Studienseminar Koblenz Der Musikverstand Der Mozart-Effekt • Die Lösungsrate bei Aufgaben eines Intelligenztests, der eine räumliche Vorstellung erfordert liegt nach Anhören einer Mozartsonate um 8 Punkte höher als bei einer Vergleichsgruppe. • Bestimmte Merkmale der Musik bewirken eine Stimulation der neuronalen Verbindungen als Trainer der neuronalen Aktivierungspatterns. 1 Die Physiologie des Hörens • Die Neuronenaktivierung ist frequenzabhängig • Die Neuronenaktivierung ist abhängig vom Gehirnbereich • Isolierte Einzeltöne und Geräusche werden anders verarbeitet als Musikstücke • Musik löst Gefühle aus, weckt Erinnerungen, schafft Assoziationen, • Musik aktiviert ein dichtes Netz von Zellgruppen 2 Musik und Gehirnlateralisierung • Nicht richtig: Musik wird rechts und Sprache linke repräsentiert, keine eindeutige Lateralisierung bei Anhören • Aber: eindeutige Lateralisierungstendenz (nach links), wenn eine sprachliche Leistung verlangt wird • Laien ohne musikalische Vorbildung tendieren zur Rechtslateralisation, professionelle Musiker aktivieren stärker links (analytische Verarbeitung, begriffliche Repräsentation) Ergebnisse • Beide Hemisphären sind an der Verarbeitung beteiligt • Musikalische Betätigung trägt zur Verstärkung der inter- und intrahemisphärischen Vernetzung bei 3 Täuschungen und Paradoxien • Analog zu optischen Täuschungen unterliegt das Gehirn akustischen Täuschungen: • Akustischer Zirkulareffekt (Shepard): Fortlaufend wiederholende Folge von Tönen, die über eine Oktave aufsteigen werden als endlos aufsteigend empfunden • Tritonus-Paradix (Deutsch): bestimmte Abstände werden als aufsteigend andere, als absteigend empfunden Vermutungen • Die individuelle Wahrnehmung der Paradoxien hängt mit den Bedingungen des Spracherwerbs zusammen • Sie ist kulturabhängig: Engländer und Kalifornier nehmen das Tritonus-Paradox anders herum wahr • Zusammenhang mit der Lage der eigenen Sprechstimme als Wahrnehmungsschablone im auditiven System 4 Hören und Bewusstsein • Das Hörbewusstsein schafft erst die akustische Wahrnehmung • Das Hörbewusstsein orientiert sich an akustischen Gestaltgesetzen, analog den optischen Gestaltgesetzen • Beispiel: Die fallende Lamentoso-Melodie der Geigen in der 6. Sinfonie von Tschaikowski ist nicht in der Partitur zu finden. Benachbarte Tonhöhen, abwechselnd gespielt von 1. und 2. Geigen, Bratsche und Cellofügen sich zu melodischen Linien. Repräsentationen • Repräsentationen sind mentale Muster als Erkennungsschablonen, die das Bewusstein aufgrund von rückgekoppelter Erfahrung entwickelt hat. • Das Bewusstsein sucht nach Ordnung (pattern matching) • Das Gehirn arbeitet produktiv bedeutungskonstruierend • Musik, musikalische Wahrnehmung ist nur über das interpretierende Bewusstsein immer als konstruiert denkbar 5 Musikalisches Erkennen und Hören • Wahrgenommene Klänge, Strukturen und ganze Stücke aktivieren bereits repräsentierte Strukturen und integrieren das Gehörte in eine kognitive Struktur und geben ihm damit eine immanente oder kulturelle Bedeutung. • Musikhören verläuft in den Bahnen und Spuren des neuronal gebahnten/gespurten Netzes das die Erfahrung gebildet hat. Musikalisches Erkennen und Hören • Neurophysiologische Grundlagen, psychoakustische Gesetze, Erfahrung, Wissen, Wahrnehmungsinteresse und Aufmerksamkeitsrichtung und Persönlichkeit bestimmen das musikalische Hören und Erkennen. 6 Die Architektur des Gehirns • Alle kognitiven Funktionen werden von der Großhirnrinde, dem Cortex gesteuert. • Der menschliche Cortex enthält 1011 Nervenzellen (Neuronen) die über Axone und Dendriten vernetzt sind • Jedes Neuron verfügt über etwa 10000 Synapsen mit etwa 200 Billionen Verbindungen • Neurobiologische Grundlage des Lernens liegt in der neuronalen und synaptischen Veränderungen, die Effizienz der synaptischen Reizleitung und das Wachstum der dendritischen Dornen betreffend. Plastizität des Gehirns 7 Plastizität des Gehirns Formen musikalischer Repräsentation • Deklaratives Wissen = Wissen über Sachverhalte (Sachwissen) • Prozedurales Wissen = Wissen von Handlungen (Handlungswissen) • Bei musikalischem Lernen muss deklaratives begriffliches Wissen über Musik und prozedurales Wissen und Können von Musik unterschieden werden • Beim musikalischen Lernen geht es um die Bildung genuin musikalischer Repräsentationen 8 Zwei Repräsentationsformen • Figurale / enaktive Repräsentation: Ein musikalischer Sachverhalt wird wird in einer sequenziellen Handlungsfolge (z. B. als Griff, als Bewegungsfigur) dargestellt • Formale / symbolische Repräsentation: Ein musikalischer Sachverhalt ist als Struktur in der Vorstellung vorhanden und wird als formale Operation gehandhabt • Lernen ist die Umkodierung von der figuraler in die formale Repräsentation Veränderung kortikaler Aktivierungsmuster durch Musikalisches Lernen • Bei musikalischem Lernen ist begriffliches Wissen von prozedural kodiertem Wissen und Können zu unterscheiden. In einer Langzeit EEGStudie sollte untersucht werden, inwiefern sich Lernarten, die einerseits auf deklaratives Wissen und andererseits auf prozedurales Können gerichtet waren, im Aktivierungsmuster der kortikalen Verarbeitungsstrukturen niederschlagen und nachweisen lassen. 9 Methode • Versuchspersonen: 18 GymnasiastInnen (11w, 7m), Alter: 13-14 Jahre, Rechtshänder, vergleichbare musikalische Vorbildung • Reize und Aufgabe: Untersucht wurde das Erlernen des Modus “dorisch”, für den die Vpn bislang keinerlei auditive Repräsentation entwickelt hatten. In 60 kurzen Höraufgaben sollten die Vpn beurteilen, ob eine Melodie, die jeweils in Dur, Moll oder dorisch dargeboten wurde, zu einer einleitenden, die Tonalität stabilisierenden Kadenz passt. Veränderung kortikaler Aktivierungsmuster durch Musikalisches Lernen • WWW-Seite: Veränderung kortikaler Aktivierungsmuster durch Musikalisches Lernen.htm 10 11 12 Ergebnis • Erwerb musikalischen Wissens führt zu signifikanten Veränderungen der räumlichen Verteilungsmuster kortikaler Aktivität. Dabei zeichnen sich in den neuronalen Repräsentationsmustern starke individuelle Unterschiede ab. Dennoch deuten sich bereits bei der vergleichsweise kleinen Zahl untersuchter Probanden gruppenspezifische “Aktivierungsknoten” an, die für die benutzte Musikverarbeitungsstrategie kennzeichnend sind. 13 Musikalische Repräsentationen • Kann man sich vorstellen als Bahnen in einem neuronalen Netzwerk • Jedes einzelne Neuron des Cortex ist synaptisch mit 10000 anderen Neuronen verbunden 14