GESUNDHEITSWESEN 4/06 4/06 GESUNDHEITSWESEN Dr. O. Thiemann/J. Orthmann, Gemeinschaftspraxis für Urologie Potenzstörungen – Wenn der Mann nicht kann Die männliche Sexualität kann verschiedene Störungen aufweisen. Die bekannteste ist wohl die Erektionsstörung. Der Begriff Potenzstörungen wird im Volksmund für eine Vielzahl verschiedener sexueller Funktionsstörungen des Mannes benutzt. Unter einer erektilen Dysfunktion versteht man eine mangelnde Fähigkeit, einen befriedigenden Geschlechtsverkehr wegen unzureichender Gliedsteife durchführen zu können. Z uverlässige Angaben über die Häufigkeit der Potenzschwäche sind nicht bekannt. Einer Studie nach betrug die Häufigkeit der erektilen Dysfunktion bei 40jährigen Männern ca. 5%, im Alter von 60 Jahren stieg sie auf etwa 20% an. Wahrscheinlich wird jeder Mann im Laufe seines Lebens einmal Erektionsprobleme haben, unabhängig von Alter und Lebensverhältnissen. Ist es nur eine vorübergehende Erscheinung, lassen sich die meisten Männer nicht aus der Fassung bringen. Eine länger andauernde Erektile -16- Dysfunktion (Potenzschwäche) kann jedoch auch ein Alarmsignal des Körpers sein – und zwar weit über den Bereich der Sexualität hinaus. Die Ursachen Ärzte gehen heutzutage davon aus, dass Erektionsstörungen zu jeweils einem Drittel auf organische und psychische Ursachen und zu einem weiteren Drittel auf eine Kombination beider Faktoren und Beziehungskrisen zurückzuführen sind. Um eine Erektion aufzubauen, müssen Nerven, Muskeln und Blutzufuhr optimal aufeinander abgestimmt funktionieren. Nur wenn sich die nerven- und muskelregulierten Hohlräume im Penis (Schwellkörper) ausreichend mit Blut füllen können, wird eine Gliedsteife erreicht (siehe Abb. 1). Durch zahlreiche körperliche Faktoren kann dieser Erektionsmechanismus empfindlich beeinträchtigt werden, wie die folgenden Beispiele zeigen. Seelische Probleme können Lust und Libido nachhaltig stören. Überdurchschnittliche berufliche Belastung, Arbeitslosigkeit, Minderwertigkeitsgefühle, MidlifeKrisen oder anderer permanenter Stress können häufig zu einem verminderten Interesse an sexueller Aktivität führen. Oft kommt die Partnerschaft unter diesen Umständen zu kurz. Die eigenen und die gegenseitigen Erwartun- gen werden nicht mehr erfüllt. Daraus resultiert Frust. Ein über Jahre bestehender Bluthochdruck oder Nikotinmissbrauch verursacht auf Dauer Gefäßkrankheiten. Hierbei kann es im Penis zu Einengung von Blutgefäßen kommen, die zu einem verminderten Bluteinstrom führen. Ist der Bluteinstrom stark vermindert, kann eine Gliedsteife nicht zustande kommen. Ein fortgeschrittener Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), ein Bandscheibenvorfall oder Rückenmarksverletzungen beeinträchtigen die Funktion der Nerven. Auch Operationen im Beckenbereich können Nervenschädigungen verursachen. Die Nerven werden benötigt, um bei sexueller Erregung Signale an Muskeln und Gefäße weiterzugeben. Ist die Funktion der Nerven eingeschränkt, bleibt eine Erektion aus. Dem in Maßen genossenen Alkohol wird durchaus eine zentral stimulierende Wirkung im Hinblick auf die Erregungsphase der Erektion zugeschrieben. Ganz anders verhält es sich beim chronischen Alkoholmissbrauch. Dieser ist ebenfalls eine Ursache für Potenzstörungen. Häufig liegt nicht nur eine einzelne Ursache vor. Oft bestehen mehrere Risikofaktoren wie Übergewicht, Bluthochdruck, Nikotinmissbrauch, erhöhte Blutfettwerte und Diabetes mellitus. Mehr- Abb. 1 ere Risikofaktoren potenzieren die Wahrscheinlichkeit, eine erektile Dysfunktion zu entwickeln. Man weiß heute zudem, dass Erektionsstörungen oft Vorboten weitaus gefährlicherer Erkrankungen sind: Werden Erektionsstörungen nicht ernst genommen und abgeklärt, folgen häufig schwerere Krankheiten wie Durchblutungsstörungen der Beine, Herzinfarkt oder Schlaganfall. Abklärung