ARTENSCHUTZBLATT - 1/5 Gomphus simillimus (Sélys 1840) - Gomphidae Gelbe Keiljungfer Beschreibung Die Grundfarbe der Imagines ist ein leuchtendes Gelb. Der Thorax und das Abdomen sind schwarz gezeichnet. Die Augen sind gleich nach dem Schlüpfen noch graubraun, ausgereift hellblau. Die Beine sind auf der ganzen Länge gelb gestreift. Beim Männchen ist das 8. und 9. Hinterleibssegment keilförmig verbreitert. Die schwarzen Thoraxstreifen sind breit, der gelbe Raum zwischen dem zweiten und dritten Streifen ist schmal ausgebildet. Die Larven besitzen keine Rückendornen und weisen an den Segmenten 7 bis 9 Seitendornen auf. Das Hinterleibssegment 10 ist breiter als lang, das Segment 9 ist etwa so lang, wie an der Basis breit. Die Fühler sind zylindrisch und die Flügelscheiden parallel zur Körperachse orientiert. An den Tibien der Vorder- und Mittelbeine sind deutliche Fortsätze vorhanden. Allgemeine Verbreitung und internationaler Status Westmediterranes Faunenelement mit Hauptverbreitungsgebiet auf der Iberischen Halbinsel sowie in Süd- und Mittelfrankreich. Das östlichste sichere Vorkommen liegt am Hochrhein beim Ausfluss aus dem Bodensee. Nordwärts kommt die Art bis in das Département Lorraine vor. Einzelne, vom Hauptverbreitungsgebiet isolierte Vorkommen in Belgien, Süddeutschland und der Schweiz sind bekannt. Im Hauptverbreitungsgebiet ist die Art häufig und nicht bedroht, Gefährdung besteht allenfalls durch den Ausbau der Flüsse oder durch Austrocknung wegen Wasserentnahme. In den isolierten Vorkommen muss die Art weiterhin als vom Aussterben bedroht angesehen werden. Stefan Kohl, Seestrasse 107, CH-8610 Uster [email protected] ARTENSCHUTZBLATT - Gomphus simillimus (Sélys 1840) - 2/5 Verbreitung und Status in der Schweiz Der älteste mitteleuropäische und gleichzeitig schweizerische Fund stammt von Burgdorf aus dem Jahre 1835. Alle weiteren Funde in der Schweiz liegen am Rhein zwischen Gottlieben und Kaiseraugst. Es kann davon ausgegangen werden, dass der gesamte Hoch- und Oberrhein an geeigneten Stellen besiedelt werden kann. Exuvienfunde von diversen Beobachtern, sowie Imaginal-beobachtungen seit über 100 Jahren, belegen, dass es sich hier nicht nur um einen Irrgast, sondern um eine bodenständige, zur Schweizer Fauna gehörende Art handelt. Das vom Hauptverbreitungsgebiet isolierte Vorkommen im deutsch-schweizerischen Grenzraum ist durch das Einbringen der Uferbefestigungsmassnahmen (Blockwurf, Steinpackungen, Aufkiesungen, etc.) sowie die ständig steigende Freizeitnutzung (Motorschifffahrt, Badebetrieb) äusserst bedroht. Status in der Roten Liste: Vom Aussterben bedroht. Stefan Kohl, Seestrasse 107, CH-8610 Uster [email protected] ARTENSCHUTZBLATT - Gomphus simillimus (Sélys 1840) - 3/5 Ökologie und Verhalten G. simillimus ist eine Art der grossen, relativ warmen und klaren Flüsse. Am Hochrhein wurden Exuvien hauptsächlich im Juni und Juli gefunden. Die gesamte Schlüpfperiode erstreckt sich über einen Monat. Die Tiere schlüpfen haupsächlich am Morgen. Die meisten Exuvien wurden in senkrechter Position zwischen der Wasserlinie und 30 cm Höhe gefunden. Einzelne Tiere wandern zum Schlüpfen über einen Meter weit weg vom Wasser. Es lässt sich keine Bevorzugung einer bestimmten Schlüpfunterlage erkennen. Standorte mit geringer bis mittlerer Fliessgeschwindigkeit und einer recht hohen Vegetationsbedeckung im Randbereich des Gewässers werden bevorzugt. Die Larven besiedeln sandige bis schlammige Sedimente in Ufernähe. Die Fundstellen am Hochrhein liegen hinter Flussbiegungen an Stellen, an denen es zu grösseren Sandablagerungen kommt. In den strömungsberuhigten Zonen unterhalb von Buhnen und oberhalb von Staustufen dominieren Feinsedimente; sie dienen den Larven als bevorzugter Lebensraum; hier werden die gröss-ten Exuvienabundanzen gefunden. Schlüpfenperiode Flugperiode Stefan Kohl, Seestrasse 107, CH-8610 Uster [email protected] ARTENSCHUTZBLATT - Gomphus simillimus (Sélys 1840) - 4/5 Die Männchen erscheinen