Simulation der Evolution Überblick

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Proseminar: Visualisierung in der Bioinformatik
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Computersimulationen von
evolutionären Veränderungen durch
Mutation und Selektion
Bianca Büttner SS 2004
Überblick
• Mechanismen der Evolution als Grundlage für
Computersimulationen (kurz)
• Simulationsbeispiele:
– Die Avida-Welt
– Creatures – Das interaktive PC-Spiel
– Dawkins Biomorphe
• Vor- und Nachteile von Evolutionssimulationen
• Ausblick auf die Zukunft der Evolutionssimulationen
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Mechanismen der Evolution
Basierend auf der Hypothese von C. Darwin
• Natürliche Selektion
• Mutation
• Vererbung der Gene
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Natürliche Selektion
•
•
•
•
•
Selektionsvorteil durch phänotypische Anpassung an die Umwelt (d.h.
nur Gene, die direkt das äußere Erscheinungsbild beeinflussen, sind
betroffen).
Selektion entscheidet ob eine Mutation positiv oder negativ für den
Organismus ist.
Selektionsdruck wird von den Umweltbedingungen eines Lebewesens
ausgeübt.
Erhöhung der Überlebenschance einer Population durch Weitergeben
des genetischen Selektionsvorteils an die Nachkommen.
Beispiel: Stummelflügelmutant der Fruchtfliege auf den
Kergueleninseln.
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Selektionsarten
• Gerichtete Selektion
– Beispiel: DDT-Resistenz bei Insekten
• Stabilisierende Selektion
– Eliminiert die Extrema eines Phänotyps
– Beispiel: Erhöhte Sterblichkeit bei Säuglingen über und unter 7,5
Pfund
• Unterbrechende Selektion
– Erzeugt mehrere Variationen eines Phänotyps statt eines Einzigen
als Anpassung an die Umwelt
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Mutation
• Genommutation
– Fehler bei der Verteilung der Chromosomen auf die Tochterzellen
bei der Zellteilung.
– Beispiel: Down-Syndrom (21. Chromosom ist dreifach vorhanden)
• Chromosomenmutation
– Veränderung der Chromosomenform z.B. können Chromosomen
verkürzt oder ringförmig sein.
• Genmutation
– Modifizierung von Genen, die als Vorlage für Proteine dienen.
– Sehr wichtig für die evolutionären Prozesse, die simuliert werden
sollen.
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Genmutationsarten
• Punktmutation
– Vertauschung einer Base im DNA-Strang.
• Fehlsinnmutation: Es entsteht ein neues Codon und somit ein neues
Protein.
• Stille Mutation: Es entsteht ein Codon, dass nicht existiert.
• Nonsensmutation
– Durch Basentausch entsteht ein Stopcodon, was zu einem defekten
Protein führt.
• Rastermutation
– Insertion oder Deletion von Basenpaaren führen zur Verschiebung
des Triplettrasters und somit zu defekten Proteinen.
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Programmierung
• Computersimulationen über die Evolution sind meist
objektorientiert programmiert (vor allem in C++ oder
Java).
• Die Plattform einer Simulation ist abhängig vom
Entwickler.
• Avida wurde ursprünglich für Linux und Creatures für
Windows 95 entwickelt.
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Die Avida-Welt
•
Simuliert digitale Lebewesen in einer virtuellen Umwelt in Form von
kleinen Computerprogrammen, die sich selbst kopieren und ausführen
können (vergleichbar mit einem Virus).
•
Entwickelt von Christopher Adami (Digital Life Laboratory, California
Institute of Technology, Pasadena) in Zusammenarbeit mit Richard E.
Lenski, Charles Ofria und Robert T. Pennock von der Michigan State
University.
•
Seit 2003 kostenlos im Netz erhältlich.
•
Erster Vorläufer (1990) war „Tierra“ von Thomas Ray.
