Ist der Handel mit Dornhaiprodukten noch vertretbar

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Anders als viele Fischarten wird
Dornhai nicht als Filet vermarktet. Man trennt Bauchlappen und
Flossen ab, häutet den Körper
und handelt ihn als ‚White Loin‘
oder ‚Back‘. Für jedes dieser
Produkte gibt es interessierte Märkte. Die Bauchlappen
sind vor allem in Deutschland
begehrt, wo sie geräuchert als
Schillerlocken in den Handel
kommen.
Langsamer Abschied von der Schillerlocke
Ist der Handel mit
Dornhaiprodukten
noch vertretbar ?
Schillerlocken und „Seeaal” waren früher aus unseren Fischtheken nicht wegzudenken. Weil
der Dornhaibestand im Nordostatlantik überfischt ist, listen aber immer mehr Handelsketten die Produkte der vermeintlich bedrohten Fischart aus. Jetzt beklagen sich die Fischer an
der Ostküste Nordamerikas. Dort gibt es noch reichlich Dornhai, doch kaum jemand will ihn
haben. Was tun? Dornhaiprodukte aus dem Sortiment streichen oder weiter anbieten?
I
m Mai 2009 meldete Fish Information & Services (FIS),
dass
US-amerikanische
Ostküsten-Fischer über die beachtlich gewachsenen DornhaiBestände klagen. Die Bestandsbiomasse dieser Haiart, die bei
uns als bedroht gilt, sei auf 4 Mrd.
lbs, etwa 1,8 Mio. t, angewachsen.
Obwohl Dr. Steven E. Campana
vom Canadian Shark Research
Laboratory am Bedford Institute
of Oceanography in Dartmouth
(Nova Scotia) dieser Nachricht
im Kern zustimmt, zeichnet er
ein differenzierteres Bild. Grundsätzlich sei der Dornhai (Squalus
60 FischMagazin 6 / 2010
Der renommierte Haiforscher Dr. Steven E. Campana ist am Bedford Institute of Oceanography unter anderem für die Bestandsabschätzung der
kommerziell genutzten Haiarten vor Kanadas Ostküste verantwortlich.
acanthias), englisch Spiny Dogfish, Piked Dogfish oder Spurdog genannt, wohl die häufigste
Haiart überhaupt. Nach grober
Schätzung dürften im gesamten
Verbreitungsgebiet, das sämtliche Weltmeere umfasst, noch
annähernd eine Milliarde Tiere
schwimmen. Wie groß die Dornhai-Population vor der Ostküste
Nordamerikas tatsächlich sei,
könne er aber erst im September mit hinreichender Genauigkeit sagen, wenn die Ergebnisse
der jüngsten Bestandsaufnahme
vorliegen. Im Januar 2010 hatten Campana und sein Team die
Bestandsabschätzung in diesem
Seegebiet erstmals gemeinsam
mit ihren Kollegen aus den USA
durchgeführt. Ein längst überfälliger Schritt, denn alle Dornhaischwärme vor der Atlantikküste
Kanadas und der USA gehören zu
einer zusammenhängenden Population. Da macht es wenig Sinn,
wenn jede Seite separat für ihren
Bereich eine eigene Bewertung
vornimmt. Noch sind die Daten
aber nicht vollständig ausgewertet und äußern will sich Campana
dazu erst, wenn beide Seiten den
Ergebnissen zugestimmt haben.
Unabhängig vom Ausgang der
Untersuchung weist der renommierte Haiforscher aber schon
mal vorsorglich darauf hin, dass
der Dogfish nicht nur eine der
häufigsten, sondern auch eine der
am stärksten gefährdeten Haiarten weltweit ist. Die Gesamtzahl
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[ dornhai ]
sei in den letzten beiden Jahrzehnten weltweit alarmierend geschrumpft, wofür zweifellos Überfischung verantwortlich sei. Man
dürfe sich nicht von der verbliebenen, immer noch relativ groß erscheinenden Zahl an Dornhaien
in den Meeren täuschen lassen,
denn diese lebendgebärende Haiart sei wenig produktiv, was sie besonders anfällig für Überfischung
mache. Dornhaiweibchen werden
im Nordatlantik (NA) erst mit 15
oder 16 Jahren geschlechtsreif, im
Nordostpazifik (NOP) dauert es
sogar 23 bis 32 Jahre, bis sie erstmals werfen. Zu diesem Zeitpunkt
sind sie bereits 82 cm (NA) und 94
cm (NOP) groß. Bei den Männchen geht es etwas schneller, denn
sie sind im Nordatlantik schon
nach 10 Jahren mit 64 cm und im
Nordostpazifik mit 14 Jahren und
70 cm geschlechtsreif. Zudem
dauert die Tragezeit 18 bis 22 Monate, so dass Dornhaie nur alle
zwei Jahre Nachwuchs erbringen.
