Bereich 1 Praxisleitfaden: Klima- und Umweltrelevanz nachhaltiger Beschaffung Gliederung Bereich 1 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.1.5 1.1.6 Klimawandel Einleitendes: Klimaschutz heute, denn Scheitern ist keine Option! Die Folgen des Klimawandels Die Hauptursachen des Klimawandels Klimawandel durch Produktion und Verbrauch an Energie Klimawandel durch Raubbau an Primärwäldern (Urwäldern) Klimawandel durch lange Transporte im Stoffstrom: globale Warenströme 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 Weltweiter Biodiversitätsverlust Einleitendes: Stopp dem weltweiten Biodiversitätsverlust Die Folgen des weltweiten Biodiversitätsverlustes sind fatal Die Hauptursachen des Biodiversitätsverlustes Landnutzungsänderung und Raubbau an Primärwäldern Klimaveränderungen und Umweltverschmutzung 9 9 10 12 12 14 1.3. 1.3.1 1.3.2 1.3.3 Ressourcenverbrauch & Ressourceneffizienz Einleitendes: Rohstoffverbrauch nachhaltig und effizient machen Die Folgen nicht nachhaltigen Ressourcenverbrauches Die Hauptursachen nicht nachhaltigen Ressourcenverbrauches 15 15 16 18 1.4. Programme, Maßnahmen und Marktmechanismen 1.4.1 Einleitendes: Globales Denken erfordert regionales Handeln 1.4.2 Politische Programme und Handlungsinstrumente 1 1 2 4 4 5 7 20 20 21 (kurz beschrieben: Kohlenstoffhandel; Erneuerte Nachhaltigkeitsstrategie der EU: FLEGT und Due Diligence: gegen illegalen Handel, REDD+: für Primärwaldschutz; Zertifizierung nachhaltiger Waldwirtschaft: gegen Raubbau; Agenda 21: für nachhaltige Entwicklung in Regionen; Strategie Europa 2020: ressourcenschonendes Europa; Deutsches Ressourceneffizienzprogramm) 1.4.3 Markt & Zivilgesellschaft 25 1.4.4 Schutz von Klima, Biodiversität, Ressourcen durch richtige Produktwahl 25 1.4.5 Nutzung von Nachweisen zur Kontrolle der Einhaltung von Umweltkriterien 29 Kurzimpressum: HOLZ VON HIER gemeinsam mit Partnern (http://bit.ly/hvh-Praxisleitfaden). Dieses Dokument ist Teil einer Info-CD „Praxis-Leitfaden klima- und umweltfreundliche nachhaltige Beschaffung mit Holz“. Mehr Infos unter www.holz-von-hier.de. Besuchen Sie uns im social web: http://bit.ly/hvh-socialmedia. Nachhaltige Beschaffung zur Umsetzung von Klimaschutz, Biodiversitätsschutz und Ressourcenschutz/-effizienz Konsequent umgesetzte nachhaltige Beschaffung in Europa kann einen wichtigen Beitrag zum Schutz von Klima, Umwelt, Artenvielfalt und den Ressourcen leisten. Daneben fördert sie auch die Wertschöpfung und ist gelebte Langzeitökonomie. Dass mehr Klimaschutz, Artenschutz und Ressourcenschonung kein „Randthema“ sondern überlebensnotwendig sind, sollen die folgenden Kapitel verdeutlichen und hierbei Akteuren und Entscheidern auch zahlenmäßige und inhaltliche Argumentationshilfen an die Hand geben. Klimawandel „Klimaschutz heute, denn Scheitern ist keine Option!“ (Ban Ki-Moon, G-Secretary.UN) Fakten zum Klimawandel 1.1.1 Einleitendes: Klimaschutz heute, denn Scheitern ist keine Option! „Die wissenschaftlichen Beweise sind jetzt überwältigend: der Klimawandel ist eine ernsthafte globale Bedrohung und verlangt eine dringende globale Antwort“ (Stern Report, 2006, die weltweit anerkannteste Studie zu ökonomischen Auswirkungen des Klimawandels). Dr. Jim Yong Kim, Präsident der Weltbank formuliert: „Es ist meine Hoffnung, dass uns (alle) dieser Bericht schockiert und zum Handeln zwingt. Selbst für diejenigen von uns, die bereits dem Kampf gegen den Klimawandel verpflichtet sind, sorgt der Bericht hoffentlich für noch viel größere Anstrengungen in dieser Richtung“. Der Stern Report beschreibt die Folgen für die Weltgemeinschaft, wenn der Temperaturanstieg bis zum Ende dieses Jahrhunderts eine Grenze von 4°C übersteigen sollte. Noch vor einigen Jahren rechneten die meisten Modelle mit einem Anstieg von 2°C. Dies war auch zugleich die Grenze, zu deren Einhaltung sich z.B. Europa in seinen Klimaschutzzielen verpflichtet hat. Heute ist klar, dass sich diese Grenze von 2°C kaum halten lässt. Die Folgen sind bereits heute deutlich zu spüren. Das Jahr 2010 z.B. war auch in Europa bis dahin der Abschluss der wärmsten Dekade seit der Temperaturerfassung (Weltorganisation für Meteorologie, 2010). Es wurden große, weit ausgedehnte Klimaextreme in Teilen der Welt registriert, die extreme sozioökonomische Auswirkungen hatten. Insbesondere die Überflutungen in Pakistan und Australien, und die sommerliche Hitzewelle in der Russischen Föderation gehörten zu diesen Klimaextremen. Hochwasser und Überschwemmungen ereigneten sich während des Jahres 2010 mehrmals in Mittelund Südosteuropa, vor allem in Ostdeutschland, Polen, Slowakei, Rumänien, Ukraine, Moldawien, Deutschland, Polen und der Tschechischen Republik. Der Sturm Xynthia durchquerte Ende Februar 2010 mit großflächigen Wind- und Sturmflutschäden den Nordwesten Europas. Die Versicherungsschäden in Frankreich und Deutschland überstiegen 4 Milliarden US-Dollar (WMO, 2010). Aber eine Erwärmung um 4°C oder mehr kann immer noch verhindert werden. 1 Notwendigkeit NB Klimawandel Folgen des Klimawandels Die 3 Haupt-Folgen des Klimawandels: (1) Humanitäre Folgen (2) Ökonomische Konsequenzen (3) Auswirkungen auf Natur und Umwelt 1.1.2 Die Folgen des Klimawandels sind existenziell (1) Humanitäre Folgen: der Klimawandel trifft alle, aber die ärmsten Länder zuerst. Die von Dürren betroffene Landfläche der Erde hat bereits in den vergangenen Jahrzehnten erheblich zugenommen, schneller, als dies von Klimamodellen berechnet wurde. Die dramatische Trockenheit 2012 in den USA hat 80% des Ackerlandes betroffen und war die schwerste Dürre seit den 1950er Jahren (Weltbank 2012). einem Anstieg um 4°C um Größenordnungen steigen (Weltbank, 2012). Sinkende Ernteerträge, besonders in Afrika und Asien, könnten bedeuten, dass hunderte Millionen Menschen nicht mehr genügend Lebensmittel erzeugen oder kaufen können. In den mittleren bis hohen Breitengraden könnten die Ernteerträge bei moderaten Temperaturanstiegen (2 - 3°C) zwar zunächst zunehmen, dann aber mit stärkerer Erwärmung zurückgehen. Bei 4°C und darüber wird die gesamte globale Lebensmittelproduktion wahrscheinlich ernsthaft beeinträchtigt werden. Steigende Meeresspiegel werden bei einer Erwärmung von 3 oder 4 °C für hunderte von Millionen weiteren Menschen jährliche Überflutungen bedeuten und zu weltweiten Strömen von Klimaflüchtlingen führen. Die Küsten in Südostasien (Bangladesch und Vietnam), auf kleinen Karibikund Pazifikinseln, aber auch die von großen Küstenstädten in Industrieländern wie Tokyo, New York, Kairo und London werden ernsthaft gefährdet und der Druck für ihren Schutz wird zunehmen. Die Zunahme der Stürme und Orkane durch die Klimaerwärmung weltweit verursacht milliardenschwere Schäden auch in hoch entwickelten Weltregionen wie den USA und Europa. Durch die Erwärmung kommt es zudem zu einer Ausbreitung von Parasiten und Krankheiten, die zuvor in den betreffenden Gebieten nicht vorkamen. 2) Der Klimawandel wird teuer - für alle! Dürre in den USA 2012 Eine Klimaerwärmung um 2 Grad klingt nicht viel, aber im am stärksten von der Klimaerwärmung betroffen Kontinent Afrika, können 2 Grad Erwärmung einen Ernteausfall bis zu 50% bedeuten. Die Folgen wie Hunger und Migration sind bereits heute in einigen Dürreregionen immer wieder Realität. Jährlich sterben etwa 300.000 Menschen an den Folgen des Klimawandels. Diese Zahl wird bei Hochwasser verursacht wirtschaftliche Schäden „Der Klimawandel bedeutet eine einzigartige Herausforderung für die Volkswirtschaften: er ist das größte und weittragendste Versagen des Marktes das es je gegeben hat“ (Stern Report, 2006). 2 Notwendigkeit NB Klimawandel Ein aktueller Bericht im Auftrag der EU schätzt die jährlichen Schadenskosten durch den Klimawandel europaweit auf jährlich rund 20 Milliarden EUR in den 2020er Jahren, 90 bis 150 Milliarden in den 2050er Jahren und zwischen 600 und 2.500 Milliarden EUR in den 2080ern, abhängig von der zukünftigen Entwicklung der Treibhausgasemissionen (http://www.climatecost.cc). Hitzewellen wie die 2010 in Europa, als 55.000 Menschen starben und landwirtschaftliche Verluste 15 Milliarden Dollar erreichten, werden bis Mitte des Jahrhunderts zur Tagesordnung gehören. (Stern Report, 2006). Analysen legen den Schluss nahe, dass der Klimawandel bei einer „Business as usual“-Strategie gravierende Auswirkungen auf das gesellschaftliche Leben haben wird und dass ohne sofortige erhebliche Anstrengungen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen die Weltwirtschaft Einbrüche von bis zu 20% erfahren wird. Laut Stern Report würde dann das wirtschaftliche und soziale Leben in einem Maße beeinträchtigt sein, wie während der großen Weltwirtschaftskrisen und der Weltkriege, und zwar dauerhaft (Stern Report, 2006). Die Bekämpfung des Klimawandels ist also langfristig gesehen eine vernunftorientierte Wachstumsstrategie, denn je früher wirksam gehandelt wird, desto geringer werden die Kosten sein (Stern Report 2006). Dass sich frühzeitiges Handeln rechnet, zeigt eine aktuelle Studie des Umweltbundesamtes. Hier wird nahe gelegt, dass gerade Kommunen über Klimaschutzkonzepte nachdenken und sie rechtzeitig vor Ort umsetzen sollen (Umweltbundesamt, 2012). (3) Auswirkungen auf Natur und Umwelt. Eine direkte Folge steigender Kohlendioxidkonzentrationen ist die Versauerung der Ozeane, die einschneidende Folgen für Meeresökosysteme haben wird, mit möglicherweise schlimmen Konsequenzen für die Fischvorräte (Stern Report, 2006). Schmelzende Gletscher bringen zunächst ein höheres Überflutungsrisiko und dann stark abnehmende Wasservorräte mit sich, die schließlich ein Sechstel der Weltbevölkerung bedrohen werden, v.a. auf dem indischen Subkontinent, in Teilen von China und in den südamerikanischen Anden (Weltbank, 2012). Durch das Schmelzen des Polareises steigen die Meeresspiegel weltweit an, was ein steigendes Überflutungsrisiko der Küsten und Küstenerosion mit sich bringt. Durch die Erwärmung wird die Existenz des Amazonasregenwaldes, des größten zusammenhängenden Waldgebietes der Erde gefährdet. Dies wiederum würde einen der wichtigsten Motoren des globalen Klimageschehens außer Kraft setzen. Eine Erwärmung des Klimas führt zu veränderten Grundwasserspiegeln, zu häufigeren und stärkeren Wetterextremen mit einer veränderten Verteilung der Regenmengen. Die Erwärmung der Atmosphäre könnte sogar Einfluss auf den Verlauf und die Intensität von Meeresströmungen haben. Würde z.B. der Golfstrom als Teil eines globalen maritimen Strömungssystems, des globalen Förderbands, verändert oder unterbrochen, hätte dies gravierende Folgen für das gesamte Klima in Europa, denn der Golfstrom transportiert etwa 1,5 Petawatt Energie nach Europa. Dies entspricht der Nutzleistung von ungefähr zwei Millionen modernen großen Kernkraftwerken. Ein weiteres Problem stellen zudem Rückkopplungseffekte dar. Durch die Erwärmung und das teilweise Auftauen der Permafrostböden werden große Mengen Methan freigesetzt, einem der wirksamsten Treibhausgase, was wiederum zu einer Beschleunigung der Erwärmung führt. Die Versauerung betrifft insbesondere auch Korallenriffe, die ihr Kalkskelett schlechter bilden und sich im schlimmsten Falle bestehende Korallenriffe gänzlich auflösen können. Sie gehören daher zu den gefährdetsten Lebensräumen. Ein Aussterben ganzer Korallenriffe zieht schwere Konsequenzen nach sich, für die Arten denen die Riffe als Nahrungsquelle dienen und für die Menschen, die Einkommen (z.B. aus Tourismus) daraus beziehen oder auch für den Küstenschutz. 3 Notwendigkeit NB Klimawandel Hauptursachen des Klimawandels Wenn Verteilungskämpfe um Rohstoffe, Wasser, Lebensmittel, Energie zunehmen, sind alle betroffen, Menschen, Umwelt und Wirtschaft. Die 3 Haupt-Ursachen des Klimawandels: (1) Energieproduktion/-verbrauch (ca. 24%) (2) Raubbau an Primärwäldern (ca. 18-25%), (3) globalisierter (Waren)-verkehr (ca. 14%). 