Bereich 1 Praxisleitfaden: Klima- und

Werbung
Bereich 1 Praxisleitfaden:
Klima- und Umweltrelevanz nachhaltiger Beschaffung
Gliederung Bereich 1
1.1
1.1.1
1.1.2
1.1.3
1.1.4
1.1.5
1.1.6
Klimawandel
Einleitendes: Klimaschutz heute, denn Scheitern ist keine Option!
Die Folgen des Klimawandels
Die Hauptursachen des Klimawandels
Klimawandel durch Produktion und Verbrauch an Energie
Klimawandel durch Raubbau an Primärwäldern (Urwäldern)
Klimawandel durch lange Transporte im Stoffstrom: globale Warenströme
1.2
1.2.1
1.2.2
1.2.3
1.2.4
1.2.5
Weltweiter Biodiversitätsverlust
Einleitendes: Stopp dem weltweiten Biodiversitätsverlust
Die Folgen des weltweiten Biodiversitätsverlustes sind fatal
Die Hauptursachen des Biodiversitätsverlustes
Landnutzungsänderung und Raubbau an Primärwäldern
Klimaveränderungen und Umweltverschmutzung
9
9
10
12
12
14
1.3.
1.3.1
1.3.2
1.3.3
Ressourcenverbrauch & Ressourceneffizienz
Einleitendes: Rohstoffverbrauch nachhaltig und effizient machen
Die Folgen nicht nachhaltigen Ressourcenverbrauches
Die Hauptursachen nicht nachhaltigen Ressourcenverbrauches
15
15
16
18
1.4. Programme, Maßnahmen und Marktmechanismen
1.4.1 Einleitendes: Globales Denken erfordert regionales Handeln
1.4.2 Politische Programme und Handlungsinstrumente
1
1
2
4
4
5
7
20
20
21
(kurz beschrieben: Kohlenstoffhandel; Erneuerte Nachhaltigkeitsstrategie der EU: FLEGT und Due
Diligence: gegen illegalen Handel, REDD+: für Primärwaldschutz; Zertifizierung nachhaltiger Waldwirtschaft: gegen Raubbau; Agenda 21: für nachhaltige Entwicklung in Regionen; Strategie Europa
2020: ressourcenschonendes Europa; Deutsches Ressourceneffizienzprogramm)
1.4.3 Markt & Zivilgesellschaft
25
1.4.4 Schutz von Klima, Biodiversität, Ressourcen durch richtige Produktwahl 25
1.4.5 Nutzung von Nachweisen zur Kontrolle der Einhaltung von Umweltkriterien 29
Kurzimpressum: HOLZ VON HIER gemeinsam mit Partnern (http://bit.ly/hvh-Praxisleitfaden). Dieses Dokument ist
Teil einer Info-CD „Praxis-Leitfaden klima- und umweltfreundliche nachhaltige Beschaffung mit Holz“. Mehr Infos
unter www.holz-von-hier.de. Besuchen Sie uns im social web: http://bit.ly/hvh-socialmedia.
Nachhaltige Beschaffung zur Umsetzung von
Klimaschutz, Biodiversitätsschutz und
Ressourcenschutz/-effizienz
Konsequent umgesetzte nachhaltige Beschaffung in Europa kann einen
wichtigen Beitrag zum Schutz von Klima, Umwelt, Artenvielfalt und den Ressourcen leisten. Daneben fördert sie auch die Wertschöpfung und ist gelebte
Langzeitökonomie.
Dass mehr Klimaschutz, Artenschutz und Ressourcenschonung kein
„Randthema“ sondern überlebensnotwendig sind, sollen die folgenden Kapitel verdeutlichen und hierbei Akteuren und Entscheidern auch zahlenmäßige
und inhaltliche Argumentationshilfen an die Hand geben.
Klimawandel
„Klimaschutz heute, denn Scheitern ist keine Option!“ (Ban Ki-Moon, G-Secretary.UN)
Fakten zum Klimawandel
1.1.1
Einleitendes: Klimaschutz heute,
denn Scheitern ist keine Option!
„Die wissenschaftlichen Beweise sind jetzt überwältigend: der Klimawandel ist eine ernsthafte globale Bedrohung und verlangt eine dringende globale Antwort“ (Stern Report, 2006, die weltweit
anerkannteste Studie zu ökonomischen Auswirkungen des Klimawandels).
Dr. Jim Yong Kim, Präsident der Weltbank formuliert: „Es ist meine Hoffnung, dass uns (alle) dieser
Bericht schockiert und zum Handeln zwingt. Selbst
für diejenigen von uns, die bereits dem Kampf gegen den Klimawandel verpflichtet sind, sorgt der
Bericht hoffentlich für noch viel größere Anstrengungen in dieser Richtung“.
Der Stern Report beschreibt die Folgen für die
Weltgemeinschaft, wenn der Temperaturanstieg
bis zum Ende dieses Jahrhunderts eine Grenze von 4°C übersteigen sollte. Noch vor einigen
Jahren rechneten die meisten Modelle mit einem Anstieg von 2°C. Dies war auch zugleich
die Grenze, zu deren Einhaltung sich z.B. Europa in seinen Klimaschutzzielen verpflichtet hat.
Heute ist klar, dass sich diese Grenze von 2°C
kaum halten lässt. Die Folgen sind bereits heute
deutlich zu spüren. Das Jahr 2010 z.B. war auch
in Europa bis dahin der Abschluss der wärmsten
Dekade seit der Temperaturerfassung (Weltorganisation für Meteorologie, 2010). Es wurden große,
weit ausgedehnte Klimaextreme in Teilen der Welt
registriert, die extreme sozioökonomische Auswirkungen hatten. Insbesondere die Überflutungen in
Pakistan und Australien, und die sommerliche Hitzewelle in der Russischen Föderation gehörten zu
diesen Klimaextremen.
Hochwasser und Überschwemmungen ereigneten
sich während des Jahres 2010 mehrmals in Mittelund Südosteuropa, vor allem in Ostdeutschland,
Polen, Slowakei, Rumänien, Ukraine, Moldawien,
Deutschland, Polen und der Tschechischen Republik. Der Sturm Xynthia durchquerte Ende Februar
2010 mit großflächigen Wind- und Sturmflutschäden den Nordwesten Europas. Die Versicherungsschäden in Frankreich und Deutschland überstiegen 4 Milliarden US-Dollar (WMO, 2010).
Aber eine Erwärmung um 4°C oder mehr kann
immer noch verhindert werden.
1
Notwendigkeit NB
Klimawandel
Folgen des Klimawandels
Die 3 Haupt-Folgen des Klimawandels:
(1) Humanitäre Folgen
(2) Ökonomische Konsequenzen
(3) Auswirkungen auf Natur und Umwelt
1.1.2
Die Folgen des
Klimawandels sind existenziell
(1) Humanitäre Folgen: der Klimawandel
trifft alle, aber die ärmsten Länder zuerst.
Die von Dürren betroffene Landfläche der Erde hat
bereits in den vergangenen Jahrzehnten erheblich
zugenommen, schneller, als dies von Klimamodellen berechnet wurde. Die dramatische Trockenheit
2012 in den USA hat 80% des Ackerlandes betroffen und war die schwerste Dürre seit den 1950er
Jahren (Weltbank 2012).
einem Anstieg um 4°C um Größenordnungen steigen (Weltbank, 2012).
Sinkende Ernteerträge, besonders in Afrika und
Asien, könnten bedeuten, dass hunderte Millionen
Menschen nicht mehr genügend Lebensmittel erzeugen oder kaufen können. In den mittleren bis
hohen Breitengraden könnten die Ernteerträge bei
moderaten Temperaturanstiegen (2 - 3°C) zwar zunächst zunehmen, dann aber mit stärkerer Erwärmung zurückgehen. Bei 4°C und darüber wird die
gesamte globale Lebensmittelproduktion wahrscheinlich ernsthaft beeinträchtigt werden.
Steigende Meeresspiegel werden bei einer Erwärmung von 3 oder 4 °C für hunderte von Millionen weiteren Menschen jährliche Überflutungen
bedeuten und zu weltweiten Strömen von Klimaflüchtlingen führen. Die Küsten in Südostasien
(Bangladesch und Vietnam), auf kleinen Karibikund Pazifikinseln, aber auch die von großen Küstenstädten in Industrieländern wie Tokyo, New York,
Kairo und London werden ernsthaft gefährdet und
der Druck für ihren Schutz wird zunehmen.
Die Zunahme der Stürme und Orkane durch die
Klimaerwärmung weltweit verursacht milliardenschwere Schäden auch in hoch entwickelten Weltregionen wie den USA und Europa. Durch die Erwärmung kommt es zudem zu einer Ausbreitung
von Parasiten und Krankheiten, die zuvor in den betreffenden Gebieten nicht vorkamen.
2) Der Klimawandel wird teuer - für alle!
Dürre in den USA 2012
Eine Klimaerwärmung um 2 Grad klingt nicht viel,
aber im am stärksten von der Klimaerwärmung
betroffen Kontinent Afrika, können 2 Grad Erwärmung einen Ernteausfall bis zu 50% bedeuten.
Die Folgen wie Hunger und Migration sind bereits
heute in einigen Dürreregionen immer wieder Realität. Jährlich sterben etwa 300.000 Menschen an
den Folgen des Klimawandels. Diese Zahl wird bei
Hochwasser verursacht wirtschaftliche Schäden
„Der Klimawandel bedeutet eine einzigartige Herausforderung für die Volkswirtschaften: er ist das
größte und weittragendste Versagen des Marktes
das es je gegeben hat“ (Stern Report, 2006).
2
Notwendigkeit NB
Klimawandel
Ein aktueller Bericht im Auftrag der EU schätzt die
jährlichen Schadenskosten durch den Klimawandel
europaweit auf jährlich rund 20 Milliarden EUR in
den 2020er Jahren, 90 bis 150 Milliarden in den
2050er Jahren und zwischen 600 und 2.500 Milliarden EUR in den 2080ern, abhängig von der zukünftigen Entwicklung der Treibhausgasemissionen
(http://www.climatecost.cc).
Hitzewellen wie die 2010 in Europa, als 55.000
Menschen starben und landwirtschaftliche Verluste 15 Milliarden Dollar erreichten, werden bis
Mitte des Jahrhunderts zur Tagesordnung gehören.
(Stern Report, 2006).
Analysen legen den Schluss nahe, dass der Klimawandel bei einer „Business as usual“-Strategie
gravierende Auswirkungen auf das gesellschaftliche Leben haben wird und dass ohne sofortige
erhebliche Anstrengungen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen die Weltwirtschaft Einbrüche
von bis zu 20% erfahren wird. Laut Stern Report
würde dann das wirtschaftliche und soziale Leben
in einem Maße beeinträchtigt sein, wie während
der großen Weltwirtschaftskrisen und der Weltkriege, und zwar dauerhaft (Stern Report, 2006).
Die Bekämpfung des Klimawandels ist also langfristig gesehen eine vernunftorientierte Wachstumsstrategie, denn je früher wirksam gehandelt wird,
desto geringer werden die Kosten sein (Stern Report 2006). Dass sich frühzeitiges Handeln rechnet,
zeigt eine aktuelle Studie des Umweltbundesamtes. Hier wird nahe gelegt, dass gerade Kommunen über Klimaschutzkonzepte nachdenken und sie
rechtzeitig vor Ort umsetzen sollen (Umweltbundesamt, 2012).
(3) Auswirkungen auf Natur und Umwelt.
Eine direkte Folge steigender Kohlendioxidkonzentrationen ist die Versauerung der Ozeane, die
einschneidende Folgen für Meeresökosysteme
haben wird, mit möglicherweise schlimmen Konsequenzen für die Fischvorräte (Stern Report, 2006).
Schmelzende Gletscher bringen zunächst ein höheres Überflutungsrisiko und dann stark abnehmende Wasservorräte mit sich, die schließlich ein
Sechstel der Weltbevölkerung bedrohen werden,
v.a. auf dem indischen Subkontinent, in Teilen von
China und in den südamerikanischen Anden (Weltbank, 2012).
Durch das Schmelzen des Polareises steigen die
Meeresspiegel weltweit an, was ein steigendes
Überflutungsrisiko der Küsten und Küstenerosion
mit sich bringt.
Durch die Erwärmung wird die Existenz des Amazonasregenwaldes, des größten zusammenhängenden Waldgebietes der Erde gefährdet. Dies
wiederum würde einen der wichtigsten Motoren
des globalen Klimageschehens außer Kraft setzen.
Eine Erwärmung des Klimas führt zu veränderten
Grundwasserspiegeln, zu häufigeren und stärkeren
Wetterextremen mit einer veränderten Verteilung
der Regenmengen.
Die Erwärmung der Atmosphäre könnte sogar Einfluss auf den Verlauf und die Intensität von Meeresströmungen haben. Würde z.B. der Golfstrom als
Teil eines globalen maritimen Strömungssystems,
des globalen Förderbands, verändert oder unterbrochen, hätte dies gravierende Folgen für das gesamte Klima in Europa, denn der Golfstrom transportiert etwa 1,5 Petawatt Energie nach Europa.
Dies entspricht der Nutzleistung von ungefähr zwei
Millionen modernen großen Kernkraftwerken.
Ein weiteres Problem stellen zudem Rückkopplungseffekte dar. Durch die Erwärmung und das
teilweise Auftauen der Permafrostböden werden
große Mengen Methan freigesetzt, einem der wirksamsten Treibhausgase, was wiederum zu einer
Beschleunigung der Erwärmung führt.
Die Versauerung betrifft insbesondere auch Korallenriffe, die ihr Kalkskelett schlechter bilden und
sich im schlimmsten Falle bestehende Korallenriffe
gänzlich auflösen können. Sie gehören daher zu
den gefährdetsten Lebensräumen. Ein Aussterben
ganzer Korallenriffe zieht schwere Konsequenzen
nach sich, für die Arten denen die Riffe als Nahrungsquelle dienen und für die Menschen, die Einkommen (z.B. aus Tourismus) daraus beziehen oder
auch für den Küstenschutz.
3
Notwendigkeit NB
Klimawandel
Hauptursachen des
Klimawandels
Wenn Verteilungskämpfe um Rohstoffe, Wasser,
Lebensmittel, Energie zunehmen, sind alle betroffen, Menschen, Umwelt und Wirtschaft.
Die 3 Haupt-Ursachen des Klimawandels:
(1) Energieproduktion/-verbrauch (ca. 24%)
(2) Raubbau an Primärwäldern (ca. 18-25%),
(3) globalisierter (Waren)-verkehr (ca. 14%).
1.1.3
Die Hauptursachen des
Klimawandels
Die anthropogenen Antreiber des Klimawandels
sind vielfältig, allerdings lassen sich drei Hauptfaktoren darstellen, die maßgeblich für die Erwärmung verantwortlich sind. Bekanntermaßen haben
hier Produktion (z.B. Kraftwerke) und „Verbrauch“
von Energie (in Form von Brennstoff, Treibstoff,
Elektrizität) einen elementaren Anteil. Auf diesen
Sektor konzentrieren sich bisher auch die meisten
der Strategien und Maßnahmen gegen den Klimawandel. Daher stellen Energiesparmaßnahmen,
Optimierung der Dämmung sowie Beschaffung
von verbrauchsarmen Produkten wichtige Maßnahmen in der öffentlichen Beschaffung dar.
Neben dieser allseits bekannten Ursache für den
Klimawandel haben aber auch zwei andere Faktoren eine entscheidende Rolle: die Freisetzung von
CO2 durch die Abholzung von tropischen und borealen Primärwäldern und der rasant ansteigende
globalisierte Verkehr, insbesondere von Gütern.
Im vorliegenden Leitfaden soll daher vor allem auf
die Bedeutung dieser beiden bislang zu wenig berücksichtigen Faktoren eingegangen werden
1.1.4
Klimawandel durch Produktion
und Verbrauch von Energie
Unsere Wirtschaft ist auf Energie und Rohstoffe
angewiesen. Der nachhaltige Umgang damit wird
immer wesentlicher für die Umwelt, alle Menschen
und die Wirtschaft selbst. Gleichzeitig müssen lebenswichtige Güter wie Klima, Wasser, Boden,
Biodiversität geschützt werden.
