Stammzellen-Debatten - Stiftung Risiko

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DIENSTAG, 11. MÄRZ 2003
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TAGBLATT 25
Guten Morgen, Afrika
Der 28. Februar 2002 war ein ganz normaler Tag. Normal wäre er auch für Afrika gewesen, hätten sich nicht
95 Fotojournalisten aus aller Welt auf den Weg gemacht
in alle möglichen Ecken dieses riesigen Kontinents.
Thema Hadebe aus Sambia zum Beispiel hat die sechsjährige Kazungu Kautingu besucht, die sich gerade verschlafen in der Küchentür rekelt. Im schönen Bildband
«Ein Tag im Leben von Afrika», dessen Erlös dem «Africa Aids Education Fund» zugute kommt, wird eines
deutlich: Afrika ist auch ein Kontinent voller fröhlicher
junger Menschen. (R.A.)
Ein Tag im Leben von Afrika, Geo im Verlag Gruner + Jahr
Hamburg 2002, Fr.80.-
Stammzellen-Debatten
Gleiche Fragen, andere Antworten: die Fälle Deutschland und England
Spät erst diskutiert das
Schweizer Parlament über
Stammzellen und Embryonenschutz. Deutschland
und England haben die
Materie geregelt – auf ganz
unterschiedliche Weise.
ROLF APP
«Die Debatte war unglaublich intensiv», sagt Wolf-Michael Catenhusen. Als Parlamentarischer
Staatssekretär beim Bundesministerium für Bildung und
Forschung hat er in seinem Land
jene Diskussionen hautnah mitverfolgt, die der Schweiz erst bevorstehen. Mit dem Embryonenforschungsgesetz muss sich am
Mittwoch zum ersten Mal das
schweizerische Parlament der
Frage stellen, ob und wie weit es
Embryonen der Forschung an
Stammzellen zur Verfügung stellen will.
Die unauffällige Schweiz
«Das Auffällige an der schweizerischen Debatte um menschliche embryonale Stammzellen ist
ihre Unauffälligkeit», stellt Bärbel
Hüsing vom Fraunhofer-Institut
für Systemtechnik und Innovationsforschung fest. Sie hat für
das Zentrum für Technologiefolgen-Abschätzung einen Bericht
über «Menschliche Stammzellen» verfasst, in dem sie auch die
gesellschaftliche Debatte und die
Gesetzgebung in anderen Ländern behandelt.
An einer Tagung der Stiftung
Risiko-Dialog betrachtet sie zusammen mit Wolf-Michael Catenhusen und Josephine Craig
von der Londoner Royal Society
die Schweizer Diskussion von
aussen und vergleicht sie mit
dem, was in England und
Deutschland die Öffentlichkeit
beschäftigt hat. Bärbel Hüsing
gesteht zwar ein, dass die Debatte hierzulande «durchaus heftig»
verlaufen sei. Sie habe aber spät
eingesetzt und bisher kaum breitere Resonanz gefunden.
Embryonale
Stammzellen
werfen überall die selben Fragen
auf: Wann beginnt Leben? Wie
sehr muss der frühe Embryo ge-
schützt werden? Darf man so genannte «überzählige» Embryonen der Forschung opfern? Soll
überdies therapeutisches Klonen
– mit dessen Hilfe solche Stammzellen vermehrt werden können
– erlaubt werden? Doch diese
Fragen werden überall anders
diskutiert und oft auch anders
beantwortet. Wobei Deutschland
und England in gewissem Sinne
die Gegenpole markieren – aus
historisch-kulturellen Gründen,
wie sich an der Tagung zeigte.
