Die klinische Untersuchung des Ellenbogengelenks | SpringerLink

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Fortbildung
Funktions- und Provokationstests leisten wertvolle Diagnosedienste
Die klinische Untersuchung
des Ellenbogengelenks
S. F R A N K E1, M. G L A N Z M A N N 2 , B. H O L L I N G E R1
Die klinische Untersuchung des Ellenbogengelenks stellt für den Untersucher erfahrungsgemäß eine
Herausforderung dar. Mit dieser Übersicht soll ein Beitrag zur systematischen Erfassung von Pathologien
am Ellenbogen durch den Untersucher geleistet werden.
F
unktionelle Einschränkungen des
Ellenbogengelenks haben einen großen Einfluss auf die Funktion der
gesamten oberen Extremität, da primär
über das Ellenbogengelenk die Stellung
der Hand in Relation zum Rumpf und
Kopf variiert werden kann [1]. Die Untersuchung des Ellenbogens wird häufig als
schwierig empfunden. Ein systematisch
aufgebauter Untersuchungsgang kann
helfen, die Pathologien am Ellenbogen
sicher zu erfassen und erleichtert dem
Untersucher die Entscheidung sowohl
bezüglich der Notwendigkeit weiterer
diagnostischer Maßnahmen als auch
hinsichtlich des Therapieplans.
Anamnese
Vor der klinischen Untersuchung ist die
präzise Anamnese zu den Beschwerden
des Patienten am Ellenbogen ein grundlegender Baustein für die korrekte Diagnose und zum Entwickeln eines individuellen Therapieplans. Meist klagen die
1b
1a
Patienten über Schmerzen, auch funktionelle Einschränkungen oder intermittierende Beschwerden wie Schnappoder Blockadephänomene kommen vor.
Beim Erheben der Anamnese sollte
zunächst eruiert werden, ob eine traumatische Genese vorliegt oder nicht. Die
Dauer der Beschwerden ist ebenso zu erfragen wie die Art, Qualität und Intensität der Schmerzen. Wichtig ist auch, ob
die Beschwerden nur bei Belastung oder
auch im Ruhezustand auft reten. Der Patient sollte nach Funktionseinschränkungen des Ellenbogens bei der Arbeit,
im Alltag und in der Freizeit befragt
werden, ebenso nach seinem Alter, der
Händigkeit, dem ausgeübten Beruf sowie dem Anspruch an die Funktion des
Ellenbogens (auch bei körperlichen Belastungen/Aktivitäten in der Freizeit).
1Arcusklinik Pforzheim
2Schulthess-Klinik Zürich
1c
Inspektion
Die Inspektion liefert dem Untersucher
bereits wichtige Hinweise; beispielsweise können bei frischen Verletzungen
Fehlstellungen, Weichteilschwellungen,
Hautabschürfungen oder Prellmarken
vorliegen. Aber auch bei nicht traumatischer Genese der Beschwerden lohnt
sich genaues Hinschauen. Mögliche Befunde sind Rötung, Schwellung, Exanthem oder Rheumaknötchen. Finden
sich Narben, sollte man nach früheren
Verletzungen oder Operationen fragen.
Pigmentverschiebungen und lokalisierte Atrophien können Residuen von Kortisoninfi ltrationen in der Vergangenheit
sein. Das Hueter-Dreieck hilft festzustellen, ob eine physiologische Knochenstellung vorliegt oder nicht: Bei der Inspektion des Ellenbogens in 90°-Flexion von
dorsal bilden die knöchernen Punkte der
radialen und medialen Epicondylen und
die Olecranonspitze ein gleichschenkliges Dreieck. Beim vollständig gestreck1d
Abb. 1: Physiologisches Bewegungsausmaß des Ellenbogens in Extenion/Flexion (a/b) und Pronation/Supination (c/d)
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ORTHOPÄDIE & RHEUMA 2014; 17 (4)
ten Ellenbogen liegen diese Knochenpunkte auf einer Geraden.
Auch die Achsstellung des Ellenbogengelenks sollte erfasst werden. Dabei
ist auf den physiologischen valgischen
carrying angle (beim Mann circa 10°, bei
der Frau circa 13°) zu achten und auch
darauf, ob ein Cubitus valgus (ValgusAbweichung größer als der carrying
angle) oder ein Cubitus varus (im angloamerikanischen die sogenannte Gunstock-Deformität) vorliegt.
