VI Kunst und Verstehen Die Wissenschaft ist bereit

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Auszug aus Goodman, N. (1976/1998): Sprachen der Kunst. Frankfurt a.M., Suhrkamp, S. 209-217.
VI Kunst und Verstehen
Die Wissenschaft ... ist bereit, eine Theorie zu akzeptieren, die weit über ihre Basisdaten
hinausgeht, wenn diese Theorie verspricht, eine zugrundeliegende Ordnung, ein System
grundlegender und einfacher systematischer Verbindungen zwischen dem aufzudecken, was
vorher nur eine Masse disparater und vielfältiger Fakten gewesen ist.
C. G. Hempel
1. Bilder und Passagen
Unsere Erkundungen haben uns auf einer unwahrscheinlichen Route zu einem Problem zurückgeführt, das im
ersten Kapitel offengelassen-wurde. Wir sahen dort, dass Repräsentation nicht Imitation ist und sich nicht auf
irgendeine der gängigen Weisen definieren lässt. Und die Charakterisierung der Repräsentation als Denotation,
die von den pikturalen Eigenschaften abhängig ist, war zu ad hoc, um als endgültig akzeptiert zu werden; sie
vermittelte keine Einsicht in die entscheidenden Merkmale, die die Repräsentation von anderen Modi der
Denotation unterscheiden. Aber jetzt hat uns die Analyse von Symbolsystemen, die als Antwort auf das ganz
andere Problem der allographischen Kunst vorgenommenworden ist, mit den Mitteln versehen, das Wesen der
Repräsentation zu klären.
Ein Notationssystem erfüllt, wie wir sahen, fünf Anforderungen. Eine Sprache, ob notational oder nicht, erfüllt.
zumindest die ersten beiden: die syntaktischen Forderungen nach Disjunktivität und Differenzierung. Normale
Sprachen verletzen im allgemeinen die verbleibenden semantischen Anforderungen. Nichtsprachliche Systeme
unterscheiden sich von Sprachen, Abbildung von Beschreibung, das Repräsentationale vom Verbalen, Gemälde
von Gedichten hauptsächlich aufgrund der fehlenden Differenzierung - tatsächlich aufgrund der Dichte (und des
daraus folgenden völligen Fehlens der Artikulation) - des Symbolsystems. Nichts ist an sich eine Repräsentation;
der Status als Repräsentation bezieht sich auf das Symbolsystem. Ein Bild in einem System kann eine
Beschreibung in einem anderen sein; und ob ein denotierendes Symbol repräseritational ist, hängt nicht davon ab,
ob es dem von ihm Denotierten ähnlich ist, sondern von seinen eigenen Beziehungen zu anderen Symbolen in
einem gegebenen System. Ein System ist nur insofern repräsentational, als es dicht ist; und ein Symbol ist nur
dann eine Repräsentation, wenn es zu einem durchgängig dichten System gehört oder zu einem dichten Teil eines
teilweise dichten Systems. Ein solches Symbol kann eine Repräsentation sein, selbst wenn es überhaupt nichts
denotiert.
Betrachten wir zum Beispiel einige Bilder im traditionellen Repräsentationssystem der westlichen Welt: das erste
ist ein Bild eines Mannes, der in einer bestimmten Entfernung aufrecht steht; das zweite, im selben Massstab, ist,
ein Bild eines kleineren Mannes in derselben Entfernung. Das zweite Bildnis ist kürzer, als das
erste. Ein drittes Bildnis in dieser Serie könnte eine Zwischengrösse haben; ein viertes könnte zwischen dem
dritten und dem zweiten liegen; und so weiter. Dem Repräsentationssystem entsprechend macht jeder
Grössenunterschied zwischen diesen Bildnissen einen Unterschied in der Grösse, des repräsentierten Mannes
aus. Es spielt keine Rolle, ob irgendwelche wirklich existierenden Männer repräsentiert werden; hier geht es
lediglich um die Frage, wie sich die verschiedenen, Bildnisse zu Charakteren klassifizieren, deren Marken die
Bildnisse sind. Und unabhängig davon,. wie fein unsere Unterscheidungen sein mögen, fällt die Klassifikation so
aus, dass wir für jedes Bild, das tatsächlich zu einem gegebenen Charakter gehört, unmöglich festlegen können,
dass das Bild zu:.keinem anderen Charakter gehört. Die syntaktische Differenzierung fehlt durchgängig. Ferner
habe ich in diesem Beispiel der Einfachheit halber zwar nur eine Dimension in Betracht gezogen, aber in dem uns
vertrauten Repräsentationssystem macht jeder Unterschied an jedem pikturalen Aspekt einen Unterschied aus.