1.1.3 Die Hauptursachen des Klimawandels Die anthropogenen Antreiber des Klimawandels sind vielfältig, allerdings lassen sich drei Hauptfaktoren darstellen, die maßgeblich für die Erwärmung verantwortlich sind. Bekanntermaßen haben hier Produktion (z.B. Kraftwerke) und „Verbrauch“ von Energie (in Form von Brennstoff, Treibstoff, Elektrizität) einen elementaren Anteil. Auf diesen Sektor konzentrieren sich bisher auch die meisten der Strategien und Maßnahmen gegen den Klimawandel. Daher stellen Energiesparmaßnahmen, Optimierung der Dämmung sowie Beschaffung von verbrauchsarmen Produkten wichtige Maßnahmen in der öffentlichen Beschaffung dar. Neben dieser allseits bekannten Ursache für den Klimawandel haben aber auch zwei andere Faktoren eine entscheidende Rolle: die Freisetzung von CO2 durch die Abholzung von tropischen und borealen Primärwäldern und der rasant ansteigende globalisierte Verkehr, insbesondere von Gütern. Im vorliegenden Leitfaden soll daher vor allem auf die Bedeutung dieser beiden bislang zu wenig berücksichtigen Faktoren eingegangen werden 1.1.4 Klimawandel durch Produktion und Verbrauch von Energie Unsere Wirtschaft ist auf Energie und Rohstoffe angewiesen. Der nachhaltige Umgang damit wird immer wesentlicher für die Umwelt, alle Menschen und die Wirtschaft selbst. Gleichzeitig müssen lebenswichtige Güter wie Klima, Wasser, Boden, Biodiversität geschützt werden. Der Weltprimärenergieverbrauch ist gestiegen, nicht gefalllen Steigender Welt-Primärenergieverbrauch Der Welt-Primärenergiebedarf ist in den letzten 20 Jahren um 30% gestiegen, nicht etwa gefallen. Der deutsche Energiebedarf hat sich in 20 Jahren um 6% verringert, von möglichen Einsparpotenzialen durch Energiesparen ist dies aber noch weit entfernt (WBGU, 2009). Jedoch nimmt Deutschland dennoch einen Spitzenplatz ein. Etwa 30% des Primärenergieverbrauches fällt im Bereich Verkehr an, etwa 44% verbrauchen Industrie und Gewerbe (BMWi 2009, 2010). Der Primärenergiebedarf der Industrieländer kann stark reduziert und der energiebedingte Treibhausgasausstoß entsprechend gesenkt werden. Lösungen des Energieproblems müssen in der jetzigen Entscheidergeneration gefunden werden. Erneuerbare Energien (EE) nehmen zu Fossile Energieträger werden knapp (stat. Reichweite bei gegenwärtiger Förderung: Erdöl 40, Erdgas 60, Kohle ca. 150 Jahre). Deshalb und auch aufgrund der politischen Förderungen ist der Anteil der Erneuerbaren Energien in Deutschland in den letzten 10 Jahren um 60% gestiegen und macht heute 10-20% des Gesamtenergiebedarfs aus (je nach Quelle). Es werden v.a. Biomasse, Wasserund Windkraft genutzt. Gerade die Biomasse hat in den vergangenen Jahren massiv zugenommen. Allerdings kommt es für eine gute Umweltbilanz auf eine intelligente Kombination der diversen regenerativen Energiequellen an. Wichtig ist jedoch, gerade bei der Bioenergie Nutzungskonkurrenzen mit (1) Nahrungs-/Futtermittelproduktion, (2) Stofflicher Nutzung und (3) natürlichen Ökosystemen zu 4 Notwendigkeit NB Klimawandel vermeiden. Und gerade bei den Agrartreibstoffen auf Basis von Palmöl, Zuckerrohr u.a. ist die Klimawirkung oft sehr fraglich. Diese haben oft ähnlich lange Transporte in ihrem Stoffstrom hinter sich wie fossile Energieträger und werden oft alles andere als klima- und umweltfreundlich gewonnen. Pflanzenöle wie Palmöl für Biodiesel und BHKW (Block-Heiz-Kraft-Werke) gelten als ökologisch sehr bedenklich (WBGU, 2009). Innerhalb der Wissenschaft mehren sich die Stimmen, dass es aus Klimaschutzgründen dringend nötig ist, auf die Nutzung von Agrarenergiestoffen wie Palmöl zu verzichten. 1.1.5 Klimawandel durch Raubbau an Primärwäldern Etwa 1/3-tel der Landfläche unserer Erde sind mit Wäldern bedeckt, ca. 4 Billion Hektar (WBGU, 2009, FAO, 2011). Etwa 64% der Weltwaldflächen sind heute bewirtschaftete Wälder, nur noch 36% sind Primärwälder, also Urwälder. Dennoch haben gerade diese fundamentale Bedeutung für den Klimaschutz, sie gehören zu den größten CO2-Senken. An den letzten Primärwäldern der Erde, in borealen und tropischen Regionen finden immer noch massive Landnutzungsänderungen und Zerstörung von natürlichen Lebensräumen statt. Kaum ein anderer Ökosystemtyp ist so starken von Menschen gemachten Veränderungen unterworfen. Seit Beginn der Welt-Klimaverhandlungen 1990 bis heute, hat die Weltwaldfläche um >234 Mio. Hektar abgenommen, 90% in Afrika, Asien, Lateinamerika, Ländern mit tropischen Primärwäldern (Tab. 1). In Europa hat die Waldfläche von 1990 bis 2010 in Summe um 5,3 Mio. Hektar zugenommen (FAO, 2011). Verluste in Millionen Hektar 1990 bis 2000 1990 bis 2010 Afrika 53 Mio. ha 79 Mio. ha Lateinamerika 47 Mio. ha 93 Mio. ha Asien 8 Mio. ha 38 Mio. ha Tab. 1: FAO Weltwaldbericht, 2011. Viele Länder mit Primärwäldern haben in den letzten 20 Jahren große Teile dieser Primärwälder abgeholzt. Dies wurde nicht als Landnutzungsänderung bei den Klimaverhandlungen und nachfolgenden Übereinkünften gewertet und geht auch nicht in die Erfassung der Treibhausgasemissionen ein. So hat sich seit Beginn der Welt-Klimaverhandlungen der Welt-Wald-Kohlenstoffspeicher durch Raubbau an Primärwäldern mehr als 6% verringert, das klingt wenig, ist aber sehr bedeutsam (WBGU, 2009). (1) Klimawandel durch Raubbau an tropischen Primärwäldern Raubbau an Tropenwäldern hat fatale Folgen, da sie maßgeblich zur Sauerstoffproduktion beitragen, die globalen Klimazonen stabil halten, der Motor für die globale Wettermaschinerie und wichtige Stabilisatoren der globalen Wasserbilanz sind. Weltweit werden jährlich 7-13 Mrd. Tonnen Kohlenstoff durch Abholzung von tropischen Primärwäldern freigesetzt (WBGU, 2009). Die gerodeten Flächen sind sehr anfällig für Feuer und verlieren so noch mehr Kohlenstoff. Die Abholzung erfolgt aus unterschiedlichen Gründen, neben der Gewinnung von Siedlungsfläche und Ackerland spielt hier immer noch der kommerzielle Holzeinschlag für den Außenhandel eine bedeutende Rolle. Dieser Einschlag erfolgt in vielen Teilen der Welt zu einem Großteil immer noch illegal. Der Anteil des illegalen Holzeinschlages wird in vielen Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas wird sehr hoch eingeschätzt (Tab. 2). Anteil illegaler Holzeinschlag. Wahrscheinlichkeit für illegales Holz in Produkten aus den Ländern ohne Nachweis. Osteuropa, Nordasien, Balkan Russland(1,2) 27-50% Serbien-Monten.(5) 5-50% (3) (3) Tadschikistan 20-30% Albanien 81% (4) Bosnien-Herzeg. 80% Neue EU Mitglieder Estland(1) 50% Bulgarien(6) (ind. Einschlag) 40% (1) (6) Lettland 20% Slowakei 10% West- und Zentralafrika Kamerun(7) 50% Guiana(9) 50% (8) (7) Gabun 70% Benin 80-90% (8) (7) Nigeria 60% Mosambik 50% Südostasien und China Birma(8) 50% Pap. Neu Guinea(10) 70% (10) (d. Importe) (12) China 32% Philippinen 46% Indonesien(7) (d. Importe) 73% Süd Korea(12) 30% (7) (12) (d. Importe) Kambodscha 94% Taiwan 45% (8) (8) (d. Importe) Laos 45% Thailand 40% (11) (8) (d. Importe) Malaysia 12% Vietnam 20-40% Lateinamerika Brasilien(13) 47% Ecuador(7) 70% (7) (15) Bolivien 80-90% Mexiko 70% Kolumbien(7) 42% Nicaragua(7) 50% (14) (7) Peru 80% Honduras 75-85% Tab. 2: Anteil illegalen Holzeinschlags nach Ländern Daten aus: WWF, 2008. Mit (1) Taiga Rescue Netw, 2005; (2) Forest Trends, 2006; (3) SAVCOR, 2005; (4) EUFOR, 2006; (5) UNECE/FAO, 2004; (6) WWF, 2004; (7) OECD, 2007; (8) BFH, 2006; (9) Rainforst Res. Dev. Center, 2004; (10) Seneca Creek, WIR, 2004; (11) Inst. F. Crimin., 2008; (12) WWF, 2005; (13) Imazon, 2003; (14) Peruvian Env. Law Society, 2003; (15) FAO, 2003. 5 Notwendigkeit NB Klimawandel Produktion Verbrauch Nordamerikainkl Kanada 452 445 12,5 5,7 Russ.Förderation 151 129 22,3 0,06 65 69 1,2 4,7 Daten in [Mio m3] Schweden [Mio m ] Nordamerika Russ.Förderation Schweden Industrieholz 409 402 12,2 5,5 112,9 91,2 21,7 0,06 59,2 62,2 1,2 4,2 [Mio m ] Schnittholz 3 Raubbau an Urwäldern der Tropen: Süd/M-Amerika, Asien, Afrika Nordamerika inkl Kanada Russ.Förderation (2) Klimawandel durch Raubbau an borealen Primärwäldern: eine der größten CO2-Senken. Boreale Primärwälder, sind v.a. die großen Nadelurwälder in Nordamerika, Kanada und der Russischen Föderation mit Sibirien. Nordamerikas und Kanadas Primärwälder assimilieren 50% der CO2Emissionen der USA und Kanadas. Sibiriens Urwälder speichern 70% der CO2-Emissionen der EU und Russlands (div. Veröff. und pers. Mit. Prof. Schulze). In diesen Wäldern geschieht massiver Raubbau, so werden große Mengen an im Boden gebundenem CO2 freigesetzt. Schweden Import Rundholz 3 inkl Kanada Export 32,8 15,5 22,5 17,1 19 2,8 16,2 0,02 16,2 4,3 12,2 0,3 Tab. 3: Holzbilanz für Holz aus borealen Wäldern. Daten FAO 2011. (3) Klimawandel durch CO2-Freisetzung aus gerodeten Waldböden Die CO2-Verluste aus Bodenzerstörung durch Primärwaldrodung sind enorm. Dies kann auch durch die Neuanlage von nachhaltig bewirtschafteten jungen Plantagen auf diesen Flächen nicht mehr ausgeglichen werden. Allein durch Bodenzerstörung bei Primärwaldrodung wird in Afrika und Lateinamerika mehr CO2 freigesetzt (Afrika: 1.185 Mt; LAC: 1,395 Mt) als aus Energieprozessen (Afrika: 1.051 Mt; LAC: 1.238 Mt; FAO, 2011, WBGU, 2009). Dennoch wurde bisher die Abholzung von Primärwäldern und die damit verbundene Freisetzung von CO2, bei den bisherigen Weltklimaverhandlungen nicht als Landnutzungsänderung gewertet. Ein künftige Berücksichtigung ist unter dem Programm REDD geplant, aber noch nicht Realität. Raubbau an borealen Urwäldern: Sibirien, N-Amerika, Kanada Die Wiederaufforstung bereitet hier oft große Probleme. Dieser Einschlag erfolgt zudem in hohem Maße auch für eine ausländische Nachfrage. Die drei Länder mit den weltweit größten Netto-Exporten an Schnittholz, vor allem Nadelschnittholz, sind Kanada (ca. 17,3 Mio. m3) und Russische Förderation (ca. 16,2 Mio. m3), hinzu kommt Schweden mit ca. 11,9 Mio. m3, wo jedoch kaum mehr Primärwälder vorkommen (Tab. 3). Die Nettoexportraten Deutschlands (ca. 4 Mio. m3) sind dagegen eher gering (FAO, 2009). Bodenzerstörung durch Rodung für Landnutzungsänderung 6 Notwendigkeit NB Klimawandel (4) Klimawandel durch Rodung von Primärwäldern für Bioenergieplantagen Holzexporte sind nur ein Grund für die Primärwaldabholzung. Tropenholz ist dabei nicht einmal mehr das lukrativste Geschäft. Der Hauptgrund für die Abholzung vieler tropischer Primärwälder ist heute die Anlage von Plantagen für z. B. Palmöl oder Zuckerrohr für Agrartreibstoffe. 1.1.6 Klimawandel durch lange Transporte im Stoffstrom: Globale Warenströme Der globalisierte Verkehr bildet die dritt größte Quelle für Treibhausgase, die den Klimawandel bewirken. Der weltweite Handel mit Waren und Rohstoffen steigt in rasantem Tempo. Dies ist in mancher Hinsicht sicherlich eine Notwendigkeit, insbesondere bei speziellen Gütern oder Rohstoffen, die ein begrenztes Herkunftsgebiet aufweisen. Fragwürdiger werden solche Transporte bei Rohstoffen, Gütern und Produkten, die im Prinzip in allen Teilen der Welt gleichermaßen vorkommen. Alte Palmölplantage in Asien Etwa die Hälfte der Primärwaldrodungen der letzten 20 Jahre erfolgte in Brasilien für Zuckerrohranbau und Südostasien für Ölpalmenanbau. In Südostasien ist so bereits die Hälfte der Primärwälder verschwunden. Palmöl aus Indonesien ist besonders kritisch. Etwa 84% der gesamten Indonesischen Treibhausgasemissionen gehen auf das Konto von Primärwaldabholzungen und hier etwa die Hälfte für die Anlage von Palmölplantagen (WBGU, 2009). Der Slogan, „pack den Tiger in den Tank“ wird hier Realität, wenn für Palmölplantagen zuvor tropische Primärwälder in Asien, der Heimat beispielsweise des Sumatra Tigers, abgeholzt wurden. Das hat mit Klimaschutz wenig zu tun, denn bei der Produktion von 1 Tonne solchen Palmöls entstehen 30 Tonnen CO2. Auch diese Ursache für die Waldzerstörung steht in Verbindung mit dem Holzmarkt, denn das Holz dieser Flächen wird meist exportiert. Die Förderung von Biokraftstoffen ist in der jetzigen Form nicht an heimische Rohstoffe gebunden. Sie nutzt deshalb weder den Europäischen Landwirten, denn im internationalen Biotreibstoffmarkt haben heimische Anbieter quasi keine reale Chance (WBGU, 2009), noch nutzt sie nach Ansicht vieler namhafter Wissenschaftler dem Klima (z.B. Prof. E. D. Schulze). Globale Warenströme belasten Umwelt und Klima. Die Beispiele sind zahllos, von Nordseekrabben, die in Afrika gepult und dann wieder in Norddeutschland verkauft werden, über Fleisch für Fertiggerichte, das tausende von Kilometern im Stoffstrom zurücklegt, bis hin zu Buchenrundholz aus Deutschland, welches nach China verschifft und dort zu Möbelgestellen verarbeitet wird, aus denen wiederum nahe am Wuchsort Polstermöbel gefertigt werden. Von den weltweit verschifften Containern gelangen über 20% aus Asien nach Europa, 17% nach Nordamerika. Umgekehrt kommen nur etwa 7% von Europa und 8% von Nordamerika nach Asien (Deutsche Bahn, Museum Nürnberg). Deutschland hat seit Kyoto in fast jedem Sektor CO2-Emissionen eingespart (Haushalte, Gewerbe bis zu 40%), die CO2-Emissionen im Verkehrssektor sind aber auch bei uns angestiegen (BMWI, 2009, 2010). Transporte sind bisher der einzige Sektor innerhalb der EU, in dem bisher keine CO2-Einsparmaßnahmen erzielt werden konnten. Bisher erreichte Verbesserungen im Verbrauch und der Verkehrstechnologie wurden durch einen erheblich schneller ansteigenden Verkehr weit überkompensiert. Die bisherigen Maßnahmen zeigen keine Klimaschutzwirkung. 7 Notwendigkeit NB Klimawandel Kurze Transporte im gesamten Stoffstrom erhalten eine entscheidendere Bedeutung für die Klima- und Umweltbilanz eines Produktes, auch und von Holzprodukten. Die Forst- und Holzwirtschaft zählt aktuell zu den überdurchschnittlich transportintensiven Branchen. Deutschland rangiert beim Rundholzimport auf Platz 3 und beim Rundholzexport auf Platz 5 weltweit (FAO, 2011). Deutschland ist zudem der zweitgrößte Schnittholzimporteur und der viertgrößte Schnittholzexporteur der Welt (s.o.). Nur 30% des Holzes in Holzprodukten auf dem deutschen Markt ist heute auch in deutschen Wäldern gewachsen (WWF, 2008). Importiert wird fast alles, vom Rundholz über Schnittholz, Halbwaren, Parkett, Möbel und vieles mehr, bis hin zu Dachstühlen und ganzen Holzhäusern. Die Stoffströme werden immer unübersichtlicher und weniger nachvollziehbar. 