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Aufbau eines Avida-Lebewesens
• Zirkuläres Genom: Kette von
Genen - einfache
Maschinenbefehle, die der
Reihenfolge nach abgearbeitet
werden.
• Virtuelle CPU, bestehend aus
3 Registern und 2 Stacks, die
32-Bit-Eingabestrings
verarbeiten können.
• keine sichtbare
Benutzeroberfläche, Phänotyp
ist der virtuelle Computer, der
die Instruktionen ausführt.
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Übersicht der Maschinenbefehle
Es gibt insgesamt
26 Instruktionen,
die das AvidaLebewesen
ausführen kann,
um logische
Funktionen zu
berechnen.
Beispiel: IO =
Eingabe/Ausgabe
der Register
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Fortpflanzung in Avida
•
•
•
Asexuelle Vermehrung
Fehlerhafter Kopiervorgang sorgt für Entstehung von Mutationen:
Gene werden ersetzt (Punktmutation), hinzugefügt (Insertion) oder
weggelassen (Deletion).
Durch die Mutationen kommt es zu Variationen der Genomlänge
(Anzahl der Instruktionen im Genom):
– Je kürzer das Genom desto schneller der Kopiervorgang
(Selektionsvorteil).
– Je kürzer das Genom desto weniger Funktionen sind ausführbar
(Selektionsnachteil).
•
Die meisten Mutationen sind neutral oder sogar nachteilig, aber ein
paar Wenige bewirken einen Selektionsvorteil.
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Energie als Belohnung für evolutionäre
Entwicklung
•
•
•
•
•
•
Pro Instruktion wird eine Energieeinheit (SIP – Single Instruction Processing
Unit) verbraucht.
Begrenzter Energievorrat – zusätzliche Energie nötig zur Ausführung von
Instruktionen (Selektionsdruck).
Lebewesen erhält Energie für korrektes Ausführen logischer Operationen an
32-Bit-Strings.
Es gibt 9 logische Funktionen (über Instruktion NAND aufgebaut), die jede
unterschiedlich viele SIPs liefert. Funktion EQU liefert die meiste Energie
(Selektionsvorteil).
Lebewesen bekommt nur Energie beim 1. Mal Ausführen der neu erlernten
Funktion – muß also immer neue Funktionen erlernen.
Es sind viele Mutationen nötig, um eine logische Operation ausführen zu
können, und nicht alle sind auf den ersten Blick positiv.
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Berechnung der logischen Funktion
„EQU“
•
•
•
•
Überprüft zwei binäre 32-Bit lange
Strings auf Gleichheit.
Strings werden eingegeben, durch
NAND-Operatoren verknüpft und in
den Registern BX und CX
gespeichert.
Vergleich der Strings liefert eine
Null, beide an der gleichen Position
eine Eins haben, ansonsten wird
eine Eins ausgegeben.
Das Ergebnis des Vergleichs wird in
Register AX gespeichert und von
dort ausgegeben (über
Instruktionen: nop-A und IO).
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Visualisierung von Ergebnissen (1)
• Fallstudie:
– 3600 Avida-Lebewesen – zu Beginn unfähig zu logischen
Funktionen – vermehrten sich 16 000 Generationen lang.
– Ihre Genomlänge von 50 Instruktionen zu Beginn, variierte zum
Schluss zwischen 49 – 356 Instruktionen, wobei aber
Genomlänge 83 dominierte.
– In 23 von 50 Fällen entwickelten sich EQU-fähige Lebewesen.
– Einmal entwickelt, ging diese Fähigkeit auch später nicht mehr
verloren.
– Visualisierung dieser Ergebnisse siehe Diagramm...
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Visualisierung von Ergebnissen (2)
•
•
Das Diagramm zeigt, wieviele
Generationen (344) nötig
gewesen wären, um von der UrForm mit 50 Instruktionen ohne
Umwege auf die dominante
Lebensform mit 83 Instruktionen
zu kommen.