Bewegungsumfang
Der Bewegungsumfang des Ellenbogengelenks wird immer im Vergleich zur
Gegenseite untersucht. Zur Erfassung
der Extension und Flexion fordert der
Untersucher den Patienten auf, die Arme
auf Horizontalebene im Schultergelenk
anzuheben, dabei sind die Arme im Ellenbogengelenk vollständig extendiert
und die Hände komplett supiniert. Aus
dieser Stellung soll der Patient beide
Arme maximal beugen, um mit den Fingern die Schultern zu berühren. Der
physiologische Bewegungsumfang beträgt hier bei Extension/Flexion
0°/0°/145° (Abb. 1a, b).
Zur Untersuchung der Pronation und
Supination legt der Patient die Arme mit
90°-flektierten Ellenbogen an den Thorax
an, die Daumen sollten dabei nach kranial zeigen. Der Patient wird aufgefordert,
die Handflächen nach kaudal (Pronation)
und im Anschluss nach kranial (Supination) zu wenden. Der physiologische Bewegungsumfang beträgt hier bei Pronation/Supination 85°/0°/75° (Abb. 1c, d).
Palpation
Liegt eine Schwellung am Olecranon wie
bei einer Bursitis olecrani vor oder eine
Untersuchungstechniken im Video
Um die dynamische Komponente der
Untersuchungstechniken besser
verständlich zu machen, wurde vom
Ellenbogenkomitee der AGA unter
Mitarbeit zweier Autoren dieses Artikels (M. Glanzmann und B. Hollinger)
ein frei zugängliches Untersuchungsvideo bei youtube eingestellt, auf das
wir hier hinweisen möchten:
www.youtube.com/
watch?v=JyUNPgw4srU.
ORTHOPÄDIE & RHEUMA 2014; 17 (4)
Schwellung am dorsolateralen Softspot
wie bei einem Gelenkerguss, zeigt sich
bei der Palpation eventuell eine Überwärmung sowie eine Fluktuation. Ebenso wird überprüft, ob Druckdolenzen
vorliegen. Abgetastet werden sollten der
Epicondylus humeri radialis und der gemeinsame Extensorenssehnenansatz sowie der Epicondylus humeri medialis
und der gemeinsame Flexorensehnenansatz. Spezifische Tests bei Verdacht auf
eine Epikondylopathie werden im Weiteren beschrieben.
Ferner sind das Olecranon und der
Ansatz der Trizepssehne abzutasten.
Beim vorsichtigen Palpieren des Sulcus
ulnaris lässt sich bei gleichzeitiger Flexion erfassen, ob eine Subluxationstendenz des Nervus ulnaris vorliegt und ob
– im Fall einer Druckdolenz – eine Fortleitung ins Versorgungsgebiet des Nervus ulnaris nachweisbar ist.
Beim dorsoradialen Softspot wird
überprüft, ob bei Druck ein Schmerz
durch Überstrecken des Ellenbogens
ausgelöst werden kann. Dies gilt als Hinweis auf ein Plicasyndrom. Eine intraartikuläre Ergussbildung ist im Softspotbereich am besten erfassbar. Ventralseitig erfolgt die Palpation der distalen Bizepssehne. Abschließend werden die periphere Durchblutung, die Motorik und
die Sensibilität geprüft.
Stabilitätstests
Die mediale Stabilität kann mit dem Valgus-Stresstest geprüft werden: Der Untersucher fi xiert den gestreckten Arm
mit einer Hand von lateral am Oberarm,
mit der anderen Hand übt er durch Abduzieren des Unterarms gegen den
Oberarm einen Valgusstress aus. Dieser
Test wird im Seitenvergleich durchgeführt, um eventuelle Bandlaxizitäten
nicht zu übersehen [1] und in weiteren
Flexionswinkeln (30° und 60°), um das
Innenband selektiv zu erfassen.
Berichtet der Patient über Schmerzen
bei bestimmten Bewegungen, etwa beim
Werfen, wird beim Moving-valgusStresstest diese Bewegung durch den
Untersucher nachgeahmt. Die Schulter
ist auf Horizontalebene abduziert, der
Ellenbogen vollständig flektiert. Der Untersucher führt diesen Test in maximaler Supination durch und bringt den Ellenbogen zügig in die Extension; dabei
2a
2b
2c
Abb. 2: Stabilitätstests: Das MilkingManöver (a) erfasst eine mediale Instabilität (Werfer-Ellenbogen); Pivot-Shift(b) und Pinzettengriff-Test (c) entlarven
eine posterolaterale Instabilität.
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Fortbildung
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3b
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Untersuchung des Ellenbogens
den Moving-valgus-Stresstest und den
Milking-Manöver der typische Schmerz
provozieren [3]. Eine reine ulnare Epikondylopathie bleibt hingegen in diesen
Stresstests „stumm“.
