Erektile Dysfunktion Dr. Roth, Dr. Wins Urologen Morianstr. 10 42103 Wuppertal Autor Dr. med. Martin Roth, Wuppertal Definition Die erektile Dysfunktion ist ein chronisches Krankheitsbild von mindestens 6-monatiger Dauer bei dem mindestens 70 Prozent der Versuche, einen Geschlechtsverkehr zu vollziehen, erfolglos sind. Die erektile Dysfunktion wird also als gestörte partnerschaftliche sexuelle Beziehung aufgefasst und nicht mehr als Grad der Steifigkeit des Penis. Weitere sexuelle Störungen des Mannes: lOrgasmusstörung (verfrühter oder verzögerter bis fehlender Samenerguss (Orgasmus). lMangel an Lust (Libidostörung); etwa 2% der Männer betroffen lSchmerzen beim Geschlechtsverkehr (Wunden, Entzündungen, Verkrampfungen u.a.) Synonyme: Impotentia coeundi oder einfach nur „Impotenz“ Sexualität ... ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Sie übt zahlreiche Einflüsse auf die Lebensprozesse aus und trägt wesentlich zur Gesundheit bei. Bei Störungen der Sexualität des Mannes ist die Lebensqualität erheblich beeinträchtigt und die Partnerschaft wird belastet. Traditionell ist die Sexualität einem gesellschaftlichen Tabu unterworfen. Heute wird aber in den (meist urologischen) Arztpraxen sehr offen darüber gesprochen. Tun Sie den ersten Schritt! Wie häufig kommt Erektile Dysfunktion vor? Nach der Massachusetts Male Aging Study wurden Männer im alter zwischen 40 und 70 Jahren befragt. Umgerechnet auf die Bevölkerungszahlen von Deutschland ergeben sich folgende Zahlen (Tabelle 1) Tabelle 1. Häufigkeit der Erektilen Dysfunktion Keine Störung 40,80%6,4 17,20%2,7 Leichte Störung (Meistens Erektionen) Mittelschwere Störung (Selten Erektionen) 25,20%3,9 Schwere Störung (Keine Erektionen) 9,60%1,5 Millionen Millionen Millionen Millionen Männer Männer Männer Männer Die erektile Dysfunktion nimmt mit dem Lebensalter zu; mit 40 Jahre ist etwa jeder hundertste, mit 65-70 Jahren jeder 2. bis 3. Mann betroffen. Ursachen der Erektilen Dysfunktion Organisch bedingt durch Erkrankungen der Blutgefäße, Schwellkörper, Nervenleiden, Hormonstörungen psychisch bedingt durch Störungen der psychischen Ausgeglichenheit, Lokalisation der Störungen: Hirnrinde gemischt fast immer: Kombination aus organischen und psychischen Ursachen. Die Ursachen für die Erektile Dysfunktion sind häufig die gleichen, wie für ernste allgemeine Erkrankungen. So werden nicht selten Krankheiten, wie erhöhter Blutdruck, Arteriosklerose und Zuckerkrankheit als „Nebenbefund“ entdeckt. Vor dem ersten Arztbesuch Die Erektionsstörung betrifft immer beide Partner. Die Partnerin leidet mit und macht sich vielleicht Selbstvorwürfe, wie: „Bin ich nicht mehr attraktiv genug?“ oder „Hat er vielleicht eine andere?“ Der Mann verspürt einen zunehmenden Leistungsdruck, der seinerseits eine natürliche sexuelle Erregung verhindert. So ist es offensichtlich, dass beide Partner das Gespräch miteinander suchen sollten. Allein das kann schon helfen. Darüber hinaus ist das Gespräch über sexuelle Dinge auch geeignet, die Partnerschaft zu verbessern und Frust abzubauen. Der Mann sollte den Arztbesuch nicht vor seiner Partnerin verheimlichen. Gemeinsam geht's besser! Tabelle 2. Selbsteinschätzung: Ursachen der Erektionen Dysfunktion (Quelle: Informationszentrum für Sexualität