Tierärztliche Praxis Dr. H. Gaumann prakt. Tierarzt Dr. J. Hamke Fachtierarzt für Geflügel Dr. D. Mischok prakt. Tierarzt Dr. D. Schulze Fachtierarzt für Geflügel Dr. E. Sieverding Fachtierarzt für Schweine u. Geflügel Bergweg 20 49393 Lohne Tel. 04442-9220-0 Fax 04442 - 5861 Mai, 1999 Kundenbrief Nr. 29 Liebe Kundinnen und Kunden, das von Celine Dion gesungene Titanic-Titellied bringt es sehr treffend zum Ausdruck: „My heart will go on“es wird weitergehen. Dies gilt auch für die Zeit nach Juni, bzw. August 1999, wenn für weitere vier Leistungsförderer endgültig die Lichter erloschen sein werden. Wir möchten jetzt kein Trauerlied anstimmen, sondern nur darauf hinweisen, daß zwei der Leistungsförderer (Carbadox und Olaquindox) auf Grund ihres guten Wirkungsspektrums im gramnegativen Bakterienbereich in einigen schweinehaltenden Betrieben unspezifische Koli-Durchfälle und Dysenterie bedingtes Kleckern unterhalb einer therapiewürdigen Grenze hält. Die Erreger der Dysenterie, neuerdings nicht mehr Serpulina hyodysenteriae, sondern Brachyspira hyodysenteriae genannt, gehören genau wie die Kolikeime oder die Salmonellen zu den gramnegativen Bakterienarten. Auf die durch Kolikeime und durch Salmonellen bedingten Durchfälle soll hier nicht näher eingegangen werden. Nur soviel sei erwähnt, daß durch die Anwendung von hochwertigen Absatzfuttern und einer dem Alter angepaßten Fütterung während der Aufzucht und Vormast, sowie einer langsamen Futterumstellung zwischen den einzelnen Futtersorten einer hochgradigen Kolibesiedlung oder einer Salmonelleninfektion des Darmes am ehesten entgegen gewirkt werden kann. Die regelmäßige betriebliche Schadnagerbekämpfung versteht sich von selbst. Genauer eingegangen werden soll hier jedoch auf die Schweinedysenterie. Eine praxiseigene Kotprobenreihenuntersuchung in 81 reinen ferkelerzeugenden Betrieben auf das Vorhanden- sein von Dysenterie-Erreger erbrachte in 12 Beständen einen positiven Serpulinen-Nachweis. Jedoch wurden in keinem der untersuchten ferkelerzeugenden Betrieben eine klinische Dysenterie beobachtet. Die Folgerung daraus ist, daß ca. 15 % aller Sauenbestände den Dysenterie-Erreger im Bestand haben (ohne es wahrscheinlich zu wissen). Da die Dysenterie eine Faktorenerkrankung ist, kann nach dem Anwendungsverbot für Carbadox und Olaquindox in einigen Beständen der Schwellenwert für eine klinische Infektion überschritten werden. Die Kontrolle der Dysenterie-Erreger muß nach dem Anwendungsverbot auf andere Art und Weise erfolgen. Vorweg aber: „Welche Faktoren sind es nun, die aus einem Serpulinen-Befund eine klinisch sichtbare Dysenterie mit all ihren wirtschaftlichen Folgen werden lassen kann?“ Zum einen können sich Dysenterie-Erreger besonders gut im Darm einnisten, wenn die Darmschleimhaut durch andere Erreger wie z.B. Würmer, hämolysierende Kolikeime oder Salmonellen vorgeschädigt ist. Sind die Dysenterie-Erreger erst einmal in der Schleimhaut- mukosa angesiedelt, sind sie auf Grund ihres tiefen Eindringens in die Darmwand nicht mehr vom Körper alleine zu besiegen. Durch ihre Vermehrung im Darm werden sie regelmäßig und besonders in Streßsituationen massenhaft mit dem Kot ausgeschieden und können andere Tiere infizieren. Besonders anfällig für Dysenterie sind Schweine nach dem Absetzen im Flattdeck und nach der Einstallung in die (Vor-) Mast, wenn durch Nahrungsumstellung die Darmflora instabil ist. Als zweites kommt der Keimbelastung im Umfeld der Tiere eine immense Bedeutung zu. Die von den Schweinen ausgeschiedenen Dysenterie-Erreger überleben in der Gülle oder in den Gülleresten sehr lange (bis zu 60 Tage). In Betrieben, in denen nicht Stall- oder Abteilweise rein-raus gefahren werden kann, ist die Gefahr um ein vielfaches höher. Wird in solch kontinuierlich beschickten Ställen nicht peinlichst auf eine Minimierung des Seite 1 von 2 Keimeintrages