Als Patient beim Arzt, im Krankenhaus oder in der Pflege RATGEBER 5 Über diesen Ratgeber Eine Erkrankung stellt für jeden Menschen eine Belastung dar. Wenn zusätzlich eine Hörschädigung besteht, die zu Erschwernissen in der Kommunikation führt, stehen die betroffenen Patienten zusätzlichen, sehr gravierenden Schwierigkeiten gegenüber. Der Deutsche Schwerhörigenbund e.V. möchte mit diesem Ratgeber den betroffenen Personenkreis unterstützen, sich in der Kommunikation beim Arzt, im Krankenhaus oder im Pflegeheim zu behaupten und gegebenenfalls seine Rechte geltend zu machen. 1 DSB-Ratgeber 5 Als Patient beim Arzt, im Krankenhaus oder in der Pflege Für Menschen mit Hörschädigung und ihre Angehörigen 8. Auflage 2016 Autoren: Dipl.-Ing. Rolf Erdmann, Ilse Grinz und Irmgard Schauffler Bearbeitung: Dipl.-Bibl. Irmgard Schauffler Herausgeber: Deutscher Schwerhörigenbund e.V. Sophie-Charlotten-Str. 23a 14059 Berlin Tel.: 030 / 47 54 11 14, Fax: 030 / 47 54 11 16 [email protected] http://www.schwerhoerigen-netz.de 2 Inhalt 1. Beim Arzt ....................................................................... 4 Anmeldung ............................................................................. 4 In der Sprechstunde ............................................................... 5 Beim Röntgen, bei CT und MRT ............................................. 5 Schriftdolmetscher.................................................................. 5 2. Im Krankenhaus oder in einer Pflegeeinrichtung ...... 7 3. Ototoxische Medikamente ........................................... 9 4. Besondere Behandlungsmethoden. Rehabilitationen für Menschen mit Hörschädigungen ....................................................... 11 Stationäre Kuren für Menschen mit Hörschädigung, Tinnitus etc. .......................................................................... 11 Mundabsehkurse .................................................................. 11 Sprachtherapie und Logopädie ............................................. 12 Hörgeräte im Hausverkauf .................................................... 12 Wundermittel und IGeL-Leistungen ...................................... 12 Ihre Rechte als Patientin/ Patient.......................................... 13 3 1. Beim Arzt ► Sorgen Sie dafür, dass auf dem Deckel Ihrer Karteikarte Ihr Hörstatus und Ihre technische Hörhilfe deutlich vermerkt werden. Zusätzlich ist ein Foto von Ihnen hilfreich, damit das Praxispersonal Sie im Wartezimmer erkennen kann. ► Verlassen Sie sich aber trotzdem nicht darauf, dass Arzt und Sprechstundenhilfe dauerhaft Bescheid wissen, wie sie mit Ihnen sprechen müssen. Sie werden immer wieder auf den Hörstatus und Ihre Bedürfnisse aufmerksam machen müssen. ► Zeigen Sie Ihrem Arzt den Ausweis, den Sie als CI-Träger bei sich haben. Elektrochirurgische Behandlungen (Zahnarzt!) und irgendwelche Magnettherapien (Orthopäde) sind bei Ihnen nicht möglich. Anmeldung ► Teilen Sie sowohl dem Praxispersonal als auch dem Arzt mit, dass Sie schwerhörig sind. Bitten Sie um langsames und deutliches Sprechen und erklären Sie, in welcher Weise am besten mit Ihnen gesprochen wird. Lassen Sie sich nicht vom Arzt abwimmeln, dem es vielleicht zu viel Mühe macht, sich auf Ihre Kommunikationsbedürfnisse einzustellen. ► ► Bitten Sie um persönliche Abholung im Wartezimmer, da Sie Lautsprecheransagen oder Aufrufe schlecht oder gar nicht verstehen. Klären Sie, dass Sie bei einer evtl. Terminverschiebung mit dem Telefon nicht erreichbar und daher auf schriftliche Hinweise (Post, Fax, E-Mail, SMS) angewiesen sind. Wenn sich die Gelegenheit ergibt: Geben Sie Ihrem Arzt den DSB- 4 Ratgeber Nr. 4, aus dem er ersehen kann, welche eigene