Die Y-Achse stellt die
phylogenetische Tiefe dar, d.h.
die Anzahl von Generationen
von einem Individuum zu seinen
Vorfahren.
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Creatures – Das PC-Spiel
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Was ist Creatures?
•
Der Natur nachempfundene virtuelle Umgebung, in der künstliche
Lebensformen – genannt Norns – leben und sich nach den Prinzipien
der Evolution entwickeln.
•
Ein interaktives PC-Spiel, 1996 von Stephen Grand in Oxford
entwickelt (Vertrieb: Cyberlife).
•
Aufgabe des Spielers ist die Pflege und Erziehung „seiner“ Norns,
sobald sie aus ihren Eiern schlüpfen (virtuelles Tomagotchi).
•
Selbständige Entwicklung der Norns – Spielablauf ist nicht im voraus
geplant.
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Fähigkeiten eines Norns (1)
•
•
•
•
Norns sind lernfähig und besitzen ein
primitives Gehirn, mit dem sie Erfahrungen
speichern, die ihr weiteres Verhalten
bestimmen.
Eigenschaften wie Phänotyp, Persönlichkeit
und Lebensdauer sind genetisch festgelegt:
Jeder Norn ist anders – Veränderungen
durch Mutationen sind sichtbar.
Spieler kann seinem Schützling eine VerbObjekt-Sprache beibringen (z. B. hole
Obst).
Norn muss Mechanismen gegen
Überbevölkerung überwinden (Grendel,
Nahrungsknappheit, Krankheiten).
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Fähigkeiten eines Norns (2)
•
•
•
•
Norns besitzen ein biochemisches System:
Chemische Substanzen (Hormone,
Botenstoffe, Antikörper) simulieren
Gefühle wie Hunger und Müdigkeit
=> bestimmt ebenfalls Verhalten der Norns.
Norns haben simulierte Sinne und können
Sehen, Hören und Tasten.
Sie durchlaufen 6 verschiedene
Lebensstadien – ihre maximale
Lebensdauer ist 14 Stunden.
In der neueren Version von Creatures
besitzen die Norns sogar eine Atmung,
Organe und einen Blutkreislauf.
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Fortpflanzung der Norns
•
Vereinfachte Fortpflanzung zur Züchtung gesunder Norns (Spiel):
– In Genen (Programmcode in Form von langen Zeichenketten) können
keine tödlichen Mutationen vorkommen => lebenswichtige Gene sind
gegen Ausfall, Mutation und Verdopplung geschützt.
– Haploides (einzelsträngiges) Genom.
– Geschlechtsspezifische Gene sind bei weiblichen und männlichen Norns
gleichermaßen vorhanden, aber je nach Geschlecht, ist das eine oder
andere Gen stummgeschaltet.
•
Vorteil zu Avida:
– Sexuelle Fortpflanzung inklusive Crossing-Over (Rekombination).
– Technik des genetischen Algorithmus: Rekombination und Modifikation
von Programmstücken durch Mutation und Selektion wie bei echtem
genetischen Code.
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Aufbau eines Norn-Gehirns (1)
•
•
•
•
•
Ein Norn-Gehirn entspricht einem
neuralem Netzwerk.
Es ist in 9 Bereiche – genannt Lobes –
unterteilt.
Jeder Lobe besteht aus Neuronen mit
gleicher Aufgabe.
Die Neuronen stehen über Synapsen
miteinander in Verbindung und nehmen
Reize über ihre Dendriten auf.
Die Anzahl der Neuronen und Lobes ist
genetisch festgelegt und somit durch
Mutation veränderbar.
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Aufbau eines Norn-Gehirns (2)
•
•
•
•
•
$WWHQWLRQ/REH Verarbeitet Signale aus
der Umgebung => Norn richtet seine
Aufmerksamkeit auf Signalgeber.
