Autolab ahoi! Auf den Forschungsschiffen des Königlichen Niederländischen Instituts für Meeresforschung kommen Geräte von Metrohm und Metrohm Autolab zum Einsatz und helfen den Wissenschaftlern dabei, auch unter schwierigen Bedingungen die Geheimnisse des Ozeans zu lüften. 20 Kundenapplikation Gut vier Kilometer nördlich des niederländischen Hafens Den Helder liegt im Wattenmeer die Insel Texel. Die grösste der Westfriesischen Inseln ist vor allem wegen ihrer landschaftlichen Vielfalt und Schönheit beliebt. Im Süden der Insel befindet sich der Hauptsitz des Königlichen Niederländischen Instituts für Meeresforschung (Koninklijk Nederlands Instituut voor Onderzoek der Zee, kurz NIOZ). Hier arbeiten insgesamt mehr als 330 Forscher, Laboranten, technische Assistenten, Besatzungsmitglieder der Forschungsschiffe und Hilfskräfte. Am Ursprung des marinen Lebens Eine der NIOZ-Wissenschaftlerinnen ist Dr. Loes Gerringa. In der Forschungseinheit «Biologische Ozeanographie» erforscht sie die Chemie von Eisen, insbesondere dessen Verfügbarkeit für Phytoplankton. Diese ist von der Form abhängig, in der das Metall im Meerwasser vorliegt. Eisen ist der limitierende Faktor für das Wachstum von Phytoplankton. Damit hat seine Bioverfügbarkeit – speziell für Phytoplankton – einen wichtigen Einfluss auf die Nahrungsversorgung der marinen Fauna: Phytoplankton steht am Anfang der Nahrungskette und ist somit primäre Nährstoffquelle vieler Meereslebewesen. INFORMATION | 1 | 2014 21 Neben Labors in den Gebäuden des NIOZ besitzt das Forschungszentrum mehrere Forschungsschiffe. Das Flaggschiff ist die 1991 gebaute RV Pelagia, die sich dank ihrer Wandlungsfähigkeit für die Forschung in verschiedensten Einsatzgebieten eignet – sowohl in Küstenregionen als auch auf offener See. Bis zu 14 Wissenschaftler haben an Bord Platz. Hier sammelt auch Gerringa ihre Messdaten: Mithilfe von rahmenmontierten Probennahmeflaschen und Kranzwasserschöpfern (Abbildung 1) entnehmen die niederländische Forscherin und ihre Kollegen Meerwasserproben aus verschiedenen Tiefen, die sie dann im schiffseigenen Labor untersuchen. Der Chemie des Eisens auf der Spur Eisen ist als Spurenelement an vielen enzymatischen Prozessen beteiligt. Seine biologische Verfügbarkeit hängt davon ab, in welchen Verbindungen und Oxidationsstufen es im Meerwasser vorliegt. Diese sogenannte Speziation von Eisen ist extrem komplex und wirft daher viele Fragen auf. Im Rahmen des internationalen Biogeochemie-Forschungsprogramms «GEOTRACES» suchen Gerringa und ihr Kollege Dr. CharlesEdouard Thuroczy nach Antworten auf diese Fragen. Die Ergebnisse dreier Forschungsfahrten auf arktischen und antarktischen Gewässern haben sie nun zusammengetragen. Diese Daten lassen, abhängig von Tiefe und geografischer Lage, Muster in der Verbreitung organischer eisenbindender Liganden erkennen. Details sind in Peer-Review-Fachzeitschriften nachzulesen1–4. Abbildung 1. Mit rahmenmontierten Probennahmeflaschen (links) und Kranzwasserschöpfern (rechts) gewinnt das Forscherteam Meerwasserproben. Eisen ist als Spurenelement an vielen enzymatischen Prozessen beteiligt. Fe added: 0 nmol/L Natural ligands binding Fe(III) Fe added: 0.5 nmol/L Fe(III) Abbildung 3. Schematische Darstellung des kompetitiven Ligandenaustauschs 22 Kundenapplikation Wettbewerb ums Eisen Die Daten gewann das Team um Gerringa mithilfe elektroanalytischer Messungen, genauer gesagt mithilfe der adsorptiven Stripping-Voltammetrie mit kompetitivem Ligandenaustausch (competing ligand exchange-adsorptive stripping voltammetry, kurz CLE-AdSV)5. Hierfür wird den Proben 2-(2-Thiazolylazo)-p-cresol (TAC; Abbildung 2A) als kompetitiver Ligand hinzugefügt. Das TAC, das mit Eisen stabile Komplexe bildet (Abbildung 2B), konkurriert mit den im Meerwasser vorhandenen Liganden; es stellt sich also ein Gleichgewicht ein zwischen TAC-gebundenem und anderweitig gebundenem Eisen (Abbildung 3). Jede Probe wird gemäss dem Standardadditionsverfahren mit unterschiedlichen Eisenmengen versetzt und dann voltammetrisch analysiert. Beispieldaten aus einer solchen Bestimmung sind in Abbildung 4 zu sehen. In der CLE-AdSV werden die Eisen-TAC-Komplexe mittels Elektrolyse an der Quecksilbertropfelektrode angereichert. Anschliessend werden sie durch