Der Weltprimärenergieverbrauch ist gestiegen, nicht gefalllen
Steigender Welt-Primärenergieverbrauch
Der Welt-Primärenergiebedarf ist in den letzten 20
Jahren um 30% gestiegen, nicht etwa gefallen. Der
deutsche Energiebedarf hat sich in 20 Jahren um
6% verringert, von möglichen Einsparpotenzialen
durch Energiesparen ist dies aber noch weit entfernt (WBGU, 2009). Jedoch nimmt Deutschland
dennoch einen Spitzenplatz ein. Etwa 30% des
Primärenergieverbrauches fällt im Bereich Verkehr
an, etwa 44% verbrauchen Industrie und Gewerbe
(BMWi 2009, 2010).
Der Primärenergiebedarf der Industrieländer kann
stark reduziert und der energiebedingte Treibhausgasausstoß entsprechend gesenkt werden. Lösungen des Energieproblems müssen in der jetzigen
Entscheidergeneration gefunden werden.
Erneuerbare Energien (EE) nehmen zu
Fossile Energieträger werden knapp (stat. Reichweite bei gegenwärtiger Förderung: Erdöl 40, Erdgas 60, Kohle ca. 150 Jahre). Deshalb und auch
aufgrund der politischen Förderungen ist der Anteil
der Erneuerbaren Energien in Deutschland in den
letzten 10 Jahren um 60% gestiegen und macht
heute 10-20% des Gesamtenergiebedarfs aus (je
nach Quelle). Es werden v.a. Biomasse, Wasserund Windkraft genutzt. Gerade die Biomasse hat
in den vergangenen Jahren massiv zugenommen.
Allerdings kommt es für eine gute Umweltbilanz
auf eine intelligente Kombination der diversen regenerativen Energiequellen an. Wichtig ist jedoch,
gerade bei der Bioenergie Nutzungskonkurrenzen
mit (1) Nahrungs-/Futtermittelproduktion, (2) Stofflicher Nutzung und (3) natürlichen Ökosystemen zu
4
Notwendigkeit NB
Klimawandel
vermeiden. Und gerade bei den Agrartreibstoffen
auf Basis von Palmöl, Zuckerrohr u.a. ist die Klimawirkung oft sehr fraglich. Diese haben oft ähnlich
lange Transporte in ihrem Stoffstrom hinter sich
wie fossile Energieträger und werden oft alles andere als klima- und umweltfreundlich gewonnen.
Pflanzenöle wie Palmöl für Biodiesel und BHKW
(Block-Heiz-Kraft-Werke) gelten als ökologisch sehr
bedenklich (WBGU, 2009). Innerhalb der Wissenschaft mehren sich die Stimmen, dass es aus Klimaschutzgründen dringend nötig ist, auf die Nutzung
von Agrarenergiestoffen wie Palmöl zu verzichten.
1.1.5
Klimawandel durch Raubbau an
Primärwäldern
Etwa 1/3-tel der Landfläche unserer Erde sind mit
Wäldern bedeckt, ca. 4 Billion Hektar (WBGU,
2009, FAO, 2011). Etwa 64% der Weltwaldflächen
sind heute bewirtschaftete Wälder, nur noch 36%
sind Primärwälder, also Urwälder. Dennoch haben
gerade diese fundamentale Bedeutung für den Klimaschutz, sie gehören zu den größten CO2-Senken.
An den letzten Primärwäldern der Erde, in borealen
und tropischen Regionen finden immer noch massive Landnutzungsänderungen und Zerstörung von
natürlichen Lebensräumen statt. Kaum ein anderer
Ökosystemtyp ist so starken von Menschen gemachten Veränderungen unterworfen. Seit Beginn
der Welt-Klimaverhandlungen 1990 bis heute, hat
die Weltwaldfläche um >234 Mio. Hektar abgenommen, 90% in Afrika, Asien, Lateinamerika, Ländern
mit tropischen Primärwäldern (Tab. 1). In Europa
hat die Waldfläche von 1990 bis 2010 in Summe um
5,3 Mio. Hektar zugenommen (FAO, 2011).
Verluste in Millionen Hektar
1990 bis 2000
1990 bis 2010
Afrika
53 Mio. ha
79 Mio. ha
Lateinamerika
47 Mio. ha
93 Mio. ha
Asien
8 Mio. ha
38 Mio. ha
Tab. 1: FAO Weltwaldbericht, 2011.
Viele Länder mit Primärwäldern haben in den letzten 20 Jahren große Teile dieser Primärwälder abgeholzt. Dies wurde nicht als Landnutzungsänderung
bei den Klimaverhandlungen und nachfolgenden
Übereinkünften gewertet und geht auch nicht in die
Erfassung der Treibhausgasemissionen ein. So hat
sich seit Beginn der Welt-Klimaverhandlungen der
Welt-Wald-Kohlenstoffspeicher durch Raubbau an
Primärwäldern mehr als 6% verringert, das klingt
wenig, ist aber sehr bedeutsam (WBGU, 2009).
(1) Klimawandel durch Raubbau an tropischen
Primärwäldern
Raubbau an Tropenwäldern hat fatale Folgen, da sie
maßgeblich zur Sauerstoffproduktion beitragen, die
globalen Klimazonen stabil halten, der Motor für
die globale Wettermaschinerie und wichtige Stabilisatoren der globalen Wasserbilanz sind. Weltweit
werden jährlich 7-13 Mrd. Tonnen Kohlenstoff durch
Abholzung von tropischen Primärwäldern freigesetzt (WBGU, 2009). Die gerodeten Flächen sind
sehr anfällig für Feuer und verlieren so noch mehr
Kohlenstoff. Die Abholzung erfolgt aus unterschiedlichen Gründen, neben der Gewinnung von Siedlungsfläche und Ackerland spielt hier immer noch
der kommerzielle Holzeinschlag für den Außenhandel eine bedeutende Rolle. Dieser Einschlag erfolgt
in vielen Teilen der Welt zu einem Großteil immer
noch illegal. Der Anteil des illegalen Holzeinschlages wird in vielen Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas wird sehr hoch eingeschätzt (Tab. 2).
Anteil illegaler Holzeinschlag. Wahrscheinlichkeit für illegales Holz in Produkten aus den Ländern ohne Nachweis.
Osteuropa, Nordasien, Balkan
Russland(1,2)
27-50% Serbien-Monten.(5)
5-50%
(3)
(3)
Tadschikistan
20-30% Albanien
81%
(4)
Bosnien-Herzeg.
80%
Neue EU Mitglieder
Estland(1)
50% Bulgarien(6) (ind. Einschlag)
40%
(1)
(6)
Lettland
20% Slowakei
10%
West- und Zentralafrika
Kamerun(7)
50% Guiana(9)
50%
(8)
(7)
Gabun
70% Benin
80-90%
(8)
(7)
Nigeria
60% Mosambik
50%
Südostasien und China
Birma(8)
50% Pap. Neu Guinea(10)
70%
(10) (d. Importe)
(12)
China
32% Philippinen
46%
Indonesien(7) (d. Importe)
73% Süd Korea(12)
30%
(7)
(12) (d. Importe)
Kambodscha
94% Taiwan
45%
(8)
(8) (d. Importe)
Laos
45% Thailand
40%
(11)
(8) (d. Importe)
Malaysia
12% Vietnam
20-40%
Lateinamerika
Brasilien(13)
47% Ecuador(7)
70%
(7)
(15)
Bolivien
80-90% Mexiko
70%
Kolumbien(7)
42% Nicaragua(7)
50%
(14)
(7)
Peru
80% Honduras
75-85%
Tab. 2: Anteil illegalen Holzeinschlags nach Ländern Daten
aus: WWF, 2008. Mit (1) Taiga Rescue Netw, 2005; (2) Forest Trends, 2006; (3) SAVCOR, 2005; (4)
EUFOR, 2006; (5) UNECE/FAO, 2004; (6) WWF, 2004; (7) OECD, 2007; (8) BFH, 2006; (9) Rainforst Res. Dev. Center,
2004; (10) Seneca Creek, WIR, 2004; (11) Inst. F. Crimin., 2008; (12) WWF, 2005; (13) Imazon, 2003; (14) Peruvian
Env. Law Society, 2003; (15) FAO, 2003.
5
Notwendigkeit NB
Klimawandel
Produktion
Verbrauch
Nordamerikainkl Kanada
452
445
12,5
5,7
Russ.Förderation
151
129
22,3
0,06
65
69
1,2
4,7
Daten in
[Mio m3]
Schweden
[Mio m ]
Nordamerika
Russ.Förderation
Schweden
Industrieholz
409
402
12,2
5,5
112,9
91,2
21,7
0,06
59,2
62,2
1,2
4,2
[Mio m ]
Schnittholz
3
Raubbau an Urwäldern der Tropen: Süd/M-Amerika, Asien, Afrika
Nordamerika
inkl Kanada
Russ.Förderation
(2) Klimawandel durch Raubbau an borealen
Primärwäldern: eine der größten CO2-Senken.
Boreale Primärwälder, sind v.a. die großen Nadelurwälder in Nordamerika, Kanada und der Russischen Föderation mit Sibirien. Nordamerikas und
Kanadas Primärwälder assimilieren 50% der CO2Emissionen der USA und Kanadas. Sibiriens Urwälder speichern 70% der CO2-Emissionen der EU und
Russlands (div. Veröff. und pers. Mit. Prof. Schulze).
In diesen Wäldern geschieht massiver Raubbau, so
werden große Mengen an im Boden gebundenem
CO2 freigesetzt.
Schweden
Import
Rundholz
3
inkl Kanada
Export
32,8
15,5
22,5
17,1
19
2,8
16,2
0,02
16,2
4,3
12,2
0,3
Tab. 3: Holzbilanz für Holz aus borealen Wäldern. Daten FAO 2011.
(3) Klimawandel durch CO2-Freisetzung aus
gerodeten Waldböden
Die CO2-Verluste aus Bodenzerstörung durch Primärwaldrodung sind enorm. Dies kann auch durch
die Neuanlage von nachhaltig bewirtschafteten jungen Plantagen auf diesen Flächen nicht mehr ausgeglichen werden. Allein durch Bodenzerstörung
bei Primärwaldrodung wird in Afrika und Lateinamerika mehr CO2 freigesetzt (Afrika: 1.185 Mt; LAC:
1,395 Mt) als aus Energieprozessen (Afrika: 1.051
Mt; LAC: 1.238 Mt; FAO, 2011, WBGU, 2009).
Dennoch wurde bisher die Abholzung von Primärwäldern und die damit verbundene Freisetzung
von CO2, bei den bisherigen Weltklimaverhandlungen nicht als Landnutzungsänderung gewertet. Ein
künftige Berücksichtigung ist unter dem Programm
REDD geplant, aber noch nicht Realität.
Raubbau an borealen Urwäldern: Sibirien, N-Amerika, Kanada
Die Wiederaufforstung bereitet hier oft große Probleme. Dieser Einschlag erfolgt zudem in hohem
Maße auch für eine ausländische Nachfrage. Die
drei Länder mit den weltweit größten Netto-Exporten
an Schnittholz, vor allem Nadelschnittholz, sind Kanada (ca. 17,3 Mio. m3) und Russische Förderation (ca.
16,2 Mio. m3), hinzu kommt Schweden mit ca. 11,9
Mio. m3, wo jedoch kaum mehr Primärwälder vorkommen (Tab. 3). Die Nettoexportraten Deutschlands (ca.
4 Mio. m3) sind dagegen eher gering (FAO, 2009).
Bodenzerstörung durch Rodung für Landnutzungsänderung
6
Notwendigkeit NB
Klimawandel
(4) Klimawandel durch Rodung von Primärwäldern für Bioenergieplantagen
Holzexporte sind nur ein Grund für die Primärwaldabholzung. Tropenholz ist dabei nicht einmal mehr
das lukrativste Geschäft. Der Hauptgrund für die
Abholzung vieler tropischer Primärwälder ist heute
die Anlage von Plantagen für z. B. Palmöl oder Zuckerrohr für Agrartreibstoffe.
1.1.6
Klimawandel durch lange
Transporte im Stoffstrom:
Globale Warenströme
Der globalisierte Verkehr bildet die dritt größte
Quelle für Treibhausgase, die den Klimawandel
bewirken. Der weltweite Handel mit Waren und
Rohstoffen steigt in rasantem Tempo. Dies ist in
mancher Hinsicht sicherlich eine Notwendigkeit,
insbesondere bei speziellen Gütern oder Rohstoffen, die ein begrenztes Herkunftsgebiet aufweisen. Fragwürdiger werden solche Transporte bei
Rohstoffen, Gütern und Produkten, die im Prinzip
in allen Teilen der Welt gleichermaßen vorkommen.
Alte Palmölplantage in Asien
Etwa die Hälfte der Primärwaldrodungen der letzten
20 Jahre erfolgte in Brasilien für Zuckerrohranbau
und Südostasien für Ölpalmenanbau. In Südostasien ist so bereits die Hälfte der Primärwälder verschwunden. Palmöl aus Indonesien ist besonders
kritisch. Etwa 84% der gesamten Indonesischen
Treibhausgasemissionen gehen auf das Konto von
Primärwaldabholzungen und hier etwa die Hälfte
für die Anlage von Palmölplantagen (WBGU, 2009).
Der Slogan, „pack den Tiger in den Tank“ wird hier
Realität, wenn für Palmölplantagen zuvor tropische
Primärwälder in Asien, der Heimat beispielsweise
des Sumatra Tigers, abgeholzt wurden.
Das hat mit Klimaschutz wenig zu tun, denn bei der
Produktion von 1 Tonne solchen Palmöls entstehen
30 Tonnen CO2. Auch diese Ursache für die Waldzerstörung steht in Verbindung mit dem Holzmarkt,
denn das Holz dieser Flächen wird meist exportiert.
Die Förderung von Biokraftstoffen ist in der jetzigen
Form nicht an heimische Rohstoffe gebunden. Sie
nutzt deshalb weder den Europäischen Landwirten, denn im internationalen Biotreibstoffmarkt haben heimische Anbieter quasi keine reale Chance
(WBGU, 2009), noch nutzt sie nach Ansicht vieler
namhafter Wissenschaftler dem Klima (z.B. Prof. E.
D. Schulze).
Globale Warenströme belasten Umwelt und Klima.
Die Beispiele sind zahllos, von Nordseekrabben, die
in Afrika gepult und dann wieder in Norddeutschland verkauft werden, über Fleisch für Fertiggerichte, das tausende von Kilometern im Stoffstrom
zurücklegt, bis hin zu Buchenrundholz aus Deutschland, welches nach China verschifft und dort zu Möbelgestellen verarbeitet wird, aus denen wiederum
nahe am Wuchsort Polstermöbel gefertigt werden.
Von den weltweit verschifften Containern gelangen über 20% aus Asien nach Europa, 17% nach
Nordamerika. Umgekehrt kommen nur etwa 7%
von Europa und 8% von Nordamerika nach Asien
(Deutsche Bahn, Museum Nürnberg). Deutschland
hat seit Kyoto in fast jedem Sektor CO2-Emissionen
eingespart (Haushalte, Gewerbe bis zu 40%), die
CO2-Emissionen im Verkehrssektor sind aber auch
bei uns angestiegen (BMWI, 2009, 2010). Transporte sind bisher der einzige Sektor innerhalb der
EU, in dem bisher keine CO2-Einsparmaßnahmen
erzielt werden konnten. Bisher erreichte Verbesserungen im Verbrauch und der Verkehrstechnologie
wurden durch einen erheblich schneller ansteigenden Verkehr weit überkompensiert. Die bisherigen
Maßnahmen zeigen keine Klimaschutzwirkung.
7
Notwendigkeit NB
Klimawandel
Kurze Transporte im gesamten Stoffstrom
erhalten eine entscheidendere Bedeutung
für die Klima- und Umweltbilanz eines Produktes, auch und von Holzprodukten.
Die Forst- und Holzwirtschaft zählt aktuell zu den
überdurchschnittlich transportintensiven Branchen.
Deutschland rangiert beim Rundholzimport auf
Platz 3 und beim Rundholzexport auf Platz 5 weltweit (FAO, 2011). Deutschland ist zudem der zweitgrößte Schnittholzimporteur und der viertgrößte
Schnittholzexporteur der Welt (s.o.).
