- Marco Steinacher

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Medieninformation
3. Juli 2013
Die Begrenzung der Klimaerwärmung genügt nicht
Bisher beschränken sich die internationalen Klimaziele darauf, den Temperaturanstieg zu
begrenzen. Sollen aber auch der Anstieg des Meeresspiegels, die Versauerung der Ozeane und
der landwirtschaftliche Ertragsausfall eingedämmt werden, müssen die CO 2-Emissionen noch
stärker sinken. Dies zeigt eine in «Nature» publizierte Studie der Universität Bern.
Das grosse Ziel der internationalen Klimapolitik besteht darin, eine gefährliche Beeinflussung des
Klimasystems durch den Menschen zu verhindern. Dazu sollen die Treibhausgase auf einem für
Mensch und Umwelt verträglichen Niveau stabilisiert werden. Dieses Klimaziel wird gewöhnlich mit
einer Zunahme der globalen Mitteltemperatur um höchstens zwei Grad seit Beginn der
Industrialisierung konkretisiert. Eine Stossrichtung, die von der Mehrheit der Regierungen der Welt
anerkannt wird.
Nun aber zeigt eine Studie von Berner Klimaforschern, dass die Fokussierung auf die
Temperaturzunahme allein keineswegs ausreicht, um das grosse, übergeordnete Ziel – den Schutz
des Klimasystems vor gefährlicher Beeinflussung durch den Menschen – zu erreichen. Denn: Das
Klimasystem umfasst laut Rahmenabkommen der Vereinten Nationen von 1992 die «Ganzheit der
Atmosphäre, der Hydrosphäre, der Biosphäre, Geosphäre und deren Interaktionen». Zudem verlangt
das Rahmenabkommen ebenfalls die Nachhaltigkeit von Ökosystemen und der
Nahrungsmittelproduktion. All dies lässt sich kaum durch das Zwei Grad-Ziel allein realisieren.
Daher schlagen Dr. Marco Steinacher, Prof. Fortunat Joos und Prof. Thomas Stocker in ihrer soeben
in der Fachzeitschrift «Nature» publizierten Arbeit eine Kombination von sechs verschiedenen
spezifischen globalen und regionalen Klimazielen vor (Abb. 1). Denn, so schreiben sie, ein globales
Temperaturziel sei «weder genügend noch geeignet», um weitere für Bevölkerung und
Ökosystemleistungen ebenfalls relevante Schäden zu vermeiden. Dazu gehören insbesondere: der
Anstieg des Meeresspiegels, die Versauerung der Ozeane, welche unter anderem die Korallenriffe
bedroht, und die landwirtschaftlichen Ertragsausfälle.
Realistische Entwicklungspfade
Hauptverantwortlich für diese Umweltveränderungen ist der Ausstoss des Treibhausgases CO 2,
welches bei der Verbrennung von fossilen Energieträgern entsteht. In Modellberechnungen zeigen die
Forscher nun, welche CO2-Emissionen gerade noch zulässig wären, um die vorgeschlagenen
differenzierten Ziele zu erreichen. Grundlage der Berechnungen ist eine breite Palette von
Treibhausgas-Szenarien, die auf realistischen wirtschaftlichen Entwicklungspfaden aufbauen. «Wir
können nun zeigen, welcher totale CO2-Ausstoss in den kommenden Jahrzehnten tragbar wäre, um
jedes einzelne der zusätzlichen Klimaziele – etwa gleich bleibende Produktion der Landwirtschaft und
Stabilisierung der Ozeane – zu erreichen», sagt Marco Steinacher, der Hauptautor der Studie. Und die
Forscher stellen die entscheidende Frage, was geschehen müsste, damit keines der Klimaziele
verfehlt würde. Ihre unmissverständliche Antwort: Die CO 2-Emissionen müssen noch deutlich weiter
gesenkt werden als dies das zwei Grad-Ziel vorsieht (Abb. 2). «Wenn wir alle Ziele zusammen
berücksichtigen, muss der CO2-Ausstoss doppelt so stark reduziert werden wie wenn wir einzig das
Zwei Grad-Ziel erreichen wollen», so Steinacher.
Als besonders anspruchsvoll hat sich in den Simulationen die Vorgabe herausgestellt, die
Versauerung der Ozeane zu stoppen. Dazu muss vor allem der CO2-Ausstoss massiv reduziert
werden.