Solange das Schema eine dichte Menge von Charakteren vorsieht, bedarf es nicht wirklich irgendwelcher Bilder
oder Bildnisse, deren Höhe schwer zu unterscheiden ist. Erforderlich ist hierfür ein dichtes Schema nur, dass es
ein dichtes Ordnen für Charaktere vorschreibt - dass seine Spezifikationen der Charaktere dichteordnend' sind.
Dann haben wir syntaktische Dichte auch dann, wenn es:nur zwei :Bildnisse gibt und sie sich in der Höhe deutlich,
unterscheiden - oder wenn es tatsächlich nur ein Bildnis gibt.
Die Bilder in unserem Beispiel hätten natürlich genausogut Kentaur-Bilder sein können; und selbst dort, wo es
Denotate gibt, brauchen sie kein dichtes Bezugnahmefeld zu bilden. Die semantische Forderung an ein
Repräsentationssystem verlangt genau sowenig eine tatsächlich dichte Menge von Erfüllungsklassen, wie die
syntaktische Forderung eine dichte Menge von Charakteren- verlangt, sondern sie verlangt wiederum nur eine
dichte ordnende Spezifikation.
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Obwohl Repräsentation also eher von bestimmten syntaktischen und semantischen Beziehungen zwischen
Symbolen und nicht so sehr von einer Beziehung (wie etwa der Ähnlichkeit) zwischen Symbol und
Denotatabhängt, hängt sie doch von deren Status als denotativen Symbolen' ab. Eine dichte Menge von
Elementen ist nur dann repräsentational, wenn sie affensichtlich mit Denotaten ausgestattet ist. Die Regel, nach
der Symbole mit Denotaten korreliert werden, führt möglicherweise zu dem Ergebnis, dass. keinem Symbol ein
tatsächliches Denotat zugeschrieben wird, so dass das Bezugnahmefeld null ist; aber Elemente werden nur in
Verbindung mit einer derartigen Korrelation, die tatsächlich oder prinzipiell besteht, zu' Repräsentationen.
Ich muss darauf bestehen, dass die Artikulation, die Beschreibungen von Repräsentationen unterscheidet, keine
Frage ihrer Binnenstruktur ist. Einige Autoren haben die Meinung vertreten, dass ein wortsprachliches (oder
>diskursives<) Symbol sich> von einem repräsentationalen (oder präsentatiönalen<) Symbol darin unterscheidet,
dass sich eine Beschreibung eindeutig in Partikel wie Wörter oder Buchstaben auflösen lässt, während ein Bild ein
unteilbares Ganzes ist. Tatsächlich aber ist ein atomarer .Charakter, etwa ein einbuchstabiges Wort, immer noch
eine Beschreibung, während ein zusammengesetztes Bild, etwa ein Gruppenporträt, immer noch eine
Repräsentation ist. Der entscheidende. Unterschied liegt in der Beziehung eines Symbols zu anderen in einem
denotativen System.
Unterscheiden wir Repräsentationen in dieser Weise von Beschreibungen, dann führt das zu dem Ergebnis, dass
wir unser gebräuchliches System pikturaler Repräsentation auf eine Ebene mit den Symbolsystemen von
Seismographen und skalenlosen Thermometern stellen. Ersichtlich sind noch weitere Unterscheidungen nötig. Wir
haben die wichtigsten Unterschiede zwischen syntaktisch artikulierten Systemen - insbesondere denn zwischen
diskursiven und notationalen Sprachen - bereits im Detail untersucht, nicht aber die Unterschiede zwischen
syntaktisch dichten Systemen. Bei unserem kurzen Blick auf Diagramme, Karten und. Modelle haben wir die
Behandlung von Fragen wie der, worin sich ein rein graphisches Diagramm von der Skizze eines Malers, eine
Höhenlinienkarte von einem Luftbild, ein Schiffsmodell von einer Skulptur unterscheidet, auf später verschoben.
Vergleichen wir den Ausschnitt eines Elektrokardiogramms mit einer Zeichnung des Fudschijama von Hokusai.
