Ozeane versauern schneller als je zuvor in der Erdgeschichte

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27. September 2010: Ozeane
versauern schneller als je zuvor in der Erdgeschichte
Erste gemeinsame Konferenz: Über 200 Wissenschaftler aus ganz Europa beraten über
zunehmende Ozeanversauerung
Bremerhaven, den 27. September 2010. Für vier Tage wird das Thema Ozeanversauerung im
Zentrum der Meeres- und Polarforschung stehen. Das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in der
Helmholtz-Gemeinschaft ist Gastgeber der Konferenz, zu der mehr als 200 Wissenschaftler aus ganz Europa im
„Conference Center Bremerhaven“ erwartet werden.
Das Treibhausgas Kohlendioxid führt nicht nur zu einer Erwärmung des globalen Klimas und damit auch der Meere, sondern
auch zunehmend zu einer Versauerung der Ozeane. Ihre jüngsten Ergebnisse zum Thema Ozeanversauerung werden die
Wissenschaftler diese Woche auf der ersten gemeinsamen Konferenz der Großprojekte EPOCA (European Project on Ocean
Acidification), BIOACID (Biological Impacts of Ocean ACIDification) und UKOARP (UK Ocean Acidification Research P
rogram) diskutieren.
Die Weltmeere nehmen jährlich etwa ein Drittel des Kohlendioxids (CO2) aus der
Verbrennung fossiler Energieträger auf. Wenn sich Kohlendioxid im Meerwasser
löst, bildet sich Kohlensäure, und der Säuregrad des Wassers steigt (pH-Wert
sinkt). Seit Beginn der Industrialisierung haben die Ozeane bereits soviel
Kohlendioxid aufgenommen, dass die Säuremenge um 30 Prozent zugenommen
hat. Folgen: Durch die Säure nimmt die Konzentration von Karbonat-Ionen im
Meerwasser ab. Viele Meeresorganismen wie Kalkalgen, Muscheln und
Schnecken haben Schwierigkeiten, ihre Schalen oder Skelettstrukturen zu
bilden. Betroffen sein werden aber auch ganze Ökosysteme, wie beispielsweise
Korallenriffe.
Die Auswirkungen der Ozeanversauerung, vor allem auf die
Lebensgemeinschaften im Arktischen Ozean, untersucht das
Alfred-Wegener-Institut im Verbund mit den drei Großforschungsprojekten auf
nationaler und internationaler Ebene. Denn besonders betroffen von der Ozeanversauerung sind die Polargebiete.
„Gerade in den kalten Ozeanen polarer Regionen ist die Löslichkeit für CO2 besonders groß, so dass im Gegenzug auch die
Karbonat-Ionenkonzentration geringer ist und diese Verknappung für die dort lebenden Organismen besonders
schwerwiegend ist. Da bei kalten Temperaturen auch viele Stoffwechselprozesse verlangsamt ablaufen, ist die Fähigkeit
polarer Organismen, eine erhöhte CO2-Konzentration zu kompensieren, möglicherweise zudem noch eingeschränkt“, sagt
Prof. Dr. Hans-Otto Pörtner, Tierphysiologe am Alfred-Wegener-Institut und stellvertretender Koordinator des
Großforschungsprojektes BIOACID.
Die speziellen Auswirkungen auf marine Bakterien haben Forscher des
Alfred-Wegener-Instituts auf einer Fahrt der Polarstern in die Arktis untersucht.
Ihre neuesten Ergebnisse bestätigten die bisherigen Vermutungen. „Im
angesäuerten Wasser erhöhte sich die bakterielle Produktion erheblich und
führte zu einem gesteigerten Konsum von organischen Kohlenstoffverbindungen,
was die Freisetzung von CO2 verstärken könnte“, so Dr. Anja Engel. Wie sich der
Klimawandel auf die komplexen Zusammenhänge des marinen
Kohlenstoffkreislaufs auswirkt und welche Rolle Mikroorganismen für die
zukünftige CO2 Bilanz im nördlichen Polarmeer spielen werden, sei bislang
kaum erforscht. „Das Treffen der drei großen Forschungsprojekte bietet ein gutes
Forum, um Daten auszutauschen und gemeinsam Lösungsansätze zu
diskutieren“, so Dr. Anja Engel.
Um die Auswirkungen der zunehmenden Ozeanversauerung in vollem Umfang
zu verstehen, sind aber auch Rückblicke in die Vergangenheit von zentraler
Bedeutung für die Forschung. Denn Sedimente im Ozean bilden ein wichtiges
Archiv der Erdgeschichte, vergleichbar mit Büchern in einer Bibliothek. „Wer die
Sprache der Sedimente beherrscht, kann dort die Evolution der Umwelt und
Klimabedingungen in der Erdgeschichte erforschen“, sagt Prof. Jelle Bijma,
mariner Biogeologe am Alfred-Wegener-Institut. An verschiedenen Stellen in der
Erdgeschichte haben Ozeanversauerungsereignisse ihre „Fingerabdrücke“ im Sediment hinterlassen, so zum Beispiel an der
Grenze vom Perm zur Trias vor 251 Millionen Jahren und an der Paleozän-Eozän Grenze vor 55 Millionen Jahren. Ausgelöst
wurde die Versauerung in vergangenen Zeiten allerdings immer durch natürliche Ereignisse. „Heute wird sie durch den viel zu
hohen Kohlendioxideintrag durch menschliche Aktivität ausgelöst, und das Meer ist immer weniger in der Lage, diese
Störungen abzupuffern“, so Bijma. Zudem müsse man sehen, dass die Versauerungsereignisse fast immer begleitet werden
von einer globalen Erwärmung, einer erhöhten Stratifizierung der Ozeane, und einer Verringerung des Sauerstoffgehaltes der
Tiefsee.