Nur 30% des Holzes in Holzprodukten auf dem
deutschen Markt ist heute auch in deutschen Wäldern gewachsen (WWF, 2008). Importiert wird fast
alles, vom Rundholz über Schnittholz, Halbwaren,
Parkett, Möbel und vieles mehr, bis hin zu Dachstühlen und ganzen Holzhäusern.
Die Stoffströme werden immer unübersichtlicher
und weniger nachvollziehbar.
8
Notwendigkeit NB
Weltweiter Biodiversitätsverlust
„The red list of IUCN document a huge loss of biodiversity. Biodiversity ist one of the geratest gifts to mankind, we have to protect it for our future“. (Holz von Hier).
Fakten zum Biodiversitätsverlust und Artensterben
1.2.1
Einleitendes - Stopp dem
weltweiten Biodiversitätsverlust
Die Weltnaturschutzunion IUCN kommt in ihrer im
November 2012 aktualisierten Roten Liste zu dem
Schluss, dass von 47.677 untersuchten Arten weltweit mehr als ein Drittel (17.291) vom Aussterben
bedroht sind (www.iucnredlist.org). Dabei ist zu
bedenken, dass bisher aber wohl nur etwa 3% der
vermutlich weltweit vorkommenden Arten überhaupt untersucht sind.
Täglich verschwinden etwa 70 Arten unwiederbringlich von diesem Planeten. Die Entstehung
jeder einzelnen Art hat hingegen Jahrtausende bis
Jahrmillionen in Anspruch genommen.
Ähnlich wie beim Klima hat der Verlust der Artenvielfalt eine Eigendynamik, die auch nach theoretischer Beseitigung aller Einflussfaktoren sich noch
eine Zeitlang fortsetzen wird.
Ein weiterer elementarer Aspekt des Verlustes biologischer Vielfalt, der sich noch viel unbeobachteter
vollzieht ist der Verlust der genetischen Vielfalt innerhalb der Arten.
Diese genetische Vielfalt ist eine wesentliche Voraussetzung für das langfristige Überleben der betreffenden Art.
Zusammen mit fossilen Brennstoffen, fruchtbaren
Böden, uralten Grundwasservorkommen und Minerallagerstätten zählt die Biologische Vielfalt zum
Menschheitserbe, das uns mitgegeben ist. Wir
können mit diesem Erbe sorgsam umgehen oder
es zum Leid unserer Nachkommen verschleudern.
Momentan verbrauchen wir Europäer doppelt so
viele natürliche Ressourcen wie wir haben. Die
biologische Vielfalt zu erhalten ist deshalb ein wichtiger Bestandteil der Strategie Europa 2020 für intelligentes und nachhaltiges Wachstum. Und nicht
zuletzt steht die Biodiversitätsstrategie im Einklang
mit den globalen Verpflichtungen, die die EU im Oktober 2010 in Nagoya im Rahmen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt eingegangen ist.
Die Bewahrung der Artenvielfalt unserer Erde ist
eine der größten Herausforderungen und Generalaufgaben dieses Jahrhunderts. Auch die öffentliche
Hand kann hier einen wirksamen Beitrag leisten.
9
Notwendigkeit NB
Biodiversitätsverlust
(1) Humanitäre Folgen
Folgen des weltweiten
Biodiversitätsverlustes
Die 3 wichtigsten Folgen des weltweiten
Biodiversitätsverlustes
(1) Humanitäre Folgen
(2) Volkswirtschaftliche Kosten
(3) Negative Ökosystemwirkungen
1.2.2
Die Folgen des weltweiten
Biodiversitätsverlustes sind fatal
Während sich inzwischen stärker im allgemeinen
Bewusstsein verankert, dass der Klimawandel
und Umweltverschmutzung auch für uns Menschen gravierende negative Konsequenzen hat,
wird der Verlust der Biodiversität oft immer noch
unterschätzt. Zum einen geschieht er weitgehend
anonym, da die wenigsten Arten den Menschen
überhaupt bekannt sind, zum anderen sind die Abhängigkeitsverhältnisse des Menschen von und zu
den Tier- und Pflanzenarten dieser Erde in der Regel nicht bekannt. Hier sollen nur einige Beispiele
und Erläuterungen das Bewusstsein für die Fragilität der Wechselbeziehung und Abhängigkeit wecken, über die wir Menschen mit den anderen Mitgeschöpfen dieses Planeten verbunden sind.
Riesenotter: in den Primärwäldern Südamerikas
Viele Arten der Erde haben für den Menschen unmittelbare Bedeutung, wie z.B. Getreide, Nutztiere, bestimmte Pflanzen, eine Reihe von Baumarten, Hauptnahrungsmitteln und Medizinpflanzen.
Oft treffen die Folgen des Artenverlustes bestimmte
Gruppen der Erdbevölkerung, die in verschiedener
Weise von diesen Arten abhängen. Beispielsweise
führt das Korallensterben zum Verlust der davon abhängigen Fischfauna, was wiederum für die örtliche
Bevölkerung negative Konsequenzen hat.
Das Problem ist aber auch, dass die meisten Arten
für den Menschen eher indirekt von großer Bedeutung sind. Wird z.B. ein Hektar tropischer Regenwald abgeholzt, so profitiert der Mensch direkt von
dem verwerteten Holz (allerdings nur einmal, wenn
nicht nachhaltig bewirtschaftet wird). Auf der gleichen Fläche gehen aber teils bis zu 700 Baumarten,
ungezählte Pflanzenarten und bis zu 20.000 Insektenarten verloren (bereits z.B. Wilson, 1992). Oft
unwiederbringlich, da viele Arten nur in bestimmten Regionen vorkommen. In der Vielfalt schlummern ungeahnte Potenziale für die Menschheit.
Auf der Suche nach den Antibiotika von morgen haben Pharmakologen nicht nur Pflanzen im Blick. Mit
Millionen von Arten liefern Insekten einen riesigen
biochemischen Fundus für mögliche neue Medikamente. Beispiele sind die Entwicklung neuer Antibiotika, die auch gegen resistente Erreger helfen
oder von Molekülen, die Krebszellen zerstören.
Biodiversitätsforscher legen sogar nahe, dass gerade eine Vielzahl der unbekannten, unauffälligen
und wenig medienwirksamen Arten für das Überleben des Menschen wichtiger sind, als manche der
prominenten Arten. Das ist deswegen wichtig, weil
nur ein winziger Bruchteil der aussterbenden Arten
überhaupt in das öffentliche Bewusstsein gelangt.
Das Aussterben von Arten ist unumkehrbar und
schafft unkalkulierbare Risiken. Tiere und Pflanzen haben, neben ihrem Eigenwert, eine Funktion im Ökosystem. Gerät dieses durch Artensterben durcheinander, so entstehen auch Folgen für
den Menschen. Nahrung, Wasser und Medizin
hängen in weiten Teilen der Erde direkt von intakten Ökosystemen mit hoher Artenvielfalt ab.
Werden diese durch Artenverlust zerstört, so
gerät auch die Existenzgrundlage eines Großteils der Weltbevölkerung unmittelbar in Gefahr.
10
Notwendigkeit NB
Biodiversitätsverlust
Das Dilemma liegt darin, dass es so gut wie nie
möglich ist, für einzelne konkrete Arten einen unmittelbaren Nützlichkeitsbeweis für den Menschen
zu erbringen bzw. zu quantifizieren. Das macht das
Verständnis für die Notwendigkeit für Artenschutz
nicht leichter, ändert aber nichts daran, dass wir
Menschen vom größten Teil der Arten existenziell
abhängen. Daher ist es geboten, die Artenvielfalt
als Ganzes umfassend zu erhalten.
Auch der ideelle Wert der Natur hat „wirtschaftlichen Nutzen“. So ist z.B. der Ökotourismus nicht
nur der am schnellsten wachsende Markt der Tourismusbranche, sondern er wächst in vielen Regionen der Welt auch deutlich schneller als die übrige
Wirtschaft (z.B. www.ecotourism.org oder diverse
Arbeiten von Mastny, Crox und anderen). Gehen
aber mehr und mehr weitgehend unberührte Naturlandschaften und Lebensräume mit Ihrer Fauna
und Flora verloren, gibt es auch keine Ziele für den
Ökotourismus mehr.
Wissenschaftliche Studien (z.B. Balmford et al.,
2002) kommen zu dem Schluss, dass mit jährlich
45 Milliarden € weltweit Ökosystemleistungen
nachhaltig gesichert werden könnten, die einen
wirtschaftlichen Wert von 5 Billionen € pro Jahr aufweisen, ein Verhältnis von 1:100!
Orang Utan: in den Primärwäldern Asiens
Die Kosten für den Verlust biologischer Vielfalt können kaum je aufgebracht werden.
Investition in die Bewahrung der Vielfalt ist
bedeutend billiger und stellt den einzigen
zukunftsfähigen Weg dar.
(2) Ökonomische Folgen
Die biologische Vielfalt hat auch einen ökonomischen Wert, obwohl dieser bis auf wenige Ausnahmen sehr schwer zu fassen ist. Selbst der Rückgang wenig beachteter Arten kann erheblichen
wirtschaftlichen Schaden auslösen.
Der wirtschaftliche Verlust durch Rückgang der natürlichen Bestäubung durch Insekten, beispielsweise durch den fortschreitenden Rückgang der Bienenbestände, wird allein in der EU auf 15 Mrd. € pro
Jahr beziffert, weltweit sind es 153 Mrd. US-Dollar.
Korallenriffe erwirtschaften pro Jahr 172 Milliarden
Dollar an Einkommen, Nahrung und weiteren Gewinnen. Der Verlust an terrestrischer Biodiversität
in den letzten zehn Jahren verursacht Kosten in
Höhe von 500 Mrd. US-Dollar (TEEB, 2008).
Zudem wurden die künftigen Potentiale der Nutzung von Ökosystemen enorm geschmälert. So
werden derzeit zum Beispiel die jährlich entgangenen Gewinne durch nicht nachhaltiges Fischen auf
50 Milliarden US-Dollar geschätzt (TEEB, 2008). Experten gehen davon aus, dass der Wert der Güter
und Dienste, die durch Ökosysteme bereit gestellt
werden, sich auf 26.000.000 Billionen € pro Jahr beläuft. Diese Zahl ist nicht vorstellbar, sie entspricht
dem Doppelten des globalen Bruttosozialprodukts
(Memo 04/27 der Europäischen Union, 2004).
Sumatratiger - den Tiger im Tank dank Palmölplantagen u.a.
(3) Negative Ökosystemwirkungen
Ökosysteme bestehen aus unbelebter Natur, die
im Wesentlichen unverändert bleiben, wenn man
von Naturkatastrophen oder menschlichen Eingriffen wie Klimaveränderungen, Zerstörung oder
Verschmutzung absieht. Die in einem bestimmten
Lebensraum vorkommenden Arten an Mikroorganismen, Pflanzen und Tieren stehen miteinander in
Wechselwirkung und bilden gemeinsam das Ökosystem. Daher ist es begreiflich, dass der Verlust
von Arten in der Regel auch direkte Auswirkungen
auf die Ökosysteme hat, in denen sie leben.
11
Notwendigkeit NB
Biodiversitätsverlust
Hauptursachen des
Biodiveritätsverlustes
Hauptursachen Biodiversitätsverlust:
(1) Landnutzungsänderung, Lebensraumzerstörung: Raubbau an Primärwäldern.
(2) Klimaveränderung, Umweltverschmutzung.
(3) Übernutzung wilder Tiere/Pflanzen, illegaler
Handel, Einbringung gebietsfremder Arten.
1.2.3
Die Hauptursachen des weltweiten Biodiversitätsverlustes
Der weltweite Biodiversitätsverlust wird heute
meist noch vollkommen unterschätzt. Die Hauptursachen des Biodiversitätsverlustes sind in vielen
Aspekten systemisch sehr eng mit den Hauptursachen des Klimawandels vernetzt. Deshalb dienen
Maßnahmen, die beim Klimaschutz und beim Umweltschutz ansetzen, sowie Maßnahmen, die massiver Landnutzungsänderung und Lebensraumzerstörung entgegen wirken, immer auch dem Schutz
der weltweiten Biodiversität. Im Folgenden wird
auf Punkt 1 und 2 eingegangen.
1.2.4
Landnutzungsänderung und
Raubbau an Primärwäldern
Tropische Primärwälder (Urwälder) gehören zu den
artenreichsten Lebensräumen der Erde, 50-70%
aller Arten der Welt leben hier (UNEP, 2002). Sie
sind Hot Spots der Biodiversität. Dabei macht ihre
Fläche nur 10% der Landfläche der Erde aus. Das
bedeutet, in keinem anderen Lebensraum finden
sich so viele Arten auf engem Raum, wie in tropischen Primärwäldern.
Tropenwälder zählen aber auch zu den gefährdetsten Lebensräumen. Ihr Schutz würde den größten
Beitrag zum Schutz der weltweiten Biodiversität
leisten. Tropenwälder gehen aus verschiedenen
Gründen verloren, zu den wichtigsten zählen Rodung zur Landgewinnung für Plantagen (Palmöl,
Zuckerrohr, Soja und andere), Brennholznutzung
und kommerzieller Holzeinschlag. Vielfach ist es
auch eine Kombination dieser Faktoren.
Rafflesia - die größte Blume der Welt (Blüte 1 m) - Wälder in Asien
Beispiele für durch Holzeinschlag gefährdete Arten (Infos: www.wald-forst-holz.de)
• Gorillas leben in den Wäldern Zentralafrikas.
Abholzung von Urwäldern, auch für den
Holzexport bedrohen die Art existenziell. In
Afrika sind in den letzten 20 Jahren ca. 80
Mio. Hektar Urwald durch Raubbau verloren
gegangen (FAO, 2011), mit fatalen Folgen.
• Primärwaldeinschlag ist die wichtigste Ursache für das Verschwinden von Tieren Lateinamerikas (Riesenotter, Jaguar u.a). In den
letzten 20 Jahren hat hier die Primärwaldfläche um 93 Mio. Hektar abgenommen (s.o.).
• Raubbau-Holzeinschlag für Tropenhölzer zerstört einen großen Teil des Lebensraums
des asiatischen Tapirs, allein 50% in den
letzten drei (!) Tapirgenerationen (www.
iucnredlist.org).
• Orang Utans gelten als „Gärtner des Regenwaldes“. Studien gehen davon aus, dass,
wenn nicht bald Einschneidendes geschieht,
es nur noch 20 Jahre dauern wird, bis es in
der Heimat des Orang Utans keinen Tropenwald mehr gibt. Nur 20 Jahre ! (s.o. red list
IUCN) bis eine so eindrucksvolle Art von der
Erde verschwindet.
• Auch Sumatra-Tiger kämpfen ums Überleben. Jedes Jahr verschwinden 1,3 Mio.
Hektar der Heimat des Tigers für Exportholz, Papier- und Palmölplantagen. Gartenholz aus Thermoholz statt Merbau, Meranti,
Teak und anderem Tropenholz aus Raubbau
ist ein erster Schritt hier zu helfen (s.o.).
12
Notwendigkeit NB
Biodiversitätsverlust
(1) Biodiversitätsverluste durch kommerziellen Holzeinschlag in tropischen und borealen Primärwäldern
Jede kommerzielle, auch zertifizierte, Nutzung
bisher unberührter Primärwälder führt letztlich zu
einem Verlust an Biodiversität. Dabei kann die »Bewirtschaftung« dieser Wälder auch bis zu 100%iger Entnahme von Biomasse (Kahlschlag) und zu
einer Zerstörung der organischen Bodenschicht
führen, z.B. für die Vorbereitung der Rekultivierung,
meist die Anlage von Plantagen für Holz, Palmöl,
Zuckerrohr und anderes (WBGU, 2009).
Aber auch eine Einzelstammentnahme, die oft als
schonende Nutzung der Tropischen Primärwälder
angesehen wird, führt nach neuen wissenschaftlichen Studien letztlich zu starken Artenverlusten in
diesen Lebensräumen (Asner et al, 2006). So werden z.B. pro verwertetem Baum im Amazonasgebiet 27 weitere Bäume beschädigt, 40 Meter Straße neu gebaut und 600 m² Lücke ins Kronendach
gerissen (WWF, 2008).