Sensibles Deutschland
Die deutsche Öffentlichkeit
reagiert, mit der menschenverachtenden Nazidiktatur im Hinterkopf, sehr sensibel auf alle Fragen des Lebensschutzes. Gegen
den Widerstand von Wissenschaft und Ärzteschaft hat das
deutsche Parlament bereits 1990
das Embryonenschutzgesetz erlassen. Es geht davon aus, dass
menschliches Leben mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle beginnt und geschützt werden muss. Stammzellen werden
befruchteten Eizellen gleichgestellt. Die Schaffung menschlichen Lebens soll auch in Zukunft
strikt an die Zielsetzung gebunden sein, ein Kind zu bekommen.
Die Herstellung von Embryonen
zu Forschungszwecken ist deshalb verboten – nicht aber der
Import von Stammzellen.
Gerade Letzteres löste im August 2000 eine intensive Debatte
aus. Ein deutscher Mediziner
wollte Stammzellen importieren
und ersuchte die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) um
Unterstützung des Projekts. Zusammen mit der DFG lancierten
nun eine Enquete-Kommission
des deutschen Bundestags und
der von Bundeskanzler Schröder
geschaffene «Nationale Ethikrat»
die Diskussion, wobei sie in allen
wichtigen Fragen unterschiedliche Positionen vertraten.
Fronten quer durch Parteien
Auch im Parlament gingen die
Fronten quer durch die Parteien.
Ende Januar 2001 gab der Bundestag mit knapper Mehrheit den
Weg für den Import embryonaler
Stammzellen zwar frei, aber er
verband damit restriktive Anforderungen.
«Das Stammzellgesetz trägt
die Züge eines pragmatischen
Kompromisses», zieht Wolf-
Stammzellen: Umstrittene Hoffnungsträger der Medizin.
Michael Catenhusen Bilanz. «Änderungen
des
Embryonenschutzgesetzes waren nicht gewollt, aber auch nicht durchsetzbar. Die Wissenschaftsorganisationen haben die öffentliche De-
WÖRTLICH
Zwei Wünsche an die Wissenschaftler
Für die Debatte über embryonale
Stammzellen wünsche ich mir
von der Wissenschaft, dass Interessenskonflikte deutlicher offen
gelegt werden. Es sollte klarer
werden, wann der neutrale Experte spricht und wann der Wissenschaftler mit Eigeninteressen.
Es soll auch Transparenz geschaffen werden, auf welche Werte
und Prinzipien sich jemand stützt.
Ich würde mir auch wünschen,
dass die Wissenschaftler nicht nur
technische Fragen beantworten
wie: Was können embryonale
Stammzellen? oder: Wie kann
man daraus Therapien entwickeln? Sie sollten auch bestimmte Vorbehalte der Gesellschaft aufnehmen und sie weiterdenken.
Bärbel Hüsing, Verfasserin einer
Stammzellen-Studie
batte nicht dominiert. Und anders als in Grossbritannien oder
in den USA machten in Deutschland Patienten-Selbsthilfegruppen keine mächtige Pro-Forschungs-Lobby.»
Das letzte Kapitel hat der Bundestag vor wenigen Tagen geschrieben. Er hat die Regierung
aufgefordert, sie solle sich für ein
weltweites Verbot jeglichen Klonens einsetzen. Auch das therapeutische Klonen ware damit untersagt. Einzig die kleine FDP
stimmte gegen den Beschluss.
Vom Utilitarismus geprägt
Einen ganz anderen Verlauf
hat die Debatte in Grossbritannien genommen. «Die angelsächsische Moralauffassung ist stark
vom Utilitarismus geprägt», stellt
Bärbel Hüsing in ihrem Bericht
fest. «Diese moralphilosophische
Position orientiert sich bei der
Beurteilung von wissenschaftlichen Handlungen am grösstmöglichen Nutzen für die Allgemeinheit.» Ausserdem sei das
britische Rechtssystem so ausgestaltet, dass es menschlichem Leben erst ab der Einnistung des
Embryos in die Gebärmutter einen besonderen Schutz gewährt.