8 Notwendigkeit NB Weltweiter Biodiversitätsverlust „The red list of IUCN document a huge loss of biodiversity. Biodiversity ist one of the geratest gifts to mankind, we have to protect it for our future“. (Holz von Hier). Fakten zum Biodiversitätsverlust und Artensterben 1.2.1 Einleitendes - Stopp dem weltweiten Biodiversitätsverlust Die Weltnaturschutzunion IUCN kommt in ihrer im November 2012 aktualisierten Roten Liste zu dem Schluss, dass von 47.677 untersuchten Arten weltweit mehr als ein Drittel (17.291) vom Aussterben bedroht sind (www.iucnredlist.org). Dabei ist zu bedenken, dass bisher aber wohl nur etwa 3% der vermutlich weltweit vorkommenden Arten überhaupt untersucht sind. Täglich verschwinden etwa 70 Arten unwiederbringlich von diesem Planeten. Die Entstehung jeder einzelnen Art hat hingegen Jahrtausende bis Jahrmillionen in Anspruch genommen. Ähnlich wie beim Klima hat der Verlust der Artenvielfalt eine Eigendynamik, die auch nach theoretischer Beseitigung aller Einflussfaktoren sich noch eine Zeitlang fortsetzen wird. Ein weiterer elementarer Aspekt des Verlustes biologischer Vielfalt, der sich noch viel unbeobachteter vollzieht ist der Verlust der genetischen Vielfalt innerhalb der Arten. Diese genetische Vielfalt ist eine wesentliche Voraussetzung für das langfristige Überleben der betreffenden Art. Zusammen mit fossilen Brennstoffen, fruchtbaren Böden, uralten Grundwasservorkommen und Minerallagerstätten zählt die Biologische Vielfalt zum Menschheitserbe, das uns mitgegeben ist. Wir können mit diesem Erbe sorgsam umgehen oder es zum Leid unserer Nachkommen verschleudern. Momentan verbrauchen wir Europäer doppelt so viele natürliche Ressourcen wie wir haben. Die biologische Vielfalt zu erhalten ist deshalb ein wichtiger Bestandteil der Strategie Europa 2020 für intelligentes und nachhaltiges Wachstum. Und nicht zuletzt steht die Biodiversitätsstrategie im Einklang mit den globalen Verpflichtungen, die die EU im Oktober 2010 in Nagoya im Rahmen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt eingegangen ist. Die Bewahrung der Artenvielfalt unserer Erde ist eine der größten Herausforderungen und Generalaufgaben dieses Jahrhunderts. Auch die öffentliche Hand kann hier einen wirksamen Beitrag leisten. 9 Notwendigkeit NB Biodiversitätsverlust (1) Humanitäre Folgen Folgen des weltweiten Biodiversitätsverlustes Die 3 wichtigsten Folgen des weltweiten Biodiversitätsverlustes (1) Humanitäre Folgen (2) Volkswirtschaftliche Kosten (3) Negative Ökosystemwirkungen 1.2.2 Die Folgen des weltweiten Biodiversitätsverlustes sind fatal Während sich inzwischen stärker im allgemeinen Bewusstsein verankert, dass der Klimawandel und Umweltverschmutzung auch für uns Menschen gravierende negative Konsequenzen hat, wird der Verlust der Biodiversität oft immer noch unterschätzt. Zum einen geschieht er weitgehend anonym, da die wenigsten Arten den Menschen überhaupt bekannt sind, zum anderen sind die Abhängigkeitsverhältnisse des Menschen von und zu den Tier- und Pflanzenarten dieser Erde in der Regel nicht bekannt. Hier sollen nur einige Beispiele und Erläuterungen das Bewusstsein für die Fragilität der Wechselbeziehung und Abhängigkeit wecken, über die wir Menschen mit den anderen Mitgeschöpfen dieses Planeten verbunden sind. Riesenotter: in den Primärwäldern Südamerikas Viele Arten der Erde haben für den Menschen unmittelbare Bedeutung, wie z.B. Getreide, Nutztiere, bestimmte Pflanzen, eine Reihe von Baumarten, Hauptnahrungsmitteln und Medizinpflanzen. Oft treffen die Folgen des Artenverlustes bestimmte Gruppen der Erdbevölkerung, die in verschiedener Weise von diesen Arten abhängen. Beispielsweise führt das Korallensterben zum Verlust der davon abhängigen Fischfauna, was wiederum für die örtliche Bevölkerung negative Konsequenzen hat. Das Problem ist aber auch, dass die meisten Arten für den Menschen eher indirekt von großer Bedeutung sind. Wird z.B. ein Hektar tropischer Regenwald abgeholzt, so profitiert der Mensch direkt von dem verwerteten Holz (allerdings nur einmal, wenn nicht nachhaltig bewirtschaftet wird). Auf der gleichen Fläche gehen aber teils bis zu 700 Baumarten, ungezählte Pflanzenarten und bis zu 20.000 Insektenarten verloren (bereits z.B. Wilson, 1992). Oft unwiederbringlich, da viele Arten nur in bestimmten Regionen vorkommen. In der Vielfalt schlummern ungeahnte Potenziale für die Menschheit. Auf der Suche nach den Antibiotika von morgen haben Pharmakologen nicht nur Pflanzen im Blick. Mit Millionen von Arten liefern Insekten einen riesigen biochemischen Fundus für mögliche neue Medikamente. Beispiele sind die Entwicklung neuer Antibiotika, die auch gegen resistente Erreger helfen oder von Molekülen, die Krebszellen zerstören. Biodiversitätsforscher legen sogar nahe, dass gerade eine Vielzahl der unbekannten, unauffälligen und wenig medienwirksamen Arten für das Überleben des Menschen wichtiger sind, als manche der prominenten Arten. Das ist deswegen wichtig, weil nur ein winziger Bruchteil der aussterbenden Arten überhaupt in das öffentliche Bewusstsein gelangt. Das Aussterben von Arten ist unumkehrbar und schafft unkalkulierbare Risiken. Tiere und Pflanzen haben, neben ihrem Eigenwert, eine Funktion im Ökosystem. Gerät dieses durch Artensterben durcheinander, so entstehen auch Folgen für den Menschen. Nahrung, Wasser und Medizin hängen in weiten Teilen der Erde direkt von intakten Ökosystemen mit hoher Artenvielfalt ab. Werden diese durch Artenverlust zerstört, so gerät auch die Existenzgrundlage eines Großteils der Weltbevölkerung unmittelbar in Gefahr. 10 Notwendigkeit NB Biodiversitätsverlust Das Dilemma liegt darin, dass es so gut wie nie möglich ist, für einzelne konkrete Arten einen unmittelbaren Nützlichkeitsbeweis für den Menschen zu erbringen bzw. zu quantifizieren. Das macht das Verständnis für die Notwendigkeit für Artenschutz nicht leichter, ändert aber nichts daran, dass wir Menschen vom größten Teil der Arten existenziell abhängen. Daher ist es geboten, die Artenvielfalt als Ganzes umfassend zu erhalten. Auch der ideelle Wert der Natur hat „wirtschaftlichen Nutzen“. So ist z.B. der Ökotourismus nicht nur der am schnellsten wachsende Markt der Tourismusbranche, sondern er wächst in vielen Regionen der Welt auch deutlich schneller als die übrige Wirtschaft (z.B. www.ecotourism.org oder diverse Arbeiten von Mastny, Crox und anderen). Gehen aber mehr und mehr weitgehend unberührte Naturlandschaften und Lebensräume mit Ihrer Fauna und Flora verloren, gibt es auch keine Ziele für den Ökotourismus mehr. Wissenschaftliche Studien (z.B. Balmford et al., 2002) kommen zu dem Schluss, dass mit jährlich 45 Milliarden € weltweit Ökosystemleistungen nachhaltig gesichert werden könnten, die einen wirtschaftlichen Wert von 5 Billionen € pro Jahr aufweisen, ein Verhältnis von 1:100! Orang Utan: in den Primärwäldern Asiens Die Kosten für den Verlust biologischer Vielfalt können kaum je aufgebracht werden. Investition in die Bewahrung der Vielfalt ist bedeutend billiger und stellt den einzigen zukunftsfähigen Weg dar. (2) Ökonomische Folgen Die biologische Vielfalt hat auch einen ökonomischen Wert, obwohl dieser bis auf wenige Ausnahmen sehr schwer zu fassen ist. Selbst der Rückgang wenig beachteter Arten kann erheblichen wirtschaftlichen Schaden auslösen. Der wirtschaftliche Verlust durch Rückgang der natürlichen Bestäubung durch Insekten, beispielsweise durch den fortschreitenden Rückgang der Bienenbestände, wird allein in der EU auf 15 Mrd. € pro Jahr beziffert, weltweit sind es 153 Mrd. US-Dollar. Korallenriffe erwirtschaften pro Jahr 172 Milliarden Dollar an Einkommen, Nahrung und weiteren Gewinnen. Der Verlust an terrestrischer Biodiversität in den letzten zehn Jahren verursacht Kosten in Höhe von 500 Mrd. US-Dollar (TEEB, 2008). Zudem wurden die künftigen Potentiale der Nutzung von Ökosystemen enorm geschmälert. So werden derzeit zum Beispiel die jährlich entgangenen Gewinne durch nicht nachhaltiges Fischen auf 50 Milliarden US-Dollar geschätzt (TEEB, 2008). Experten gehen davon aus, dass der Wert der Güter und Dienste, die durch Ökosysteme bereit gestellt werden, sich auf 26.000.000 Billionen € pro Jahr beläuft. Diese Zahl ist nicht vorstellbar, sie entspricht dem Doppelten des globalen Bruttosozialprodukts (Memo 04/27 der Europäischen Union, 2004). Sumatratiger - den Tiger im Tank dank Palmölplantagen u.a. (3) Negative Ökosystemwirkungen Ökosysteme bestehen aus unbelebter Natur, die im Wesentlichen unverändert bleiben, wenn man von Naturkatastrophen oder menschlichen Eingriffen wie Klimaveränderungen, Zerstörung oder Verschmutzung absieht. Die in einem bestimmten Lebensraum vorkommenden Arten an Mikroorganismen, Pflanzen und Tieren stehen miteinander in Wechselwirkung und bilden gemeinsam das Ökosystem. Daher ist es begreiflich, dass der Verlust von Arten in der Regel auch direkte Auswirkungen auf die Ökosysteme hat, in denen sie leben. 11 Notwendigkeit NB Biodiversitätsverlust Hauptursachen des Biodiveritätsverlustes Hauptursachen Biodiversitätsverlust: (1) Landnutzungsänderung, Lebensraumzerstörung: Raubbau an Primärwäldern. (2) Klimaveränderung, Umweltverschmutzung. (3) Übernutzung wilder Tiere/Pflanzen, illegaler Handel, Einbringung gebietsfremder Arten. 1.2.3 Die Hauptursachen des weltweiten Biodiversitätsverlustes Der weltweite Biodiversitätsverlust wird heute meist noch vollkommen unterschätzt. Die Hauptursachen des Biodiversitätsverlustes sind in vielen Aspekten systemisch sehr eng mit den Hauptursachen des Klimawandels vernetzt. Deshalb dienen Maßnahmen, die beim Klimaschutz und beim Umweltschutz ansetzen, sowie Maßnahmen, die massiver Landnutzungsänderung und Lebensraumzerstörung entgegen wirken, immer auch dem Schutz der weltweiten Biodiversität. Im Folgenden wird auf Punkt 1 und 2 eingegangen. 1.2.4 Landnutzungsänderung und Raubbau an Primärwäldern Tropische Primärwälder (Urwälder) gehören zu den artenreichsten Lebensräumen der Erde, 50-70% aller Arten der Welt leben hier (UNEP, 2002). Sie sind Hot Spots der Biodiversität. Dabei macht ihre Fläche nur 10% der Landfläche der Erde aus. Das bedeutet, in keinem anderen Lebensraum finden sich so viele Arten auf engem Raum, wie in tropischen Primärwäldern. Tropenwälder zählen aber auch zu den gefährdetsten Lebensräumen. Ihr Schutz würde den größten Beitrag zum Schutz der weltweiten Biodiversität leisten. Tropenwälder gehen aus verschiedenen Gründen verloren, zu den wichtigsten zählen Rodung zur Landgewinnung für Plantagen (Palmöl, Zuckerrohr, Soja und andere), Brennholznutzung und kommerzieller Holzeinschlag. Vielfach ist es auch eine Kombination dieser Faktoren. Rafflesia - die größte Blume der Welt (Blüte 1 m) - Wälder in Asien Beispiele für durch Holzeinschlag gefährdete Arten (Infos: www.wald-forst-holz.de) • Gorillas leben in den Wäldern Zentralafrikas. Abholzung von Urwäldern, auch für den Holzexport bedrohen die Art existenziell. In Afrika sind in den letzten 20 Jahren ca. 80 Mio. Hektar Urwald durch Raubbau verloren gegangen (FAO, 2011), mit fatalen Folgen. • Primärwaldeinschlag ist die wichtigste Ursache für das Verschwinden von Tieren Lateinamerikas (Riesenotter, Jaguar u.a). In den letzten 20 Jahren hat hier die Primärwaldfläche um 93 Mio. Hektar abgenommen (s.o.). • Raubbau-Holzeinschlag für Tropenhölzer zerstört einen großen Teil des Lebensraums des asiatischen Tapirs, allein 50% in den letzten drei (!) Tapirgenerationen (www. iucnredlist.org). • Orang Utans gelten als „Gärtner des Regenwaldes“. Studien gehen davon aus, dass, wenn nicht bald Einschneidendes geschieht, es nur noch 20 Jahre dauern wird, bis es in der Heimat des Orang Utans keinen Tropenwald mehr gibt. Nur 20 Jahre ! (s.o. red list IUCN) bis eine so eindrucksvolle Art von der Erde verschwindet. • Auch Sumatra-Tiger kämpfen ums Überleben. Jedes Jahr verschwinden 1,3 Mio. Hektar der Heimat des Tigers für Exportholz, Papier- und Palmölplantagen. Gartenholz aus Thermoholz statt Merbau, Meranti, Teak und anderem Tropenholz aus Raubbau ist ein erster Schritt hier zu helfen (s.o.). 