Eine Zertifizierung, die auch Holzentnahme aus
Primärwäldern erlaubt, ist zwar auf jeden Fall besser als ungeregelter Raubbau und insofern als ein
Sensibilisierungsinstrument wichtig, löst für sich
genommen aber weder das Problem der Zerstörung der Regenwälder, noch kann sie die derzeitige
Artenvielfalt bewahren.
Seiten PEFC und FSC; mehr Infos Info CD „Wälder
global und regional“ und auf www.holz-von-hier.
de). Der Importanteil an so zertifizierten Hölzern in
die EU ist noch gering. Da gerade in diesen Regionen die Regenwaldzerstörung rapide voran schreitet, kann die Zertifizierung der Waldwirtschaft allein
die Vernichtung tropischer Primärwälder nicht aufhalten.
Hinzu kommt das Problem der Kontrolle. Asiatische
Länder wie China und Indonesien entwickeln sich
zu den größten Tropenholzumschlagplätzen weltweit. Eine Kontrolle der Holzherkünfte ist hier nach
Einschätzung vieler Marktkenner kaum bzw. nicht
möglich.
(3) Auch die Nutzung von Plantagenholz ist
keine Generallösung
Auch die Nutzung von tropischem Plantagenholz
ist keine Lösung gegen den Raubbau. Diese sind
meist in den letzten 20 Jahren entstanden und für
viele wurden zuvor Primärwälder abgeholzt. Zudem wird tropisches Plantagenholz in der Holzqualität (kurze Wachstumszyklen: Teak 30 - 50 Jahre)
von der Branche meist schlechter bewertet als Holz
aus Primärwäldern, das gilt auch für die noch jungen Plantagen mit Nachhaltigkeitslabeln. Für qualitativ hochwertige Produkte wird nach wie vor auf
Holz aus Primärwäldern zurückgegriffen. Plantagen
in den Tropen können also den Druck auf die tropischen Primärwälder letztlich nicht verhindern.
In Verbindung mit illegalem Holzhandel zeigt sich
zudem ein weiteres Problem: in der letzten Dekade stieg die Fläche an Holzplantagen in Indonesien um ca. 80% an. Im gleichen Zeitraum stieg der
Anteil von Plantagenrundholz auf dem Markt aber
um 600%! Experten gehen hier davon aus, dass
ein großer Anteil illegal geschlagenen Holzes unter
der Bezeichnung „Plantagenholz“ in den Handel
geschleust wird (Interpol environmental crime programme, 2012)
Meranti - international gefährdet und in Deutschland gehandelt.
(2) Waldzertifizierungen in den Tropen sind
wichtig, lösen aber allein das Problem nicht
Es ist wichtig, bei Importen in die EU auf Label
für die Nachhaltige Waldwirtschaft (PEFC und
FSC) zu achten. Bisher sind in Asien aber nur 3%,
Lateinamerika 2% und Afrika 0,5% der Wälder nach
Waldlabeln wie PEFC bzw. FSC zertifiziert (I-Net
(4) EU & Deutscher Tropenholzmarkt
Nationen mit noch großen Primärwaldvorkommen
sind: Brasilien, Rußland, Kanada, USA (ohne Alaska), Peru, Kolumbien, Indonesien, Mexiko, Bolivien,
Papua, Kongo (s. auch Info-CD: „Wälder global &
regional“, www.holz-von-hier.de). Die Produkte, die
sie für den Holz-, Papier-, Zellstoff-, Biokraftstoffbereich, Genussmittel-, Kosmetiksektor produzieren,
werden großteils exportiert (WBGU, 2009) und
zwar gerade nach Europa und Deutschland.
13
Notwendigkeit NB
Biodiversitätsverlust
Der Markt hat entscheidenden Einfluss auf den
Schutz der Biodiversität weltweit.
Aber in die nachhaltige Beschaffung oder interne
Beschaffungsleitlinien könnten auch Aspekte integriert werden, die noch keine Label abdecken.
Einige Beispiele:
Markt , Kaufentscheidungen entscheiden über Primärwaldschutz
1.2.5
Klimaveränderungen und
Umweltverschmutzung
Die Beschaffung hat über den Umweltfußabdruck von Produkten steuernden Einfluss. Maßnahmen im Rahmen der nachhaltigen Beschaffung, die dem Schutz des Klimas dienen, sind
gleichzeitig auch positiv für die Erhaltung der
Artenvielfalt.
Durch den Klimawandel könnten bis zu 40% der
weltweiten Arten vom Aussterben bedroht sein
(Stern Report, 2006). Dieser von Menschen verursachte Verlust an Artenvielfalt zählt zu den schwersten Aussterbeerscheinungen der Erdgeschichte.
Dies betrifft nicht nur ethische Fragen sondern hat
nicht absehbare Folgen für die Menschheit, da sie
als Teil des globalen Ökosystems von der Artenvielfalt in vielfältigster Weise existenziell abhängig ist.
• Erdöl ist einer der derzeit wichtigsten Energieträger, vor allem ist er aber auch ein Rohstoff,
von dem die Weltwirtschaft noch in vielfältiger
Weise abhängt. Problematisch ist dabei nicht
nur, dass diese Ressource endlich ist (s. nächster Punkt), sondern auch, dass mit der Gewinnung teilweise extreme und weitreichende
Umweltverschmutzung und Zerstörung von Lebensräumen verbunden ist. Dies betrifft in ganz
besonderem Maße z.B. die Gewinnung von Erdöl aus Teersanden, wie es aktuell (Ende 2012)
in Kanada im Großmaßstab geplant ist. Da der
Markt aufgrund der zahllosen Zwischenschritte zwischen dem Rohstoff und den unzähligen
hieraus hergestellten Produkten kaum Einfluss
auf die Herkunft des Öls hat, sind generell aus
Erdöl hergestellte Produkte z.B. mit Umweltbelastungen verbunden. Hier ist z.B. PVC als ein
prominentes Produkt zu nennen.
• Gold kommt vor allem in vielen wenig entwickelten Regionen der Erde vor. Hier existieren
meist keinerlei Umweltstandards oder Sozialstandards. Das hat zur Folge, dass Gold hier
im ungezügelten Raubbau gewonnen wird. Im
Amazonasbecken beispielsweise werden durch
den Goldgräberboom riesige Gebiete zerstört
und einige international besonders gefährdete
Arten gehen dadurch verloren.
Umweltverschmutzung ist oft auch mit einem nicht
nachhaltigen Umgang mit Ressourcen verbunden,
hier verschwimmen die Grenzen zum nächsten wesentlichen Hauptaspekt der Umweltrelevanz nachhaltiger Beschaffung, der Ressourcenschonung.
Viele Materialien können im Rahmen ihrer Gewinnung größere oder geringere Umweltverschmutzungen verursachen. Dies ließe sich generell in Beschaffungsüberlegungen mit einbeziehen.
Umweltlabel geben hier wichtige Entscheidungshilfen (z.B. „Holz von Hier“ für klima- und
umweltfreundliche Holzprodukte, Blauer Engel für
verbrauchsarme Geräte, PEFC oder FSC für Holz
aus nachhaltiger Waldwirtschaft, usw.).
Boreale Primärwälder Kanada
14
Notwendigkeit NB
Ressourcenverbrauch & Ressourceneffizienz
„Ressourcenschonung und Ressourceneffizienz darf nicht erst am Ende der Nutzungsphase beim Recycling ein Thema sein. Ressourcenschonung von Anfang an, im gesamten
Stoffstrom wird immer wichtiger“ (Holz von Hier)
Fakten zum (nicht nachhaltigen) Ressourcenverbrauch
Einleitendes - Rohstoffverbrauch
nachhaltig und effizient machen
Weltweit wurden im Jahr 2009 über 68 Mrd. Tonnen an Rohstoffen eingesetzt, rund ein Drittel (!)
mehr als noch im Jahr 2000 (ca. 50 Mrd. Tonnen),
zwei Drittel mehr als im Jahr 1990 (ca. 42 Mrd. Tonnen) und etwa doppelt so viel wie Ende der 1970er
Jahre (Krausmann et al., 2009, vgl. Abb. 1). Die
ineffiziente Verwendung von Ressourcen ist heute höher denn je. Der World Business Council on
Sustainable Development schätzt, dass bis 2050
die weltweite Ressourceneffizienz 4 - 10 fach erhöht werden müsste und dass bis 2020 erhebliche
Verbesserungen notwendig sind (EU Kommission
2011, Fahrplan für ressourcenschonendes Europa).
Baumineralien
Erze und Industriemineralien
Fossile energieträger
Biomasse
70.000.000
60.000.000
50.000.000
40.000.000
30.000.000
20.000.000
10.000.000
2005
2000
1995
1990
1985
1980
1975
1970
1965
1960
1955
1950
1945
1940
1935
1930
1925
1920
1915
1910
1905
-
1900
Die Weltwirtschaft ist auf Energie und Rohstoffe
angewiesen. Der nachhaltige Umgang damit wird
immer essentieller für Umwelt, alle Menschen und
die Wirtschaft selbst. Gleichzeitig müssen überlebensnotwendige Güter wie Klima, Wasser, Boden
und Biodiversität geschützt werden. Weltweite Verteilungskämpfe um Rohstoffe, Wasser, Lebensmittel und Energie werden zunehmen, wenn die Weltgemeinschaft nicht gemeinsam handelt.
80.000.000
Ressourcenverbrauch [1000 tonnen]
1.3.1
Abb. 1: Ressourcenverbrauch weltweit 1990 - 2005 (Krausmann et al., 2009)
Natürliche Ressourcen sind Wasser, Luft, Boden, Biodiversität sowie biogene und abiotische
Rohstoffe. Die wichtigsten abiotischen Rohstoffe lassen sich unterteilen in fossile Energie, Erze,
Industriemineralien und Baumineralien. Laut EU
Kommission machen die Bereiche Gebäude, Mobilität und Ernährung zusammen 70-80% des Ressourcenverbrauches in Europa aus.
15
Notwendigkeit NB
Ressourcenverbrauch
Folgen nicht nachhaltigen
Ressourcenverbrauches
Folgen der Ressourcenverschwendung
(1) Humanitäre Folgen.
(2) Volkswirtschaftliche Folgen.
(3) Negative Ökosystemwirkungen.
Nutzung zur Verfügung (ca. 50 Mio. km2), davon
dienen bereits heute 80% (Weide und Futteranbau) der Viehhaltung. Von der weltweit genutzten
Biomasse werden 58% als Futtermittel, 20% als
Rohstoffe, 10% als Brennholz und nur 12% als
Nahrung genutzt (Steinfeld et al., 2006). Weltweit
steigen so auch die Nahrungsmittelpreise. Eine der
Ursachen dafür ist der steigende Fleischkonsum,
aber auch der weltweite Bioenergieboom. Ein Entschärfen dieser Nutzungskonkurrenz wäre heute
noch möglich (WBGU, 2009).
99
Industrieländer 2030
Schwellen/Transformationsländer
2030
59
Entwicklungsländer2030
1.3.2
Die Folgen nicht nachhaltigen
Ressourcenverbrauches
Nachhaltiger Ressourcenverbrauch bestimmt über
die Zukunft aller Menschen und aller nachfolgenden
Generationen. Die Forderung nachhaltig und schonend mit Ressourcen umzugehen war der Beginn
und Grundpfeiler jeglicher Nachhaltigkeitsdebatte,
Maßnahme oder politischen Vorgabe in dem Feld.
(1) Humanitäre Folgen
Der hohe Energie- und Rohstoffverbrauch der Industrienationen und der sich stark entwickelnden
Nationen Asiens (z.B. China, Indien) bleibt nicht
ohne Folgen für die Rohstoffvorräte der Welt und
löst damit auch humanitäre Folgen und Ungleichgewichte aus.
Jede Rohstoffgewinnung hat weltweit systemisch
bedingt auch humanitäre Folgen, durch Beeinflussung von Wasser, Luft, Boden, Biodiversität, biogenen Rohstoffen und durch Nutzungskonkurrenzen
wie im folgenden Beispiel gezeigt wird.
Beispiel Nahrungs- und Futtermittelbedarf.
Weltweit steigen Nahrungs- und Futtermittelbedarf
und damit wiederum der Bedarf an Boden, Wasser,
Energie und Mineralien (z. B. Phosphor) zur Produktion. Heute leben 6,6 Mrd. Menschen auf unserer
Erde, davon 80% in Entwicklungsländern (FAOSTAT,
2006), bis 2030 werden es 8,3 Mrd. sein. Mit höherem Einkommen und steigender Verstädterung
steigt der Konsum an Fleisch, Milchprodukten, Fetten, Zucker, auch in Entwicklungs- und Schwellenländern (vgl. Abb. 2 und Abb. 3). Weltweit stehen
etwa 34% der Landflächen für landwirtschaftliche
223
179
38
67
Industrieländer
1999/2001
90
Schwellen/Transformationsländer
1999/2001
214
44
Entwicklungsländer1999/2001
160
27
Fleisch-Konsum
Milch-/Milchprodukte-Konsum
45
0
50
100
150
200
250
300
350
Menge in [kg/Person/Jahr]
Abb. 2: Konsum an Fleisch und Milchprodukten von Entwicklungs-, Schwellen-, Industrieländern 2001 und dem prognostizierten Konsum 2030 (Peters et al., 2007).
Getreide
1,1
Gemüse
1,7
Hülsenfrüchte
2,2
Obst
2,3
3,2
Ölfrüchte
Vollmilch
5
Eier
6
Schweinefleisch
7,3
9
Geflügelfleisch
31,2
Rindfleisch
0
5
10
15
20
25
30
35
Fläche in [m2 /1000 kcal]
Abb. 3: Flächenbedarf von Lebensmitteln bezogen auf den Energiegehalt des Produktes (WBGU, 2009).
Nachhaltige Beschaffung im Bereich Lebensmittel beispielsweise für Kantinen könnte
sich auch an ökologischer und bodenschonender Bewirtschaftung orientieren.
Nicht bodenschonende Bewirtschaftung bei der Nahrungs- und Futtermittelproduktion führt zu Humusabbau, Bodenverdichtung, Wind- und Wassererosion. Phosphor z.B. ist ein überlebensnotwendiges
Element, das nicht erneuerbar und nur in endlichen
begrenzten Ressourcen zur Verfügung steht. Der
Verlust an Mutterboden und Phosphor durch Erosion
ist ein elementares und wachsendes Problem.
16
Notwendigkeit NB
Ressourcenverbrauch
(2) Volkswirtschaftliche Folgen
Rohstoffe, sind wesentliche Produktionsfaktoren,
z.B. fossile Energie treibt heute immer noch die
Weltwirtschaft an. Hier zeigt sich, wie sensibel die
Wirtschaft auf Engpässe und Knappheiten reagiert.
Einige abiotische Rohstoffe sind nahezu ubiquitär,
wie Steine, Erden etc. Hieran besteht quantitativ
auf absehbare Zeit kein Mangel. Insbesondere ist
hier eine umweltschonende Gewinnung wichtig,
um nicht andere Ressourcen zu beeinträchtigen
wie z.B. Wasser, Boden oder Luft. Ein Großteil der
natürlichen Ressourcen ist jedoch nur in begrenztem Umfang vorhanden und nicht erneuerbar. Beispiele sind Erdöl, Erdgas sowie bestimmte Mineralien und seltene Erden, die immer weniger aus
leicht zugänglichen Quellen zu beschaffen sind.
Beispiel Erdöl und Erdgas. Die Weltvorräte an Erdöl
werden auf ca. 160.000 Mio. Tonnen, die von Erdgas auf 180.000 Mrd. m3 geschätzt. Davon liegen
beim Erdöl 87% und beim Erdgas 57% in Risikobzw. Krisenregionen wie dem Nahen Osten, Afrika, Südamerika und in starken Wachstumsregionen
wie Asien (vgl. Abb. 4). Die Reichweite des WeltVorrates an Erdöl und Erdgas wird bei gegebener
Förderquote auf etwa 40 bis > 60 Jahre geschätzt
(BMWI, 2009/2010).