Dennoch ist die Gesetzgebung
begleitet gewesen von intensiven
Debatten. In ihnen hat die Royal
Society, die älteste englische Wissenschaftsakademie, eine prägende Rolle gespielt. Schon 1990
hat der «Human Fertilisation and
Embryology Act» Forschung an
menschlichen Embryonen bis
zum 14.Tag zugelassen, wenn sie
Ziele verfolgt wie die Erforschung
von Unfruchtbarkeit, von Erbkrankheiten und von Fehlentwicklungen des Embryos. Vor
zwei Jahren wurde dieser Katalog
dann erweitert um die Erforschung schwerer Krankheiten.
Jung, fit und schlank
zu einem hohen Preis
Nahrungsergänzungsmittel
wie Guarana, Johanniskraut
und Melatonin sind beliebt.
Doch sie sind nicht harmlos.
Manche der hochwirksamen
Stoffe können zu schweren
Gesundheitsschäden führen.
PAOLA CAREGA
Nahrungsergänzungsmittel wie
Melatonin, Ginseng oder Guarana sollen das Immunsystem mobilisieren, vital, schlank und leistungsfähig machen, die sexuelle
Potenz steigern, den Alterungsprozess verzögern, bei Schlaflosigkeit und Jetlag helfen. In den
USA sind die «Wunderdrogen» in
der Form von Pillen, Drinks und
Riegeln in jedem Supermarkt erhältlich. Auch in Europa und der
Schweiz wächst die Nachfrage.
Und was nicht über den Ladentisch erhältlich ist, lässt sich problemlos übers Internet bestellen.
Beunruhigende Auswertung
Wer solche Produkte länger
konsumiert, kann seine Gesundheit jedoch ernsthaft schädigen.
So kann es nach Einnahme von
Kava Kava, das angstlösend und
entspannend wirken soll, zu
schweren Leberentzündungen
und Leberschäden kommen. Anlass zur Sorge gibt auch eine
jüngst publizierte Studie. Ein internationales Wissenschaftlerteam wertete über 2000 Anrufe
aus, die im Laufe eines Jahres bei
elf Giftnotruf-Zentralen in den
USA eingegangen waren. In fast
einem Viertel der Fälle konnten
sie die Beschwerden der Anrufer
mit mindestens 50-prozentiger
Sicherheit auf Nahrungsergänzungsmittel zurückführen.
In jedem dritten Fall kam es zu
gesundheitsschädigenden bis lebensbedrohlichen Folgen. Die
meisten Probleme verursachten
der ephedrinhaltige Appetitzügler «Ma Huang», der Muntermacher «Guarana» sowie Ginseng,
Johanniskraut, Chrom und Zink.
Rechtliche Grauzone
Die Wissenschaftler fordern
nun strengere Sicherheitsvorschriften für Herstellung und
Gebrauch von Nahrungsergänzungsmitteln, so wie sie für rezeptpflichtige Medikamente gelten. Die meisten der Produkte
sind nicht Arznei-, sondern Lebensmittel und müssen weder
auf Unbedenklichkeit noch auf
Wirksamkeit geprüft werden.
In der Schweiz gelten Nahrungsergänzungsmittel entweder als «Speziallebensmittel» –
dazu gehören das altbekannte
Ovomaltine oder koffeinhaltige
Energydrinks – oder sie fallen unter das Heilmittelgesetz. Letzteres ist der Fall, wenn ein pharmakologischer Effekt nachweisbar
ist, zum Beispiel bei Ginseng, Guarana und Johanniskraut. Pillen
und Wässerchen mit diesen Zusätzen sind nicht frei verkäuflich.
Eilgesetz gegen das Klonen
Weil beim Klonen nicht Eiund Samenzelle miteinander
verschmolzen werden, ist es in
Grossbritannien erlaubt. Um wenigstens das verpönte reproduktive Klonen – die Erzeugung von
eigentlichem Nachwuchs – zu
verbieten, musste deshalb vom
Parlament eigens ein Eilgesetz
verabschiedet werden.
Bild: Ky/Chung Jung-Sun
Ginseng kann gesundheitliche Probleme bereiten.
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