72 erdbebenschutz SAW-Siedlung Zürich, Dr. Deuring + Oehninger AG, Winterthur (Software 3muri). Verformungsbasierte Erdbebenberechnungen nach PushOver sind eine genaue und schnelle Methode. Das Verfahren unterstützt den Bauingenieur und führt meist zu wirtschaftlicheren Ergebnissen. Text: Daniel Gass // Grafiken: zvg. Erdbebenberechnungen basieren immer auf Annahmen, welche – im Vergleich zu statischen Berechnungen – relativ grosse Unsicherheiten beinhalten. Insbesondere bei der Überprüfung von bestehenden Bauten auf Erdbeben kann die Genauigkeit der Berechnung durch die Anwendung von verformungsbasierten Berechnungsmethoden stark erhöht und damit in vielen Fällen die Baukosten für die Erdbebenertüchtigung reduziert werden. Kostenoptimierung mit PushOver Um ungünstige Abweichungen bei der Abschätzung der plastischen Verformungen zu vermeiden wird der Verhaltensbeiwert für kraftbasierte Verfahren als unterer Grenzwert festgelegt und führt somit in vielen Fällen zu einer Unterschätzung der Erdbebensicher- ▲ PushOver im Überblick Das PushOver-Verfahren ist eine nichtlineare statische Berechnung unter monoton wachsender Verformung des Gebäudes. Damit Nichtlineares Gebäudeverhalten Die linear-elastischen Materialgesetze – welche das statische Tragverhalten von Gebäuden meist zutreffend abbilden – sind im Erdbebenfall nur noch sehr eingeschränkt gültig. Das PushOver-Verfahren berücksichtigt diese Nichtlinearitäten – z.B. Zugausschluss im Mauerwerk, Rissbildung – als integralen Bestandteil der Berechnung. Bei der Anwendung von kraftbasierten Verfahren kann dies nur über den willkürlich festgelegten Verhaltensbeiwert erfolgen. Das PushOver-Verfahren kann daher Schnittkraftumlagerungen berücksichtigen und so plastische Traglastreserven mobilisieren. Die so berechnete Erdbebensicherheit berücksichtigt weitgehend das tatsächliche Verhalten des betrachteten Gebäudes. die baustellen_Juni/11 PushOver auf dem Rechner wird ein Zusammenhang zwischen der Horizontallast und der Verformung des Gebäudes ermittelt, welche in Form der Kapazitätsoder PushOver-Kurve dargestellt werden kann. Durch dieses Vorgehen kann das Verhalten des Gebäudes verhältnismässig genau berücksichtigt werden, ohne dass eine zeitaufwändige dynamische Berechnung durchgeführt werden muss. 74 erdbebenschutz Ergebnisse mit Kapazitätskurve und Beschädigungsdiagramm (Software 3muri). Bild unten: Sanierung Siedlung Sihlfeld, WKP Bauingenieure AG, Zürich (Software 3muri). eine einfache Gestaltung der Benutzeroberfläche, was dazu führt, dass die Erdbebensicherheit auch bei komplexen Gebäuden sehr schnell und zuverlässig beurteilt werden kann. Das PushOver-Verfahren wird weltweit seit mehreren Jahrzehnten für die Erdbebenberechnung von Hochbauten eingesetzt. In der Schweiz verbreitet sich dieses Verfahren jedoch erst seit einigen Jahren. PushOver in der Praxis Für reale Gebäude erfordern PushOverBerechnungen einen beträchtlichen Rechenaufwand. Um diesen zu bewältigen, kommen in der Regel Computer-Programme zur Anwendung. 3muri ist die führende Software für PushOver-Berechnungen an Mauerwerks- und Mischbauten in der Schweiz. Sie ermöglicht es dem Bauingenieur, mit minimalem Aufwand ein Gebäude zu modellieren und dank den eingesetzten Makroelementen in kürzester Zeit zu berechnen. Die hohe Spezialisierung von 3muri ermöglicht PushOver-Erbebenberechnungen – ein aktuelles Verfahren Kraftbasierte Verfahren zur Erdbebenberechnung wie die Ersatzkraft-Methode und das Antwortspektren-Verfahren sind in der Schweiz weit verbreitet, können aber die Erdbebensicherheit in vielen Fällen nur mit ungenügender Genauigkeit bestimmen. Verformungsbasierte Berechnungen nach dem PushOver-Verfahren können das Verhalten von Gebäuden wirklichkeitsnäher abbilden und führen so im Allgemeinen zu genaueren und meist auch wirtschaftlicheren Ergebnissen. Fazit und Ausblick PushOver ist ein Verfahren zur Ermittlung der Erdbebensicherheit von Bauwerken, welches eine realitätsnahe Beurteilung des Gebäudeverhaltens und damit der Sicherheit gegen Erdbeben zulässt. Die Kosten für eine Erdbebenertüchtigung können dadurch in vielen Fällen minimiert werden. In Zukunft wird sich das PushOver-Verfahren weiterverbreiten und das Antwortspektren-Verfahren als Standard-Verfahren in der Erdbebenberechnung ablösen. ■ www.baustatik.ch die baustellen_Juni/11 heit. Wird eine verformungsbasierte Berechnung verwendet, kann die Erdbebensicherheit oft mit weniger umfangreichen Massnahmen erreicht werden. Insbesondere bei der Erdbebenertüchtigung von bestehenden Bauten können die Kosten für die Erdbebensicherung durch den Einsatz des PushOver-Verfahrens unter Umständen erheblich reduziert werden. In einigen Fällen können Massnahmen zur Erdbebensicherung sogar gänzlich entfallen, auch wenn kraftbasierte Verfahren eine ungenügende Erdbebensicherheit ermitteln. Wunderheilmittel PushOver PushOver-Berechnungen ermöglichen eine schnelle und wirklichkeitsnahe Beurteilung der Erdbebensicherheit von Gebäuden und Sanierung Siedlung Sihlfel können die Kosten für eine ErdbebenertüchZürichist(Software tigung stark reduzieren. Trotzdem das 3muri). PushOver-Verfahren kein Wunderheilmittel gegen Massnahmen zur Erdbebensicherung. Das PushOver-Verfahren berücksichtigt ein sehr realistisches Gebäudeverhalten und beinhaltet daher kaum verfahrensbedingte Reserven bei der Berechnung der Erdbebensicherheit. Insbesondere bei bestehenden Bauten ist daher eine sorgfältige Beurteilung des vorhandenen Tragsystems und der Materialeigenschaften von grosser Bedeutung.