12 Notwendigkeit NB Biodiversitätsverlust (1) Biodiversitätsverluste durch kommerziellen Holzeinschlag in tropischen und borealen Primärwäldern Jede kommerzielle, auch zertifizierte, Nutzung bisher unberührter Primärwälder führt letztlich zu einem Verlust an Biodiversität. Dabei kann die »Bewirtschaftung« dieser Wälder auch bis zu 100%iger Entnahme von Biomasse (Kahlschlag) und zu einer Zerstörung der organischen Bodenschicht führen, z.B. für die Vorbereitung der Rekultivierung, meist die Anlage von Plantagen für Holz, Palmöl, Zuckerrohr und anderes (WBGU, 2009). Aber auch eine Einzelstammentnahme, die oft als schonende Nutzung der Tropischen Primärwälder angesehen wird, führt nach neuen wissenschaftlichen Studien letztlich zu starken Artenverlusten in diesen Lebensräumen (Asner et al, 2006). So werden z.B. pro verwertetem Baum im Amazonasgebiet 27 weitere Bäume beschädigt, 40 Meter Straße neu gebaut und 600 m² Lücke ins Kronendach gerissen (WWF, 2008). Eine Zertifizierung, die auch Holzentnahme aus Primärwäldern erlaubt, ist zwar auf jeden Fall besser als ungeregelter Raubbau und insofern als ein Sensibilisierungsinstrument wichtig, löst für sich genommen aber weder das Problem der Zerstörung der Regenwälder, noch kann sie die derzeitige Artenvielfalt bewahren. Seiten PEFC und FSC; mehr Infos Info CD „Wälder global und regional“ und auf www.holz-von-hier. de). Der Importanteil an so zertifizierten Hölzern in die EU ist noch gering. Da gerade in diesen Regionen die Regenwaldzerstörung rapide voran schreitet, kann die Zertifizierung der Waldwirtschaft allein die Vernichtung tropischer Primärwälder nicht aufhalten. Hinzu kommt das Problem der Kontrolle. Asiatische Länder wie China und Indonesien entwickeln sich zu den größten Tropenholzumschlagplätzen weltweit. Eine Kontrolle der Holzherkünfte ist hier nach Einschätzung vieler Marktkenner kaum bzw. nicht möglich. (3) Auch die Nutzung von Plantagenholz ist keine Generallösung Auch die Nutzung von tropischem Plantagenholz ist keine Lösung gegen den Raubbau. Diese sind meist in den letzten 20 Jahren entstanden und für viele wurden zuvor Primärwälder abgeholzt. Zudem wird tropisches Plantagenholz in der Holzqualität (kurze Wachstumszyklen: Teak 30 - 50 Jahre) von der Branche meist schlechter bewertet als Holz aus Primärwäldern, das gilt auch für die noch jungen Plantagen mit Nachhaltigkeitslabeln. Für qualitativ hochwertige Produkte wird nach wie vor auf Holz aus Primärwäldern zurückgegriffen. Plantagen in den Tropen können also den Druck auf die tropischen Primärwälder letztlich nicht verhindern. In Verbindung mit illegalem Holzhandel zeigt sich zudem ein weiteres Problem: in der letzten Dekade stieg die Fläche an Holzplantagen in Indonesien um ca. 80% an. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil von Plantagenrundholz auf dem Markt aber um 600%! Experten gehen hier davon aus, dass ein großer Anteil illegal geschlagenen Holzes unter der Bezeichnung „Plantagenholz“ in den Handel geschleust wird (Interpol environmental crime programme, 2012) Meranti - international gefährdet und in Deutschland gehandelt. (2) Waldzertifizierungen in den Tropen sind wichtig, lösen aber allein das Problem nicht Es ist wichtig, bei Importen in die EU auf Label für die Nachhaltige Waldwirtschaft (PEFC und FSC) zu achten. Bisher sind in Asien aber nur 3%, Lateinamerika 2% und Afrika 0,5% der Wälder nach Waldlabeln wie PEFC bzw. FSC zertifiziert (I-Net (4) EU & Deutscher Tropenholzmarkt Nationen mit noch großen Primärwaldvorkommen sind: Brasilien, Rußland, Kanada, USA (ohne Alaska), Peru, Kolumbien, Indonesien, Mexiko, Bolivien, Papua, Kongo (s. auch Info-CD: „Wälder global & regional“, www.holz-von-hier.de). Die Produkte, die sie für den Holz-, Papier-, Zellstoff-, Biokraftstoffbereich, Genussmittel-, Kosmetiksektor produzieren, werden großteils exportiert (WBGU, 2009) und zwar gerade nach Europa und Deutschland. 13 Notwendigkeit NB Biodiversitätsverlust Der Markt hat entscheidenden Einfluss auf den Schutz der Biodiversität weltweit. Aber in die nachhaltige Beschaffung oder interne Beschaffungsleitlinien könnten auch Aspekte integriert werden, die noch keine Label abdecken. Einige Beispiele: Markt , Kaufentscheidungen entscheiden über Primärwaldschutz 1.2.5 Klimaveränderungen und Umweltverschmutzung Die Beschaffung hat über den Umweltfußabdruck von Produkten steuernden Einfluss. Maßnahmen im Rahmen der nachhaltigen Beschaffung, die dem Schutz des Klimas dienen, sind gleichzeitig auch positiv für die Erhaltung der Artenvielfalt. Durch den Klimawandel könnten bis zu 40% der weltweiten Arten vom Aussterben bedroht sein (Stern Report, 2006). Dieser von Menschen verursachte Verlust an Artenvielfalt zählt zu den schwersten Aussterbeerscheinungen der Erdgeschichte. Dies betrifft nicht nur ethische Fragen sondern hat nicht absehbare Folgen für die Menschheit, da sie als Teil des globalen Ökosystems von der Artenvielfalt in vielfältigster Weise existenziell abhängig ist. • Erdöl ist einer der derzeit wichtigsten Energieträger, vor allem ist er aber auch ein Rohstoff, von dem die Weltwirtschaft noch in vielfältiger Weise abhängt. Problematisch ist dabei nicht nur, dass diese Ressource endlich ist (s. nächster Punkt), sondern auch, dass mit der Gewinnung teilweise extreme und weitreichende Umweltverschmutzung und Zerstörung von Lebensräumen verbunden ist. Dies betrifft in ganz besonderem Maße z.B. die Gewinnung von Erdöl aus Teersanden, wie es aktuell (Ende 2012) in Kanada im Großmaßstab geplant ist. Da der Markt aufgrund der zahllosen Zwischenschritte zwischen dem Rohstoff und den unzähligen hieraus hergestellten Produkten kaum Einfluss auf die Herkunft des Öls hat, sind generell aus Erdöl hergestellte Produkte z.B. mit Umweltbelastungen verbunden. Hier ist z.B. PVC als ein prominentes Produkt zu nennen. • Gold kommt vor allem in vielen wenig entwickelten Regionen der Erde vor. Hier existieren meist keinerlei Umweltstandards oder Sozialstandards. Das hat zur Folge, dass Gold hier im ungezügelten Raubbau gewonnen wird. Im Amazonasbecken beispielsweise werden durch den Goldgräberboom riesige Gebiete zerstört und einige international besonders gefährdete Arten gehen dadurch verloren. Umweltverschmutzung ist oft auch mit einem nicht nachhaltigen Umgang mit Ressourcen verbunden, hier verschwimmen die Grenzen zum nächsten wesentlichen Hauptaspekt der Umweltrelevanz nachhaltiger Beschaffung, der Ressourcenschonung. Viele Materialien können im Rahmen ihrer Gewinnung größere oder geringere Umweltverschmutzungen verursachen. Dies ließe sich generell in Beschaffungsüberlegungen mit einbeziehen. Umweltlabel geben hier wichtige Entscheidungshilfen (z.B. „Holz von Hier“ für klima- und umweltfreundliche Holzprodukte, Blauer Engel für verbrauchsarme Geräte, PEFC oder FSC für Holz aus nachhaltiger Waldwirtschaft, usw.). Boreale Primärwälder Kanada 14 Notwendigkeit NB Ressourcenverbrauch & Ressourceneffizienz „Ressourcenschonung und Ressourceneffizienz darf nicht erst am Ende der Nutzungsphase beim Recycling ein Thema sein. Ressourcenschonung von Anfang an, im gesamten Stoffstrom wird immer wichtiger“ (Holz von Hier) Fakten zum (nicht nachhaltigen) Ressourcenverbrauch Einleitendes - Rohstoffverbrauch nachhaltig und effizient machen Weltweit wurden im Jahr 2009 über 68 Mrd. Tonnen an Rohstoffen eingesetzt, rund ein Drittel (!) mehr als noch im Jahr 2000 (ca. 50 Mrd. Tonnen), zwei Drittel mehr als im Jahr 1990 (ca. 42 Mrd. Tonnen) und etwa doppelt so viel wie Ende der 1970er Jahre (Krausmann et al., 2009, vgl. Abb. 1). Die ineffiziente Verwendung von Ressourcen ist heute höher denn je. Der World Business Council on Sustainable Development schätzt, dass bis 2050 die weltweite Ressourceneffizienz 4 - 10 fach erhöht werden müsste und dass bis 2020 erhebliche Verbesserungen notwendig sind (EU Kommission 2011, Fahrplan für ressourcenschonendes Europa). Baumineralien Erze und Industriemineralien Fossile energieträger Biomasse 70.000.000 60.000.000 50.000.000 40.000.000 30.000.000 20.000.000 10.000.000 2005 2000 1995 1990 1985 1980 1975 1970 1965 1960 1955 1950 1945 1940 1935 1930 1925 1920 1915 1910 1905 - 1900 Die Weltwirtschaft ist auf Energie und Rohstoffe angewiesen. Der nachhaltige Umgang damit wird immer essentieller für Umwelt, alle Menschen und die Wirtschaft selbst. Gleichzeitig müssen überlebensnotwendige Güter wie Klima, Wasser, Boden und Biodiversität geschützt werden. Weltweite Verteilungskämpfe um Rohstoffe, Wasser, Lebensmittel und Energie werden zunehmen, wenn die Weltgemeinschaft nicht gemeinsam handelt. 80.000.000 Ressourcenverbrauch [1000 tonnen] 1.3.1 Abb. 1: Ressourcenverbrauch weltweit 1990 - 2005 (Krausmann et al., 2009) Natürliche Ressourcen sind Wasser, Luft, Boden, Biodiversität sowie biogene und abiotische Rohstoffe. Die wichtigsten abiotischen Rohstoffe lassen sich unterteilen in fossile Energie, Erze, Industriemineralien und Baumineralien. Laut EU Kommission machen die Bereiche Gebäude, Mobilität und Ernährung zusammen 70-80% des Ressourcenverbrauches in Europa aus. 15 Notwendigkeit NB Ressourcenverbrauch Folgen nicht nachhaltigen Ressourcenverbrauches Folgen der Ressourcenverschwendung (1) Humanitäre Folgen. (2) Volkswirtschaftliche Folgen. (3) Negative Ökosystemwirkungen. Nutzung zur Verfügung (ca. 50 Mio. km2), davon dienen bereits heute 80% (Weide und Futteranbau) der Viehhaltung. Von der weltweit genutzten Biomasse werden 58% als Futtermittel, 20% als Rohstoffe, 10% als Brennholz und nur 12% als Nahrung genutzt (Steinfeld et al., 2006). Weltweit steigen so auch die Nahrungsmittelpreise. Eine der Ursachen dafür ist der steigende Fleischkonsum, aber auch der weltweite Bioenergieboom. Ein Entschärfen dieser Nutzungskonkurrenz wäre heute noch möglich (WBGU, 2009). 99 Industrieländer 2030 Schwellen/Transformationsländer 2030 59 Entwicklungsländer2030 1.3.2 Die Folgen nicht nachhaltigen Ressourcenverbrauches Nachhaltiger Ressourcenverbrauch bestimmt über die Zukunft aller Menschen und aller nachfolgenden Generationen. Die Forderung nachhaltig und schonend mit Ressourcen umzugehen war der Beginn und Grundpfeiler jeglicher Nachhaltigkeitsdebatte, Maßnahme oder politischen Vorgabe in dem Feld. (1) Humanitäre Folgen Der hohe Energie- und Rohstoffverbrauch der Industrienationen und der sich stark entwickelnden Nationen Asiens (z.B. China, Indien) bleibt nicht ohne Folgen für die Rohstoffvorräte der Welt und löst damit auch humanitäre Folgen und Ungleichgewichte aus. Jede Rohstoffgewinnung hat weltweit systemisch bedingt auch humanitäre Folgen, durch Beeinflussung von Wasser, Luft, Boden, Biodiversität, biogenen Rohstoffen und durch Nutzungskonkurrenzen wie im folgenden Beispiel gezeigt wird. Beispiel Nahrungs- und Futtermittelbedarf. Weltweit steigen Nahrungs- und Futtermittelbedarf und damit wiederum der Bedarf an Boden, Wasser, Energie und Mineralien (z. B. Phosphor) zur Produktion. Heute leben 6,6 Mrd. Menschen auf unserer Erde, davon 80% in Entwicklungsländern (FAOSTAT, 2006), bis 2030 werden es 8,3 Mrd. sein. Mit höherem Einkommen und steigender Verstädterung steigt der Konsum an Fleisch, Milchprodukten, Fetten, Zucker, auch in Entwicklungs- und Schwellenländern (vgl. Abb. 2 und Abb. 3). Weltweit stehen etwa 34% der Landflächen für landwirtschaftliche 223 179 38 67 Industrieländer 1999/2001 90 Schwellen/Transformationsländer 1999/2001 214 44 Entwicklungsländer1999/2001 160 27 Fleisch-Konsum Milch-/Milchprodukte-Konsum 45 0 50 100 150 200 250 300 350 Menge in [kg/Person/Jahr] Abb. 2: Konsum an Fleisch und Milchprodukten von Entwicklungs-, Schwellen-, Industrieländern 2001 und dem prognostizierten Konsum 2030 (Peters et al., 2007). Getreide 1,1 Gemüse 1,7 Hülsenfrüchte 2,2 Obst 2,3 3,2 Ölfrüchte Vollmilch 5 Eier 6 Schweinefleisch 7,3 9 Geflügelfleisch 31,2 Rindfleisch 0 5 10 15 20 25 30 35 Fläche in [m2 /1000 kcal] Abb. 3: Flächenbedarf von Lebensmitteln bezogen auf den Energiegehalt des Produktes (WBGU, 2009). Nachhaltige Beschaffung im Bereich Lebensmittel beispielsweise für Kantinen könnte sich auch an ökologischer und bodenschonender Bewirtschaftung orientieren. Nicht bodenschonende Bewirtschaftung bei der Nahrungs- und Futtermittelproduktion führt zu Humusabbau, Bodenverdichtung, Wind- und Wassererosion. Phosphor z.B. ist ein überlebensnotwendiges Element, das nicht erneuerbar und nur in endlichen begrenzten Ressourcen zur Verfügung steht. Der Verlust an Mutterboden und Phosphor durch Erosion ist ein elementares und wachsendes Problem. 