und Gesundheit e.V) Hinweise Zeitliche Entwicklung Morgendliche Gliedversteifung Selbstbefriedigung Risikofaktoren Lebensalter Eher körperliche Ursache Allmähliches Nachlassen der Erektion Keine Eher seelische Ursache Oft plötzliches Auftreten der Störung Normal Oft beeinträchtigt Oft unbeeinträchtigt Körperliche Faktoren, Erkrankungen, Verletzungen, Operationen Eher älter als 50 Jahre Oft körperlich gesund. Seelische Faktoren: Stress, Konflikte Eher jüngere Männer Während des Arztbesuches Sollten Sie Ihr Problem klar ansprechen. Machen Sie den ersten Schritt. Vertun Sie nicht Ihre Zeit durch Drumherumreden. Ihr Arzt kann Ihr Problem nicht ahnen. Er kennt aber auch die Tabugrenzen, achtet Ihr Anliegen und wird mit niemandem darüber sprechen! Gut ist es, wenn die Partnerin mitkommt. So ist sie gleich informiert und kann bei der Auswahl der Behandlungsmöglichkeiten mit sprechen. Gespräch Ihr Arzt wird zunächst versuchen, Faktoren bei Ihnen zu finden, die für die Erektile Dysfunktion verantwortlich sein könnten. Dazu gehören: Lebensführung - Rauchen Alkoholkonsum Suchtmittelkonsum Bewegungsmangel soziale Situation Medikamente Sexuelle Störung - Art der sexuellen Störung - unterschiedliche Neigungen der Partner Seelische Faktoren - Kontaktstörungen, Konflikte - Stress, Körperbild - Versagensängste, Hemmungen Körperliche Erkrankungen - Diabetes - Herz- Kreislauf - Fettstoffwechselstörungen - Verletzungen, Operationen - Hormonstörungen - Leber-, Nierenkrankheiten (Diese Liste umfasst nur die wichtigsten Faktoren für die Erektile Dysfunktion und ist nicht vollständig.) Gleichzeitig werden im Gespräch schon die Möglichkeiten einer späteren Therapie geprüft und Sinn und Zweck persönlich angepasster Untersuchungen erklärt. Untersuchung Die körperliche Untersuchung soll die oben angegebenen allgemeinen gesundheitlichen Störungen erfassen, die zu erektiler Dysfunktion führen können. Die der Beschaffenheit von Penis und Hodensack sind ebenfalls zu untersuchen. Eine Blutuntersuchung dient ebenfalls der Suche nach allgemeinen körperlichen Erkrankungen, die zu Erektiler Dysfunktion führen können ( Hormonstörungen, Zuckerkrankheit, erhöhte Blutfette, Leber- oder Nierenschäden). Spezialuntersuchungen zur Prüfung der Blutversorgung des Penis (Testung der Schwellkörperfunktion durch Ultraschall und Röntgen) und Nervenprüfungen sind häufig nicht in der Erstuntersuchung erforderlich. Abb. 1 Anatomischer Aufbau des Penis Die Erektion (Versteifung) wird durch Vermehrung des Blutzuflusses in die Schwellkörper und eine Drosselung des Abflusses bewirkt. Die Schwellkörper werden förmlich mit Blut aufgepumpt (Prinzip: Autoreifen) Behandlung Eine Unzahl von Behandlungsversuchen hat es in der Vergangenheit gegeben. Auch heute werden aus dieser historischen Tradition heraus zahlreiche Produkte ohne medizinisch gesicherten Effekt angeboten. Der medizinische Fortschritt hat aber seit den 1980er Jahren erhebliche Fortschritte gemacht und somit erstmals gesicherte und wirksame Behandlungen der Erektionsstörungen ermöglicht. Sobald Ihr Arzt sich ein Bild von den Ursachen Ihrer Störung gemacht hat wird er Ihnen einen Behandlungsvorschlag unterbreiten. Dabei wird er einige Vorgaben beachten: lAn erster Stelle ist der Patient selbst