Die schwarzen Schlangenlinien auf weissem Hintergrund können in beiden Fällen exakt dieselben sein. Und doch
ist das eine ein Diagramm und das andere ein Bild. Worin liegt der Unterschied? Offenkundig in irgendeinem
Merkmal der verschiedenen Schemata, in denen die beiden Marken als Symbole fungieren. Da aber beide
Schemata dicht (und vermutlich disjunkt) sind, in welchem Merkmal? Die Antwort liegt nicht in dem, was
symbolisiert wird; Berge können in Diagrammen und Herzschläge bildlich dargestellt werden. Der Unterschied ist
syntaktisch: Die konstitutiven Aspekte des diagrammatischen Charakters sind, verglichen mit dem pikturalen,
ausdrücklich und eng begrenzt. Die einzig relevanten Merkmale des Diagramms sind die Ordinate und die
Abszisse von jedem der Punkte, durch die die Mitte der Linie hindurchgeht. Die Dicke .der Linie, ihre Farbe und
Intensität, die absolute Grösse des Diagramms etc. spielen keine Rolle; ob ein angebliches Duplikat des Symbols
zu demselben Charakter des diagrammatischen Schemas gehört, hängt überhaupt nicht von solchen Merkmalen
ab. Für die Skizze trifft dies nicht zu. Jede Verdickung oder Verdünnung der Linie, ihre Farbe, ihr Kontrast mit
dem` Hintergrund, Grösse, sogar die Eigenschaften des Papiers - nichts von all dem wird ausgeschlossen, nichts
kann ignoriert werden. Obwohl sich die pikturalen und diagrammatischen Schemata darin gleichen, dass sie nicht
artikuliert sind, werden einige Merkmale, die in dem pikturalen Schema konstitutiv sind, in dem diagrammatischen
als kontingent faltengelassen; die Symbole in dem pikturalen Schema sind relativ voll.
Es gibt zwar zwischen dichten und artikulierten Schemata eine zumindest theoretisch scharfe Trennlinie, aber bei
dichten Schemata ist der Unterschied zwischen dem Repräsentationalen und dem Diagrammatischen eine Frage
des Grades. Wir können nicht sagen, dass keine Aspekte zum Beispiel eines repräsentationalen Gemäldes
kontingent sind; denn Eigenschaften wie die, dass es zehn Pfund wiegt oder sich an einem bestimmten Tag auf
dem Weg von Boston nach New York befindet, berühren wohl kaum den Status des Gemäldes in seinem
repräsentationalen Schema. Vielmehr ist ein dichtes Schema diagrammatischer als ein zweites, wenn die
Charakter-konstitutiven Aspekte des ersten eigentlich in den Charakter-konstitutiven Aspekten des zweiten
enthalten sind. Eines aus einer vertrauten Kategorie vertrauter graphischer Schemata wird vielleicht als rein
repräsentational angesehen, wenn seine konstitutiven Aspekte diejenigen aller anderen Schemata einschliessen;
dann werden die Schemata, die einige der konstitutiven Aspekte dieses repräsentationalen Schemas als
kontingent ausschliessen, als diagrammatisch angesehen. Die repräsentationale Norm wird unserer Definition
nach natürlich selbst diagrammatisch sein, wenn man sie mit anomalen Schemata vergleicht, die zusätzliche
konstitutive Aspekte haben. Dies alles läuft auf offene Häresie hinaus. Beschreibungen unterscheiden sich nicht
dadurch von Abbildungen, dass sie willkürlicher sind, sondern dadurch, dass sie eher zu artikulierten als zu
dichten Schemata gehören; und Wörter sind nur dann konventioneller als Bilder, wenn Konventionalität mit Hilfe
von Differenzierung und nicht so sehr mit Hilfe von Artifizialität konstruiert wird. Hier ist nichts von der
Binnenstruktur eines Symbols abhängig; denn was in einigen Systemen beschreibt, kann in anderen
abbilden. Ähnlichkeit verschwindet als Kriterium für Repräsentation und strukturale Gleichartigkeit als
Erfordernis für notationale oder irgendwelche anderen Sprachen. Der oft betonte Unterschied zwischen
ikonischen und anderen Zeichen erweist sich als transitorisch und trivial; so zeugt die Häresie den
Ikonoklasmus.
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Und doch war eine so drastische Reformierung unbedingt geboten. Sie gestattet volle Relativität der
Repräsentation und Repräsentation durch anderes als durch Bilder allein. Objekte und Ereignisse, visuelle und
nichtvisuelle, können sowohl von visuellen als auch von nichtvisuellen Symbolen repräsentiert werden. Bilder
können als Repräsentationen innerhalb von Systemen fungieren, die ganz anders sind als das eine, das wir
zufällig als normal ansehen; Farben können für ihre Komplementärfarben oder für Grössen stehen, die
Perspektive kann umgekehrt oder auf andere Weise transformiert sein, und so weiter. Wenn Bilder andererseits
als blosse Markierungen in einer taktischen Instruktion genommen oder als Symbole in einem anderen
artikulierten Schema verwendet werden, dann fungieren sie nicht als Repräsentationen. , Wie wir früher gesehen
haben, ist >Naturalismus< bei Repräsentationssystemen eine Frage der Gewohnheit, aber die Gewöhnung trägt
uns nicht über die Grenzlinie zwischen Beschreibung und Repräsentation. Keine noch so grosse Vertrautheit
macht aus einer Passage ein Bild; und kein noch so hoher Grad an Neuheit macht aus einem Bild eine Passage.