16 Notwendigkeit NB Ressourcenverbrauch (2) Volkswirtschaftliche Folgen Rohstoffe, sind wesentliche Produktionsfaktoren, z.B. fossile Energie treibt heute immer noch die Weltwirtschaft an. Hier zeigt sich, wie sensibel die Wirtschaft auf Engpässe und Knappheiten reagiert. Einige abiotische Rohstoffe sind nahezu ubiquitär, wie Steine, Erden etc. Hieran besteht quantitativ auf absehbare Zeit kein Mangel. Insbesondere ist hier eine umweltschonende Gewinnung wichtig, um nicht andere Ressourcen zu beeinträchtigen wie z.B. Wasser, Boden oder Luft. Ein Großteil der natürlichen Ressourcen ist jedoch nur in begrenztem Umfang vorhanden und nicht erneuerbar. Beispiele sind Erdöl, Erdgas sowie bestimmte Mineralien und seltene Erden, die immer weniger aus leicht zugänglichen Quellen zu beschaffen sind. Beispiel Erdöl und Erdgas. Die Weltvorräte an Erdöl werden auf ca. 160.000 Mio. Tonnen, die von Erdgas auf 180.000 Mrd. m3 geschätzt. Davon liegen beim Erdöl 87% und beim Erdgas 57% in Risikobzw. Krisenregionen wie dem Nahen Osten, Afrika, Südamerika und in starken Wachstumsregionen wie Asien (vgl. Abb. 4). Die Reichweite des WeltVorrates an Erdöl und Erdgas wird bei gegebener Förderquote auf etwa 40 bis > 60 Jahre geschätzt (BMWI, 2009/2010). Der BDE (Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e. V.) mahnt deshalb an, dass eine Erhöhung der Recyclingquote von Materialien kein Selbstzweck sei, sondern ein nationales Erfordernis, da die deutsche Industrie aufgrund der sich weltweit dramatisch verknappenden Primärrohstoffvorkommen“ auf eine effektive Kreislaufwirtschaft angewiesen sei, um auch künftig auf hohem Niveau produzieren zu können. Bei vielen Materialien ist heute jedoch die Verwertungsrate bzw. reale Recyclingquote extrem gering (vgl. Bereich 3 - Wirtschaftlichkeit, Seite 16). Ressourcenschonende Gebäude und nachhaltige Beschaffung mit Blick auf optimale Ressourcenschonung: auch hier kommt es auf die Art des Materials an. Ressourceneffizienz und das eingesetzte Material spielen bei Gebäudebewertungssytemen noch EPD eine Rolle. Dabei gibt es hier deutliche Unterschiede. Holz beispielsweise ist ein nachwachsender Rohstoff, wenn es aus nachhaltiger Waldwirtschaft stammt. Altholz wird heute nach der Nutzungsphase zu nahezu 100% wieder verwertet und nicht entsorgt, im Gegensatz zu einigen anderen Baustoffen (vgl. Tab. im Bereich „Wirtschaftlichkeit“). (3) Negative Ökosystemauswirkungen Rohstoffvoräte fossil nach Weltregionen Australien Kohle-Vorräte (ausbringbar) Erdöl-Vorräte Erdgas-Vorräte Europa GUS Asien/Ozeanien Südamerika Nordamerika Afrika Naher Osten 0 50 100 150 200 250 300 350 Reichweite bei gegenwärtiger Förderquote in Jahren Abb. 4: Abbildung mit Daten des BMWi, 2009/2010. Auf die Art der Materialien kommt es an. In der EU werden jährlich 16 Tonnen Werkstoffe pro Person verbraucht, davon werden 6 Tonnen zu Abfall (EU Kommission, 2011: „Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa“). Deshalb kommt der Art der Rohstoffe, nachwachsend oder regenerierbar, große Bedeutung zu. Außerdem ist es wichtig, ob sie nach Ende der Lebensphase recycelt, wieder verwertet oder nur entsorgt werden können. Durch die steigende Nachfrage nach Rohstoffen wie Öl, Gas, Erzen und Mineralien werden weltweit zunehmend Rohstoffvorkommen in Gebieten erschlossen, die besonders sensibel auf menschliche Einflüsse reagieren. Selbst der Abbau in Lagerstätten mit nur geringer Rohstoffkonzentration wächst, so dass die Gewinnung energie- und materialintensiver wird. In Folge dessen wachsen die Umweltauswirkungen der Rohstoffgewinnung überproportional zum Anstieg der Förderung. Ein Beispiel ist die Gewinnung von Erdöl aus Teersanden in Kanada. Auch die Weiterverarbeitung der Rohstoffe im Stoffstrom geht mit Umwelt-, Material- und Energieverbrauch sowie Emissionen einher. Das Label HOLZ VON HIER kennzeichnet klima- und umweltfreundliche Holzprodukte entlang des gesamten realen Stoffstromes. Die Art, wie ökologisch und sozial fair Rohstoffe gewonnen werden, wie lange sie im Stoffstrom transportiert werden und wie effizent sie im gesamten Stoffstrom genutzt werden, entscheidet über die Nachhaltigkeit. 17 Notwendigkeit NB Ressourcenverbrauch Hauptursachen Ressourcenverschwendung: (1) Weltweites Bevölkerungswachstum. (2) Nicht nachhaltiges Wirtschaften. (3) Nicht nachhaltige Produkte / Konsum. 1.3.3 Die Hauptursachen nicht nachhaltigen Ressourcenverbrauches (1) Weltweites Bevölkerungswachstum Die wesentlichen Treiber für den zunehmenden Rohstoffeinsatz sind einerseits die wachsende Weltbevölkerung, von 4,3 Mrd. im Jahr 1980 über 7 Mrd. heute, auf geschätzte 9,3 Mrd. im Jahr 2050 und andererseits ein zunehmender Rohstoffeinsatz pro Kopf in den alten Industrieländern und vor allem auch den Schwellenländern wie China, Brasilien oder Indien. So betrug im Jahr 2004 der ProKopf-Konsum an Rohstoffen in Europa 55 kg pro Tag, in Nordamerika 102 kg, in Asien dagegen nur 15 kg und in Afrika nur rund 11 kg (Sustainable Europe Research Institute, 2010). Trotz einer 20-jährigen Historie der Klimaverhandlungen haben die weltweiten CO2-Emissionen in Summe zugenommen. Die zwei weltgrößten CO2Emittenten sind die USA und China (vgl. Abb. 6). Die CO2-Emissionen Chinas haben sich seit 1990 verdreifacht (BMWI, 2009/2010; WBGU, 2009). Viele Länder mit Primärwäldern, die große CO2-Senken sind, haben in den letzten 10 Jahren große Teile ihrer Primärwälder abgeholzt, was nicht als Landnutzungsänderung gewertet wurde und nicht in die Erfassung der Treibhausgasemissionen eingeht. Namhafte Wissenschaftler forderten bereits 2000, Primärwälder im Klimaschutzprozess unter Schutz zu stellen und ihre Nutzung als Landnutzungsänderung zu werten, dies wurde bisher nicht berücksichtigt. Seitdem fanden massiv Primärwaldrodungen vor allem in Afrika, Asien und Lateinamerika statt. Primärenergieverbrauch in der Welt 600,0 Primärenergieverbrauch in [ExaJ] Hauptursachen des nicht nachhaltigen Ressourcenverbrauches energieverbrauch tendenziell rückläufig. Der weltweite Verbrauch von fossilen Brennstoffen hat sich im Laufe des 20. Jahrhunderts verzwölffacht und der Abbau von Bodenschätzen ist um den Faktor 34 (!) gestiegen. Neue aufstrebende Wirtschaftsnationen wie China und Indien treiben den WeltEnergieverbrauch stark an. China z.B. hat seinen Energieverbrauch in nur 17 Jahren um ca. 50% gesteigert und lag 2007 nur noch ca. 20% unter dem Energieverbrauch der USA (BMWI 2009, 2010). 500,0 400,0 Der Primärenergieverbrauch der Welt beispielsweise ist in den letzten 20 Jahren um etwa 30% gestiegen, nicht etwa gesunken, und liegt heute bei 479 EJ (vgl. Abb. 5; BMWI, 2009, 2010; WBGU; 2009). Lediglich in Europa ist der Primär- 1990 -2007 - 38% -10% 300,0 +54% 200,0 +20% 100,0 +28% +37% +38% 0,0 (2) Nicht nachhaltiges Wirtschaften 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 Jahre Abb. 5: Anstieg des Primärenergieverbrauches weltweit, Daten aus BMWi 2009, 2010. CO2-Emissionen ausgewählter Länder 18.000 16.000 USA Deutschland China Frühere SU 2.565 14.000 857 12.000 Menge in [Mt] Alle Ressourcenfelder sind miteinander verknüpft, Einwirkungen auf einen Bereich ziehen unweigerlich, meist nicht bekannte und kaum vorhersehbare, Aus- bzw. Nebenwirkungen in anderen Bereichen nach sich. Umso wichtiger ist daher ein sorgsamer und schonender Umgang mit den Ressourcen. Die Weltgemeinschaft ist aber noch weit davon entfernt, sich im Ressourcenverbrauch als ein zusammenhängendes System zu betrachten. Frühere SU Europa Asien (mit China und Indien) Nordamerika Pazifik (mit Japan und Australien) Südamerika Afrika 10.000 8.000 6.000 3.907 6.810 1.029 2.452 4.000 2.000 5.461 ! 6.370 0 1990 2008 Abb. 6: der CO2-Emissionen ausgewählter Länder seit Beginn der Welt-Klimaverhandlungen. Daten aus BMWi 2009, 2010. 18 Notwendigkeit NB Ressourcenverbrauch Umgesetzte Energiesparmaßnahmen wurden in der Primärenergiebilanz von 1990 bis heute durch Wachstumsprozesse (Wirtschaftswachstum, Bevölkerungswachstum) teilweise wieder aufgehoben. Dies gilt im Großen wie im Kleinen. So hat sich z.B. in Deutschland durch die gestiegene Ausstattung mit Elektrogeräten der Stromverbrauch um 12% erhöht, obwohl die Geräte meist verbrauchsärmer wurden (BMWI, 2010). Für viele Länder der Weltgemeinschaft ist Energie sparen noch kaum ein Thema. Dabei ist Energie sparen die größte „Energiequelle“ weltweit. Sie ist jederzeit nutzbar, spart Kosten, kann von jedem angewendet werden und befördert innovative Techniken. Energie sparen in Industrie, Gewerbe, Handel, Kommunen und Haushalten leistet einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und ist eine wichtige Säule nachhaltiger Beschaffung, z.B. durch die Beschaffung verbrauchsarmer Geräte (z.B. mit dem Blauen Engel). (3) Nicht nachhaltige Produkte / Konsum Akteure und Konsumenten in Deutschland haben über die Verwendung von Produkten und Materialien, die ganz oder zu Teilen von außerhalb Deutschlands und Europas stammen, einen Einfluss auf die quantitative und qualitative Inanspruchnahme von Ressourcen und die Umweltauswirkungen in anderen Teilen der Welt. In nur wenigen Ländern und Regionen der Welt gibt es so ehrgeizige Umweltziele, hohe Umweltstandards und anspruchsvolle rechtliche Rahmenbedingungen wie in Deutschland und Europa. cherschutzes strengste ihrer Art in Europa, wenn nicht weltweit. Sie verbietet beispielsweise die Nutzung von Altholz bei in Deutschland hergestellten Plattenwerkstoffen. Nicht verboten ist jedoch der Import von Billigplatten, die bis zu 100% teils schutzmittelbelastetes Altholz enthalten können. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, steigt seit einigen Jahren auch bei deutschen Plattenherstellern der Handelsanteil mit Importen im Portfolio zulasten der eigenen Produktion. Ein anderes Beispiel betrifft den Wasserverbrauch. Dabei geht es nicht nur um die unmittelbare Belastung der Ressource Wasser durch den Gebrauch von Produkten, sondern zunehmend auch um den indirekten Wasserverbrauch durch die Produktion von Gütern. Viele Konsumgüter werden in sehr wasserarmen Gegenden der Welt hergestellt und verschärfen dort durch hohen Wasserbedarf die Probleme massiv. Baumwolle ist eines der bekannteren Beispiele hierfür. Bei Produkten, die nach deutschen und europäischen Umweltstandards produziert wurden, ist man auf der sicheren Seite. Aber nicht nur der Handel mit fertigen Produkten sondern auch mit Rohstoffen und Halbwaren für die stoffliche Nutzung ist weltweit stark gewachsen und unübersichtlich. Das Ausmaß der Transporte im Stoffstrom ist auch von der Art des Rohstoffes abhängig. Mehr Infos dazu finden sich in den Wald- und Holzmarktberichten der FAO (2011) und zusammengefasst in der Holz von Hier Info-CD „Wälder - global und regional“. In Deutschland trägt oft auch das Engagement der Wirtschaft selbst dazu bei, Umweltbelastungen möglichst gering zu halten. Im Sinne von Klima- und Umweltschutz sowie Ressourcenschonung reicht es jedoch nicht, dass der letzte Produktionsschritt im Stoffstrom nach den hohen Standards der EU und Deutschlands produziert wurde, das sollte in der gesamten Stoffstromkette stringent durchgeführt werden. Denn, in vielen anderen Ländern, aus denen Deutschland und die EU Rohstoffe und Produkte importieren, gibt es keine solchen vergleichbaren Rahmenbedingungen. Somit tragen viele Importwaren in die EU nicht nur den Umweltrucksack an erhöhten Transportemissionen mit sich, sondern hinterlassen zusätzlich einen noch größeren Fußabdruck an Ressourcen- und Umweltverbrauch. Beispielsweise ist die deutsche Altholzverordnung die im Sinne der Umwelt und des Verbrau- 19 Notwendigkeit NB Programme, Maßnahmen und Marktmechanismen für Klima-, Biodiversitäts- und Ressourcenschutz „Deutschland ist ein Vorreiter für Klima- und Umweltschutz in Europa. Unsere Wirtschaft und besonders auch der Mittelstand sind eine tragende Säule für unsere Wertschöpfung. Umweltschutz geschieht letztlich durch unser Verhalten, die Art unseres Einkaufes und der Beschaffung von Produkten“. (Holz von Hier) Politische Programme mit Marktmechanismen umsetzen 1.4.1 Einleitendes: Globales denken erfordert regionales Handeln! Der Schutz von Klima, Biodiversität und Ressourcen erfordert teils völlig andere Instrumente und Handlungsstrategien als im klassischen Naturschutz mit seinen klaren politischen Vorgaben und Gesetzen (z.B. FFH, Natura 2000 usw.). Denn hier handelt es sich einerseits um Probleme, die politisch nur weltweit angepackt werden können und müssen, andererseits sind die Zusammenhänge, Ursachen und Handlungsmöglichkeiten komplex, vielfältig, erfordern systemisches Denken und das gleichzeitige Handeln vieler Akteure. Hier ist es enorm wichtig, dass einige Länder, Regionen oder Akteure Vorreiter sind. Eine solche Vorreiterrolle weltweit nimmt die EU ein. Deutschland hat innerhalb der EU in vielen Aspekten für Klima-, Umwelt- und Ressourcenschutz eine Vorreiterrolle. Hier hat jedes Handeln in einem Teil der Welt mittelbare und unmittelbare Einflüsse auf den Rest der Welt und umgekehrt. Dennoch hat man gerade bei diesen Themen einen völlig anderen Ansatzhebel als im klassischen Naturschutz, der aber höchst effektiv wirken kann. Dieser Hebel ist der Markt, der nachhaltige Konsum, die nachhaltige Beschaffung in Wirtschaft, Gesellschaft und der öffentlichen Hand. Nirgends kann man so deutlich im ursprünglichen Sinne von Nachhaltigkeit handeln wie hier: „Globales Denken - erfordert regionales Handeln“. Bestimmte Erscheinungen und nicht nachhaltige Handlungsweisen der Akteure im Markt tragen maßgeblich zu Klimawandel, Verlust an Biodiversität und Ressourcenausbeutung bei. Der Markt kann aber auf der anderen Seite essentiell Klima-, Biodiversität und Ressourcenschutz steuern. So wie die Wirtschaft immer globaler vernetzt ist, muss auch bei Themen wie Klima, Biodiversität und Ressourcen global vernetzt und systemisch gedacht werden. 20 Notwendigkeit NB Programme, Maßnahmen, Markt Politische Programme und Handlungsinstrumente Global und EU weit für die Bereiche (1) Klimaschutz. Auch hier ist Deutschland Vorreiter, z.B. mit Gesetzen wie der EnEV und anderen. Im Folgenden sind wichtige politisch indizierte Instrumente zu Klima-, Primärwald- und Ressourcenschutz auf globaler und EU Ebene genannt. Der Stern-Report skizziert vier Hauptmöglichkeiten zum Reduzieren von Treibhausgasemissionen. (2) Primärwaldschutz. • Reduzieren der Nachfrage nach emissionsintensiven Waren und Dienstleistungen. (3) Ressourcenschonung. • Erhöhte Effizienz, die sowohl Geld als auch Emissionen sparen kann. • Handeln in Bezug auf Nicht-Energie-Emissionen (z.B. die Vermeidung von Abholzung von Primärwäldern). 