Wichtige Grundlagen für die Politik
Die drei Forscher, alles Mitglieder des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung der Universität Bern,
empfehlen, weitere Studien dieser Art durchzuführen. Dazu sollten jedoch von Politik und Gesellschaft
weitere relevante Klimaziele festgelegt werden. «Welche Umweltveränderungen wir noch akzeptieren
wollen, und welche Risiken wir bereit sind einzugehen, ist schlussendlich eine gesellschaftliche und
politische Frage. Der ständig steigende CO2-Ausstoss verringert aber unseren Handlungsspielraum
zunehmend», sagt Fortunat Joos. Für politische Entscheidungsträger, so betonen die Klimaphysiker,
sei es wichtig, dass unterschiedliche Klimaziele auf quantitative Weise mit den vom Menschen
verursachten Treibhausgasen verknüpft würden.
In Zukunft, so die Studie, werde sich auch das Erreichen von Klimazielen simulieren lassen, die
stärker auf die Folgen des Klimawandels ausgerichtet sind. Zum Beispiel Extremereignisse wie
Hochwasser und Hitzewellen. Doch noch ist die Computerleistung für den Betrieb von komplexen
Erdsystemmodellen nicht vorhanden, die für solche Simulationen notwendig ist.
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Aufwändige Rechenarbeit
Ermöglicht wurde die Studie durch die Anwendung des an der Universität Bern entwickelten
Erdsystemmodells «Bern3D-LPJ». Das Modell ist in der Lage, eine Vielzahl von wichtigen
physikalischen und biogeochemischen Prozessen zu simulieren und dabei auch Aussagen über deren
regionale Entwicklungen zu machen. Diese Angaben sind für das Formulieren vieler zusätzlicher
Klimaziele erforderlich – zum Beispiel das Verhindern einer Versauerung der Ozeane in den Tropen.
Das Berner Modell ist so effizient, dass die für die Studie nötigen rund 65'000 Simulationen in wenigen
Wochen gerechnet werden konnten – und es erlaubt auch, abzuschätzen, mit welchen
Wahrscheinlichkeiten die Klimaziele erfüllt werden können. Dies ist mit den meisten anderen derzeit
existierenden Erdsystemmodellen nicht möglich.
Bildlegende
Abbildung 1:
Der vom Menschen verursachte Anstieg der Treibhausgase beeinflusst Klima- und Ökosysteme in
vielfältiger Weise und die Auswirkungen sind regional unterschiedlich. Aus diesem Grund sind mehrere Klimaziele nötig, um eine gefährliche Beeinflussung des Klimasystems und damit negative gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen zu verhindern. Mit den sechs Klimazielen, welche die
Berner Klimaforscher in ihrer Studie vorschlagen, sollen verschiedene Umweltveränderungen begrenzt werden, die negative Auswirkungen für Menschen und Ökosysteme an Land und im Ozean haben können.
Abbildung 2:
Die maximale Menge von CO2, welche bis zum Ende dieses Jahrhunderts durch das Verbrennen von
fossilen Energieträgen noch ausgestossen werden darf, um die Klimaziele zu erreichen. Damit alle
sechs Klimaziele (s. Abb. 1) gemeinsam erreicht werden können, müssen die Emissionen viel stärker
gesenkt werden, als wenn nur die globale Erwärmung auf 2°C Grad beschränkt werden soll. Der
graue Teil der Balken zeigt die Menge CO2, welche in der Vergangenheit bereits ausgestossen wurde
und der rote Teil zeigt die noch zulässigen Emissionen bis zum Jahr 2100 für die entsprechenden Ziele. Grau-rot eingezeichnet sind die erwarteten Emissionen in diesem Jahrzehnt unter der Annahme
von 1.8% Anstieg pro Jahr. Die Unsicherheiten, welche durch unterschiedliche Annahmen über den
zukünftigen Ausstoss von anderen Substanzen als CO 2 entstehen, sind mit den horizontalen Linien
angegeben.
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Angaben zur Publikation:
Marco Steinacher, Fortunat Joos, Thomas F. Stocker: Allowable carbon emissions lowered by multiple
climate targets. Nature, advance online publication, 3 July 2013, doi:10.1038/nature12269.
Weitere Auskunft:
Dr. Marco Steinacher, [email protected], Tel. +41 31 631 34 02
Prof. Fortunat Joos, [email protected], Tel. +41 31 631 44 61
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