gefordert: Was können Sie ev. schon vor dem ersten Arztbesuch selbst für sich tun? : Versuchen Sie die oben unter „Gespräch“ angeführten Faktoren zu beseitigen und lassen Sie eventuelle körperliche Erkrankungen regelmäßig kontrollieren und behandeln. lWird bei den Untersuchungen eine (gefährliche) Grundkrankheit entdeckt, so ist diese vorrangig zu behandeln (die Erektile Dysfunktion wird dadurch oft schon gebessert) Für die Erektile Dysfunktion stehen sehr wirkungsvolle Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die Auswahl der Behandlung wird von den Ursachen der erektilen Dysfunktion und von den Neigungen des Betroffenen abhängig gemacht . Es stehen Tabletten, Psychotherapie, lokale Anwendungen, Unterdruckpumpen, Hormone und Operationen zur Verfügung. Tabletten (immer ärztliche Empfehlungen und Packungsbeilage beachten) Tabletten sind am einfachsten anzuwenden und besitzen eine sehr gute Wirksamkeit. Deshalb sind sie die erste Wahl zur Therapie der erektilen Dysfunktion. Voraussetzung bei allen Tabletten sind intakte Nervenbahnen zum Penis. Diese können durch Operationen oder Nervenkrankheiten geschädigt sein. Verschieden Wirkarten sind bekannt: lpflanzlich (Yohimbin) ist schon längere Zeit bekannt, wirkt allgemein gefäßerweiternd (Alpha 2 Blockade). Dieses Medikament ist für leichtere Formen der Erektilen Dysfunktion geeignet. Nebenwirkung: Gesichtsrötung lPhosphodieserasehemmer (Viagra®, Cialis®, Levitra®) wirken peripher, direkt im Penis. Sie verstärken die Nervenimpulse, welche die Erektion regulieren. Voraussetzung intakte Nervenbahnen und Blutgefäße. Nebenwirkungen: Kopfschmerz, Gesichtsrötung, Schwindel (Blutdrucksenkung), Verschwellung der Nase, Farbensehen. Wichtigste Regel: Nicht während der Wirkzeit von Herzmedikamenten (Nitrate, Stickstoffdonatoren) und nicht bei schweren Herz- Kreislauferkrankungen einnehmen (noch einmal: Ärztliche Beratung unbedingt erforderlich). lApomorphin (Uprima®, Ixense®) wirken zentral, im Gehirn durch Verstärkung der erektionsfördernden Impulse. Erregtheit und sexuelle Lust (Libido) werden nicht verstärkt. Voraussetzung intakte Nervenbahnen und Blutgefäße. Nebenwirkungen: Übelkeit, kurzzeitige Bewußtseinstrübung, Kopfschmerz, Schwindel, Verschwellung der Nase (noch einmal: Ärztliche Beratung unbedingt erforderlich). Nicht alle möglichen Nebenwirkungen der Medikamente sind hier wiedergegeben; ärztliche Beratung ist unbedingt erforderlich. Psychotherapie Phasen, die durch Kontaktvermeidung, Passivität und Rückzug gekennzeichnet sind, können ebenso auftreten wie Phasen mit Aktivität sowie einem starken Bedürfnis nach Zuwendung und Sexualität. Seelischen (Leistungs-) Druck abbauen: Auch wenn es zunächst Überwindung kostet, ist es wichtig, mit der Partnerin zu reden, wie es einem gerade geht, auch um Missverständnisse und ungewollte Kränkungen zu vermeiden. Oft hilft schon ein zufriedenstellend beendeter Sexualverkehr (unter Umständen mithilfe einer der dargestellten Behandlungsformen), um nagende Selbstzweifel zu beruhigen. Falls Niedergeschlagenheit und Hoffnungslosigkeit über längere Zeit andauern, sollte sie professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Das offene Gespräch mit dem Arzt oder einem Sexualberater kann oft schon „Wunder