1.4.2 Politische Programme und Handlungsinstrumente Die Politik hat eigentlich nur zwei Möglichkeiten den Markt zu beeinflussen: (1) entweder über Gesetze und Regelungen ein bestimmtes Handeln zu verbieten oder (2) über Marktanreize ein bestimmtes Markt- und Konsumverhalten zu belohnen. Viele Programme der EU haben heute den Status von Leit- oder Richtlinien, die dem Markt indirekt und direkt enormes Gewicht in der Ausführung geben, denn außer bei klaren gesetzlichen Vorgaben erfordern diese letztlich das Handeln aller Marktteilnehmer, wenn eine reale, echte Klima- und Umweltwirkung erreicht werden soll. Diese Leit- und Richtlinien der EU müssen von den nationalen Regierungen, auf Länderebene heruntergebrochen und umgesetzt werden, was in den einzelnen EULändern oft sehr unterschiedlich ausfällt. Letztlich können die Teilnehmer und Akteure des Marktes, wenn sie Klima-, Umwelt- und Ressourcenschutz ernst nehmen, nicht der Politik allein die Verantwortung zusprechen. Dies liegt an dem simplen Fakt, dass die Politik diesen Teil der Klima-, Biodiversitäts- und Ressourcen-Ziele der EU nicht regeln kann. Soll hier tatsächlich etwas in der Realität umgesetzt werden, braucht es die Akteure und Teilnehmer auf dem Markt, also Unternehmen, Kunden und die öffentliche Hand, die entsprechend produzieren, einkaufen und beschaffen müssen. Gesetzliche Vorgaben mit Wirkung für den Klimaschutz gibt es bisher als harte Gesetze mit entsprechenden Konsequenzen nur auf nationaler Ebene einiger Länder. • Umstellen auf kohlenstoffärmere Technologien für Leistung, Wärme und Verkehr. (1) Weltweiter Kohlenstoffhandel Kohlenstoffhandel ist ein weltweites Instrument, das für den Bereich Klimaschutz in den Themenfeldern Energie und Produktion entwickelt wurde. Ein grundlegendes Problem für den Klimaschutz ist dabei, dass sich hier nur bestimmte Länder als Verpflichterländer beteiligen, darunter Deutschland. Die großen Emittentenländer von Treibhausgasen aus der Energieproduktion sind jedoch nicht dabei wie z.B. die USA und Russland, ebensowenig Schwellenländer wie China, Indien oder Brasilien. Der Kohlenstoffhandel ist halb Gesetz und halb Marktanreizprogramm. Gesetz deshalb, weil national bestimmte Unternehmen verpflichtet wurden für Emissionen Verschmutzungsrechte zu besitzen bzw. zu erwerben. Dies sind in der Regel Große bis Global Player (z.B. Energieunternehmen, Chemieindustrie, usw.). Die Kohlenstoffzertifikate stammen von CDM-Projekten, die Kohlenstoff einsparen. Als Marktanreizinstrument wird der Kohlenstoffhandel der Regelung auf Börsen überlassen. Der Kohlenstoffmarkt wird von vielen NGO nicht unkritisch gesehen, bezogen auf die reale Überprüfbarkeit der exakten CO2-Einsparung, die Unübersichtlichkeit, die Dominanz großer Player bei den Projekten, das Kriterium der Zusätzlichkeit (z.B. 56% der UNFCCC registrierten Projekte sind Großprojekte) und die Art der Projekte (z.B. HFC-23). 21 Notwendigkeit NB Programme, Maßnahmen, Markt Hinzu kommt, dass allein die Kosten und der Aufwand für die Implementierung und Kontrolle der Kohlenstoffprojekte (Kosten im 6-stelligen Bereich) nur von Großen Playern getragen werden können. Exkurs zu den deutschen CDM-Projekten Von den ca. 250 angemeldeten deutschen CDM-Projekten (Status der UNFCCC Datenbank von Mitte 2012, Auswertungen Bruckner und Strohmeier für Holz von Hier) befinden sich 80% in China und Indien und 15% in Brasilien. Von diesen Projekten sind die meisten bisher nicht realisiert (Projektstatus: „angemeldet“, „offiziell registriert“, „implementiert“). Nur ein Drittel der Projekte ist bisher realisiert (27% Projektstatus „verifiziert und nur 1% (!) Projektstatus „zertifiziert“). Also nur 1% der deutschen CDM-Projekte weist bisher die versprochene CO2-Einsparung externen Gutachtern nach und kann so auch CO2-Zertifikate handeln (mehr Infos www.clean-the-climate. de). Etwa 70% der CO2-Einsparungen bei den realisierten Projekten werden durch drei HFC23-Großprojekte erreicht. Der Kohlenstoffhandel trägt aktuell faktisch kaum noch etwas zum realen Klimaschutz bei. Der Grund hierfür sind nicht nur die oben genannten Aspekte, sondern schlicht die Tatsache, dass die Zertifikate nichts mehr wert sind. Die Preise sind von ursprünglich 50 €/Tonne CO2 auf heute 3-5 €/Tonne CO2 gesunken. Wenn einerseits der Preis für Kohlenstoffzertifikate, die vor allem von Großen bis Global Playern gekauft werden müssen, weiter ungesteuert auf Börsen verhandelbar ist, auf denen vor allem Große und Globale Player agieren, und wenn andererseits diese Kohlenstoffzertifikate weiter faktisch zum überwiegenden Teil von Großprojekten angeboten werden, die von Großen und Global Playern umgesetzt werden, ist nur schwer vorstellbar wie die Preise ohne politische Steuerung wieder ansteigen sollen. Eine Reduzierung der Zertifikate bringt hier wohl nur etwas mit entsprechender weltweiter scharfer Kontrolle (die teuer ist), denn neueste Recherchen belegen, dass Betrug und Missbrauch im Kohlenstoffhandel beträchtlich sind (z.B. Dokumentation „Profit“ in ARTE vom 20.5.2013). Vor allem Verbraucher haben im Moment den Klimaschutz mit dem konkreten Produktkauf und Energieverhalten in der Hand. Der Handel mit Kohlenstoffzertifikaten trägt heute zum Klimaschutz wohl faktisch kaum noch etwas bei. Mehr Infos: www.clean-the-climate.de mit dem „Klimarechner für Holzprodukte, s. auch www.holz-von-hier.de. Der Kohlenstoffhandel ist aber kaum ein Aktionsfeld öffentlicher Beschaffung, daher wird hierauf nicht näher eingegangen. (2) Erneuerte Nachhaltigkeitsstrategie der Europäischen Union Die Erneuerte EU-Nachhaltigkeitsstrategie bietet im Themenbereich Energie diverse Vorschläge technischer Ansatzpunkte für saubere Energie, Erneuerbare Energien und Energiesparen. Auch im Themenfeld „Nachhaltige Verkehrsentwicklung“ werden Handlungsvorschläge gemacht, hauptsächlich durch technische Maßnahmen zur Verminderung der Schadstoffemissionen und Steigerung des Anteiles von Biokraftstoffen auf 20% (vgl. Folgen für den Klimaschutz wie z.B. Abholzung von Primärwald für Palmölplantagen u.a.). Das im 6. Umweltaktionsplan propagierte Leitbild „Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Verkehrsaufkommen“ oder „Internalisierung externer Kosten“ ist auch in der erneuerten EU-Nachhaltigkeitsstrategie enthalten. Ein weiterer effektiver Ansatzpunkt für „Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Verkehrsaufkommen“ ist, auf möglichst kurze Transporte im gesamten Stoffstrom von Produkten zu achten. Hier setzt das Klima- und Umweltlabel HOLZ VON HIER bei Holzprodukten an. (3) FLEGT mit der Due Diligence: gegen illegalen Holzhandel FLEGT ist ein internationales Abkommen zur Eindämmung illegalen Holzhandels. FLEGT mit dem Bestandteil der Due Diligence ist europäisches Gesetz. FLEGT besteht aus 3 Säulen (1) VPS - Vertragspartnerschaften mit anderen holzproduzierenden Ländern, (2) nachhaltige Beschaffung, (3) Due Diligence die Selbstverpflichtung der Marktteilnehmer. Ab 2013 ist in der EU die Due Diligence Verordnung (DD) in Kraft getreten, die das FLEGT Abkommen 22 Notwendigkeit NB Programme, Maßnahmen, Markt von Seiten der EU verschärfen und für Holzprodukte konkretisieren soll. Anbieter, die Holzprodukte erstmals auf dem europäischen Markt einführen, müssen einer der genehmigenden Stellen in der EU glaubhafte Nachweise erbringen, dass das Holz nicht aus Raubbau stammt. Dies muss z.B. für einen deutschen Importeur keine deutsche Stelle sein. Die Due Diligence soll sicherstellen, dass, unabhängig vom Herkunftsland, kein illegales Holz mehr in die EU gelangt. Mit illegalem Holz ist Holz gemeint, das nicht im Einklang mit den anwendbaren nationalen Gesetzen des Ursprungslandes geschlagen worden ist. Die Definition darüber, was illegal ist, obliegt dem Ursprungsland selbst. Wenn es z. B. keine nationalen Gesetze gibt, die eine bestimmte Art der Waldbewirtschaftung vorschreiben, verstößt z. B. Kahlschlag nicht gegen nationales Gesetz und ist somit konform mit den Anforderungen der FLEGTRegelung. Illegales Holz ist oft Holz, das in ausgewiesenen Naturschutzgebieten geschlagen wurde. Illegales Holz drückt die Holzpreise weltweit um 7-16% (WWF, 2008; FAO, 2010). Aber Holz, das legal in die EU gelangt, ist nicht automatisch gleichzusetzen mit nachhaltigem Holz (Black-Box-Segment). Das „Black Box Segment“ ist ein großes Segment an in die EU importiertem Holz und bildet zugleich die große Dunkelziffer zwischen den deklarierten Umweltwirkungen und dem, was an Auswirkungen auf die Ökosysteme tatsächlich auftritt. Legal in die EU importiertes Holz, ist nicht automatisch gleichzusetzen mit nachhaltig, ökologisch, umwelt-/ klimaverträglichem Holz. Beispielsweise kann Holz eingeführt werden, welches konform mit nationalen Gesetzen in Primärwäldern geschlagen wurde, von Holzfirmen, die dafür legal erworbene Konzessionen haben (z. B. Sibirien, Indonesien). Dieses Holz gilt auch unter FLEGT nicht als problematisch. Holz von Hier schließt Holz aus Primärwäldern und aus nicht nachhaltigem Waldbau in Produkten aus. Dagegen ist Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft Holz, das nach Landesgesetzen in nachhaltig bewirtschafteten Forsten eingeschlagen wurde und nach internationalen/nationalen Gesetzen gehandelt wurde. Nach der allgemeinen forstlichen Definition für Nachhaltigkeit, bedeutet dies zunächst grundlegend, dass jährlich nicht mehr Holz entnommen wird, als nachwächst. Dies gilt prinzipiell für neue Plantagen genauso wie für »Alte Nach- haltigkeitswälder« wie z.B. in Deutschland, die seit Jahrhunderten nachhaltig bewirtschaftet werden, deren Biodiversitätsindex und CO2-Speicherstatus aber deutlich höher ist. (4) REDD+: für Primärwaldschutz Es existieren international unterschiedliche Vorschläge, der ungebremsten Zerstörung der Primärwälder zu begegnen. Eine davon ist, die Nicht-Nutzung finanziell zu honorieren. Ansätze hierzu finden sich in der REDD+ Strategie, die sich aber noch im Entwicklungsstadium befindet. REDD+ sieht im Prinzip vor, finanzielle Anreize zu setzen, Abholzung von Primärwald zu vermeiden. REDD+ als ein internationales Abkommen zum Schutz von Primärwäldern ist derzeit aber noch nicht ratifiziert, also im Augenblick generell noch gar nicht wirksam und eine entscheidende Frage ist zudem, woher die finanziellen Mittel hierzu kommen werden/sollen. Diskutiert wird hier der Kohlenstoffhandel. Pro Jahr werden allein durch Primärwaldrodung mindestens 13 Mrd. t CO2 freigesetzt, davon ca. 2-4 Mrd. t CO2 aus der Zerstörung der organischen Bodenschicht (WBGU, 2009). Das wäre ein Gegenwert an Kohlenstoffzertifikaten von 65 Mrd. € (bei 5 €/Tonne CO2). Und das wäre dennoch immerhin mehr als die wirtschaftliche Bedeutung des Außenhandels mit Holzprodukten (Tab. 4). Rundholz Industrieholz Schnittholz Holzwerkstoffe Zellstoff Afrika 1,31 1,31 0,86 0,48 0,65 Lateinamerika 0,27 0,17 1,12 1,35 5,89 Asien 0,92 0,92 1,93 7,96 1,73 Ozeanien 0,93 0,92 0,57 0,36 0,37 Summe 3,43 3,32 4,48 10,15 8,64 Noramerika + Kanada 1,86 1,83 2,61 0,79 0,7 Russische Förderation 1,60 1,59 4,97 2,05 7,88 Summe: 56 6,89 6,74 12,06 12,99 17,22 Export Einnahmen Daten(x) in [Mrd. Dollar] Tropen Tab. 4: Wirtschaftliche Bedeutung des Außenhandels mit Holzprodukten. Hellblau: Erdregionen mit tropischen Primärwäldern; dunkelblau: Erdregionen mit borealen Primärwäldern. Daten aus FAO 2011. (5) Zertifizierung nachhaltiger Waldwirtschaft: gegen Raubbau Zertifizierung nachhaltiger Waldwirtschaft wird als ein Hebel gegen den Raubbau gesehen, setzt aber anders als REDD eine Nutzung von Primärwäldern 23 Notwendigkeit NB Programme, Maßnahmen, Markt voraus. Weltweit gibt es diverse Siegel und viele Länder mit Primärwäldern haben inzwischen eigene Label entwickelt (z.B. Malaysia). Die bekanntesten und sichersten Label für die Nachhaltige Waldwirtschaft nach speziellen Kriterien sind die weltweit operierenden Label PEFC und FSC. Aber quantitativ würde die Zertifizierung der nachhaltigen Waldwirtschaft allein nicht für den Primärwaldschutz ausreichen, denn in Ländern mit verbliebenen tropischen Primärwäldern (Asien, Afrika, Südamerika) ist der Anteil der mit PEFC und FSC zertifizierten Waldflächen bisher <1 - 3% (s.o.). (6) Agenda 21: für nachhaltige Entwicklung in den Regionen Im Jahre 1972 wurde das Thema Nachhaltige Entwicklung und Ressourcenschutz durch den Bericht „The Limits to growth“ des Club of Rome zum ersten Mal ins weltweite Bewusstsein gerückt. Inzwischen hat der Schutz der natürlichen Ressourcen auf internationaler und europäischer Ebene einen hohen Stellenwert erlangt. Auf der UN-Konferenz in Rio de Janeiro im Jahr 1992 beschloss die Staatengemeinschaft die Agenda 21. Ein wichtiger Aspekt