Ein einfaches graphisches Diagramm und ein ausgereiftes Porträt unterscheiden sich graduell voneinander, aber
sie stehen in scharfem Kontrast zu einer Beschreibung und sogar zu einem reinen Verbunddiagramm.
Unsere Analyse der Typen von Symbolschemata und Symbolsystemen versetzt uns in die Lage, einige schwierige
Probleme der Repräsentation und der Besclatreibung anzugehen. Zugleich fördert sie einige unvorhergesehene
Verbindungen zwischen Bildern, Seismogrammen und Zeigerstellungen auf skalenlosen Zifferblättern einerseits
und zwischen Piktogrammen, Schaltplänen und Wörtern andererseits zutage. Einige alte und vage Grenzlinien
werden überschritten, einige bedeutsame neue Kon-* stellationen geschaffen und andere gelöst. Eine ganz
beiläufige Konsequenz betrifft die Repräsentation in der Musik. Hier ebensowenig wie in der Malerei erfordert
Repräsentation Imitation. Aber wenn eine Aufführung eines Werks, das durch eine Standardpartitur definiert wird,
überhaupt denotiert, dann repräsentiert sie noch lange nicht; denn als Aufführung eines solchen Werks gehört sie
zu einer artikulierten Menge. Dasselbe Klangereignis kann repräsentieren, wenn man es zu einer dichten Menge
auditiver Symbole rechnet. Daher kann elektronische Musik ohne jede Notation oder eine zu Recht Notation
genannte Sprache repräsentational sein, während Musik in der Standardnotation, wenn sie überhaupt denotiert,
beschreibend ist. Diese Kuriosität ist unbedeutend, insbesondere deshalb, weil Denotation eine so bescheidene
Rolle in der Musik spielt.
2. Suchen und Zeigen
Das vertraute, vollständige pikturale Schema umfasst, was immer wir als ein Bild ansehen, und es lässt sich so
erweitern, dass es auch Skulpturen und einige natürliche Objekte mit einschliesst. Einige Charaktere des
Schemas repräsentieren tatsächliche Entitäten, einige repräsentieren fiktiv, und einige sind überhaupt nicht
repräsentational.'Jon denen, die repräsentational sind, und von denen, die es nicht sind, sind viele expressiv; ein
Charakter eines Schemas kann repräsentational oder expressiv, beides oder keins von beiden sein.
Repräsentation und Beschreibung sind, wie wir gesehen haben, denotativ, während Exemplifikation und Ausdruck
in der der Denotation entgegengesetzten Richtung verlaufen. Während die pikturalen Charaktere in den
repräsentationalen und expressiven Systemen dieselben bleiben, wird sowohl pikturaler Ausdruck als auch
pikturale Repräsentation durch Symbole eines dichten Schemas geleistet; aber Dichte ist zwar notwendig für
Repräsentation, jedoch nicht (wie der Fall der expressiven Sprache zeigen wird) für Ausdruck. Normale
realistische Repräsentation haben wir oben als ein besonderes, vertrautes System innerhalb der Spezies der
dichten und relativ vollen denotationalen Systeme ausgewiesen; aber normalen pikturalen Ausdruck hatten wir
früher bereits als den metaphorischen Teil eines besonderen, vertrauten Systems innerhalb der Spezies der
Exemplifikationssysteme gekennzeichnet. Während eine adäquate generelle Charakterisierung von
Repräsentation auf die Einführung der in Kapitel iv und v diskutierten technischen Begriffe warten musste, hatten
wir eine vergleichbare generelle Charakterisierung von Ausdruck bereits in Kapitel ii mit anderen Mitteln
vorgenommen. Ausdruck und Exemplifikation in den Künsten zeigen trotzdem eine Vielfalt an Kombinationen
solcher syntaktischer und semantischer Merkmale, wie wir sie etwa zur Klassifizierung denotativer Systeme
verwandt haben. Natürlich müssen die semantischen Eigenschaften der Ambiguität, Disjunktivität, Differenzierung,
Dichte und Diskontinuität jetzt allgemeiner, mit Hilfe von Bezugnahme und Bezugnahmeklassen und nicht so sehr
mit Hilfe von Erfüllung (oder Denotation) und Erfüllungsklassen (oder Extensionen) definiert werden; doch ist klar,
wie dies zu bewerstelligen ist. Zum Beispiel ist ein System semantisch differenziert in diesem weiteren Sinne dann
und nur dann, wenn für je zwei Charaktere K und K' und jedes Element h, auf das beide nicht Bezug nehmen, die
Festlegung, dass entweder K nicht auf h Bezug nimmt oder dass K' nicht auf h Bezug nimmt, theoretisch möglich
ist. Die engeren Definitionen habe ich früher deshalb gebraucht, weil ich ausschliesslich mit denotativen Systemen
befasst war. Ungeachtet ihrer syntaktischen oder semantischen Eigenschaften gelten Exemplifikationssysteme
nicht als Notationen oder Sprachen.