wirken“. Manchmal fehlen nur wichtige Informationen, z. B. welche sexuell anregenden Praktiken sich in der Situation besonders gut eignen, oder dass bestimmte Praktiken weder medizinisch schädlich noch moralisch verwerflich sind. Sexualtherapeuten geben u.a. konkrete Anleitungen für Sexualübungen, die allein oder mit der Partnerin zu Hause praktiziert werden können. Psychotherapeuten gehen dagegen vor allem auf das Seelenleben mit seinen Konflikten und Ängsten ein, die sich auch auf die Sexualität auswirken. Abb. 2: SKAT Platzierung des Einstiches (gelbe Linie) Lokale Anwendungen Wann lokale Therapie? Bei Tablettenunverträglichkeit, bei ungenügender Wirksamkeit der Tabletten und aufgrund individueller Vorzüge. ·Schwellkörper Autoinjektionstherapie, (SKAT oder SKIT genannt) (Spritze) Ein Wirkstoff wird mit einer superfeinen Nadel in den Schwellkörper des Penis eingespritzt. Eine Versteifung stellt sich in kurzer Zeit ein. Diese Behandlung ist sicher. Sie muss aber unter ärztlicher Anleitung erlernt werden. Wirkt auch bei geschädigten Nervenbahnen. Nebenwirkungen: Überlange Erektion (-> Gefahr von Durchblutungsstörungen, Vernarbung, Verlust der Erektionsfähigkeit) sowie Schmerzen, Entzündungen, Blutung, Knötchenbildung. ·MUSE: (Medicated Urethral System for Erection) Der Wirkstoff wird in die Harnröhre eingeführt. Abb. 3: MUSE Platzierung des Wirkstoffes in der Harnröhre Die Prozedur ist etwas umständlich und störanfällig und wird nicht von jedem Mann akzeptiert. Der Erfolg ist nicht so sicher wie SKAT. Vorteile: gegenüber SKAT: Kein Nadelstich erforderlich. Wirkt auch bei geschädigten Nervenbahnen Nachteile: Umständlich, Akzeptanz nur 25%. Wirksamkeit 60% bei den 25%, die diese Therapie akzeptieren. Dosierung ist nicht sicher durch unsichere Verteilung des Wirkstoffes. Wirkstoff kann auf die Partnerin übertreten. Nebenwirkungen: Leichte Blutung aus der Harnröhre, selten überlange Erektion wie im oberen Abschnitt beschrieben. Vakuumpumpe wirkt ·Unterdruckpumpen („Vakuumpumpen“) Der Penis wird in eine Unterdruckkammer eingeführt. Der Unterdruck erzeugt die Erektion. Abb. 4: ohne Medikamente Vorteile: Kein Einstich erforderlich Hohe Erfolgsrate (bis 90%) Wirkt auch bei beschädigten Nervenbahnen Nachteile: Umständlich, nur 15% Akzeptanz Schmerzen bei hohem Unterdruck Instabile Erektion. Nebenwirkungen: Schmerzen, Blutungen bei hohem Unterdruck, kalter Penis. Operationen ·Penisprothese: In die Schwellkörper werden operativ Prothesen eingesetzt. Verschiedene Modelle stehen zur Verfügung. Die Erektion wird mit diesen Prothesen künstlich erzeugt. Eine körperliche Funktion ist hierzu nicht erforderlich. Vorteile: Zuverlässig, Erfolg 90-100% Nachteile: Prothesendefekte nach 5 Jahren 10%, Wundinfektionen 5% Abb. 5 Schwellkörperprothese (auch Penisprothese) ·Gefäßchirurgische Eingriffe: sind in Ausnahmefällen geeignet. Sie gelten heute als experimentell. Die Verbesserung ist nicht gesichert. Über längere Zeit läßt der Effekt nach. Hormone Hormonbehandlungen sind bei der Erektilen Dysfunktion selten hilfreich. Voraussetzung ist ein nachgewiesener Hormonmangel bei einer sorgfältigen Hormonanalyse. Quellen: H. Porst, Manual der Impotenz, Uni Med Verlag, Brehmen, 2000 AWMF - Leitlinien Urologie Libido- und Erektionsstörungen