Anlegen einer Spannung umgekehrten Vorzeichens am Quecksilbertropfen reduziert. Der Strom, der dabei fliesst, ist proportional zur Komplexkonzentration in der Probe. So lässt sich aus den Messdaten bei verschiedenen Eisenkonzentrationen schliesslich die Speziation errechnen. Abbildung 4. Voltammetrische Bestimmung von Eisen nach dem Standardadditionsverfahren. Bei verschiedenen Eisenkonzentrationen wurden anodische Stripping-Voltammogramme aufgenommen. Die Peakhöhe ist proportional zur Konzentration. Aus einer solchen Messreihe lässt sich mittels linearer Regression die ursprüngliche Eisenkonzentration in der Probe errechnen. A Fe added: 1 nmol/L Fe added: 6 nmol/L B Competing ligand (TAC), 10 µM Abbildung 2. A 2-(2-Thiazolylazo)-p-cresol (TAC); B Komplex aus zwei TAC-Molekülen und Fe3+ INFORMATION | 1 | 2014 23 Abbildung 5. Der Messaufbau zur voltammetrischen Bestimmung der Eisenspeziation Gerringa und ihre Kollegen verwenden für ihre Messungen Potentiostaten von Metrohm Autolab (µAutolab Typ II und Typ III), die über eine Schnittstelle für Metrohm-Elektroden (IME663) an einen 663 VA Stand gekoppelt sind. Um einen höheren Probendurchsatz zu erzielen, haben sie die Autolab-Geräte zudem mit 778 Sample Processoren ergänzt (Abbildung 5). Damit verbundene Dosinos und externe Pumpen erleichtern dem Team durch vollautomatisiertes Liquid Handling die Arbeit. Noch viel wichtiger ist, dass Liquid Handling eine Kontaminierung der Proben verhindert: Es schliesst unerwünschte Eisenquellen aus, genauso wie die neu angeschaffte Multi-Mode-Elektrode pro, in der keine Metalldrähte verarbeitet sind. Gesteuert werden die Messungen durch das Autolab-Softwarepaket NOVA. 24 Voltammetrie für alle Fälle Je nach Anforderungen der Experimente führen die Wissenschaftler ihre Messungen in den Labors auf Texel, auf der RV Pelagia (Abbildung 6) oder auf anderen Forschungsschiffen durch, zum Beispiel auf der deutschen Polarstern oder der USamerikanischen R.V.I.B. Nathaniel B. Palmer. Die Voltammetrie liefert unter den unterschiedlichen Umgebungsbedingungen stets zuverlässige Ergebnisse. Gerade an Bord eines Schiffs ist es notwendig, dass die Messapparatur einige Grundvoraussetzungen erfüllt – angesichts des knapp bemessenen Platzes ist beispielsweise eine geringe Grösse essenziell. Hier machen sich die Vorzüge der platzsparenden Voltammetrie mit Metrohm- und Autolab-Geräten gegenüber anderen Spurenanalysenverfahren besonders stark bemerkbar. Gleichzeitig ist die Voltammetrie empfindlich und präzise, und lässt sich auch bei hohem Seegang nicht aus der Ruhe bringen. Kundenapplikation Dr. Loes Gerringa leitet das Projekt «Herkunft und Verbleib von Liganden» in der Abteilung Biologische Ozeanographie am Niederländischen Institut für Meeresforschung (NIOZ). Sie studierte Physische Geographie an der Universität von Amsterdam (Niederlande). Mit der Speziation von Spurenmetallen beschäftigt sie sich schon seit ihrer Promotion an der Universität Groningen (Niederlande) und dem NIOZ, die sie 1990 abschloss. Bevor sie 1996 an das NIOZ zurückkehrte, forschte Gerringa sechs Jahre am Niederländischen Institut für Ökologie (NIOO) im Zentrum für Marine Ökologie. Abbildung 6. Dr. Loes Gerringa mit dem Messaufbau zur Eisenbestimmung an Bord der RV Pelagia Beim NIOZ sind heute zwei identische Metrohm-AutolabVersuchsaufbauten in Betrieb und liefern weiterhin spannende Erkenntnisse über die Bedeutung der Spurenelemente in den Weltmeeren. Sie interessieren sich für Voltammetrie und Polarographie? Lesen Sie auch den Artikel «Auf Spurensuche» auf Seite 20! Mehr Informationen über GEOTRACES finden sie auf der offiziellen Webseite des Programms: www.geotraces.org Referenzen [1] Thuróczy, C.-E. et al. (2010) Deep Sea Res. I 57, 1444–1453 [2] Thuróczy, C.-E. et al. (2011) Deep Sea Res. II 58, 2695– 2706 [3] Thuróczy, C.-E. et al. (2011)J. Geophys. Res. 116, C10009 [4] Thuróczy, C.-E. et al. (2012) Deep Sea Res. II 71–76, 49–60 [5] Croot, P.L. and M. Johansson (2000) Electroanalysis 12(8), 565–576 Abbildungen 1, 3, 4, 5, 6 und das Titelbild auf Seite 20/21 mit freundlicher Genehmigung von Dr. Micha Rijkenberg, NIOZ Die Voltammetrie ist platzsparend und lässt sich auch von hohem Seegang nicht aus der Ruhe bringen. INFORMATION | 1 | 2014 25