Eine Subluxationstendenz bei Supination von Radius und Ulna gegen den Humerus wird mit dem Begriff der posterolateralen Rotationsinstabilität beschrieben. Sie ist jedoch regelhaft aufgrund der
muskulären Gegenspannung des Patienten schwer zu erfassen und erfordert einige Übung des Untersuchers.
Zur Prüfung der lateralen Stabilität
eignet sich der Pivot-Shift-Test. Der Untersucher bewegt den Arm des liegenden
Patienten auf Überkopfhöhe und führt,
analog zum Pivot-Shift-Test am Knie,
gleichzeitig eine axiale Kompression,
eine Supination und einen Valgusstress
aus (Abb. 2b) [4].
Auch der sogenannte PinzettengriffTest kann hier angewandt werden: Der
Patient sitzt entspannt, die Hand ruht auf
dem Oberschenkel des Patienten. Der
Untersucher fasst nun mit einer Hand
den Oberam und fi xiert diesen, mit der
anderen Hand wird von dorsolateral mit
dem Daumen Druck gegen das Capitulum humeri ausgeübt während die Langfinger von ventral eine Supinationsbewegung des proximalen Unterarms ausführen (Abb. 2c) [4]
Spezifische Tests bei
Epikondylopathien
Abb. 3: Bei Verdacht auf eine Epicondylitis humeri radialis provozieren der
Cozen- (a) und der Maudsley-Test (b)
die typischen Schmerzen, bei einer
möglichen Epicondylitis humeri ulnaris
der umgekehrte Cozen-Test (c).
kann das Schmerzmaximum typischerweise im sogenannten shear angle zwischen 70° und 120° erfasst werden [2]
Beim Milking-Manöver-Test fasst der
Untersucher den ausgestreckten Daumen des Patienten und forciert hierdurch die Supination, während der
Ellenbogen weniger als 90° gebeugt ist
(Abb. 2a). Liegt bei dem Patienten ein
Werfer-Ellenbogen vor, lässt sich durch
36
Epicondylitis humeri radialis
Für die Diagnose einer Epicondylitis humeri radialis ist in der Literatur eine Vielzahl von Tests beschrieben. Es empfiehlt
sich, ein bis zwei Tests als festen Bestandteil des Untersuchungsgangs auszuwählen. Mit allen nachfolgend beschriebenen
Tests lässt sich der typische Schmerz des
Tennisellenbogens provozieren.
Cozen-Test: Am sitzenden Patienten bei
90°-flektierten Ellenbogen und pronierter Hand im Faustschluss legt der Untersucher seine Hand von dorsal auf die
Faust des Patienten und fordert diesen
auf, die Faust gegen Widerstand nach
dorsal zu extendieren (Abb. 3a) [5].
Mittelfinger-Provokationstest (Maudsley-Manöver): Der Patient streckt beide
Arme mit pronierten Händen und ausgestreckten, leicht gespreizten Fingern
nach vorn auf Horizontalebene aus. Nun
extendiert der Patient seine Langfinger
gegen Widerstand der Finger des Untersuchers an den Mittelfingern nach dorsal (Abb. 3b).
Chair-Test: Der stehende Patient wird
aufgefordert, mit ausgestrecktem Arm
und pronierter Hand eine Stuhllehne zu
fassen und den Stuhl so anzuheben.
Bowden-Test: Der Patient soll mit ausgestrecktem Arm und pronierter Hand
eine auf 30 mmHg aufgeblasene Blutdruckmanschette zusammenpressen.
Mill-Test: Der stehende Patient hält den
Ellenbogen gebeugt, den Unterarm
leicht proniert und im Handgelenk dorsalextendiert, während der Untersucher
mit der einen Hand den Ellenbogen, mit
der anderen den Unterarm fasst. Der Patient wird aufgefordert, den Unterarm
gegen den Widerstand des Untersuchers
zu supinieren.
Thompson-Test: Der stehende Patient
hält den Arm gestreckt und ballt die
Faust in leichter Dorsalextension. Der
Untersucher fi xiert von dorsal das Handgelenk und umfasst mit der anderen
Hand die Faust des Patienten. Der Patient soll nun die Faust gegen den Widerstand des Untersuchers weiter nach dorsal extendieren.
Epicondylitis humeri ulnaris
Durch die nachfolgend beschriebenen
Provokationstests lässt sich der typische
Schmerz des Golferellenbogens auslösen.