dieses verbindlichen gemeinsamen globalen Maßnahmenkatalogs bildete dabei die nachhaltige Bewirtschaftung von Ressourcen. Die für den Klimaschutz benötigte Durchschlagskraft ist allein über die Agenda 21 Prozesse nicht erreichbar. (7) Strategie Europa 2020 - Ressourcenschonendes Europa Die Europäische Union unterstreicht mit diversen Beschlüssen und Strategien der letzten Jahre die große Bedeutung, die sie in der Ressourceneffizienz für die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union sieht. Nur wenn Europa mit knapper werdenden Ressourcen besser haushalten lernt, wird sich die wirtschaftliche Spitzenposition Europas halten lassen. Bei wachsender Weltbevölkerung wird das Wohlstandsniveau nur dann ansteigen können, wenn intelligente, innovative Ansätze für Ressourceneffizienz umgesetzt werden, Europa kann und will hier eine Vorreiterrolle spielen. Im Jahr 2010 wurde beispielsweise die Strategie Europa 2020 beschlossen, die als eine wichtige Leitinitiative ein „Ressourcenschonendes Europa“ im Blick hat. Die Leitinitiative zielt darauf ab, das Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung abzukoppeln, den Übergang zu einer emissionsar- men Wirtschaft zu unterstützen, die Nutzung erneuerbarer Energieträger und die Energieeffizienz zu fördern sowie das Verkehrswesen zu modernisieren. Im September 2011 legte die EU-Kommission dann ihren „Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa“ vor. Dies dient der Umsetzung der EU-Leitinitiative „Ressourcenschonendes Europa“. Als vorläufiger Hauptindikator wurde von der Kommission die Ressourcenproduktivität vorgeschlagen (Verhältnis des BIP zum inländischen Materialverbrauch - EUR/Tonne). (8) Deutsches Ressourceneffizienzprogramm (ProgRess) Anfang 2012 wurde ein deutsches Ressourceneffizienz-Programm gegründet (ProgRess). Hier liegt der Fokus auf abiotischen nicht-energetischen Rohstoffen und der stofflichen Nutzung biotischer Rohstoffe. Die Nutzung anderer Ressourcen (z.B. Wasser, Luft, Fläche, Boden, Biodiversität) wird in anderen Programmen und Regelwerken behandelt. Es sind fünf Handlungsfelder vorgeschlagen: (1) nachhaltige Rohstoffversorgung sichern, (2) Ressourceneffizienz in der Produktion steigern, (3) Konsum auch auf Ressourceneffizienz orientieren, (4) ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft ausbauen sowie (5) übergreifende Instrumente nutzen. Es werden 20 Handlungsansätze beschrieben, hier wird vor allem auf Marktanreize, Information, Beratung, Bildung, Forschung, Innovation sowie auf die Stärkung freiwilliger Maßnahmen und Initiativen in Wirtschaft und Gesellschaft gesetzt. Als Maßnahmenbeispiele werden genannt: Effizienzberatung für KMU, Unterstützung von Umweltmanagementsystemen, Berücksichtigung von Ressourcenaspekten in Normungsprozessen, Stärkung von Produktkennzeichen und Zertifizierungssystemen, Ausbau der Kreislaufwirtschaft und anderes. Die verstärkte Ausrichtung der öffentlichen Beschaffung an ressourceneffizienten Produkten und Dienstleistungen ist ein wichtiger Ansatz im Programm. Ein zentrales Element in einem der Handlungsfeldern stellt die konsequente Verwendung nachwachsender Rohstoffe dar, womit man bezogen auf den Mengenanteil v.a. beim Holz landet. HOLZ VON HIER ist mit seinem Betriebsnetzwerk Mitglied im Netzwerk Ressourceneffizienz des BMU. 24 Notwendigkeit NB Programme, Maßnahmen, Markt 1.4.4 Markt & Zivilgesellschaft Nachhaltige Beschaffung durch (1) die richtige Produktwahl. (2) die Nutzung von Nachweisen zur Kontrolle der Einhaltung von Umweltkriterien. 1.4.3 Markt & Zivilgesellschaft „Der Veränderungsdruck kommt aus der Gesellschaft.“ (Trendstudie, 2011/2102) Mehr als 80% der befragten Verbraucher in der aktuellen Trendstudie (Trendbüro, 2011/2012) der Otto Group waren der Ansicht, dass sich die globalen Probleme, wie Klimawandel oder soziale Ungleichheit, nur gemeinsam lösen lassen und dass Politik, Unternehmen und jeder Einzelne seinen Teil dazu beitragen muss. Nur 30% der Befragten sahen allein bei der Politik die Verantwortung und nötige Bereitschaft „... um ökologische und soziale Herausforderungen in Zukunft zu lösen“. Mehr als 60% der Verbraucher waren der Ansicht, dass klimafreundlich und verantwortungsvoll handelnde Unternehmen die Gewinner sind und sein werden. Heute kaufen bereits 56% der deutschen Verbraucher ethisch korrekte ökologische Produkte. Dieser Markt wächst rasch an und hat sich in den letzten 4 Jahren verdoppelt ! Regionalität auf Produktebene wird heute 87% der Verbraucher immer wichtiger. Klima- und umweltfreundliche Produkte und Dienstleistungen entsprechen einem Megatrend unserer Zeit und Gesellschaft. Klima- & Umweltzeichen wie „Holz von Hier“ bieten hier eine praktische Orientierungshilfe für die öffentliche Beschaffung und erleichtern Auswahl und Kaufentscheidung beträchtlich. Gleichzeitig bieten Umweltzeichen wie „Holz von Hier“ Unternehmen die Chance, ihre Umweltkompetenz für alle sichtbar unter Beweis zu stellen. Mit ihrer Verwendung steigern Unternehmen die Marktchancen ihrer Angebote im Wettbewerb heute deutlich. Schutz von Klima, Biodiversität und Ressourcen durch die richtige Produktwahl Schutz von Klima, Biodiversität und Ressourcen durch die richtige Produkt und Materialwahl bei Einkauf und Beschaffung, dazu gehören folgende Kriterien: 1. Senkung des Verbrauchs an Energie, Wasser, Rohstoffen (a) in der Produktion des Produktes und zwar im gesamten Stoffstrom (und nicht nur im letzten Produktionsschritt) und (b) durch das Produkt selbst in der Nutzungsphase. 2. Effizienzsteigerungen (a) in der Produktion des Produktes und zwar im gesamten Stoffstrom und nicht nur im letzten Produktionsschritt) und (b) durch das Produkt selbst in der Nutzungsphase. 3. Produkte mit möglichst kurzen Wegen im gesamten Stoffstrom der Produktion. 4. Verwendung recyclingfähiger und wiederverwertbarer Produkte von Anfang an und Erhöhung der Recyclingquote nach Ende der Lebensphase. 5. Öko-Design. Klima-, Umwelt- und Ressourcenschutz durch haltbare, modulare und reparaturfähige Produkte. 6. Gezielte starke Schonung von stark begrenzten und gefährdeten Ressourcen. 7. Generelle Ressourcenschonung durch gezielte Materialauswahl von Anfang an. 8. Weitgehende Vermeidung von Nutzungskonkurrenzen bei der Materialwahl. 9. Verzicht auf Rohstoffe aus Raubbau und aus gravierenden Landnutzungsänderungen (z.B. Holz aus Plantagen, für die zuvor Primärwälder abgeholzt wurden). 10. Verzicht auf Produkte, die weltweit gefährdete Arten enthalten gemäß der Red List von IUCN. 25 Notwendigkeit NB Programme, Maßnahmen, Markt (1) Senkung des Verbrauches ... ... an Energie, Wasser, Rohstoffen (a) in der Produktion des Produktes und zwar im gesamten Stoffstrom (und nicht nur im letzten Produktionsschritt) und (b) durch das Produkt selbst in der Nutzungsphase. Verbrauch an Energie, Wasser, Rohstoffen an sich stellt eine potenzielle Umweltbelastung dar. Eine Verringerung des Verbrauchs ist oftmals die einfachste Möglichkeit, Ressourcen zu schonen. Dies fängt im Zuge der Beschaffung mit der Bedarfsanalyse und -prüfung an, denn manchmal lassen sich anstehende Aufgaben auch mit bestehenden Instrumenten, Maschinen, Infrastruktur oder Personal erledigen. Die Verminderung des Verbrauchs geht einher mit der nächsten wichtigen Säule der Nachhaltigkeit, der Effizienzsteigerung. (2) Effizienzsteigerungen ... (a) in der Produktion des Produktes und zwar im gesamten Stoffstrom (und nicht nur im letzten Produktionsschritt) und (b) durch das Produkt selbst in der Nutzungsphase. Effizienzsteigerung, also die Erzielung der gleichen Leistung bei verringertem Einsatz von Material und Energie, ist nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich höchst interessant. Ein Anwendungsbeispiel ist hier der Ausbau der kommunalen und gewerblichen Abwärmenutzung oder die Nutzung und Verwendung von Abfallstoffen als Ersatzbrennstoffe (wie z.B. Klärschlamm). Abwärmenutzung ist auch ein wichtiger Baustein der „Energiewende“. Bei Verbrennung von Kohle, Öl, Gas für die Stromerzeugung entstehen 30-60% Wärmeverluste. Bei Verbrennung von Benzin und Diesel entstehen bis zu 80% Wärmeverluste. Die meisten industriellen Prozesse verursachen Abwärme. Auch bei der Nutzung von Biomasse, wie z.B. in der Biogasproduktion entsteht Abwärme. Der Großteil der anfallenden Abwärme wird nicht genutzt. Das heisst, dass der Großteil der verwendeten Rohstoffe nicht besonders effizient eingesetzt wird. Dabei sind die technischen Möglichkeiten heute vielfältig, ebenso wie die Einsatzbereiche für die Abwärme, von Beheizung von Räumen über KWK (Kraft-Wärme-Kopplung) bis zu direkter Rohstofftrocknung oder „mobiler Wärme“. Oftmals ist hierfür aber die dezentrale Nutzung der Abwärme nötig. Ein Problem einer rein technisch motivierten Effizienzsteigerung kann sein, dass sie nicht zu einer faktischen Verringerung der Ressourceninanspruchnahme führt, weil eine bestimmte Leistung, ein Produkt für sich zwar verbrauchsärmer wird, aber das Produkt in größerem Umfang produziert wird. Das heißt, die Einspareffekte werden durch gesteigerte Produktion überkompensiert. Diesen Effekt konnte man auf verschiedenen Gebieten in den letzten Jahrzehnten beobachten. Beispielsweise wurde die Einsparung durch energiearme Elektrogeräte durch die gestiegene Anzahl der Geräte überkompensiert (BMWI, 2009 / 2010). Verzicht auf Agrarenergieträger mit schlechter Umweltbilanz, stattdessen setzen auf Umwelttechnik Die Bioethanolproduktion für Kraftstoffe hat sich in den letzten 20-30 Jahren vervielfacht. Die größten Bioethanolproduzenten sind Brasilien und USA, sie decken 90% des Marktes ab. In den USA wird Bioethanol v.a. aus Mais gewonnen, in Brasilien aus Zuckerrohr, in Europa aus Zuckerrüben und Weizen. Bioethanol wird v.a. als Kraftstoff verwendet (ca. 70%) und Benzin beigemischt. Die Kapazitäten der EU befriedigen nicht die Nachfrage, deshalb fördert die EU Importe. Diese gefährden aber die EU-Produktion selbst, denn mittlere Anbieter sind im internationalen Bioethanolmarkt nicht wettbewerbsfähig. Statt Agrartreibstoffe einzusetzen könnten verstärkt vorhandene technische Innovationen wie z.B. „Zwei-Zylinder-Motoren“ oder „das 3-LiterAuto“ verwirklicht und verstärkt an Innovationen im Bereich Mobilität gearbeitet werden. (3) Produkte mit möglichst kurzen Wegen im gesamten Stoffstrom ... ... sind optimal klima-, umwelt- und verbraucherfreundlich. Zum Einen aufgrund der Klimaentlastung durch vermiedene CO2-Emissionen - zur Erinnerung: der globalisierte Verkehr ist die drittgrößte Ursache für den Klimawandel. Aber auch andere Gründe kommen hier dazu: nur Produkte, die vollständig (!) in ihrem gesamten Stoffstrom, innerhalb Deutschlands oder der EU hergestellt wurden und auch hier wieder recycelt oder entsorgt werden, unterliegen auch den hier geltenden Gesetzen, Richtlinien und Vorschriften für Umwelt- und Verbraucherschutz bei 26 Notwendigkeit NB Programme, Maßnahmen, Markt Produktion, Nutzung und Recycling/Entsorgung und erfüllen so auch die hohen Umwelt- und Sozialstandards der EU. (4) Verwendung recyclingfähiger und wiederverwertbarer Produkte von Anfang an und Erhöhung der Recyclingquote nach Ende der Lebensphase. (5) Gezielte Schonung von stark begrenzten und gefährdeten Ressourcen Manche Ressourcen sind quantitativ oder zeitlich stark begrenzt. Die Inanspruchnahme solcher Ressourcen oder die Verwendung von Produkten, die auf solchen Ressourcen beruhen, sollte daher erst nach einer Prüfung von Alternativen erfolgen. Ressourcenschonung fängt schon bei der Planung der zu beschaffenden Dinge oder beabsichtigten Bauvorhaben an. Sie berücksichtigt nicht nur die Vorketten in der Herstellung des Produkts, sondern umfasst alle Aspekte von der Gewinnung der Rohstoffe an bis hin zu der faktischen Behandlung nach Ablauf von Gebrauch und Nutzung. Für die Gewinnung mancher Rohstoffe ist ein außerordentlich hoher Energie- und Materialaufwand erforderlich und geht mit enormen Umweltschädigungen einher. So erfolgt der Abbau von Coltan oder Gold mit einem massiven Flächenverbrauch und hoher Umweltbelastung durch Schadstoffe wie Quecksilber und Cadmium. Die Eignung eines Produktes, nach seiner Hauptnutzung wieder- oder weiterverwendet oder aber recycelt zu werden, wird teilweise schon bei Einkauf und Beschaffung bestimmt. Dies gilt insbesondere für den Bereich Bauen. (6) Öko-Design: Klima-, Umwelt-, und Ressourcenschutz durch haltbare, modulare und reparaturfähige Produkte Ein Anwendungsbeispiel hierfür sind Fenster. Hochwertige Fenster aus PVC, die vergleichbare Leistungen hinsichtlich Stabilität, Haltbarkeit und Dämmung erfüllen, wie gute Holzfenster, sind nicht nur in der Anschaffung nicht billiger, sondern verursachen nach der Nutzungsphase (übrigens erfordert eine möglichst lange Lebensdauer auch bei Kunststofffenstern eine regelmäßige Pflege!) erheblich höhere Kosten durch eine aufwändige Entsorgung. Die Recyclingmöglichkeiten für PVC in Europa sind noch sehr limitiert (aktuell umfassen sie etwa 3% der Produkte). Moderne