Erstgebärende Weibchen haben
nur zwei bis drei 18 bis 20 cm große Junge. Je größer und älter die
Weibchen, desto zahlreicher und
größer sind die Nachkommen,
was deren Überlebenschancen
deutlich verbessert. Man weiß
zwar nicht so ganz genau, bis zu
welchem Alter Dornhaie Nachwuchs bekommen (vermutet werden bis zu 25 Jahre im Atlantik und
etwa 40 Jahre im Pazifik), doch in
den Bäuchen älterer Weibchen
hat man schon bis zu 15 Haibabys
gefunden, die 30 cm groß waren.
Zu allem Übel sind beim Dornhai
der späte Eintritt der Reife und die
geringe Fruchtbarkeit auch noch
mit einem extrem langsamen
Wachstum kombiniert. Analysen
der Zuwachszonen an den Dornen vor den Rückenflossen haben
ergeben, dass die Tiere höchstens
3,5 cm im Jahr wachsen. Vereinzelt sind es aber auch nur 1,5 cm,
wie Untersuchungen an markierten Exemplaren zeigen. Dafür
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Europa ist der
Hauptmarkt für
Dornhaiprodukte
Entwicklung der Dornhaifänge in den Hauptfangregionen seit 1950
(Quelle: Figis, FAO).
Hauptverbreitungsgebiete und die wichtigsten Fischereiregionen für
den Dornhai (Squalus acanthias).
werden Dornhaie sehr alt. Im Atlantik sind 35 Jahre bei Männchen
und 50 Jahre bei Weibchen keine
Seltenheit. Im Pazifik sollen die
Tiere 80, vielleicht sogar 100 Jahre
alt werden können. Ungünstiger
könnten die Voraussetzungen für
eine gezielte Fischerei kaum sein,
denn Dornhaibestände brauchen
sehr lange, um die erlittenen Verluste auszugleichen. Selbst wenn
man die Populationen im Atlantik
völlig ungestört ließe und nicht
befischen würde, nähme die Individuenzahl jährlich um nur 4 bis
7% zu. Wenn die Fischerei zum
Beispiel ein Zehntel des Bestandes entnimmt, so dauert es im
Schnitt 1,5 bis 2,5 Jahre, um diesen
Verlust wieder aufzufüllen. Dazu
kommt noch, dass sich Dornhaie
gleicher Größe und gleichen Geschlechts zu großen Schwärmen
zusammenfinden. Dadurch erhöht sich das Risiko, das Reproduktionspotential der Population
selektiv zu schwächen, denn die
Fischerei zielt vor allem auf große
Weibchen ab, die für den Erhalt
des Bestandes besonders wertvoll sind. Infolge der starken Befischung liegt der Weibchenanteil
in vielen Gebieten bei nur noch
einem Drittel, im Nordostatlantik
sogar bei nur einem Fünftel der
Bestände.
Von den zahlreichen Dornhaipopulationen, die es weltweit gibt,
werden bislang erst wenige auf
regelmäßiger Basis überwacht
und fischereilich gemanagt.
Ebenso lückenhaft, wie das Wissen über die Biologie dieser kleinwüchsigen Haie, sind auch unsere
Kenntnisse über die Dynamik, die
Abgrenzung und die Größe der
Bestände. Das Repertoire fischereibiologischer Untersuchungsmethoden ist für den Dornhai
nur eingeschränkt verwendbar,
so dass man bei der Bestands­
einschätzung hauptsächlich auf
Bewertungen der Einheitsfänge
(CPUE), die Entwicklung der Anlandungsmengen sowie gezielte
Markierungsexperimente zurückgreift. Oft werden Dornhaie nur
unzureichend von anderen Kleinhaien im Fang getrennt, vor allem
wenn sie als Beifang anfallen.
Somit lässt sich häufig nur vage
vermuten, wie viel Dornhai über
die genehmigte Quote hinaus tatsächlich in einem Gebiet gefangen wird. Die FAO hat schon 2007
die schlechte Dokumentation
beklagt und Verbesserungen angemahnt. Bisher ohne erkennbaren Erfolg, was bei diesem Fisch
besonders problematisch ist, weil
auch die Aufzeichnungen über
den internationalen Handel mit
Dornhaiprodukten oft mangelhaft sind. Wenige Staaten, darunter die USA, Kanada, Norwegen,
Chile, Argentinien und Neuseeland dokumentieren den Handel
entsprechend den üblichen Standards. Andere wie die Türkei, die
angeblich 85% der Dornhaie im
Schwarzen Meer fängt, melden
unvollständig oder gar nicht.
Anders als viele Fischarten wird
Dornhai nicht als Filet vermarktet.
Man trennt Bauchlappen und Flossen ab, häutet den Körper und hanFischMagazin 6 / 2010
61
[ warenkunde ]
Anfang der 2000er Jahre konsumierten die europäischen Länder noch jährlich 20.000 t Dornhai, wovon eine Hälfte aus eigener Fischerei, die
andere Hälfte aus Importen stammte.
delt ihn als ‚White Loin‘ oder ‚Back‘.