Umgekehrter Cozen-Test: Der sitzende
Patient schließt bei 90°-flektiertem Ellenbogen und supinierter Hand die
Faust. Der Untersucher legt seine Hand
von volar auf die Faust des Patienten und
fordert diesen auf, die Faust gegen diesen Widerstand zu beugen (Abb. 3c) [6].
Unterarmstrecktest: Der sitzende Patient hält den Ellenbogen gebeugt und den
Unterarm supiniert. Der Untersucher
umfasst das Handgelenk und fordert
den Patienten auf, den Arm gegen den
Widerstand im Ellenbogen zu strecken.
ORTHOPÄDIE & RHEUMA 2014; 17 (4)
4b
© (12) Dr. M. Glanzmann, mit freundlicher Genehmigung
4a
Abb. 4: Palpation der distalen Bizepssehne (a); Prüfung der distalen Bizepssehne mit dem Hook-Test (b)
Resistive Prüfung der Pronation: Da
beim Golferarm zumeist die Flexorenund Pronatoreninsertionen betroffen
sind, lassen sich bei der Prüfung der Pronation gegen Widerstand meist die charakteristischen Beschwerden provozieren.
Der Patient sollte seinen Ellenbogen hierfür in einer 90°-flektierten Stellung halten.
Distale Bizepssehne
Läsionen der distalen Bizepssehne machen sich insbesondere beim Prüfen der
Supinationsfähigkeit bemerkbar. Bei Beschwerden im Bereich der distalen Bizepssehne wird neben einer Druckdolenz der distalen Bizepssehne (Abb. 4a)
im Seitenvergleich die Funktion der Flexion gegen Widerstand und der Supination (bei 90°-flektierten Ellenbogen), jeweils gegen Widerstand, geprüft. Wird
der Ellenbogen 120° flektiert, lassen sich
mithilfe des Supinationstests auch Partialrupturen der distalen Bizepssehne
klinisch objektivieren.
Zur Prüfung des sogenannten LagSign hält der Untersucher die Hände des
Patient zunächst bei 90°-flektierten Ellenbogen in maximaler Supination. Diese Position soll der Patient halten, nachdem der Untersucher seine Hände entORTHOPÄDIE & RHEUMA 2014; 17 (4)
fernt hat. Gelingt dies nicht, gilt das LagZeichen als positiv.
Der Hook-Test ist bei kompletter distaler Bizepssehnenruptur sehr sensitiv:
Der Untersucher versucht, analog eines
Hakens seinen Zeigefinger bei 90°-flektiertem Ellenbogen des Patienten von lateral unter die distale Bizepssehne zu
führen (Abb. 4b) [7].
Schwäche des Musculus adductor pollicis zu einer Flexion im Interphalangealgelenk des Daumens, ist das FromentZeichen positiv.
Der Ellenbogenbeugetest gilt als positiv, wenn maximale Beugung des Ellenbogens über 60 Sekunden bei flektiertem
Handgelenk beim Patienten zu Schmerzen führt.
Nervenläsionen
Neben der Prüfung etwaiger motorischer und sensibler Ausfälle können bei
Verdacht auf Nervenläsionen noch weitere Untersuchungen orientierend
durchgeführt werden.
Nervus radialis
Der stehende Patient hält den Ellenbogen in 90° flektiert, während eine Hand
des Untersuchers radial des Musculus
extensor carpi radialis longus palpiert
und der Patient nun Umwendbewegungen gegen Widerstand durchführt. Wird
der Schmerz hierdurch verstärkt, sollte
eine Supinatorlogen-Kompressionssyndrom ausgeschlossen werden.
Nervus ulnaris
Außer der beschriebenen vorsichtigen
Palpation des Nerven im Sulcus ulnaris
kann bei Flexion des Ellenbogens eine
Subluxationstendenz des Nerven dokumentiert werden.
Das Tinel-Zeichen gilt als positiv,
wenn vorsichtiges Beklopfen des Nerven
schmerzhaft ist. Beim Froment-Zeichen
hält der Patient ein Blatt Papier im Spitzgriff zwischen Daumen und Zeigefinger
und der Untersucher versucht das Papier
herauszuziehen. Kommt es durch eine
Literatur unter www.springermedizin.de/
orthopaedie-und-rheuma
Dr. med. Stephanie Franke
Fachärztin für Orthopädie und
Unfallchirurgie
Arcus Sportklinik
Rastatter Str. 17–19
75179 Pforzheim
E-Mail: [email protected]
37
Literatur
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disorders. 4th edition, 2009, Saunders
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