Hilfestellung er hörgeschädigten Patienten geben kann. schädigende Wirkung auf das Innenohr haben kann. (Siehe hierzu weiter unten!) Beim Röntgen, bei CT und MRT In der Sprechstunde Sorgen Sie dafür, dass Sie vor der Röntgenkabine abgeholt werden – denn einen Lautsprecher-Aufruf können Sie leicht überhören. Kommunikation ist ein absolutes Menschenrecht und lebenswichtig für jeden Menschen. Dies gilt ganz besonders beim Arzt, zu dem ein besonderes Vertrauensverhältnis bestehen muss, das aber nur bei einer funktionierenden Kommunikation erreichbar ist. Wegen der möglichen Strahlenschädigung sollten Sie beim Röntgen die Hörgeräte nicht tragen. Klären sie mit dem Röntgenpersonal vorab, wie die Kommunikation ablaufen kann, z. B. mit Handzeichen für „Luft anhalten“. Daher muss die Kommunikation zwischen Ihnen und Ihrem Arzt unbedingt gewährleistet sein. Jedes Missverständnis kann für Sie gefährliche Folgen haben. Es muss z. B. vermieden werden, dass Sie die Dosierung eines Medikamentes falsch verstehen. ► Bei jeder ärztlichen Behandlung ist es sehr wichtig, den behandelnden Arzt immer wieder auf den vorhandenen Hörschaden hinzuweisen. ► Es sollte möglichst vermieden werden, dass der Arzt Ihnen ein Medikament verordnet, das eine Ganz wichtig, lassen Sie die Hörgeräte in der Umkleidekabine und nehmen Sie sie möglichst nicht mit in den Röntgenraum. Wenn Sie ein CI tragen, vergessen Sie bitte auch nie, darauf hinzuweisen, dass eine MRT für Sie nicht in Frage kommt. Schriftdolmetscher Wenn Sie hochgradig schwerhörig oder ertaubt sind, haben Sie das 5 Recht, zu Ihrem Arztbesuch einen Schriftdolmetscher hinzuzuziehen. Dieser schreibt jedes gesprochene Wort zeitgleich mit, so dass Sie jederzeit über alle Aussagen des Arztes informiert sind. die Krankenkasse den Bedarf und übernimmt die Kosten. Das Genehmigungsschreiben der Krankenkasse heben Sie bitte gut auf. Vor jedem Arztbesuch ist dann lediglich mit einem weiteren Formular anzukündigen, wann Sie den Dolmetscher in Anspruch nehmen möchten. Sie können das Genehmigungsschreiben Ihrer Krankenkasse auch im Krankenhaus vorweisen. Auf einen Schriftdolmetscher haben Sie einen gesetzlichen Anspruch nach Sozialgesetzbuch (SGB) I, § 17 Abs. 2 (Ausführung von Sozialleistungen). Vor dem Arztbesuch müssen Sie die erforderlichen Dolmetscherdienste bei Ihrer Krankenkasse mit einem Antragsformular beantragen, das Sie auch vom DSB erhalten können. Bei Vorliegen einer hochgradigen Hörschädigung genehmigt Sollte ihr Arzt die Hinzuziehung eines Dolmetschers ablehnen, weisen Sie ihn darauf hin, dass dies eine Verletzung seiner Aufklärungspflicht bedeutet. 6 2. Im Krankenhaus oder in einer Pflegeeinrichtung In Krankenhäusern und Pflegeheimen gibt es in der Regel weder technische Hilfen für Hörgeschädigte, noch sind Ärzte, Pflegepersonal und Therapeuten über die Probleme Hörgeschädigter und über mögliche Lösungen informiert. Dadurch sind falsche Handlungsweisen sozusagen vorprogrammiert. Daher bleiben die Bedürfnisse der Patienten meist unberücksichtigt. Deshalb sollten Sie im eigenen Interesse, aber auch für spätere hörgeschädigte Patienten, Informationen über Ihre Bedürfnisse geben. Geben Sie den DSB-Ratgeber Nr. 2 weiter, der wichtige Tipps enthält. Deckel Ihrer Patientenakte deutlich sichtbar Ihr Hörstatus angegeben ist. Auch die Angabe Ihrer Hörhilfe (Hörgerät, Cochlea-Implantat) ist zu empfehlen. Teilen Sie dem Personal mit, dass Sie das Klopfen an der Tür nicht hören können und bitten Sie um entsprechende Lichtsignale. Sorgen Sie in jedem Fall dafür, dass Sie von Ihrem Bett aus die Tür im Blick haben. Bei Arztvisiten umlagern oft bis zu 10 Ärzte und Schwestern das Krankenbett, so dass Sie als hörgeschädigter Patient kaum verstehen können, was gesagt wird. Dies führt oft dazu, dass Sie nach der Visite ebenso wenig Bescheid wissen über Diagnose und Therapie wie vorher. Sie haben jedoch ein Recht darauf, umfassende Informationen über ihre Krankheit und deren Behandlung zu erhalten. Deshalb sollten Sie darauf bestehen, Vorteilhaft ist es, wenn Sie an Ihrem Krankenbett ein gut lesbares Schild anbringen: „Ich bin hörgeschädigt. Bitte sprechen Sie langsam und deutlich mit mir und achten Sie darauf, dass ich Ihren Mund sehen kann.