3HUFHSWLRQ/REH Verarbeitet ebenfalls
Signale von außen.
&RQFHSW/REHSpeichert Erinnerungen an
Ereignisse.
'HFLVLRQ/REHTrifft Entscheidungen
aufgrund der Vorarbeit der Perception- und
Decision-Lobes.
'ULYH/REH Verarbeitet Signale von chem.
Botenstoffen, die einen Drang erzeugen (z.
B. den Drang den Hunger zu stillen). Als
Belohnung für die Drangreduzierung
entstehen freudeerzeugende Synapsen.
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Das Biochemische System
•
•
Simulierung endokriner Funktionen, eines grundlegenden
Metabolismus und eines einfachen Immunsystems.
Basiert auf vier wichtigen Objektklassen:
– &KHPLNDOLHQ symbolisiert durch Nummern (0 – 255), eine 2. Nummer
gibt Höhe der Konzentration an.
– %RWHQVWRIIHXQGLKUH5H]HSWRUHQ Ausschüttung durch Emitter-Objekte,
Zielort ist genetisch festgelegt.
– &KHPLVFKH5HDNWLRQHQWelche Reaktion bei welcher Chemikalie
entsteht ist ebenfalls genetisch festgelegt und hat nichts mit
Moleküleigenschaften zu tun.
•
Beispiel Nahrungsaufnahme:
– Hungergefühl => Drang zu Essen => Glucose wird frei und teilweise in
Glykogen umgewandelt (Speicherung), der Rest gelangt als Energie ins
Gehirn: Verstärkung von Synapsen als Belohnung für richtiges Verhalten.
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Dawkins Biomorphe (1)
•
Richard Dawkin entwickelte einen Algorithmus, der aus den Knoten
und Kanten eines symmetrischen Binärbaums durch Mutation und
Selektion insektenähnliche digitale Lebewesen erschafft.
•
Das Genom eines biomorphen Organismus besteht aus 9 Genen, die
jeweils 19 verschiedene Allele (von +9 bis –9) besitzen.
– Gen 1-4 legt Kantenlänge fest.
– Gen 5-8 bestimmt Winkel zwischen zwei Kanten an einem Knoten.
– Gen 9 legt Iterationstiefe fest.
•
•
Asexuelle Vermehrung mit bis zu 18 Nachkommen.
Mutationsrate pro Generation: +/- 1
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Dawkins Biomorphe (2)
•
•
Die folgende Abbildung zeigt
ein Ergebnis von Dawkins
Biomorphe mit einer
Rekursionstiefe von 29, d.h. es
waren 29 Generationen nötig bis
zum vorläufigen, in diesem Falle
insektenähnlichen, Ergebnis.
Die Seitenzweige entsprechen
evolutionäre Sackgassen, die
keine weiteren Nachkommen
haben.
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Vor- und Nachteile von
Simulationen
• Vorteile:
• Nachteile:
– Schnellere Lieferung von
Ergebnissen als im Labor,
da digitale Lebensformen
eine kürzere Lebensdauer
besitzen.
– Versuchsbedingungen
lassen sich leichter
kontrollieren und
wiederholen.
– Evolution ist Schritt für
Schritt nachvollziehbar –
ohne Missing Links.
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– Die starke Vereinfachung
stellt die Realitätsnähe der
Ergebnisse in Frage.
– Für spezielle
Fragestellungen sind die
meisten Simulationen noch
nicht ausgereift genug.
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Möglichkeiten in der Zukunft
• Vor allem Creatures erweist sich als zukunftsträchtig:
– Einsatz der lernfähigen Norns als adaptive
Kontrollsysteme und künstliche Intelligenzen.
– Testen von Systemen in Simulationen, z. B. Gibt es
genug Notausgänge bei einer Panik in einem Stadion?
– Britische Luftwaffe setzt verbesserte Norns bereits als
Flugsimulatoren für ihre Flugschüler ein.
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