Der BDE (Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e. V.) mahnt
deshalb an, dass eine Erhöhung der Recyclingquote von Materialien kein Selbstzweck sei, sondern
ein nationales Erfordernis, da die deutsche Industrie aufgrund der sich weltweit dramatisch verknappenden Primärrohstoffvorkommen“ auf eine effektive Kreislaufwirtschaft angewiesen sei, um auch
künftig auf hohem Niveau produzieren zu können.
Bei vielen Materialien ist heute jedoch die Verwertungsrate bzw. reale Recyclingquote extrem gering
(vgl. Bereich 3 - Wirtschaftlichkeit, Seite 16).
Ressourcenschonende Gebäude und nachhaltige Beschaffung mit Blick auf optimale
Ressourcenschonung: auch hier kommt es
auf die Art des Materials an.
Ressourceneffizienz und das eingesetzte Material
spielen bei Gebäudebewertungssytemen noch EPD
eine Rolle. Dabei gibt es hier deutliche Unterschiede. Holz beispielsweise ist ein nachwachsender
Rohstoff, wenn es aus nachhaltiger Waldwirtschaft
stammt. Altholz wird heute nach der Nutzungsphase zu nahezu 100% wieder verwertet und nicht entsorgt, im Gegensatz zu einigen anderen Baustoffen
(vgl. Tab. im Bereich „Wirtschaftlichkeit“).
(3) Negative Ökosystemauswirkungen
Rohstoffvoräte fossil nach Weltregionen
Australien
Kohle-Vorräte (ausbringbar)
Erdöl-Vorräte
Erdgas-Vorräte
Europa
GUS
Asien/Ozeanien
Südamerika
Nordamerika
Afrika
Naher Osten
0
50
100
150
200
250
300
350
Reichweite bei gegenwärtiger Förderquote in Jahren
Abb. 4: Abbildung mit Daten des BMWi, 2009/2010.
Auf die Art der Materialien kommt es an.
In der EU werden jährlich 16 Tonnen Werkstoffe pro
Person verbraucht, davon werden 6 Tonnen zu Abfall (EU Kommission, 2011: „Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa“). Deshalb kommt der
Art der Rohstoffe, nachwachsend oder regenerierbar, große Bedeutung zu. Außerdem ist es wichtig,
ob sie nach Ende der Lebensphase recycelt, wieder verwertet oder nur entsorgt werden können.
Durch die steigende Nachfrage nach Rohstoffen
wie Öl, Gas, Erzen und Mineralien werden weltweit zunehmend Rohstoffvorkommen in Gebieten
erschlossen, die besonders sensibel auf menschliche Einflüsse reagieren. Selbst der Abbau in Lagerstätten mit nur geringer Rohstoffkonzentration wächst, so dass die Gewinnung energie- und
materialintensiver wird. In Folge dessen wachsen
die Umweltauswirkungen der Rohstoffgewinnung
überproportional zum Anstieg der Förderung. Ein
Beispiel ist die Gewinnung von Erdöl aus Teersanden in Kanada. Auch die Weiterverarbeitung der
Rohstoffe im Stoffstrom geht mit Umwelt-, Material- und Energieverbrauch sowie Emissionen einher.
Das Label HOLZ VON HIER kennzeichnet klima- und umweltfreundliche Holzprodukte
entlang des gesamten realen Stoffstromes.
Die Art, wie ökologisch und sozial fair Rohstoffe gewonnen werden, wie lange sie im Stoffstrom transportiert werden und wie effizent sie im gesamten
Stoffstrom genutzt werden, entscheidet über die
Nachhaltigkeit.
17
Notwendigkeit NB
Ressourcenverbrauch
Hauptursachen Ressourcenverschwendung:
(1) Weltweites Bevölkerungswachstum.
(2) Nicht nachhaltiges Wirtschaften.
(3) Nicht nachhaltige Produkte / Konsum.
1.3.3
Die Hauptursachen nicht nachhaltigen Ressourcenverbrauches
(1) Weltweites Bevölkerungswachstum
Die wesentlichen Treiber für den zunehmenden
Rohstoffeinsatz sind einerseits die wachsende
Weltbevölkerung, von 4,3 Mrd. im Jahr 1980 über
7 Mrd. heute, auf geschätzte 9,3 Mrd. im Jahr 2050
und andererseits ein zunehmender Rohstoffeinsatz
pro Kopf in den alten Industrieländern und vor allem auch den Schwellenländern wie China, Brasilien oder Indien. So betrug im Jahr 2004 der ProKopf-Konsum an Rohstoffen in Europa 55 kg pro
Tag, in Nordamerika 102 kg, in Asien dagegen nur
15 kg und in Afrika nur rund 11 kg (Sustainable Europe Research Institute, 2010).
Trotz einer 20-jährigen Historie der Klimaverhandlungen haben die weltweiten CO2-Emissionen in
Summe zugenommen. Die zwei weltgrößten CO2Emittenten sind die USA und China (vgl. Abb. 6). Die
CO2-Emissionen Chinas haben sich seit 1990 verdreifacht (BMWI, 2009/2010; WBGU, 2009). Viele
Länder mit Primärwäldern, die große CO2-Senken
sind, haben in den letzten 10 Jahren große Teile
ihrer Primärwälder abgeholzt, was nicht als Landnutzungsänderung gewertet wurde und nicht in die
Erfassung der Treibhausgasemissionen eingeht.
Namhafte Wissenschaftler forderten bereits 2000,
Primärwälder im Klimaschutzprozess unter Schutz
zu stellen und ihre Nutzung als Landnutzungsänderung zu werten, dies wurde bisher nicht berücksichtigt. Seitdem fanden massiv Primärwaldrodungen
vor allem in Afrika, Asien und Lateinamerika statt.
Primärenergieverbrauch in der Welt
600,0
Primärenergieverbrauch in [ExaJ]
Hauptursachen des nicht
nachhaltigen Ressourcenverbrauches
energieverbrauch tendenziell rückläufig. Der weltweite Verbrauch von fossilen Brennstoffen hat sich
im Laufe des 20. Jahrhunderts verzwölffacht und
der Abbau von Bodenschätzen ist um den Faktor
34 (!) gestiegen. Neue aufstrebende Wirtschaftsnationen wie China und Indien treiben den WeltEnergieverbrauch stark an. China z.B. hat seinen
Energieverbrauch in nur 17 Jahren um ca. 50% gesteigert und lag 2007 nur noch ca. 20% unter dem
Energieverbrauch der USA (BMWI 2009, 2010).
500,0
400,0
Der Primärenergieverbrauch der Welt beispielsweise ist in den letzten 20 Jahren um etwa 30%
gestiegen, nicht etwa gesunken, und liegt heute bei 479 EJ (vgl. Abb. 5; BMWI, 2009, 2010;
WBGU; 2009). Lediglich in Europa ist der Primär-
1990 -2007
- 38%
-10%
300,0
+54%
200,0
+20%
100,0
+28%
+37%
+38%
0,0
(2) Nicht nachhaltiges Wirtschaften
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007
Jahre
Abb. 5: Anstieg des Primärenergieverbrauches weltweit, Daten aus BMWi 2009, 2010.
CO2-Emissionen ausgewählter Länder
18.000
16.000
USA
Deutschland
China
Frühere SU
2.565
14.000
857
12.000
Menge in [Mt]
Alle Ressourcenfelder sind miteinander verknüpft,
Einwirkungen auf einen Bereich ziehen unweigerlich, meist nicht bekannte und kaum vorhersehbare,
Aus- bzw. Nebenwirkungen in anderen Bereichen
nach sich. Umso wichtiger ist daher ein sorgsamer
und schonender Umgang mit den Ressourcen. Die
Weltgemeinschaft ist aber noch weit davon entfernt, sich im Ressourcenverbrauch als ein zusammenhängendes System zu betrachten.
Frühere SU
Europa
Asien (mit China und Indien)
Nordamerika
Pazifik (mit Japan und Australien)
Südamerika
Afrika
10.000
8.000
6.000
3.907
6.810
1.029
2.452
4.000
2.000
5.461
!
6.370
0
1990
2008
Abb. 6: der CO2-Emissionen ausgewählter Länder seit Beginn
der Welt-Klimaverhandlungen. Daten aus BMWi 2009, 2010.
18
Notwendigkeit NB
Ressourcenverbrauch
Umgesetzte Energiesparmaßnahmen wurden in
der Primärenergiebilanz von 1990 bis heute durch
Wachstumsprozesse (Wirtschaftswachstum, Bevölkerungswachstum) teilweise wieder aufgehoben.
Dies gilt im Großen wie im Kleinen. So hat sich z.B.
in Deutschland durch die gestiegene Ausstattung
mit Elektrogeräten der Stromverbrauch um 12%
erhöht, obwohl die Geräte meist verbrauchsärmer
wurden (BMWI, 2010).
Für viele Länder der Weltgemeinschaft ist Energie
sparen noch kaum ein Thema. Dabei ist Energie
sparen die größte „Energiequelle“ weltweit. Sie
ist jederzeit nutzbar, spart Kosten, kann von jedem
angewendet werden und befördert innovative Techniken. Energie sparen in Industrie, Gewerbe, Handel, Kommunen und Haushalten leistet einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und ist eine wichtige
Säule nachhaltiger Beschaffung, z.B. durch die Beschaffung verbrauchsarmer Geräte (z.B. mit dem
Blauen Engel).
(3) Nicht nachhaltige Produkte / Konsum
Akteure und Konsumenten in Deutschland haben
über die Verwendung von Produkten und Materialien, die ganz oder zu Teilen von außerhalb Deutschlands und Europas stammen, einen Einfluss auf die
quantitative und qualitative Inanspruchnahme von
Ressourcen und die Umweltauswirkungen in anderen Teilen der Welt. In nur wenigen Ländern und
Regionen der Welt gibt es so ehrgeizige Umweltziele, hohe Umweltstandards und anspruchsvolle
rechtliche Rahmenbedingungen wie in Deutschland und Europa.
cherschutzes strengste ihrer Art in Europa, wenn
nicht weltweit. Sie verbietet beispielsweise die
Nutzung von Altholz bei in Deutschland hergestellten Plattenwerkstoffen. Nicht verboten ist jedoch
der Import von Billigplatten, die bis zu 100% teils
schutzmittelbelastetes Altholz enthalten können.
Um wettbewerbsfähig zu bleiben, steigt seit einigen Jahren auch bei deutschen Plattenherstellern
der Handelsanteil mit Importen im Portfolio zulasten der eigenen Produktion.
Ein anderes Beispiel betrifft den Wasserverbrauch.
Dabei geht es nicht nur um die unmittelbare Belastung der Ressource Wasser durch den Gebrauch
von Produkten, sondern zunehmend auch um den
indirekten Wasserverbrauch durch die Produktion
von Gütern. Viele Konsumgüter werden in sehr
wasserarmen Gegenden der Welt hergestellt und
verschärfen dort durch hohen Wasserbedarf die
Probleme massiv. Baumwolle ist eines der bekannteren Beispiele hierfür. Bei Produkten, die nach
deutschen und europäischen Umweltstandards
produziert wurden, ist man auf der sicheren Seite.
Aber nicht nur der Handel mit fertigen Produkten
sondern auch mit Rohstoffen und Halbwaren für
die stoffliche Nutzung ist weltweit stark gewachsen und unübersichtlich. Das Ausmaß der Transporte im Stoffstrom ist auch von der Art des Rohstoffes abhängig. Mehr Infos dazu finden sich in
den Wald- und Holzmarktberichten der FAO (2011)
und zusammengefasst in der Holz von Hier Info-CD
„Wälder - global und regional“.
In Deutschland trägt oft auch das Engagement der
Wirtschaft selbst dazu bei, Umweltbelastungen
möglichst gering zu halten. Im Sinne von Klima- und
Umweltschutz sowie Ressourcenschonung reicht
es jedoch nicht, dass der letzte Produktionsschritt
im Stoffstrom nach den hohen Standards der EU
und Deutschlands produziert wurde, das sollte in
der gesamten Stoffstromkette stringent durchgeführt werden. Denn, in vielen anderen Ländern, aus
denen Deutschland und die EU Rohstoffe und Produkte importieren, gibt es keine solchen vergleichbaren Rahmenbedingungen. Somit tragen viele Importwaren in die EU nicht nur den Umweltrucksack
an erhöhten Transportemissionen mit sich, sondern
hinterlassen zusätzlich einen noch größeren Fußabdruck an Ressourcen- und Umweltverbrauch.
Beispielsweise ist die deutsche Altholzverordnung die im Sinne der Umwelt und des Verbrau-
19
Notwendigkeit NB
Programme, Maßnahmen und Marktmechanismen für
Klima-, Biodiversitäts- und Ressourcenschutz
„Deutschland ist ein Vorreiter für Klima- und Umweltschutz in Europa. Unsere Wirtschaft
und besonders auch der Mittelstand sind eine tragende Säule für unsere Wertschöpfung.
Umweltschutz geschieht letztlich durch unser Verhalten, die Art unseres Einkaufes und
der Beschaffung von Produkten“. (Holz von Hier)
Politische Programme mit Marktmechanismen umsetzen
1.4.1
Einleitendes: Globales denken erfordert regionales Handeln!
Der Schutz von Klima, Biodiversität und Ressourcen erfordert teils völlig andere Instrumente und
Handlungsstrategien als im klassischen Naturschutz mit seinen klaren politischen Vorgaben und
Gesetzen (z.B. FFH, Natura 2000 usw.). Denn hier
handelt es sich einerseits um Probleme, die politisch nur weltweit angepackt werden können und
müssen, andererseits sind die Zusammenhänge,
Ursachen und Handlungsmöglichkeiten komplex,
vielfältig, erfordern systemisches Denken und das
gleichzeitige Handeln vieler Akteure.
Hier ist es enorm wichtig, dass einige Länder, Regionen oder Akteure Vorreiter sind. Eine solche Vorreiterrolle weltweit nimmt die EU ein. Deutschland
hat innerhalb der EU in vielen Aspekten für Klima-,
Umwelt- und Ressourcenschutz eine Vorreiterrolle.
Hier hat jedes Handeln in einem Teil der Welt mittelbare und unmittelbare Einflüsse auf den Rest
der Welt und umgekehrt.
Dennoch hat man gerade bei diesen Themen einen völlig anderen Ansatzhebel als im klassischen
Naturschutz, der aber höchst effektiv wirken kann.
Dieser Hebel ist der Markt, der nachhaltige Konsum, die nachhaltige Beschaffung in Wirtschaft,
Gesellschaft und der öffentlichen Hand. Nirgends
kann man so deutlich im ursprünglichen Sinne von
Nachhaltigkeit handeln wie hier: „Globales Denken
- erfordert regionales Handeln“.
Bestimmte Erscheinungen und nicht nachhaltige
Handlungsweisen der Akteure im Markt tragen
maßgeblich zu Klimawandel, Verlust an Biodiversität und Ressourcenausbeutung bei. Der Markt
kann aber auf der anderen Seite essentiell Klima-,
Biodiversität und Ressourcenschutz steuern.
So wie die Wirtschaft immer globaler vernetzt ist,
muss auch bei Themen wie Klima, Biodiversität
und Ressourcen global vernetzt und systemisch
gedacht werden.
20
Notwendigkeit NB
Programme, Maßnahmen, Markt
Politische Programme und
Handlungsinstrumente
Global und EU weit für die Bereiche
(1) Klimaschutz.
Auch hier ist Deutschland Vorreiter, z.B. mit Gesetzen wie der EnEV und anderen. Im Folgenden sind
wichtige politisch indizierte Instrumente zu Klima-,
Primärwald- und Ressourcenschutz auf globaler
und EU Ebene genannt.
Der Stern-Report skizziert vier Hauptmöglichkeiten zum Reduzieren von Treibhausgasemissionen.
(2) Primärwaldschutz.
• Reduzieren der Nachfrage nach emissionsintensiven Waren und Dienstleistungen.
(3) Ressourcenschonung.
• Erhöhte Effizienz, die sowohl Geld als auch
Emissionen sparen kann.
• Handeln in Bezug auf Nicht-Energie-Emissionen (z.B. die Vermeidung von Abholzung
von Primärwäldern).