Holz- oder Holzalufenster hingegen können nach ihrem Gebrauch in der Regel problemlos verwertet werden. Erhöhung der Recyclingquoten und Nutzung von Recyclingprodukten Recycling von Produkten und Verwendung von recycelten Produkten stellt heute immer noch die Ausnahme dar. Bei der Beschaffung lohnt sich jedoch, wo immer es geht, Recyclingprodukte einzusetzen, da diese neben dem ökologischen Aspekt den Vorzug haben, dass sie oft kostengünstiger sind. Bei Papier ist dies schon Standard, aber es gibt eine Reihe von weiteren Produkten, die bereits aus recycelten Rohstoffen hergestellt werden (z.B. www.recyclingprodukte.com). Auch beim Thema Recyclingfähigkeit und Wiederverwertbarkeit der Produkte ist das Material Holz optimal (vgl. Bereich 2: „Was ist nachhaltige Beschaffung“). Heutige Lebenszykluskostenbetrachtungen und auch die meisten Ökobilanzen greifen für einen umfassenden Klima- und Umweltschutz noch zu kurz. Denn Ressourcenschonung fängt nicht erst beim richtigen Design in der Endproduktion an. Ressourcenschonung fängt schon bei der Auswahl der Materialien an. Das ist bei Holzprodukten nicht anders, als bei anderen Produkten wie z.B. Elektrogeräten (vgl. Exkurs Ökodesign Richtlinie für Elektrogeräte). Bei komplexen Produkten wie Elektrogeräten ist dies nur noch viel komplizierter als bei Holzprodukten. Kommt das Coltan für Handys aus Recycling oder ist es „Blut-Coltan“ aus dem Kongo, woher kommt der PVC-Anteil, woher die anderen Rohstoffe eines hoch komplexen Produkts und wie wurden sie gewonnen? Wie viele Transportkilometer hat ein PC in den Vorketten auf dem Rücken? Es geht eben nicht nur um die Nutzungsphase oder um den letzten Verarbeitungsschritt eines Produktes. Jedes Produkt mit einem seriösen Umweltlabel muss über Richtlinien (auch beispielsweise über die Ökodesignrichtlinie für Elektrogeräte oder die Due Diligence Verordnung für Holzprodukte) hinausgehen (denn das ist ja bereits Standard bzw. gesetzlich geregelt) und muss weitergehende Umweltverbesserungen aufzeigen, propagieren, umsetzen und kontrollieren. Das gilt für jedes Produkt. Holz von Hier beschäftigt sich mit diesen Aspekten bei Holz-Produkten. 27 Notwendigkeit NB Programme, Maßnahmen, Markt Exkurs: die europäische Ökodesign-Richtlinie 2009/125/EG Diese Richtlinie gilt für energieverbrauchsrelevante Produkte und löst die Richtlinie 2005/32/EG von 2005 ab. Die neue Richtline gilt prinzipiell auch für, wie sie oft genannt werden „passive“ energieverbrauchsrelevante Produkte wie Dämmstoffe. Für jede ins Visier genommene Produktgruppe müssen (teils sehr komplexe und im Hinblick auf die Bewertung undurchsichtige) Vorbereitungsstudien durchgeführt werden, aus denn sich Handlungsempfehlungen für Duchführungsverordnungen ableiten lassen (sollen). Beispiele für bisher über Durchführungsverordnungen geregelte Produktgruppen sind: Bürobeleuchtung, Straßenbeleuchtung, Fernseher, Standbyverluste, elektrische Motoren, Umwälzpumpen, Ventilatioren, private Kühl- und Gefrierschränke. Für andere Produktgruppen wie Heizkessel und Raumklimaanlagen liegen Vorstudien vor und Durchführungsmaßnahmen sind (noch?) in Arbeit. Für andere Produktgruppen wie PC, Monitore, Drucker, Kopierer, Multifunktionsgeräte (also wichtige Bereiche der nachhaltigen Beschaffung) kamen die Vorbereitungsstudien zu dem Schluss, dass kein Handlungsbedarf besteht, weshalb hier keine weiteren Aktivitäten geplant sind. Aus Sicht des Umweltschutzes ist das nicht nachvollziehbar, schon aufgrund des Materialumsatzes bei diesen Geräten sowie dem Einsatz von begrenzten Ressourcen wie seltenen Metallen usw.. Gerade bei diesen Produkten wäre ein wichtiger Nachhaltigkeitsaspekt die Verwendung von recycelten Materialien. Deshalb ist es hier auch besonders wichtig, auf Umweltlabel zu achten (z.B. Blauer Engel für Elektrogeräte). Generell treten hier grundlegende Probleme auf weshalb man sich auch in diesen Feldern nicht allein auf gesetzliche Verordnungen verlassen darf, sondern immer Umweltlabel (z.B. Blauer Engel für Elektrogeräte, HOLZ VON HIER, PEFC, FSC für Dämmstoffe und anderes) berücksichtigen sollte, allein aus dem Grunde, weil diese systemimmanent immer schneller auf den Markt reagieren müssen, denn: (1) der Markt für bestimmte, primär global produzierte Produkte, ändert sich heute schneller als man Studien schreiben oder Verordnungen erlassen kann. (2) die Kontrolle für Waren, die nicht in Europa gefertigt wurden, aber auf den EU-Markt kommen, ist nicht (beim Holz z. B. Altholzverordnung) bzw. eher selten (beim Holz z. B. Due Diligence) geregelt. (3) die Vorketten sind kaum und die Art der eingesetzten Rohstoffe ist nicht berücksichtigt (z.B. Coltan aus Recycling oder „Blut-Coltan“ aus dem Kongo). [Anmerkung: was nutzt es dem Klima, wenn ein Gerät 20% energiesparender ist, aber nur fünf Jahre hält, bei den Vorketten tausende Transportkilometer im Stoffstrom mitschleppt und zudem aus Rohstoffen hergestellt wurde, die nicht nachhaltig gewonnen wurden?] (7) Generelle Ressourcenschonung durch gezielte Materialauswahl von Anfang an Produkte und Bauteile können oft aus diversen Materialien hergestellt werden. Die verschiedenen Materialien hinterlassen einen jeweils anderen ökologischen Fußabdruck. So werden schon bei Planung und Beschaffung Weichen gestellt, die den gesamten Lebenszyklus betreffen. Hier spielt vor allem der Baubereich eine wichtige Rolle, da er für den größten Teil des derzeitigen Ressourcenverbrauchs verantwortlich ist (Müller & Niebert, 2009; und vgl. EU Kommission in der EULeitinitiative „Ressourcenschonendes Europa“). Bautätigkeiten verbrauchen aber nicht nur für Rohstoffgewinnung, Produktion und den Bau selbst Ressourcen, sondern auch für die Entsorgung nach Ablauf der Nutzungsphase. Die Entscheidung von heute beeinflusst damit auch die Ressourceninanspruchnahme künftiger Generationen. Ein wichtiger Ansatzpunkte ist hier die gezielte Verwendung von Materialien mit geringen Umwelt-Rucksäcken. In aller Regel können hier nachwachsende Rohstoffe punkten. Aufgrund des Mengenpotenzials kommt hier dem Holz eine zentrale Bedeutung zu. Einsatzmöglichkeiten hierfür gibt es zahllose, sie werden in Teil 2 des Leitfadens („Was ist nachhaltige Beschaffung“) näher beschrieben. Im Hinblick auf die Ressourceninanspruchnahme für Gewinnung und Produktion spielt aber die Herkunft des Holzes und damit verbunden der ökologische Rucksack der Produkte eine entscheidende Rolle. Die Variante mit der besten Umweltbilanz ist die Verwendung von Holz mit möglichst geringer Transportbelastung, wie sie über Holz von Hier nachweisbar ist. Die gezielte Verwendung von Holz mit dem Zertifikat Holz von Hier stellt einen optimalen Beitrag zur Ressourcenschonung dar. (8) Weitgehende Vermeidung von Nutzungskonkurrenzen bei der Materialwahl Dies betrifft vor allem Nutzungskonkurrenzen mit (1) Nahrungs-/Futtermittelproduktion, (2) Nutzungskonkurrenzen von stofflicher und energetischer Nutzung und (3) Vermeidung von Nutzungskonkurrenzen mit natürlichen Ökosystemen. Beispiel aus dem Bereich Bioenergie. Weltweit haben 923 Mio. Menschen keinen Zugang zu ausreichend Nahrung, Tendenz steigend 28 Notwendigkeit NB Programme, Maßnahmen, Markt (WBGU, 2009). Die weltweit genutzte Biomasse wird v. a. als Futtermittel (58%), Rohstoffe (20%), Brennholz (10%) und nur 12% als Nahrung eingesetzt (s.o.). Eine der Ursachen für weltweit steigende Nahrungsmittelpreise ist diese Nutzungskonkurrenz. Primärwälder, Feuchtgebiete, natürliche Grasländer sind die durch Landnutzungsänderungen weltweit am meisten bedrohten Ökosysteme. Diese Landflächen für den großmaßstäblichen Bioenergiepflanzenanbau zu nutzen, ist schädlich für Klima und Artenvielfalt. Sägefähiges Stammholz, das stofflich für langlebige Produkte genutzt werden könnte, zu verbrennen, ist nicht nur aus Klimaschutzsicht negativ. In einigen Regionen treten verstärkt Nutzungskonkurrenzen zwischen energetischer und stofflicher Nutzung auf. Holz von Hier setzt sich für Vermeidung von Nutzungskonkurrenzen und ressourcenschonende Holznutzung ein (z. B. Kaskadennutzung). (9) Verzicht auf Rohstoffe aus Raubbau und aus gravierender Landnutzungsänderung Beispiele dafür sind Holz aus Plantagen, für die zuvor Primärwälder abgeholzt wurden oder bestimmte Agrarkraftstoffe wie Palmöl u.Ä. Stattdessen können heimische Rohstoffe und heimische Biomasse genutzt werden, beispielsweise Hackschnitzel aus der Durchforstung oder von Sägenebenprodukten. Diese sind transparent, umweltfreundlich und nachhaltig. Verzicht auf importierte Agrarenergieträger mit schlechter Umweltbilanz. Pflanzenöle wie Palmöl für Biodiesel und BHKW (Block-Heiz-Kraft-Werke) sind ökologisch sehr bedenklich. Für diese Plantagen wurde oft zuvor Primärwald gerodet. Bei der Rodung bewaldeter Moorböden in Südostasien für Palmölplantagen werden besonders große Mengen CO2 freigesetzt. Biodiesel wird aus Pflanzenölen hergestellt (v. a. Palmöl, Soja und Raps). Palmöl stammt meist aus Malaysia und Indonesien, Raps aus USA. Der Großteil der Pflanzenöle für deutsche und europäische BHKW stammt aus Importen. Der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltfragen der Bundesregierung (WBGU, 2009) schreibt: ... für den Klimaschutz sind Biokraftstoffe der 1. Generation sehr ungünstig ... “. (10) Verzicht auf Produkte, die weltweit gefährdete Arten enthalten. Verzicht auf Produkte die weltweit gefährdete Arten enthalten, gemäß Red List von IUCN. Der Markt hat auch entscheidenden Einfluss auf den Schutz der Biodiversität weltweit, sei es der Handel mit gefährdeten Tier- und Pflanzenarten oder Produkte mit Rohstoffen, die Lebensraumzerstörung verursachen. Nachwachsende Rohstoffe können einen wichtigen Beitrag zur Schonung begrenzter fossiler und mineralischer Ressourcen leisten. Entscheidend für die positive Klima- und Umweltwirkung ist hierbei aber die Herkunft. Manche Hölzer, insbesondere tropischer Herkunft, sind inzwischen international gefährdet, ungeachtet der Tatsache, dass sie gehandelt werden. Biodiversitätsexperten gehen davon aus, dass wenn eine Art erst einmal als gefährdet erkannt bzw. eingestuft wird, es fast schon zu spät für ihren Schutz und ihre Bewahrung ist (www. iucnredlist.de). Bei Tropenhölzern betrifft dies sogar 30 der insgesamt 70 in Deutschland gehandelten Arten. Manche davon finden sich oft standardmäßig in Ausschreibungen (mehr Infos: Info-CD „Wälder - global & regional“). 1.4.5 Nutzung von Nachweisen zur Kontrolle der Einhaltung von Umweltkriterien Da es kaum einem Akteur und Entscheider zuzumuten ist, die komplexen Umweltauswirkungen von Produkten, die beschafft oder gekauft werden, zu beurteilen, spielen zur Kontrolle und Identifikation von nachhaltigen Produkten unter den oben genannten Gesichtspunkten Umweltlabel eine wichtige Rolle. Hier ist es von Bedeutung, die Aussagen und Kriterien der diversen Umweltlabel zu betrachten und zu vergleichen. In Teil zwei dieses Leitfadens werden die für Holzprodukte relevanten Label vorgestellt. Es gibt diverse Label, die Umweltkriterien bei Produkten festlegen und überprüfen. Von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR, Projektträger des Bundeslandwirtschaftsministeriums) wurden aus über 300 europäischen Umweltlabeln 8 ausgewählt, die einem Umweltlabel TYP ISO I entsprechen: HOLZ VON HIER, PEFC, FSC, Bauer Engel, NaturePlus, EU Umweltblume, Nordic Swan, österreichisches Umweltzeichen. 29 Notwendigkeit NB Literatur Literatur Asner GP, Broadbent EN, Oliveira PJC, et al. (2006): Condition and fate of logged forests in the Brazilian Amazon. P Natl Acad Sci 103: 12 947–50. Steinfeld H. Gerber, P., Wassenaar, T. V. C., Rosales, M. und de Haan, C (2006): Livestocks long shadow. Environmental issues and Options. Rom: FAO. Balmford, A., Bruner, A., Cooper, P., Costanza, R., Farber, S., Green, R.E., Jenkins, M., Jefferiss, P., Jessamy, V., Madden, J., Munro, K., Myers, N., Naeem, S., Paavola, J., Rayment, M., Rosendo, S., Roughgarden, J., Trumper, K. and Turner, R.K. (2002) Economic reasons for conserving wild nature, Science 297: 950-953. Stern Report 2006: Stern N. (2006): Stern Review Der wirtschaftliche Aspekt des Klimawandels. Ausführliche Zusammenfassung. BMWI Energiedaten, 2009, 2010. Bundesminsterium für Wirtschaft und Technologie. Energiedaten, www.bmwi.de (Anmerkung: weitere Auswertungen auch unter www.holz-von-hier.de, Infos-CDs und Ausstellungen, Flyer). TEEB (2008): Pavan Sukhdev, Joshua Bishop, Patrick ten Brink, Haripriya Gundimeda, Katia Karousakis, Pushpam Kumar, Jock Martin, Carsten Neßhöver, Aude Neuville, David Skinner, Alexandra Vakrou, Jean-Louis Weber, Stephen White, Heidi Wittmer: The Economics of Ecosystems and Biodiversity - TEEB. EU Kommission 2011, Fahrplan für ein Resourcenschonendes Europa. KOM(2011) 571 endgültig. FAO (2009): Forest Products. FAO yearbook 2009. FAO (2011): State of the world‘s forests. FAO report 2011. FAOSTAT, 2006. Food and Agriculture Organisation of the Unitetd Nations. www.faostat.fao.org. 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