Freiheit unter Wasser aber nicht um jeden Preis! Die Sommerzeit und der Herbst sind verstärkt die Zeit der Hobby-Taucher. Doch bevor es ins kühle Nass geht, muss unbedingt der Gesundheitszustand gecheckt werden. Sporttaucher über 40 Lebensjahren sollten sich grundsätzlich jedes Jahr medizinisch untersuchen lassen. Unter 40 Jahren ist eine Untersuchung alle zwei Jahre ausreichend, sofern keine aktuelle Erkrankung besteht. Auf den meisten Tauchbasen im In- und Ausland werden, um überhaupt am Tauchbetrieb teilnehmen zu können, Gesundheitsunterlagen verlangt. Denn es gibt auch gesundheitliche Gründe, die das Tauchen grundsätzlich unmöglich machen. Drei Tauchphasen Tauchunfälle beruhen im Wesentlichen auf Veränderungen des auf den Organismus einwirkenden Umgebungsdruckes. Man unterscheidet die Kompressionsphase (das Abtauchen), die Isobare Phase (das Verweilen in einer konstanten Wassertiefe) und die Dekompressionsphase (das Auftauchen). Jede Phase birgt besondere gesundheitliche Risiken. Abtauchen Der Mensch ist an einen absoluten Umgebungsdruck von etwa 1 bar gewöhnt. Beim Tauchen kommt es zu einer Überdruckexposition. Der hydrostatische Umgebungsdruck nimmt pro zehn Metern Wassertiefe um genau 1 bar zu. In zehn Metern Tiefe ist der Körper also schon dem doppelten Druck ausgesetzt (2 bar). Eine Atmung aus einer Pressluftflasche ist in der Tiefe nur möglich, wenn über einen Lungenautomaten (Atemdruckregler) der Druck der Atemluft dem Umgebungsdruck angepasst wird. Je tiefer der Tauchgang, je höher also der Außendruck, desto größer wird auch der Druck des eingeatmeten Atemgasgemisches. Die gasgefüllten Körperhohlräume gleichen so ihren inneren Druck dem hydrostatischen Außendruck an - aktiv, über den Druckausgleich, oder passiv, über die Gasdiffusion. Stehen dem Druckausgleich Hindernisse entgegen, entstehen Barotraumen. Betroffen sind die Nasennebenhöhlen, das Mittel- und die Innenohren, die äußeren Gehörgänge, die Augen und die Lunge. In konstanter Tiefe In der Tiefe atmet der Taucher kontinuierlich Atemgase unter erhöhtem Druck ein. Die Löslichkeit der Gase im Gewebe ist abhängig von der Gewebeart und steigt mit zunehmendem Druck und mit der Zeit. So können sich unerwünschte Nebenwirkungen entwickeln. Die wohl häufigste ist die Stickstoffwirkung oder der „Tiefenrausch“ durch die Intoxikation mit Stickstoff. Das Auftauchen Mit der Rückkehr zur Wasseroberfläche reduziert sich der hydrostatische Druck. Der Körper muss den relativen Überdruck der Atemgase im Körper wieder abbauen (Dekompressionsphase). Ohne auszuatmen, dehnen sich fünf Liter Atemluft in der Lunge beispielsweise auf dem Weg von zehn Metern Tiefe (2 bar) zur Oberfläche (1 bar) auf zehn Liter Lungenvolumen aus. Damit wäre die Kapazität jeder normalen Lunge überschritten. Es kommt zur Überdehnung des Lungengewebes und gegebenenfalls zum Lungenriss. Die relativ gesehen größte 26 HUMAN 4/04 www.gesundesooe.at Gasausdehnung findet also zwischen 10 und 0 Metern Wassertiefe statt. Deshalb passiert die weitaus häufigste Anzahl an Dekompressions-Unfällen und Barotraumen beim Auftauchen in dieser geringen Tiefe, wenn die Deko-Stopps nicht oder nicht adäquat eingehalten werden und eine ausreichende Atmung nicht erfolgt. Wird den Geweben beim Auftauchen nicht genug Zeit zur Abgabe des Stickstoffs über das Blut in die Lunge gegeben, perlt der Stickstoff aus und führt zur Dekompressionskrankheit. Betroffen sind vor allem Muskeln und Gelenke, die beim Tauchen stark beansprucht werden. Je nach Ausmaß der Dekompressionsfehler beim Auftauchen sind aber auch andere, vor allem Gewebe mit hohem Anteil an Fett, wie Rückenmark oder Gehirn betroffen. Treten Stickstoffblasen in diesen Geweben auf, sind neurologische Symptome, wie Schwindel und