1.4.2
Politische Programme und
Handlungsinstrumente
Die Politik hat eigentlich nur zwei Möglichkeiten
den Markt zu beeinflussen: (1) entweder über Gesetze und Regelungen ein bestimmtes Handeln zu
verbieten oder (2) über Marktanreize ein bestimmtes Markt- und Konsumverhalten zu belohnen.
Viele Programme der EU haben heute den Status
von Leit- oder Richtlinien, die dem Markt indirekt
und direkt enormes Gewicht in der Ausführung geben, denn außer bei klaren gesetzlichen Vorgaben
erfordern diese letztlich das Handeln aller Marktteilnehmer, wenn eine reale, echte Klima- und Umweltwirkung erreicht werden soll. Diese Leit- und
Richtlinien der EU müssen von den nationalen Regierungen, auf Länderebene heruntergebrochen
und umgesetzt werden, was in den einzelnen EULändern oft sehr unterschiedlich ausfällt.
Letztlich können die Teilnehmer und Akteure des
Marktes, wenn sie Klima-, Umwelt- und Ressourcenschutz ernst nehmen, nicht der Politik allein
die Verantwortung zusprechen. Dies liegt an dem
simplen Fakt, dass die Politik diesen Teil der Klima-,
Biodiversitäts- und Ressourcen-Ziele der EU nicht
regeln kann. Soll hier tatsächlich etwas in der Realität umgesetzt werden, braucht es die Akteure
und Teilnehmer auf dem Markt, also Unternehmen,
Kunden und die öffentliche Hand, die entsprechend
produzieren, einkaufen und beschaffen müssen.
Gesetzliche Vorgaben mit Wirkung für den Klimaschutz gibt es bisher als harte Gesetze mit entsprechenden Konsequenzen nur auf nationaler Ebene
einiger Länder.
• Umstellen auf kohlenstoffärmere Technologien für Leistung, Wärme und Verkehr.
(1) Weltweiter Kohlenstoffhandel
Kohlenstoffhandel ist ein weltweites Instrument,
das für den Bereich Klimaschutz in den Themenfeldern Energie und Produktion entwickelt wurde.
Ein grundlegendes Problem für den Klimaschutz ist
dabei, dass sich hier nur bestimmte Länder als Verpflichterländer beteiligen, darunter Deutschland.
Die großen Emittentenländer von Treibhausgasen
aus der Energieproduktion sind jedoch nicht dabei wie z.B. die USA und Russland, ebensowenig
Schwellenländer wie China, Indien oder Brasilien.
Der Kohlenstoffhandel ist halb Gesetz und halb
Marktanreizprogramm. Gesetz deshalb, weil national bestimmte Unternehmen verpflichtet wurden
für Emissionen Verschmutzungsrechte zu besitzen
bzw. zu erwerben. Dies sind in der Regel Große bis
Global Player (z.B. Energieunternehmen, Chemieindustrie, usw.). Die Kohlenstoffzertifikate stammen
von CDM-Projekten, die Kohlenstoff einsparen. Als
Marktanreizinstrument wird der Kohlenstoffhandel
der Regelung auf Börsen überlassen.
Der Kohlenstoffmarkt wird von vielen NGO nicht
unkritisch gesehen, bezogen auf die reale Überprüfbarkeit der exakten CO2-Einsparung, die Unübersichtlichkeit, die Dominanz großer Player bei
den Projekten, das Kriterium der Zusätzlichkeit (z.B.
56% der UNFCCC registrierten Projekte sind Großprojekte) und die Art der Projekte (z.B. HFC-23).
21
Notwendigkeit NB
Programme, Maßnahmen, Markt
Hinzu kommt, dass allein die Kosten und der Aufwand für die Implementierung und Kontrolle der
Kohlenstoffprojekte (Kosten im 6-stelligen Bereich)
nur von Großen Playern getragen werden können.
Exkurs zu den deutschen CDM-Projekten
Von den ca. 250 angemeldeten deutschen
CDM-Projekten (Status der UNFCCC Datenbank von Mitte 2012, Auswertungen Bruckner
und Strohmeier für Holz von Hier) befinden
sich 80% in China und Indien und 15% in Brasilien. Von diesen Projekten sind die meisten
bisher nicht realisiert (Projektstatus: „angemeldet“, „offiziell registriert“, „implementiert“).
Nur ein Drittel der Projekte ist bisher realisiert
(27% Projektstatus „verifiziert und nur 1% (!)
Projektstatus „zertifiziert“). Also nur 1% der
deutschen CDM-Projekte weist bisher die
versprochene CO2-Einsparung externen Gutachtern nach und kann so auch CO2-Zertifikate
handeln (mehr Infos www.clean-the-climate.
de). Etwa 70% der CO2-Einsparungen bei
den realisierten Projekten werden durch drei
HFC23-Großprojekte erreicht.
Der Kohlenstoffhandel trägt aktuell faktisch
kaum noch etwas zum realen Klimaschutz bei.
Der Grund hierfür sind nicht nur die oben genannten Aspekte, sondern schlicht die Tatsache, dass
die Zertifikate nichts mehr wert sind. Die Preise
sind von ursprünglich 50 €/Tonne CO2 auf heute 3-5
€/Tonne CO2 gesunken.
Wenn einerseits der Preis für Kohlenstoffzertifikate, die vor allem von Großen bis Global Playern gekauft werden müssen, weiter ungesteuert auf Börsen verhandelbar ist, auf denen vor allem Große
und Globale Player agieren, und wenn andererseits
diese Kohlenstoffzertifikate weiter faktisch zum
überwiegenden Teil von Großprojekten angeboten
werden, die von Großen und Global Playern umgesetzt werden, ist nur schwer vorstellbar wie die
Preise ohne politische Steuerung wieder ansteigen
sollen. Eine Reduzierung der Zertifikate bringt hier
wohl nur etwas mit entsprechender weltweiter
scharfer Kontrolle (die teuer ist), denn neueste Recherchen belegen, dass Betrug und Missbrauch im
Kohlenstoffhandel beträchtlich sind (z.B. Dokumentation „Profit“ in ARTE vom 20.5.2013).
Vor allem Verbraucher haben im Moment den
Klimaschutz mit dem konkreten Produktkauf
und Energieverhalten in der Hand. Der Handel
mit Kohlenstoffzertifikaten trägt heute zum Klimaschutz wohl faktisch kaum noch etwas bei.
Mehr Infos: www.clean-the-climate.de mit dem „Klimarechner für Holzprodukte, s. auch www.holz-von-hier.de.
Der Kohlenstoffhandel ist aber kaum ein Aktionsfeld öffentlicher Beschaffung, daher wird
hierauf nicht näher eingegangen.
(2) Erneuerte Nachhaltigkeitsstrategie der
Europäischen Union
Die Erneuerte EU-Nachhaltigkeitsstrategie bietet im Themenbereich Energie diverse Vorschläge
technischer Ansatzpunkte für saubere Energie, Erneuerbare Energien und Energiesparen. Auch im
Themenfeld „Nachhaltige Verkehrsentwicklung“
werden Handlungsvorschläge gemacht, hauptsächlich durch technische Maßnahmen zur Verminderung der Schadstoffemissionen und Steigerung des
Anteiles von Biokraftstoffen auf 20% (vgl. Folgen
für den Klimaschutz wie z.B. Abholzung von Primärwald für Palmölplantagen u.a.).
Das im 6. Umweltaktionsplan propagierte Leitbild
„Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Verkehrsaufkommen“ oder „Internalisierung externer
Kosten“ ist auch in der erneuerten EU-Nachhaltigkeitsstrategie enthalten. Ein weiterer effektiver Ansatzpunkt für „Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Verkehrsaufkommen“ ist, auf möglichst
kurze Transporte im gesamten Stoffstrom von Produkten zu achten. Hier setzt das Klima- und Umweltlabel HOLZ VON HIER bei Holzprodukten an.
(3) FLEGT mit der Due Diligence: gegen
illegalen Holzhandel
FLEGT ist ein internationales Abkommen zur
Eindämmung illegalen Holzhandels. FLEGT mit
dem Bestandteil der Due Diligence ist europäisches Gesetz. FLEGT besteht aus 3 Säulen
(1) VPS - Vertragspartnerschaften mit anderen
holzproduzierenden Ländern, (2) nachhaltige
Beschaffung, (3) Due Diligence die Selbstverpflichtung der Marktteilnehmer.
Ab 2013 ist in der EU die Due Diligence Verordnung
(DD) in Kraft getreten, die das FLEGT Abkommen
22
Notwendigkeit NB
Programme, Maßnahmen, Markt
von Seiten der EU verschärfen und für Holzprodukte konkretisieren soll. Anbieter, die Holzprodukte
erstmals auf dem europäischen Markt einführen,
müssen einer der genehmigenden Stellen in der
EU glaubhafte Nachweise erbringen, dass das Holz
nicht aus Raubbau stammt. Dies muss z.B. für einen deutschen Importeur keine deutsche Stelle
sein.
Die Due Diligence soll sicherstellen, dass, unabhängig vom Herkunftsland, kein illegales Holz
mehr in die EU gelangt.
Mit illegalem Holz ist Holz gemeint, das nicht im
Einklang mit den anwendbaren nationalen Gesetzen des Ursprungslandes geschlagen worden ist.
Die Definition darüber, was illegal ist, obliegt dem
Ursprungsland selbst. Wenn es z. B. keine nationalen Gesetze gibt, die eine bestimmte Art der
Waldbewirtschaftung vorschreiben, verstößt z. B.
Kahlschlag nicht gegen nationales Gesetz und ist
somit konform mit den Anforderungen der FLEGTRegelung. Illegales Holz ist oft Holz, das in ausgewiesenen Naturschutzgebieten geschlagen wurde.
Illegales Holz drückt die Holzpreise weltweit um
7-16% (WWF, 2008; FAO, 2010).
Aber Holz, das legal in die EU gelangt, ist nicht
automatisch gleichzusetzen mit nachhaltigem
Holz (Black-Box-Segment).
Das „Black Box Segment“ ist ein großes Segment
an in die EU importiertem Holz und bildet zugleich
die große Dunkelziffer zwischen den deklarierten
Umweltwirkungen und dem, was an Auswirkungen auf die Ökosysteme tatsächlich auftritt. Legal
in die EU importiertes Holz, ist nicht automatisch
gleichzusetzen mit nachhaltig, ökologisch, umwelt-/
klimaverträglichem Holz. Beispielsweise kann Holz
eingeführt werden, welches konform mit nationalen Gesetzen in Primärwäldern geschlagen wurde,
von Holzfirmen, die dafür legal erworbene Konzessionen haben (z. B. Sibirien, Indonesien). Dieses
Holz gilt auch unter FLEGT nicht als problematisch.
Holz von Hier schließt Holz aus Primärwäldern und
aus nicht nachhaltigem Waldbau in Produkten aus.
Dagegen ist Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft Holz, das nach Landesgesetzen in nachhaltig bewirtschafteten Forsten eingeschlagen wurde
und nach internationalen/nationalen Gesetzen gehandelt wurde. Nach der allgemeinen forstlichen
Definition für Nachhaltigkeit, bedeutet dies zunächst grundlegend, dass jährlich nicht mehr Holz
entnommen wird, als nachwächst. Dies gilt prinzipiell für neue Plantagen genauso wie für »Alte Nach-
haltigkeitswälder« wie z.B. in Deutschland, die seit
Jahrhunderten nachhaltig bewirtschaftet werden,
deren Biodiversitätsindex und CO2-Speicherstatus
aber deutlich höher ist.
(4) REDD+: für Primärwaldschutz
Es existieren international unterschiedliche Vorschläge, der ungebremsten Zerstörung der Primärwälder zu begegnen. Eine davon ist, die Nicht-Nutzung finanziell zu honorieren. Ansätze hierzu finden
sich in der REDD+ Strategie, die sich aber noch im
Entwicklungsstadium befindet. REDD+ sieht im
Prinzip vor, finanzielle Anreize zu setzen, Abholzung
von Primärwald zu vermeiden. REDD+ als ein internationales Abkommen zum Schutz von Primärwäldern ist derzeit aber noch nicht ratifiziert, also
im Augenblick generell noch gar nicht wirksam und
eine entscheidende Frage ist zudem, woher die
finanziellen Mittel hierzu kommen werden/sollen.
Diskutiert wird hier der Kohlenstoffhandel. Pro Jahr
werden allein durch Primärwaldrodung mindestens
13 Mrd. t CO2 freigesetzt, davon ca. 2-4 Mrd. t CO2
aus der Zerstörung der organischen Bodenschicht
(WBGU, 2009). Das wäre ein Gegenwert an Kohlenstoffzertifikaten von 65 Mrd. € (bei 5 €/Tonne
CO2). Und das wäre dennoch immerhin mehr als
die wirtschaftliche Bedeutung des Außenhandels
mit Holzprodukten (Tab. 4).
Rundholz
Industrieholz
Schnittholz
Holzwerkstoffe
Zellstoff
Afrika
1,31
1,31
0,86
0,48
0,65
Lateinamerika
0,27
0,17
1,12
1,35
5,89
Asien
0,92
0,92
1,93
7,96
1,73
Ozeanien
0,93
0,92
0,57
0,36
0,37
Summe
3,43
3,32
4,48
10,15
8,64
Noramerika +
Kanada
1,86
1,83
2,61
0,79
0,7
Russische
Förderation
1,60
1,59
4,97
2,05
7,88
Summe: 56
6,89
6,74
12,06
12,99
17,22
Export Einnahmen Daten(x)
in [Mrd. Dollar]
Tropen
Tab. 4: Wirtschaftliche Bedeutung des Außenhandels mit Holzprodukten.
Hellblau: Erdregionen mit tropischen Primärwäldern; dunkelblau: Erdregionen mit borealen Primärwäldern. Daten aus FAO 2011.
(5) Zertifizierung nachhaltiger Waldwirtschaft: gegen Raubbau
Zertifizierung nachhaltiger Waldwirtschaft wird als
ein Hebel gegen den Raubbau gesehen, setzt aber
anders als REDD eine Nutzung von Primärwäldern
23
Notwendigkeit NB
Programme, Maßnahmen, Markt
voraus. Weltweit gibt es diverse Siegel und viele
Länder mit Primärwäldern haben inzwischen eigene Label entwickelt (z.B. Malaysia). Die bekanntesten und sichersten Label für die Nachhaltige
Waldwirtschaft nach speziellen Kriterien sind
die weltweit operierenden Label PEFC und FSC.
Aber quantitativ würde die Zertifizierung der nachhaltigen Waldwirtschaft allein nicht für den Primärwaldschutz ausreichen, denn in Ländern mit verbliebenen tropischen Primärwäldern (Asien, Afrika,
Südamerika) ist der Anteil der mit PEFC und FSC
zertifizierten Waldflächen bisher <1 - 3% (s.o.).
(6) Agenda 21: für nachhaltige Entwicklung
in den Regionen
Im Jahre 1972 wurde das Thema Nachhaltige Entwicklung und Ressourcenschutz durch den Bericht
„The Limits to growth“ des Club of Rome zum ersten Mal ins weltweite Bewusstsein gerückt. Inzwischen hat der Schutz der natürlichen Ressourcen
auf internationaler und europäischer Ebene einen
hohen Stellenwert erlangt. Auf der UN-Konferenz
in Rio de Janeiro im Jahr 1992 beschloss die Staatengemeinschaft die Agenda 21. Ein wichtiger Aspekt dieses verbindlichen gemeinsamen globalen
Maßnahmenkatalogs bildete dabei die nachhaltige Bewirtschaftung von Ressourcen. Die für den
Klimaschutz benötigte Durchschlagskraft ist allein
über die Agenda 21 Prozesse nicht erreichbar.
(7) Strategie Europa 2020 - Ressourcenschonendes Europa
Die Europäische Union unterstreicht mit diversen
Beschlüssen und Strategien der letzten Jahre die
große Bedeutung, die sie in der Ressourceneffizienz für die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen
Union sieht. Nur wenn Europa mit knapper werdenden Ressourcen besser haushalten lernt, wird sich
die wirtschaftliche Spitzenposition Europas halten
lassen. Bei wachsender Weltbevölkerung wird das
Wohlstandsniveau nur dann ansteigen können,
wenn intelligente, innovative Ansätze für Ressourceneffizienz umgesetzt werden, Europa kann und
will hier eine Vorreiterrolle spielen.