Zunächst empfiehlt es sich den Arzt seines Vertrauens zu Rate zu ziehen. Dieser wird in einem Gespräch zumindest schwerpunktmäßig die mit einer Potenzstörung einhergehenden Grunderkrankungen abklären. Im Vordergrund stehen die Herz-Kreislauferkrankungen, Fettstoffwechselstörungen, Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Operationen im kleinen Becken, Alkohol- oder Nikotinmissbrauch oder psychische Erkrankungen. Auch wird ggf. eine genaue Auflistung eingenommener Medikamente erfolgen. Einige Medikamente haben als Nebenwirkung eine Beeinträchtigung der Potenz zur Folge. Im Anschluss erfolgt eine gründliche körperliche Untersuchung einschließlich des Genitales und der Prostata. Laboruntersuchungen unterstützen die Diagnostik. Hier kann bei Verdacht eines Hormonmangels eine genaue Hormonanalyse sinnvoll sein. Viele Männer empfinden schon die Vorstellung eines Gesprächs über die Sexualität als unangenehm. Deshalb bieten viele Urologen heutzutage eine besondere Sprechstunde für Erektionsstörungen an, da sie auf diesem Gebiet spezialisiert sind. Je offener das Gespräch und je ehrlicher die Antworten, umso gezielter kann eine Diagnose gestellt werden. Der Gedanke an die ärztliche Schweigepflicht kann dem Gespräch ebenfalls den Schrecken nehmen. Auch kann es beruhigend sein, zu wissen, dass es für einen Urologen zum Tagesgeschäft gehört, über sexuelle Probleme zu reden. Gleichzeitig wird der Urologe eine Prostataerkrankung abklären. Auch achtet er auf Erkrankungen im Genitalbereich, sowie auf Hormonstörungen. In einigen Fällen kann es sinnvoll sein, eine Untersuchung der Penisgefäße vorzunehmen. Veränderungen des Blutflusses der Penisgefäße können geübte Untersucher in einer speziellen Ultraschalluntersuchung erkennen. Therapie Bei der Behandlung von Potenzstörungen gibt es unterschiedliche Ansätze. Liegt die Ursache im psychischen Bereich, kann eine psychologische Beratung hilfreich sein. Zunächst einmal ist eine Umstellung der Lebensweise ein erster Schritt zur Behandlung einer Potenzstörung. Eine gesunde Ernährung ist dabei genauso wichtig wie regelmäßiger Sport, welcher einen positiven Einfluss auf das Herzkreislaufsystem hat. Ausschaltung weiterer Risikofaktoren (Nikotin- und hoher Alkoholkonsum) sind ebenso wichtig. Weiterhin sollten bestehende Grunderkrankungen behandelt werden, wie beispielsweise eine Zuckererkrankung oder ein erhöhter Bluthochdruck. Eine spezielle Therapie der Erektionsstörung findet beim Urologen statt. Hier gibt es seit einigen Jahren eine breite Palette an Medikamenten, welche eingesetzt werden können. Eine Revolution der Therapie der erektilen Dysfunktion kam durch Entwicklung so genannter PDE-5Hemmer (Viagra®, Levitra® und Cialis®). Diese Medikamente bewirken im Ruhezustand zunächst einmal nichts. Erst im Erregungszustand verstärken sie durch Wirkung innerhalb eines biochemischen Prozesses im Penis die Erektion. Der Einsatz solcher Medikamente sollte erst nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt erfolgen, so kann ein sicherer Einsatz gewährleistet werden. Auch die Anwendung erektionsfördernder Substanzen mittels Spritzen ist eine gute Alternative, die beim Urologen erlernt werden kann. Andere Therapieformen wie der Einsatz von Vakuumpumpen und operative Verfahren (Implantation vom Penisprothesen) kommen in nur ganz ausgewählten Fällen in Betracht. Fazit • Erektionsstörungen sind immer abklärungsbedürftig. Oft verbirgt sich hinter dem vermeintlich harmlosen Symptom eine ernstzunehmende Erkrankung. • Bei Potenzstörungen sollte ein Arzt des Vertrauens aufgesucht werden. Eine gezielte Therapie nach ausführlicher Diagnostik beim Facharzt ist in den meisten Fällen erfolgreich. • Eine zufrieden gelebte Sexualität hat eine positive Auswirkung auf die Gesundheit und stellt auch eine höhere Lebensqualität dar. -17-