur bestehen gewisse Zusammenhänge. Symmetrische Moleküle schmelzen eher höher als unsymmetrische. Bei stereoisomeren Verbindungen hat die trans-Verbindung meist den höheren Schmelzpunkt,
z.B. Maleinsäure (cis) 130°C, Fumarsäure (trans) 287°C. Der Schmelzpunkt steigt mit
dem Assoziationsgrad, z.B. schmelzen Carbonsäuren (H-Brücken) höher als ihre Ester.
Wenn eine organische Verbindung bis 300°C nicht schmilzt, handelt es sich wahrscheinlich um ein Salz.
12
Fragen
1. Warum ist es vielfach notwendig, zur Identifizierung von organischen Substanzen ihre
Derivate heranzuziehen?
2. Zur Identifizierung eines unbekannten Alkohols setzen sie diesen mit Phenylisocyanat
zum entsprechenden Phenylurethan um. Der gemessene Schmelzpunkt ist leider nicht
eindeutig. Sie bestimmen deshalb zusätzlich den Brechungsindex des Alkohols:
nD26 = 1,3898. Zur Auswahl stehen nun folgende Alkohole: 2-Propanol (nD24 = 1,3755),
2-Methyl-1-propanol (nD15 = 1,3970) und Cyclohexanol (nD20 = 1,4641).
a) Welcher Alkohol liegt vor? (Begründen sie!)
b) Erstellen sie die Reaktionsgleichung für die Umsetzung dieses Alkohols mit Phenylisocyanat.
3. Wovon ist der Brechungsindex abhängig? Wie wird er in der Praxis angegeben?
4. Warum ist der Siedepunkt als Reinheitskriterium für eine organische Flüssigkeit ungeeignet?
5. Warum ist der Schmelzpunkt von organischen Feststoffen als Reinheitskriterium geeignet, in welchen Fällen allerdings nicht?
6. Wie ist der Siedepunkt definiert und wovon ist er abhängig\
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