Im Jahr 2010 wurde beispielsweise die Strategie
Europa 2020 beschlossen, die als eine wichtige
Leitinitiative ein „Ressourcenschonendes Europa“
im Blick hat. Die Leitinitiative zielt darauf ab, das
Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung
abzukoppeln, den Übergang zu einer emissionsar-
men Wirtschaft zu unterstützen, die Nutzung erneuerbarer Energieträger und die Energieeffizienz
zu fördern sowie das Verkehrswesen zu modernisieren. Im September 2011 legte die EU-Kommission dann ihren „Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa“ vor. Dies dient der Umsetzung der
EU-Leitinitiative „Ressourcenschonendes Europa“.
Als vorläufiger Hauptindikator wurde von der Kommission die Ressourcenproduktivität vorgeschlagen (Verhältnis des BIP zum inländischen Materialverbrauch - EUR/Tonne).
(8) Deutsches Ressourceneffizienzprogramm (ProgRess)
Anfang 2012 wurde ein deutsches Ressourceneffizienz-Programm gegründet (ProgRess). Hier liegt
der Fokus auf abiotischen nicht-energetischen
Rohstoffen und der stofflichen Nutzung biotischer
Rohstoffe. Die Nutzung anderer Ressourcen (z.B.
Wasser, Luft, Fläche, Boden, Biodiversität) wird in
anderen Programmen und Regelwerken behandelt.
Es sind fünf Handlungsfelder vorgeschlagen: (1)
nachhaltige Rohstoffversorgung sichern, (2) Ressourceneffizienz in der Produktion steigern, (3)
Konsum auch auf Ressourceneffizienz orientieren,
(4) ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft ausbauen sowie (5) übergreifende Instrumente nutzen.
Es werden 20 Handlungsansätze beschrieben, hier
wird vor allem auf Marktanreize, Information, Beratung, Bildung, Forschung, Innovation sowie auf die
Stärkung freiwilliger Maßnahmen und Initiativen in
Wirtschaft und Gesellschaft gesetzt. Als Maßnahmenbeispiele werden genannt: Effizienzberatung
für KMU, Unterstützung von Umweltmanagementsystemen, Berücksichtigung von Ressourcenaspekten in Normungsprozessen, Stärkung von Produktkennzeichen und Zertifizierungssystemen, Ausbau
der Kreislaufwirtschaft und anderes. Die verstärkte
Ausrichtung der öffentlichen Beschaffung an ressourceneffizienten Produkten und Dienstleistungen ist ein wichtiger Ansatz im Programm.
Ein zentrales Element in einem der Handlungsfeldern stellt die konsequente Verwendung nachwachsender Rohstoffe dar, womit man bezogen
auf den Mengenanteil v.a. beim Holz landet.
HOLZ VON HIER ist mit seinem Betriebsnetzwerk Mitglied im Netzwerk Ressourceneffizienz des BMU.
24
Notwendigkeit NB
Programme, Maßnahmen, Markt
1.4.4
Markt & Zivilgesellschaft
Nachhaltige Beschaffung durch
(1) die richtige Produktwahl.
(2) die Nutzung von Nachweisen zur Kontrolle
der Einhaltung von Umweltkriterien.
1.4.3
Markt & Zivilgesellschaft
„Der Veränderungsdruck kommt aus der Gesellschaft.“ (Trendstudie, 2011/2102)
Mehr als 80% der befragten Verbraucher in der
aktuellen Trendstudie (Trendbüro, 2011/2012) der
Otto Group waren der Ansicht, dass sich die globalen Probleme, wie Klimawandel oder soziale Ungleichheit, nur gemeinsam lösen lassen und dass
Politik, Unternehmen und jeder Einzelne seinen
Teil dazu beitragen muss. Nur 30% der Befragten
sahen allein bei der Politik die Verantwortung und
nötige Bereitschaft „... um ökologische und soziale Herausforderungen in Zukunft zu lösen“. Mehr
als 60% der Verbraucher waren der Ansicht, dass
klimafreundlich und verantwortungsvoll handelnde
Unternehmen die Gewinner sind und sein werden.
Heute kaufen bereits 56% der deutschen Verbraucher ethisch korrekte ökologische Produkte. Dieser
Markt wächst rasch an und hat sich in den letzten 4
Jahren verdoppelt ! Regionalität auf Produktebene
wird heute 87% der Verbraucher immer wichtiger.
Klima- und umweltfreundliche Produkte und
Dienstleistungen entsprechen einem Megatrend unserer Zeit und Gesellschaft.
Klima- & Umweltzeichen wie „Holz von Hier“ bieten hier eine praktische Orientierungshilfe für die
öffentliche Beschaffung und erleichtern Auswahl
und Kaufentscheidung beträchtlich. Gleichzeitig
bieten Umweltzeichen wie „Holz von Hier“ Unternehmen die Chance, ihre Umweltkompetenz für
alle sichtbar unter Beweis zu stellen. Mit ihrer Verwendung steigern Unternehmen die Marktchancen ihrer Angebote im Wettbewerb heute deutlich.
Schutz von Klima, Biodiversität
und Ressourcen durch die
richtige Produktwahl
Schutz von Klima, Biodiversität und Ressourcen
durch die richtige Produkt und Materialwahl bei
Einkauf und Beschaffung, dazu gehören folgende
Kriterien:
1. Senkung des Verbrauchs an Energie, Wasser,
Rohstoffen (a) in der Produktion des Produktes
und zwar im gesamten Stoffstrom (und nicht
nur im letzten Produktionsschritt) und (b) durch
das Produkt selbst in der Nutzungsphase.
2. Effizienzsteigerungen (a) in der Produktion des
Produktes und zwar im gesamten Stoffstrom
und nicht nur im letzten Produktionsschritt)
und (b) durch das Produkt selbst in der Nutzungsphase.
3. Produkte mit möglichst kurzen Wegen im gesamten Stoffstrom der Produktion.
4. Verwendung recyclingfähiger und wiederverwertbarer Produkte von Anfang an und Erhöhung der Recyclingquote nach Ende der Lebensphase.
5. Öko-Design. Klima-, Umwelt- und Ressourcenschutz durch haltbare, modulare und reparaturfähige Produkte.
6. Gezielte starke Schonung von stark begrenzten und gefährdeten Ressourcen.
7. Generelle Ressourcenschonung durch gezielte Materialauswahl von Anfang an.
8. Weitgehende Vermeidung von Nutzungskonkurrenzen bei der Materialwahl.
9. Verzicht auf Rohstoffe aus Raubbau und aus
gravierenden Landnutzungsänderungen (z.B.
Holz aus Plantagen, für die zuvor Primärwälder
abgeholzt wurden).
10. Verzicht auf Produkte, die weltweit gefährdete
Arten enthalten gemäß der Red List von IUCN.
25
Notwendigkeit NB
Programme, Maßnahmen, Markt
(1) Senkung des Verbrauches ...
... an Energie, Wasser, Rohstoffen (a) in der Produktion des Produktes und zwar im gesamten
Stoffstrom (und nicht nur im letzten Produktionsschritt) und (b) durch das Produkt selbst in
der Nutzungsphase.
Verbrauch an Energie, Wasser, Rohstoffen an sich
stellt eine potenzielle Umweltbelastung dar. Eine
Verringerung des Verbrauchs ist oftmals die einfachste Möglichkeit, Ressourcen zu schonen. Dies
fängt im Zuge der Beschaffung mit der Bedarfsanalyse und -prüfung an, denn manchmal lassen sich
anstehende Aufgaben auch mit bestehenden Instrumenten, Maschinen, Infrastruktur oder Personal
erledigen. Die Verminderung des Verbrauchs geht
einher mit der nächsten wichtigen Säule der Nachhaltigkeit, der Effizienzsteigerung.
(2) Effizienzsteigerungen ...
(a) in der Produktion des Produktes und zwar
im gesamten Stoffstrom (und nicht nur im letzten Produktionsschritt) und (b) durch das Produkt selbst in der Nutzungsphase.
Effizienzsteigerung, also die Erzielung der gleichen
Leistung bei verringertem Einsatz von Material und
Energie, ist nicht nur ökologisch, sondern auch
wirtschaftlich höchst interessant. Ein Anwendungsbeispiel ist hier der Ausbau der kommunalen und
gewerblichen Abwärmenutzung oder die Nutzung
und Verwendung von Abfallstoffen als Ersatzbrennstoffe (wie z.B. Klärschlamm).
Abwärmenutzung ist auch ein wichtiger
Baustein der „Energiewende“.
Bei Verbrennung von Kohle, Öl, Gas für die
Stromerzeugung entstehen 30-60% Wärmeverluste. Bei Verbrennung von Benzin und Diesel entstehen bis zu 80% Wärmeverluste. Die
meisten industriellen Prozesse verursachen Abwärme. Auch bei der Nutzung von Biomasse,
wie z.B. in der Biogasproduktion entsteht Abwärme. Der Großteil der anfallenden Abwärme
wird nicht genutzt. Das heisst, dass der Großteil der verwendeten Rohstoffe nicht besonders
effizient eingesetzt wird. Dabei sind die technischen Möglichkeiten heute vielfältig, ebenso
wie die Einsatzbereiche für die Abwärme, von
Beheizung von Räumen über KWK (Kraft-Wärme-Kopplung) bis zu direkter Rohstofftrocknung
oder „mobiler Wärme“. Oftmals ist hierfür aber
die dezentrale Nutzung der Abwärme nötig.
Ein Problem einer rein technisch motivierten Effizienzsteigerung kann sein, dass sie nicht zu einer faktischen Verringerung der Ressourceninanspruchnahme führt, weil eine bestimmte Leistung,
ein Produkt für sich zwar verbrauchsärmer wird,
aber das Produkt in größerem Umfang produziert
wird. Das heißt, die Einspareffekte werden durch
gesteigerte Produktion überkompensiert. Diesen
Effekt konnte man auf verschiedenen Gebieten in
den letzten Jahrzehnten beobachten. Beispielsweise wurde die Einsparung durch energiearme Elektrogeräte durch die gestiegene Anzahl der Geräte
überkompensiert (BMWI, 2009 / 2010).
Verzicht auf Agrarenergieträger mit schlechter Umweltbilanz, stattdessen setzen auf
Umwelttechnik
Die Bioethanolproduktion für Kraftstoffe hat sich
in den letzten 20-30 Jahren vervielfacht. Die
größten Bioethanolproduzenten sind Brasilien
und USA, sie decken 90% des Marktes ab. In
den USA wird Bioethanol v.a. aus Mais gewonnen, in Brasilien aus Zuckerrohr, in Europa aus
Zuckerrüben und Weizen. Bioethanol wird v.a.
als Kraftstoff verwendet (ca. 70%) und Benzin
beigemischt. Die Kapazitäten der EU befriedigen
nicht die Nachfrage, deshalb fördert die EU Importe. Diese gefährden aber die EU-Produktion
selbst, denn mittlere Anbieter sind im internationalen Bioethanolmarkt nicht wettbewerbsfähig.
Statt Agrartreibstoffe einzusetzen könnten verstärkt vorhandene technische Innovationen wie
z.B. „Zwei-Zylinder-Motoren“ oder „das 3-LiterAuto“ verwirklicht und verstärkt an Innovationen im Bereich Mobilität gearbeitet werden.
(3) Produkte mit möglichst kurzen Wegen
im gesamten Stoffstrom ...
... sind optimal klima-, umwelt- und verbraucherfreundlich.
Zum Einen aufgrund der Klimaentlastung durch vermiedene CO2-Emissionen - zur Erinnerung: der globalisierte Verkehr ist die drittgrößte Ursache für den
Klimawandel. Aber auch andere Gründe kommen
hier dazu: nur Produkte, die vollständig (!) in ihrem
gesamten Stoffstrom, innerhalb Deutschlands oder
der EU hergestellt wurden und auch hier wieder
recycelt oder entsorgt werden, unterliegen auch
den hier geltenden Gesetzen, Richtlinien und Vorschriften für Umwelt- und Verbraucherschutz bei
26
Notwendigkeit NB
Programme, Maßnahmen, Markt
Produktion, Nutzung und Recycling/Entsorgung
und erfüllen so auch die hohen Umwelt- und Sozialstandards der EU.
(4) Verwendung recyclingfähiger und wiederverwertbarer Produkte von Anfang an
und Erhöhung der Recyclingquote nach
Ende der Lebensphase.
(5) Gezielte Schonung von stark begrenzten
und gefährdeten Ressourcen
Manche Ressourcen sind quantitativ oder zeitlich stark begrenzt. Die Inanspruchnahme solcher Ressourcen oder die Verwendung von Produkten, die auf solchen Ressourcen beruhen,
sollte daher erst nach einer Prüfung von Alternativen erfolgen.
Ressourcenschonung fängt schon bei der Planung der zu beschaffenden Dinge oder beabsichtigten Bauvorhaben an. Sie berücksichtigt
nicht nur die Vorketten in der Herstellung des
Produkts, sondern umfasst alle Aspekte von der
Gewinnung der Rohstoffe an bis hin zu der faktischen Behandlung nach Ablauf von Gebrauch
und Nutzung.
Für die Gewinnung mancher Rohstoffe ist ein außerordentlich hoher Energie- und Materialaufwand
erforderlich und geht mit enormen Umweltschädigungen einher. So erfolgt der Abbau von Coltan
oder Gold mit einem massiven Flächenverbrauch
und hoher Umweltbelastung durch Schadstoffe
wie Quecksilber und Cadmium.
Die Eignung eines Produktes, nach seiner Hauptnutzung wieder- oder weiterverwendet oder aber
recycelt zu werden, wird teilweise schon bei Einkauf und Beschaffung bestimmt. Dies gilt insbesondere für den Bereich Bauen.
(6) Öko-Design: Klima-, Umwelt-, und Ressourcenschutz durch haltbare, modulare
und reparaturfähige Produkte
Ein Anwendungsbeispiel hierfür sind Fenster. Hochwertige Fenster aus PVC, die vergleichbare Leistungen hinsichtlich Stabilität, Haltbarkeit und Dämmung erfüllen, wie gute Holzfenster, sind nicht nur
in der Anschaffung nicht billiger, sondern verursachen nach der Nutzungsphase (übrigens erfordert
eine möglichst lange Lebensdauer auch bei Kunststofffenstern eine regelmäßige Pflege!) erheblich
höhere Kosten durch eine aufwändige Entsorgung.
Die Recyclingmöglichkeiten für PVC in Europa sind
noch sehr limitiert (aktuell umfassen sie etwa 3%
der Produkte). Moderne Holz- oder Holzalufenster
hingegen können nach ihrem Gebrauch in der Regel problemlos verwertet werden.
Erhöhung der Recyclingquoten und Nutzung
von Recyclingprodukten
Recycling von Produkten und Verwendung von recycelten Produkten stellt heute immer noch die
Ausnahme dar. Bei der Beschaffung lohnt sich jedoch, wo immer es geht, Recyclingprodukte einzusetzen, da diese neben dem ökologischen Aspekt
den Vorzug haben, dass sie oft kostengünstiger
sind. Bei Papier ist dies schon Standard, aber es
gibt eine Reihe von weiteren Produkten, die bereits
aus recycelten Rohstoffen hergestellt werden (z.B.
www.recyclingprodukte.com). Auch beim Thema
Recyclingfähigkeit und Wiederverwertbarkeit der
Produkte ist das Material Holz optimal (vgl. Bereich
2: „Was ist nachhaltige Beschaffung“).
Heutige Lebenszykluskostenbetrachtungen und
auch die meisten Ökobilanzen greifen für einen umfassenden Klima- und Umweltschutz noch zu kurz.
Denn Ressourcenschonung fängt nicht erst beim
richtigen Design in der Endproduktion an. Ressourcenschonung fängt schon bei der Auswahl der Materialien an. Das ist bei Holzprodukten nicht anders,
als bei anderen Produkten wie z.B. Elektrogeräten
(vgl. Exkurs Ökodesign Richtlinie für Elektrogeräte).