In der Malerei und der Bildhauerei ist Exemplifikation syntaktisch und semantisch dicht. Weder die pikturalen
Charaktere noch die exemplifizierten Eigenschaften sind differenziert; und exemplifizierte Prädikate stammen aus
einer diskursiven und unbegrenzten natürlichen Sprache. Der Vergleich mit dem Fall eines skalenlosen
Thermometers ist hier ebenso relevant wie im Fall der Repräsentation; aber jetzt sind die Bilder eher mit den
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Temperaturereignissen zu vergleichen als mit den Höhen der Quecksilbersäule. Denn in den fraglichen Systemen
werden die Bilder wie die Temperaturereignisse eher denotiert und denotieren nicht selbst.
Pikturale Exemplifikation unterscheidet sich wie die Repräsentation von dem vergleichbaren Symbolsystem des
Thermometers darin, dass sie weit weniger eingeschränkt ist. Bilder können Farben, Formen, Klänge, Gefühle etc.
exemplifizieren; und treffender wäre der Vergleich mit einem vielseitigen und komplizierten Messgerät oder einem
ganzen Heer von Messgeräten. Engere Exemplifikationssysteme, die beispielsweise auf die Exemplifikation von
Farben eingeschränkt sind, verhalten sich zum vollständigen System etwa so wie diagrammatische Systeme zur
Repräsentation. Aber während das Repräsentative sich aufgrund der Beschränkung der konstitutiven
syntaktischen Aspekte von Symbolen zum Diagrammatischen hin abschwächt, schwächt sich die vollständige
pikturale Exemplifikation aufgrund der konstitutiven Aspekte des Symbolisierten zur engeren hin ab. Die
exemplifizierenden Symbole bleiben konstant; jeder pikturale Aspekt eines Bildes kann zum Beispiel an der
Exemplifikation einer Farbe oder am Ausdruck eines Tones beteiligt sein. Daher bleiben diese engeren
Exemplifikationssysteme im Unterschied zu diagrammatischen Systemen piktural in dem Sinne, dass ihre
Symbole nicht weniger voll sind als die der vollständigen Systeme pikturaler Exemplifikation und Repräsentation.
Wenn man Sehen, welche Eigenschaften ein Bild exemplifiziert oder zum Ausdruck bringt, mit der Verwendung
eines skalenlosen Messgerätes vergleichen kann, dann ist Sagen, was Bild exemplifiziert, eine Frage des
Einpassens der richtigen Wörter aus einer syntaktisch unbegrenzten und semantisch dichten Sprache. Wie exakt
jeder von uns verwandte Ausdruck auch sein mag, es wird immer einen weiteren geben derart, dass wir nicht
bestimmen können, welcher von den beiden tatsächlich durch das betreffende Bild exemplifiziert wird. Da die
Sprache auch diskursiv ist und Ausdrücke enthält, die andere extensional einschliessen, lässt sich das Fehlerrisiko
dadurch verringern, dass wir allgemeinere Ausdrücke gebrauchen; aber das Mehr an Sicherheit geht dann auf
Kosten der Präzision. Man vergleiche damit den Vorgang, wie ein Gegenstand gemessen wird. Wie wir bereits
früher bemerkt haben, wird die Genauigkeit zwar in dem Masse verbessert, wie wir unsere Antwort zu immer mehr
Dezimalstellen vorantreiben, aber unsere Fähigkeit, Korrektheit zu etablieren, nimmt ab. Sagen, was ein Bild
exemplifiziert, ist wie Messen ohne Angabe von Toleranzbereichen.
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