„Es ist nicht das erste Mal in der Erdgeschichte, dass die Ozeane versauern, beunruhigend ist aber, dass es diesmal sehr viel
schneller passiert als je zuvor. Infolgedessen sinkt nicht nur der pH-Wert, sondern nimmt auch die Karbonatsättigung der
Ozeane ab. Es brechen harte Zeiten an, speziell für kalzifizierende Organismen“, so Bijma. Wie verschiedene kalkbildende
Meeresorganismen auf die Versauerung reagieren und warum die Reaktionen unterschiedlich ausfallen, werden die
Wissenschaftler weiter untersuchen und auch auf der Konferenz in Bremerhaven diskutieren.
Die drei großen Verbundprojekte:
BIOACID (Biological Impacts of Ocean ACIDification) ist ein Verbundprojekt, das seit 2009 die Auswirkungen der
Ozeanversauerung auf Lebensgemeinschaften im Meer untersucht. An dem vom Bundesministerium für Bildung und
Forschung (BMBF) für drei Jahre mit 8,5 Millionen Euro finanzierten Projekt sind insgesamt 14 Forschungsinstitute und
Universitäten aus ganz Deutschland beteiligt. Die Projektleitung liegt beim Leibniz-Institut für Meereswissenschaften
(IFM-GEOMAR) Kiel. Das Alfred-Wegener-Institut für Polar und Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft übernimmt
die stellvertretende Koordination.
EPOCA (European Project on Ocean Acidification) ist ein Europäisches Projekt über die Versauerung des Ozeans, ein so
genanntes „Integriertes Projekt“ im 7. Rahmenprogramm der Europäischen Union. Es wurde im Juni 2008 für eine Laufzeit von
4 Jahren ins Leben gerufen. Das EPOCA Konsortium vereinigt mehr als 100 Wissenschaftler von 32 Instituten und 10
europäischen Ländern.
UKOARP (UK Ocean Acidification Research Program) ist Großbritanniens erstes Forschungsprogramm zur
Ozeanversauerung, an dem 101 Wissenschaftlicher von 21 Instituten in Großbritannien beteiligt sind.
Mehr Informationen über EPOCA, BIOACID und UKOARP finden Sie auf den Internetseiten
http://epoca-project.eu
http://www.bioacid.de
http://www.oceanacidification.org.uk/
Hinweise für Redaktionen
Die Konferenz zum Thema Ozeanversauerung findet vom 27. bis 30. September 2010 statt. Am Montag treffen sich die
verschiedenen Ausschüsse, am Dienstag wird die Konferenz von Prof. Ulrich Bathmann um 9 Uhr offiziell eröffnet.
Ihre Ansprechpartner im Alfred-Wegener-Institut sind Dr. Anja Engel (Tel.: 0471 4831-1055; E-Mail: Anja.Engel(at)awi.de),
Prof. Dr. Hans-Otto Pörtner (Tel.: 0471 4831-1307; Hans.Poertner(at)awi.de), Prof. Dr. Jelle Bijma (Tel: 0471 4831-1831;
Email: Jelle.Bijma(at)awi.de) und in der Abteilung Kommunikation und Medien Stephanie von Neuhoff (Tel.: 0471 4831-2008;
E-Mail: Stephanie.von.Neuhoff(at)awi.de).
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Hyas araneus
Larve der Seespinne Hyas araneus. (Foto: M. Schiffer & L. Harms)
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Probenahme von Polarstern
Probenahme mit einem Kranzwasserschöpfer während einer Polarstern-Expedition rund um
Spitzbergen. (Foto: Mascha Wurst)
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Hyas araneus
Bei Untersuchungen auf Spitzbergen erwiesen sich Larven der Seespinne Hyas araneus als
empfindlicher gegenüber Ozeanversauerung als ihre Artgenossen rund um Helgoland. (Foto: Melanie
Schiffer & Lars Harms)
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Serripes groenlandicus
Reagiert in Untersuchungen ebenfalls empfindlich auf Ozeanversauerung - die Grönlandmuschel
Serripes groenlandicus. (Foto: Max Schwanitz)
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Eisbrecher bei der Arbeit
Eisbrecher bei der Arbeit, spät abends auf dem Transfer zur ersten Station, Polarstern Ausfahrt ARK
XXV/1 (Foto: Tobias Mattfeldt)
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