“ Sorgen Sie dafür, dass auf dem 7 dass Ihnen das Personal alles in Ruhe erklärt – auch wenn damit ein Mehraufwand verbunden ist. Diese Informationen können Sie sich notfalls auch schriftlich geben lassen. Seien Sie im eigenen Interesse hartnäckig, fragen Sie immer wieder nach. gert. Die Heilung Ihrer Krankheit kann entscheidend gefördert werden, wenn Sie sich angenommen fühlen. Hierzu können Sie aktiv beitragen, indem Sie sich nicht nur BEHANDELN lassen, sondern MITHANDELN. Daher müssen Sie immer neu erklären, wie man am besten mit Ihnen kommuniziert. Um Falschverstehen und fehlerhafte Reaktionen zu vermeiden, muss sich das Pflegepersonal ausschließlich und ohne jede Nebentätigkeiten auf die Kommunikation mit Ihnen konzentrieren. Dies ist Ihr gutes Recht, auch wenn sich dadurch die Betreuungszeit verlän- Bei wichtigen Gesprächen mit dem Arzt oder dem Anästhesisten sollten Sie darauf bestehen, dass Sie alle Einzelheiten absolut sicher verstehen, indem z. B. aufgeschrieben oder ein Dolmetscher eingesetzt wird. 8 3. Ototoxische Medikamente Schwerhörigkeit oder Ertaubung können durch bestimmte Medikamente und Infusionen/ Spritzen (sogenannte ototoxische Medikamente) hervorgerufen werden. Die Sinneszellen im Innenohr werden in solchen, eher selten auftretenden Fällen geschädigt. Eine bereits bestehende Schwerhörigkeit kann sich durch die Nebenwirkungen solcher Medikamente verschlimmern. Hierauf sollten Sie Ihren behandelnden Arzt hinweisen. In der Regel sollte vor der Behandlung mit sogenannten ototoxischen Arzneimitteln eine Hörprüfung vorgenommen und diese während der Behandlung regelmäßig wiederholt werden. Zu den ototoxischen Medikamenten gehören z. B.: Aminoglycosidantibiotika und Makrolidantibiotika (z. B. Streptomycin, Gentamycin, Tobramycin, diese haben toxische Nebenwirkungen auf das Hörund Gleichgewichtsorgan) Man muss abwägen: Ist das Medikament für die Behandlung erforderlich, gibt es Alternativen, welchen Nutzen bringt es, und welche Risiken geht man mit der Medikamenteneinnahme ein? Etwa bei der Tumortherapie ist dies oft eine schwer abzuwägende Entscheidung. Einige wenige Lokalanästhetika (vorwiegend in der Hand des Arztes) Einige Zytostatika (z.B. Cisplatin, Vincristin) Schleifen-Diuretika (z.B. Etacrynsäure oder Furosemid) Dasselbe gilt z. B. auch für die betäubenden Spritzen des Zahnarztes: Gibt es Alternativen? Könnte der Schmerz ohne Spritzen ausgehalten werden? Antimalaria-Mittel (z.B. Chinin, Chloroquin) 9 Analgetika (Schmerzmittel) mit dem Wirkstoff Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Ibuprofen (in höheren Dosen) Dosis genommen kann sie zu Hörschäden führen. Hormonpräparate Einige auf das zentrale Nervensystem wirkende Medikamente. Die Sexualhormone Östrogen und Gestagen stehen im Verdacht, Hörstürze und Hörstörungen auszulösen. Vor allem ist Rauchen neben einer Einnahme von Hormonpräparaten eine gefährliche Kollision. Oft ist jedoch die Dosierung ausschlaggebend. Eine einzelne Tablette bei Kopfschmerzen wird in der Regel keine Schädigung bewirken, jedoch dauerhaft und in höherer 10 4. Besondere Behandlungsmethoden. Rehabilitationen für Menschen mit Hörschädigungen be durch Informationen über die bestehenden Absehkurse in Ihrem