geachtet, kann aus einem positiven Serpulinen Befund schnell eine klinische Dysenterie werden. Da die Kontrolle durch Leistungsförderer auf Grund der Anwendungsverbote immer stärker eingeschränkt wird, kommt der Bekämpfung der Erreger im direkten Umfeld zukünftig eine stärkere Bedeutung zu. Das heißt, die Güllebehandlung als erweiterte Hygienemaßnahme wird zu einer wesentlichen Säule bei der Dysenteriebekämpfung. Da Serpulinen nicht mit der Luft, sondern nur durch die orale Aufname das Tier infizieren können, müssen die Erreger aus der Gülle in den direkten Tierbereich kommen. Ein starker Fliegenbesatz ist z.B. eine ideale Voraussetzung. Die vornehmlich im Güllekeller lebenden Larven und schlüpfenden Fliegen bringen den Dysenterie-Erreger in den Tierbereich und legen den Grundstein für eine erneute Infektion. Betriebe, die ihr latentes Dysenterieproblem bis jetzt mit Carbadox oder Olaquindox kontrolliert haben, ist eine neue Strategie anzuraten. Eine Bekämpfung der Dysenterie-Erreger im Umfeld der Tiere ist dabei notwendig. Nach erfolgter gründlicher Reinigung, jedoch noch vor der eigentlichen Stalldesinfektion, muß die verbleibende Gülle mit Alzogur, einem dysenterie- und fliegenwirksamen Präparat behandelt werden. Die Alzogurbehandlung der Gülle erfolgt nach folgender Vorgehensweise: die benötigte Menge wird nach dem verbleibendem Güllerest bemessen. Je verbleibendem Kubikmeter Gülle werden mindestens drei Liter Alzogur benötigt um die Dysenterie-Erreger abzutöten und die Fliegenbesiedlung zu unterbinden. Die errechnete Alzogurmenge wird dann mit soviel Wasser verdünnt, daß man je Mastplatz mindestens 0,3 Liter und je Flatdeckplatz 0,15 Liter Alzogur-Gebrauchslösung hat. Diese Gebrauchslösung verteilt man z. B. mit einer Gießkanne und Brauseaufsatz auf dem Stallboden (Liegebereich bzw. den Spalten). Da Alzogur für Schweine sehr giftig ist, muß der Stallboden anschließend mit klarem Wasser abgespült werden. Zur Erleichterung ist das Alzugur vom Hersteller tief blau eingefärbt worden. Nach der Alzogurkur der Gülle, erfolgt die eigentliche Desinfektion mit einem DLG gelisteten Desinfektionsmittel. (Fallbeispiel: Ein Maststall mit 200 Liegeplätzen hatte Dysenterie. Nach dem Ablassen der Gülle und der Stallreinigung, verbleibt im Güllekeller, mit den Maßen 10 m Breite und 20 Metern Länge, eine 5 cm tiefe Gülleschicht. Daraus errechnet sich eine Restgüllemenge von 10 m x 20 m x 0,05 m = 10 m. Da mindestens drei Liter Alzogur je Kubikmeter Gülle benötigt werden, sind wenigstens 30 Liter Alzogur zur Güllebehandlung notwendig. Zur ordnungsgemäßen Verteilung im Stall sind mindestens 0,3 l je Mastplatz notwendig, d. h. 200 x 0,3 l = 60 Liter Alzogurlösung müssen hergestellt werden. In diesem Fallbeispiel muß das Alzogur zur Hälfte mit Wasser verdünnt werden um der Forderung nach der Mindestmenge je Quadratmeter gerecht zu werden. Da Alzogur Metalle stark angreift, darf nur der Zementboden (bzw. die Spalten) behandelt werden. Beim Abspülen ist mit leichtem Wasserdruck zu arbeiten damit Personen und Metallgegenstände nicht unnötig dem Spritzwasser ausgesetzt werden. Betriebe, die diese ergänzende Alzogur-Behandlung neben der eigentlichen Reinigung und Desinfektion regelmäßig durchführen, verhindern so effektiv das Ansiedeln von lästigen Fliegen und töten zusätzlich die Dysenterie-Erreger im Umfeld der Schweine ab. Der Wegfall von Leistungsförderern macht für die Zukunft eine gezielte Auswahl der Desinfektionsmittel und eine eventuelle betriebsbezogene zusätzliche keimreduzierende Maßnahme mehr und mehr unerläßlich. Nicht, daß es ihrem betrieblichen Gesundheitsstatus nachher so ergeht wie der bereits oben erwähnten Titanic, die trotz des Wissens um die Eisberggefahr, ihr Schicksal letztendlich durch eine Unterschätzung der Realität selbst verschuldet hat. Dr. Schulze & Partner Seite 2 von 2