Sehstörungen bis hin zu Querschnittssymptomen und im Extremfall der Tod die Folge. Entscheidend für den Druckausgleich beim Aufsteigen ist das Ausatmen. Hält der Taucher beim Auftauchen die Luft an oder atmet nicht ausreichend aus, können Barotraumen entstehen. Tauchtauglichkeit Jede seriöse Tauchschule wird vor dem Tauchgang ein Tauchtauglichkeitszeugnis verlangen. Prinzipiell kann jeder praktische Arzt ein solches Zeugnis ausstellen, es ist jedoch empfehlenswert, einen speziell ausgebildeten Arzt aufzusuchen, da dieser mit der besonderen Problematik der Tauchtauglichkeit vertraut ist. Der Arzt wird dafür die persönliche Krankengeschichte erheben und eine körperliche Untersuchung durchführen. Insbesondere sollten erfolgen: Untersuchung von Nase und Ohren, Herz, Lunge, Rachen, Blutdruck, Fähigkeit zum Druckausgleich (Valsalva) und eine grobe neurologische Prüfung. Ab dem 40. Lebensjahr zusätzlich eine Belastungsprüfung auf dem Ergometer, sowie eine Untersuchung der Lungenfunktion. Fakultativ: EKG (Elektrokardiogramm) Lungenröntgen Lungenfunktionstest Blutentnahme Abklärung eines persistierenden Foramen ovale (offene Verbindung zwischen dem linken und rechten Vorhof des Herzens. Diese tritt bei bis zu 30 % der Bevölkerung auf) durch Herzultraschall Weitere Untersuchungen, die durch eventuell vorhandene Vorerkrankungen notwendig sind Ausschließungsgründe Natürlich gibt es auch eine ganze Reihe an Krankheiten, die mit dem Tauchsport nicht oder nur bedingt vereinbar sind, beispielsweise: Akute Trommelfellrisse Schwere Herzfehler Herzerkrankungen mit Einschränkung der Leistungsfähigkeit Extremer Bluthochdruck Spontane Lungenrisse in der Krankengeschichte (Spontanpneumothorax) Zustand nach lungenchirurgischen Eingriffen Sonstige schwere Lungenerkrankungen Bestehender Schwindel Epilepsie Zustand nach schweren Tauchunfällen mit neurologischen Defektzuständen Zustand nach einem Schlaganfall Psychische Störungen, wie etwa Psychosen, Persönlichkeitsstörungen, Angstzustände und Suchtkrankheiten Bei Magen-Darm-Infekten und Erkältungen ist vom Tauchen abzuraten. Derartige Beeinträchtigungen bergen gesundheitliche Risiken, da der Körper bei dieser Sportart viel Flüssigkeit verliert und einem permanenten Kältereiz ausgesetzt ist. Ebenfalls tabu sein sollten Tauchgänge nach dem Konsum von Alkohol oder der Einnahme von Medikamenten, sowie dem Genuss von blähenden Speisen (Barotrauma des Darmes). Es gibt viele Arzneimittel, deren Wirkung EXPERTENTIPP Dr. Tassilo Trubrig, Facharzt für Med.-Chem. Labordiagnostik Eine Flugreise nach einem Tauchgang sollte aufgrund des im Flugzeug herrschenden niedrigen Umgebungsdruckes (meist deutlich unter 1 bar) nach einer Oberflächenpause von mindestens zwölf, besser 24 Stunden angetreten werden, da es durch den niedrigen Druck auch im Flugzeug noch zu einer DekopressionsSymptomatik kommen kann, bedingt durch den noch nicht abgeatmeten Stickstoff. für das Tauchen als gefährlich einzustufen ist: Schlaf- und Beruhigungsmittel Antidepressiva Aufputschmittel Halluzinogene Bei der Verwendung von Herz-KreislaufMitteln, antiallergischen Medikamenten, abschwellenden Nasentropfen sowie Präparaten gegen Reisekrankheit sollte mit dem Arzt über die Verträglichkeit beim Tauchen gesprochen werden. Die viel diskutierten Themen Asthma bronchiale und Zuckerkrankheit sind keine unbedingten Ausschlussgründe, die Patienten müssen allerdings von ihrem Arzt medikamentös gut eingestellt sein und über ihre speziellen Risiken (z. B. Unterzuckerung während eines Tauchgangs) genau Bescheid wissen. Bei geeigneter Ausrüstung, der Beachtung der Tauchregeln und einer adäquaten gesundheitlichen Eignung sollte dem ungetrübten Genuss eines Tauchganges nichts im Wege stehen. Mag. Romi Gundendorfer 4/04 HUMAN 27