Heimatort erleichtern. Ferner können Sie folgende Argumente verwenden: Stationäre Kuren für Menschen mit Hörschädigung, Tinnitus etc. Wenn Sie eine Kur und/ oder Rehabilitation benötigen, ist hilfreich für den verordnenden Arzt (Hausarzt bzw. Amtsarzt), wenn Sie ihm Prospekte der entsprechenden Kliniken mit Abteilungen für Hörgeschädigte oder des Rehazentrums in Rendsburg geben. Er kann dann dem Kostenträger gezielt die richtige Einrichtung empfehlen. Mundabsehkurse entsprechen dem im SGB IX § 4 Abs. 1 genannten Maßnahmen, die möglichen Verschlimmerungen einer Behinderung entgegenstehen. Daher besteht ein Anspruch auf Kostenübernahme. Mundabsehkurse werden von geschulten Absehlehrern durchgeführt, die durch mehrjährige Erfahrung qualifiziert sind. Mundabsehen ist eine wesentliche Voraussetzung zur Kommunikation für schwerhörige Menschen; denn auch mit Hörgeräten ist volles Sprachverstehen oft nicht gewährleistet. Mundabsehkurse Es ist schwierig, die Kosten für Mundabsehkurse von der Krankenkasse erstattet zu bekommen. Zunächst ist eine Verschreibung durch den HNO-Arzt erforderlich. Sie können dem Arzt diese Aufga- Mundabsehen wirkt so Kommunikationsproblemen entgegen, die 11 sonst zu Vereinsamung, psychischen Problemen und daraus folgenden physischen Erkrankungen führen, deren Behandlung die Kassen mehr kosten als der Mundabsehkurs. sandhandel in Zusammenarbeit mit dem HNO-Arzt ist abzuraten. Manche HNO—Praxen bieten dieses als sogen. Serviceleistung an. Denn nur ein Hörgeräteakustiker kann die notwendige Anpassung, Beratung und weitere Betreuung anbieten. Sprachtherapie und Logopädie Wundermittel und IGeLLeistungen Für den Fall einer logopädischen Behandlung ist es wichtig, darauf zu achten, dass der Logopäde über Erfahrung bei der Arbeit mit hörgeschädigten Menschen verfügt. Misstrauen Sie der Werbung über angebliche Wundermittel (Hörpillen, Tinnituspräparate) usw. und glauben Sie nicht alles, was die Werbung verspricht. In der Regel nützen diese Mittel nichts, bestenfalls schaden sie auch nicht – außer, dass sie viel Geld kosten. Hörgeräte im Hausverkauf Leider gibt es HNO-Ärzte, die meinen, Ihnen Hörgeräte in Zusammenarbeit mit Versandhandelsfirmen verkaufen zu können. Lehnen Sie dieses Angebot mit dem Hinweis ab, dass ausschließlich Hörgeräteakustiker die notwendige Anpassung, Beratung und weitere Betreuung anbieten. In letzter Zeit werden von Ärzten vermehrt so genannte IGeLLeistungen (Individuelle Gesundheits-Leistungen) angeboten, die der Patient vollständig selbst bezahlen muss. Hier handelt es sich nicht selten um obskure Behandlungsformen, deren Erfolg höchst ungewiss ist. Bevor man sich auf eine solche Behandlung einlässt, sollte man unbedingt eine Zweitmeinung einholen. Achten Sie bei Ihrer Hörgeräteversorgung darauf, dass die Anpassung durch einen niedergelassenen Akustiker vorgenommen wird. Von einer Versorgung über den Ver12 Ihre Rechte als Patientin/ Patient [Zitat:] „Die Patientenorganisationen können über ihre Begleitung psychisch stabilisierend auf den Kranken einwirken, sie können die mitbetroffenen Angehörigen unterstützen und durch ihre Arbeit der Gefahr der Ökonomisierung entgegenwirken.“ Ihre Rechte als Patient oder Patienten sind im SGB V geregelt. Besonders wichtig ist für Sie das Recht auf Transparenz im Gesundheitswesen. Es muss Ihnen klar sein, was Sache ist und was Sie zu erwarten haben, welche Risiken es gibt und welche alternative Hilfen. Das bedeutet für Ihre Hörschädigung: Holen Sie sich Rat und Hilfe beim Deutschen Schwerhörigenbund e. V. Ökonomische Interessen sollten nicht gegenüber den medizinischen überwiegen. 13 Deutscher Schwerhörigenbund e.V. Der Interessenverband der Schwerhörigen und Ertaubten in Deutschland