4.5 Integralsatz von Stokes Voraussetzungen: Wir betrachten ein Gebiet G in der Parameterebene (u, v), das von einer stückweise glatten geschlossenen Jordan-Kurve γ = ∂G begrenzt wird (G hat also keine Löcher). Sei ϕ(τ ) = (u(τ ), v(τ )), 0 ≤ τ ≤ |γ| eine Parametrisierung von γ mit der Bogenlänge, welche eine positive Orientierung von γ erzeugt. Auf einer offenen Umgebung U des Abschlusses Ḡ sei φ = (φx , φy , φz ) : U → R3 eine stetige Abbildung derart, dass φ(U ) eine offene Fläche in R3 ist. Wir betrachten die abgeschlossene Fläche Γ := φ(Ḡ). Der Rand ∂Γ ist dann eine geschlossene, stückweise glatte Jordan-Kurve C = ∂Γ mit der Parametrisierung x = ψ(τ ) := φ(ϕ(τ )), 0 ≤ τ ≤ |γ|. Satz 4.33 (Stokes’scher Integralsatz) Für eine abgeschlossene Fläche Γ ⊂ R3 mit zweimal stetig differenzierbarer Parametrisierung φ : Ḡ → R3 sollen die obigen Voraussetzungen gelten. Für ein auf einer offenen Umgebung V von Γ stetig differenzierbares Vektorfeld f : V → R3 gilt dann Z Z f (x(s))ds (∇ × f (x(s))) · n(x(s))ds = ∂Γ Γ bzw. Z Z (∇ × f )(φ(u, v))(∂u φ × ∂v φ)(u, v)d(u, v) = G |γ| f (ψ(τ ))ψ 0 (τ )dτ. 0 Beispiel (Anwendung): Auf einem Gebiet G ⊂ R3 sei ein Vektorfeld v : G → R3 gegeben (zum Beispiel ein Magnetfeld). Die Größe Z v(x) · n(x)ds Fv (Γ) := Γ bezeichnet man als den Fluss des Feldes R durch die Fläche und das Wegintegral entlang der geschlossenen Jordan-Kurve γ ⊂ G, Zv (γ) := γ v(x(s)) · ds, als Zirkulation des Feldes längs der Kurve. Der Intergralsatz von Stokes besagt dann: Die Zirkulation des Feldes v entlang einer geschlossenen Kurve ist gleich dem Fluss durch die in der Kurve eingespannte Fläche. • Sei v ein Kraftfeld. Die Zirkulation bedeutet eine Arbeit angewendet bei der Verschiebung eines Massenpunktes entlang der Kurve. Ist das Feld rotationsfrei (konservativ), so ist diese Arbeit Null. • Beispiel aus der Elektrodynamik: Sei E = E(x, t) die Stärke eines elektrischen Felds, H = H(x, t) die magnetische Feldstärke. Dann gilt: Z µd E(x, t)dτ = − c dt γ Z H(x, t) · n(x)ds (Induktionsgleichung). Γ Mit dem Stokes-Integralsatz folgt hieraus Z Z µd (∇ × E(x, t)) · n(x)ds = − H(x, t) · n(x)ds. c dt Γ Γ Da diese Gleichung für jede reguläre Fläche Γ ⊂ G gelten soll, folgt die punktweise Beziehung mit der Rotation des Feldes µ dH (x, t) x ∈ G, t ≥ 0. c dt Dies wird manchmal als 2. Hauptgleichung der Elektrodynamik bezeichnet. Es ist µ die magnetische Permeabilität und c die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum. ∇ × E(x, t) = − 1