nach der Reifephase wieder am Gewässer und sitzen gerne auf freiliegende Kiesufer, Blocksteine, Wege oder sonstige freien Sitzwarten. Hier warten sie auf eierlegende Weibchen, die allerdings nur ganz selten zu beobachten sind, um sich mit ihnen zu paaren. Die Paarung dauert bis zu einer Stunde. Die Weibchen pressen im Sitzen ein erbsengrosses Eipaket aus, fliegen auf, um anschliessend an strömungsberuhigten Stellen die Eier paketweise ins freie Wasser abzugeben. Adulte Tiere sind noch bis Ende August zu beobachten. Zu den typischen Begleitarten am Hochrhein zählen die Gebänderte Prachtlibelle (Calopteryx splendens), die Blaue Federlibelle (Platycnemis pennipes), die Becher-Azurjungfer (Enallagma cyathigerum) und die Kleine Zangenlibelle (Onychogomphus f. forcipatus). Gefährdung • • • • Vernichtung des Larvalund Schlüpfhabitats durch Einbringen von Ufersicherungsmassnahmen (Blockwurf, Steinpackungen, Aufkiesungen etc.) Vernichtung der Larvalhabitate durch Eingriffe in die Sohlenstruktur (Kraftwerkbau) Abschwemmen der schlüpfenden und frisch geschlüpften Tiere durch Motorbootwellen beim Schlupf Direkte Vernichtung der Tiere vor und während des Schlüpfes durch Tritt beim Badebetrieb Stefan Kohl, Seestrasse 107, CH-8610 Uster [email protected] ARTENSCHUTZBLATT - Gomphus simillimus (Sélys 1840) - 5/5 Massnahmen • • • • • • • • Zuständige Behörden periodisch informieren (Personalwechsel) Erhalten der natürlichen und naturnahen Flussufer Unterlassen von Uferverbannungen während der Schlupfzeit Unterlassen der Einbringung von Uferbefestigungen (Blockwurf, Steinpackungen, Aufkiesungen, etc.) an bekannten Schlüpforten; wenn doch notwendig, dann etappenweise vorgehen Reglementierung für den Motorbootverkehr (Geschwindigkeitsbeschränkungen, Mindestabstände, Absperrmassnahmen etc.). Informationsfaltblätter an Bootbesitzer verteilen, Informatinstafeln aufstellen. Reglementierung des Badebetriebes von Mitte Mai bis Mitte August (Absperrmassnahmen etc.). Informationsfaltblätter verteilen, Informatinstafeln aufstellen. Einführung eines Naturschutzdienstes (Aufklärung) Weiterführende Untersuchungen (z.B. Monitoring) zum besseren Verständnis der Biologie der Art. Literatur AGUILLAR, J. D‘, J.-L. DOMMANGET & R. PRECHAC (1998): Guide des Libellules d’Europe et d’Afrique du Nord (2e édition augmentée). Delachaux & Niestlé, Neuchâtel – Paris. 463 pp. BELLMANN, H. (1987): Libellen beobachten – bestimmen. – Melsungen (Neumann-Naudamm), 268 S. Nachdruck: (1993): Weltbild, Augsburg. BINOT-HAFKE, M., R. BUCHWALD, H.-J. CLAUSNITZER, H. DONATH, H. HUNGER, J. KUHN, J. OTT, W. PIPER, F.-J. SCHIEL & M. WINTERHOLLER (2000): Ermittlung der Gefährdungursachen von Tierarten der Roten Liste am Beispiel der gefährdeten Libellen Deutschlands - Projektkonzeption und Ergebnisse. Nartur und Landschaft 75 (9/10): 393-401. HEIZ S. (1993): Neufunde von Gomphus simillimus (Selys) am Hochrhein (BRD). Libellula 12: 277-280. MAIBACH, A. & C. MEIER (1987): Verbreitungsatlas der Libellen der Schweiz (Odonata) mit Roter Liste. Documenta faunistica helvetiae 4: 228 S. SCHORR, M. (1990): Gomphus simillimus Sélys, 1840 – Gelbe Keiljungfer. In: SCHORR, M.: Grundlagen zu einem Artenhilfsprogramm Libellen der Bundesrepublik Deutschland. Ursus scientific Publisher Bilthoven: 180-182. HEIDEMANN, H. & R. SEIDENBUSCH (1993): Die Libellenlarven Deutschlands und Frankreichs Handbuch für Exuviensammler. Bauer, Keltern: 391 S. STERNBERG, K., B. HÖPPNER, S. HEITZ & A. HEITZ (2000): Gomphus simillimus Sélys, 1840 – Gelbe Keiljungfer. In: STERNBERG, K. & R. BUCHWALD (Hrsg.): Die Libellen Baden-Württembergs, Band 2. Ulmer, Stuttgart: S. 303-310. SUHLING F. (1994): Einnischungsmechanismen der Larven von Onychogomphus uncatus (Charpentier) (Odonata: Gomphidae). – (Cuvillier) Göttingen. SUHLING F. & O. MÜLLER (1996): Die Flussjungfern Europas. – Die Neue Brehmbücherei 628, Westrap-Wissenschaften, Magdeburg: 237 S. Stefan Kohl, Seestrasse 107, CH-8610 Uster [email protected]