Bei komplexen Produkten wie Elektrogeräten ist
dies nur noch viel komplizierter als bei Holzprodukten. Kommt das Coltan für Handys aus Recycling
oder ist es „Blut-Coltan“ aus dem Kongo, woher
kommt der PVC-Anteil, woher die anderen Rohstoffe eines hoch komplexen Produkts und wie wurden
sie gewonnen? Wie viele Transportkilometer hat
ein PC in den Vorketten auf dem Rücken? Es geht
eben nicht nur um die Nutzungsphase oder um den
letzten Verarbeitungsschritt eines Produktes.
Jedes Produkt mit einem seriösen Umweltlabel
muss über Richtlinien (auch beispielsweise über
die Ökodesignrichtlinie für Elektrogeräte oder die
Due Diligence Verordnung für Holzprodukte) hinausgehen (denn das ist ja bereits Standard bzw.
gesetzlich geregelt) und muss weitergehende Umweltverbesserungen aufzeigen, propagieren, umsetzen und kontrollieren. Das gilt für jedes Produkt.
Holz von Hier beschäftigt sich mit diesen Aspekten
bei Holz-Produkten.
27
Notwendigkeit NB
Programme, Maßnahmen, Markt
Exkurs: die europäische Ökodesign-Richtlinie 2009/125/EG
Diese Richtlinie gilt für energieverbrauchsrelevante Produkte und löst die Richtlinie 2005/32/EG von
2005 ab. Die neue Richtline gilt prinzipiell auch für,
wie sie oft genannt werden „passive“ energieverbrauchsrelevante Produkte wie Dämmstoffe. Für
jede ins Visier genommene Produktgruppe müssen
(teils sehr komplexe und im Hinblick auf die Bewertung undurchsichtige) Vorbereitungsstudien durchgeführt werden, aus denn sich Handlungsempfehlungen für Duchführungsverordnungen ableiten
lassen (sollen).
Beispiele für bisher über Durchführungsverordnungen geregelte Produktgruppen sind: Bürobeleuchtung, Straßenbeleuchtung, Fernseher, Standbyverluste, elektrische Motoren, Umwälzpumpen,
Ventilatioren, private Kühl- und Gefrierschränke. Für
andere Produktgruppen wie Heizkessel und Raumklimaanlagen liegen Vorstudien vor und Durchführungsmaßnahmen sind (noch?) in Arbeit.
Für andere Produktgruppen wie PC, Monitore, Drucker, Kopierer, Multifunktionsgeräte (also wichtige
Bereiche der nachhaltigen Beschaffung) kamen die
Vorbereitungsstudien zu dem Schluss, dass kein
Handlungsbedarf besteht, weshalb hier keine weiteren Aktivitäten geplant sind. Aus Sicht des Umweltschutzes ist das nicht nachvollziehbar, schon
aufgrund des Materialumsatzes bei diesen Geräten
sowie dem Einsatz von begrenzten Ressourcen wie
seltenen Metallen usw.. Gerade bei diesen Produkten wäre ein wichtiger Nachhaltigkeitsaspekt die
Verwendung von recycelten Materialien. Deshalb ist
es hier auch besonders wichtig, auf Umweltlabel zu
achten (z.B. Blauer Engel für Elektrogeräte).
Generell treten hier grundlegende Probleme auf
weshalb man sich auch in diesen Feldern nicht allein
auf gesetzliche Verordnungen verlassen darf, sondern immer Umweltlabel (z.B. Blauer Engel für Elektrogeräte, HOLZ VON HIER, PEFC, FSC für Dämmstoffe und anderes) berücksichtigen sollte, allein aus
dem Grunde, weil diese systemimmanent immer
schneller auf den Markt reagieren müssen, denn:
(1) der Markt für bestimmte, primär global produzierte Produkte, ändert sich heute schneller als man Studien schreiben oder Verordnungen erlassen kann.
(2) die Kontrolle für Waren, die nicht in Europa gefertigt wurden, aber auf den EU-Markt kommen, ist
nicht (beim Holz z. B. Altholzverordnung) bzw. eher
selten (beim Holz z. B. Due Diligence) geregelt.
(3) die Vorketten sind kaum und die Art der eingesetzten Rohstoffe ist nicht berücksichtigt (z.B. Coltan aus Recycling oder „Blut-Coltan“ aus dem Kongo). [Anmerkung: was nutzt es dem Klima, wenn
ein Gerät 20% energiesparender ist, aber nur fünf
Jahre hält, bei den Vorketten tausende Transportkilometer im Stoffstrom mitschleppt und zudem aus
Rohstoffen hergestellt wurde, die nicht nachhaltig gewonnen wurden?]
(7) Generelle Ressourcenschonung durch
gezielte Materialauswahl von Anfang an
Produkte und Bauteile können oft aus diversen
Materialien hergestellt werden. Die verschiedenen Materialien hinterlassen einen jeweils anderen
ökologischen Fußabdruck. So werden schon bei
Planung und Beschaffung Weichen gestellt, die den
gesamten Lebenszyklus betreffen.
Hier spielt vor allem der Baubereich eine wichtige
Rolle, da er für den größten Teil des derzeitigen
Ressourcenverbrauchs verantwortlich ist (Müller &
Niebert, 2009; und vgl. EU Kommission in der EULeitinitiative „Ressourcenschonendes Europa“).
Bautätigkeiten verbrauchen aber nicht nur für Rohstoffgewinnung, Produktion und den Bau selbst
Ressourcen, sondern auch für die Entsorgung nach
Ablauf der Nutzungsphase. Die Entscheidung von
heute beeinflusst damit auch die Ressourceninanspruchnahme künftiger Generationen.
Ein wichtiger Ansatzpunkte ist hier die gezielte
Verwendung von Materialien mit geringen Umwelt-Rucksäcken. In aller Regel können hier nachwachsende Rohstoffe punkten. Aufgrund des Mengenpotenzials kommt hier dem Holz eine zentrale
Bedeutung zu. Einsatzmöglichkeiten hierfür gibt es
zahllose, sie werden in Teil 2 des Leitfadens („Was
ist nachhaltige Beschaffung“) näher beschrieben.
Im Hinblick auf die Ressourceninanspruchnahme
für Gewinnung und Produktion spielt aber die Herkunft des Holzes und damit verbunden der ökologische Rucksack der Produkte eine entscheidende
Rolle. Die Variante mit der besten Umweltbilanz
ist die Verwendung von Holz mit möglichst geringer Transportbelastung, wie sie über Holz von Hier
nachweisbar ist. Die gezielte Verwendung von
Holz mit dem Zertifikat Holz von Hier stellt einen optimalen Beitrag zur Ressourcenschonung dar.
(8) Weitgehende Vermeidung von Nutzungskonkurrenzen bei der Materialwahl
Dies betrifft vor allem Nutzungskonkurrenzen mit
(1) Nahrungs-/Futtermittelproduktion, (2) Nutzungskonkurrenzen von stofflicher und energetischer
Nutzung und (3) Vermeidung von Nutzungskonkurrenzen mit natürlichen Ökosystemen.
Beispiel aus dem Bereich Bioenergie.
Weltweit haben 923 Mio. Menschen keinen Zugang zu ausreichend Nahrung, Tendenz steigend
28
Notwendigkeit NB
Programme, Maßnahmen, Markt
(WBGU, 2009). Die weltweit genutzte Biomasse
wird v. a. als Futtermittel (58%), Rohstoffe (20%),
Brennholz (10%) und nur 12% als Nahrung eingesetzt (s.o.). Eine der Ursachen für weltweit steigende Nahrungsmittelpreise ist diese Nutzungskonkurrenz. Primärwälder, Feuchtgebiete, natürliche
Grasländer sind die durch Landnutzungsänderungen weltweit am meisten bedrohten Ökosysteme.
Diese Landflächen für den großmaßstäblichen Bioenergiepflanzenanbau zu nutzen, ist schädlich für
Klima und Artenvielfalt. Sägefähiges Stammholz,
das stofflich für langlebige Produkte genutzt werden könnte, zu verbrennen, ist nicht nur aus Klimaschutzsicht negativ. In einigen Regionen treten
verstärkt Nutzungskonkurrenzen zwischen energetischer und stofflicher Nutzung auf. Holz von Hier
setzt sich für Vermeidung von Nutzungskonkurrenzen und ressourcenschonende Holznutzung ein (z.
B. Kaskadennutzung).
(9) Verzicht auf Rohstoffe aus Raubbau und
aus gravierender Landnutzungsänderung
Beispiele dafür sind Holz aus Plantagen, für die zuvor Primärwälder abgeholzt wurden oder bestimmte Agrarkraftstoffe wie Palmöl u.Ä.
Stattdessen können heimische Rohstoffe und heimische Biomasse genutzt werden, beispielsweise Hackschnitzel aus der Durchforstung oder von
Sägenebenprodukten. Diese sind transparent, umweltfreundlich und nachhaltig.
Verzicht auf importierte Agrarenergieträger
mit schlechter Umweltbilanz.
Pflanzenöle wie Palmöl für Biodiesel und BHKW
(Block-Heiz-Kraft-Werke) sind ökologisch sehr
bedenklich. Für diese Plantagen wurde oft zuvor
Primärwald gerodet. Bei der Rodung bewaldeter Moorböden in Südostasien für Palmölplantagen werden besonders große Mengen CO2
freigesetzt. Biodiesel wird aus Pflanzenölen
hergestellt (v. a. Palmöl, Soja und Raps). Palmöl stammt meist aus Malaysia und Indonesien,
Raps aus USA. Der Großteil der Pflanzenöle für
deutsche und europäische BHKW stammt aus
Importen. Der Wissenschaftliche Beirat Globale
Umweltfragen der Bundesregierung (WBGU,
2009) schreibt: ... für den Klimaschutz sind Biokraftstoffe der 1. Generation sehr ungünstig ... “.
(10) Verzicht auf Produkte, die weltweit gefährdete Arten enthalten.
Verzicht auf Produkte die weltweit gefährdete
Arten enthalten, gemäß Red List von IUCN.
Der Markt hat auch entscheidenden Einfluss auf
den Schutz der Biodiversität weltweit, sei es der
Handel mit gefährdeten Tier- und Pflanzenarten
oder Produkte mit Rohstoffen, die Lebensraumzerstörung verursachen.
Nachwachsende Rohstoffe können einen wichtigen
Beitrag zur Schonung begrenzter fossiler und mineralischer Ressourcen leisten. Entscheidend für die
positive Klima- und Umweltwirkung ist hierbei aber
die Herkunft. Manche Hölzer, insbesondere tropischer Herkunft, sind inzwischen international gefährdet, ungeachtet der Tatsache, dass sie gehandelt werden. Biodiversitätsexperten gehen davon
aus, dass wenn eine Art erst einmal als gefährdet
erkannt bzw. eingestuft wird, es fast schon zu spät
für ihren Schutz und ihre Bewahrung ist (www.
iucnredlist.de). Bei Tropenhölzern betrifft dies sogar
30 der insgesamt 70 in Deutschland gehandelten
Arten. Manche davon finden sich oft standardmäßig in Ausschreibungen (mehr Infos: Info-CD „Wälder - global & regional“).
1.4.5
Nutzung von Nachweisen zur
Kontrolle der Einhaltung von
Umweltkriterien
Da es kaum einem Akteur und Entscheider zuzumuten ist, die komplexen Umweltauswirkungen
von Produkten, die beschafft oder gekauft werden,
zu beurteilen, spielen zur Kontrolle und Identifikation von nachhaltigen Produkten unter den oben genannten Gesichtspunkten Umweltlabel eine wichtige Rolle. Hier ist es von Bedeutung, die Aussagen
und Kriterien der diversen Umweltlabel zu betrachten und zu vergleichen. In Teil zwei dieses Leitfadens werden die für Holzprodukte relevanten Label
vorgestellt. Es gibt diverse Label, die Umweltkriterien bei Produkten festlegen und überprüfen.
Von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe
(FNR, Projektträger des Bundeslandwirtschaftsministeriums) wurden aus über 300 europäischen
Umweltlabeln 8 ausgewählt, die einem Umweltlabel TYP ISO I entsprechen: HOLZ VON HIER, PEFC,
FSC, Bauer Engel, NaturePlus, EU Umweltblume,
Nordic Swan, österreichisches Umweltzeichen.
29
Notwendigkeit NB
Literatur
Literatur
Asner GP, Broadbent EN, Oliveira PJC, et al. (2006):
Condition and fate of logged forests in the Brazilian
Amazon. P Natl Acad Sci 103: 12 947–50.
Steinfeld H. Gerber, P., Wassenaar, T. V. C., Rosales,
M. und de Haan, C (2006): Livestocks long shadow.
Environmental issues and Options. Rom: FAO.
Balmford, A., Bruner, A., Cooper, P., Costanza, R.,
Farber, S., Green, R.E., Jenkins, M., Jefferiss, P.,
Jessamy, V., Madden, J., Munro, K., Myers, N.,
Naeem, S., Paavola, J., Rayment, M., Rosendo,
S., Roughgarden, J., Trumper, K. and Turner, R.K.
(2002) Economic reasons for conserving wild nature, Science 297: 950-953.
Stern Report 2006: Stern N. (2006): Stern Review Der wirtschaftliche Aspekt des Klimawandels. Ausführliche Zusammenfassung.
BMWI Energiedaten, 2009, 2010. Bundesminsterium für Wirtschaft und Technologie. Energiedaten,
www.bmwi.de (Anmerkung: weitere Auswertungen auch unter www.holz-von-hier.de, Infos-CDs
und Ausstellungen, Flyer).
TEEB (2008): Pavan Sukhdev, Joshua Bishop, Patrick ten Brink, Haripriya Gundimeda, Katia Karousakis, Pushpam Kumar, Jock Martin, Carsten
Neßhöver, Aude Neuville, David Skinner, Alexandra
Vakrou, Jean-Louis Weber, Stephen White, Heidi
Wittmer: The Economics of Ecosystems and Biodiversity - TEEB.
EU Kommission 2011, Fahrplan für ein Resourcenschonendes Europa. KOM(2011) 571 endgültig.
FAO (2009): Forest Products. FAO yearbook 2009.
FAO (2011): State of the world‘s forests. FAO report
2011.
FAOSTAT, 2006. Food and Agriculture Organisation
of the Unitetd Nations. www.faostat.fao.org.
Interpol environmental crime programme (2012):
Green Carbon, Black Trade - Illegal logging, Tax
fraud and laundering in the world‘s tropical forests.
Krausmann et al. (2009): Growth in global materials
use, GDP and population during the 20th century,
Ecological Economics Vol. 68, Nr. 10, 2696-2705.
Sustainable Europe Research Institute (2010): Online portal for material flow data. www.materialflows.net.
Umweltbundesamt (2012): Die Folgen des klimawandels in Deutschland - Was können wir tun und
was kostet es? Hintergrundpapier des Umweltbundesamtes.
WBGU (2009): Zukunftsfähige Bioenergie und
nachhaltige Landnutzung. (Hrsg.) WBGU, Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale
Umweltveränderungen. ISBN 3-978-936191-21-9.
Weltbank (2012): 4° - Turn down the heat. Why a 4°
warmer world must be avoided. A Report for the
World Bank by the Potsdam Institute for Climate
Impact Research and Climate Analytics.
Wilson, E.O. (1992): Das Ende der biologischen
Vielfalt? Spektrum Verlag.
Müller M. & Niebert, K. (2009): Epochenwechsel
- Pladoyer für einen grünen New Deal. Oekom Verlag.
WMO - Weltorganisation f. Meteorologie (2010):
WMO-Bericht zum Zustand des globalen Klimas
2010.
Otto group Trendstudie 2011: Verbrauchervertrauen
- Auf dem Weg zu einer neuen Wertekultur. 3. Studie der Otto. Group zum ethischen Konsum.
WWF (2009): Illegaler Holzeinschlag und Deutschland, eine Analyse der Außenhandelsdaten, Bericht.
Peters, C. J., Wilkins, J. L. und Fick, G. W. (2007)
Testing a complete-diet model for estimating the
land resource requirements offoodconsumptionandagriculturalcarryingcapacity–TheNewYork State
example. Renewable Agriculture and Food Systems22:145–153.
30
Notwendigkeit NB
Herunterladen