Für jedes dieser Produkte gibt es
interessierte Märkte. Die Bauchlappen sind vor allem in Deutschland begehrt, wo sie geräuchert als
Schillerlocken in den Handel kommen. Gefrostete Flossen werden
vorwiegend nach Asien exportiert,
um in Japan- oder China-Restaurants zu landen. Die Hairücken,
interleaved oder im Block gefrostet, gehen zumeist nach UK, wo
man sie für „fish and chips“ verwendet, oder in andere Länder
Kontinental-Europas. Hierzulande
kennt man sie unter dem irreführenden Namen „Seeaal“. Selbst die
getrockneten Knorpelskelette der
Dornhaie werden genutzt, denn
die Nutraceutical-Industrie stellt
daraus Lebensmittel mit pharmakologischer Wirkung her.
Europa ist der mit Abstand wichtigste Markt für Dornhai. In den
62 FischMagazin 6 / 2010
1960er und 70er Jahren, als ein
Dutzend europäische Länder,
allen voran Norwegen und Irland, die Dornhaischwärme im
Nord­ostatlantik befischte, lagen
die Jahresfänge regelmäßig um
40.000 t, mitunter erreichten sie
sogar fast 50.000 t. Addiert man
die Fangmengen von 1950 bis
2006 und vergleicht sie mit anderen Meeresgebieten, wird klar
erkennbar, dass in diesem Zeitraum mehr als 85% der weltweiten
Dornhaifänge aus dem Nordostatlantik stammten. Bei einem Fisch
mit solch geringer Reproduktionskapazität war das ein Raubbau,
der für den Bestand nicht folgenlos bleiben konnte: der Dornhai
des Nordostatlantiks gilt heute als
total überfischt. Die Biomasse des
Bestandes soll auf weniger als 5%
des Ausgangswertes geschrumpft
sein. Die IUCN stuft den „nord­
ostatlantischen Dornhai“ in ihrer
Roten Liste der gefährdeten Arten
als „vom Aussterben bedroht“ ein.
Gemessen daran erscheinen die
eingeleiteten Management- und
Schutzmaßnahmen der europäischen Staaten recht halbherzig.
Verbindliche Dornhai-Fangquoten (TAC) wurden in den EUGewässern zwar schon 1999 eingeführt, doch bis 2007 galten sie
nur für die ICES-Gebiete IIa und
IV. Bis 2005 war die Fangquote
zudem so hoch angesetzt, dass
die tatsächlichen Anlandungen deutlich darunter lagen, die
Fischerei also in keiner Weise
eingeschränkt war. Selbst 2009
erlaubte die Quote in den ICESGebieten IIa und IV noch einen
Fang von 316 t Dornhai. Für Gebiet IIIa, das in etwa dem Skagerrak und Kattegat entspricht,
waren 104 t genehmigt und weitere 1.002 t in den Gebieten I, V-
VIII, XII und XIV. Um die für die
Reproduktion wertvollen großen
Weibchen wirksamer zu schützen, wurde die Maximalgröße der
angelandeten Tiere zudem auf
100 cm begrenzt. Erst für 2010 hat
sich die Europäische Kommission
entschlossen, den TAC auf 0 t zu
setzen, die gezielte Fischerei auf
Dornhai vollständig zu schließen.
Spät, hoffentlich nicht zu spät.
Den Appetit der Europäer auf
Schillerlocken und andere Dornhaispezialitäten hat das kaum
geschmälert. Anfang der 2000er
Jahre konsumierten die europäischen Länder noch jährlich
20.000 t Dornhai, wovon eine
Hälfte aus eigener Fischerei,
die andere Hälfte aus Importen
stammte. Seither ist die Nachfrage zwar gesunken, weil viele
Verbraucher durch Meldungen
zur Überfischung der Haie verwww.fischmagazin.de
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unsichert sind und Kaufzurückhaltung üben, sie schwankt aber
immer noch um 3.000 bis 4.000 t
jährlich. Dieser Bedarf wird
praktisch ausschließlich durch
Importe gedeckt. Fast 70% der
Import-Dornhaie, die wir heute
in Europa verzehren, kommen
aus den USA und Kanada. Beide
Länder fangen Dornhaie sowohl
im Nordostpazifik als auch im
Nordwestatlantik.
Dornhai ( Squalus acanthias )
Die häufigste Haiart
in den Weltmeeren
Nordamerikanische
Bestände in wesentlich
besserem Zustand
Vor einhundert Jahren waren
Dornhaie für die nordamerikanischen Fischer nur ein Ärgernis,
weil sie Schäden an den Netzen
und unnötige Arbeit verursachten, für die man ansonsten aber
keine Verwendung hatte. Nur für
die fettreiche Leber fanden sich
manchmal Abnehmer, die daraus Lampenöl und Schmierstoff
für Maschinen herstellten. Auch
als Rohstoff für die Gewinnung
von Vitaminen hatte die Haileber
zu jener Zeit gewisse Bedeutung.
Erst Anfang der 1960er Jahre, als
die Europäer schon jedes Jahr
um 40.000 t fingen, wurde der
Dornhai auch für kanadische und
US-amerikanische Fischer interessanter. Bis Ende der 80er Jahre
blieb die Fangmenge auf relativ
bescheidenem Niveau um 2.000
bis 3.000 t. Als nach 1995 in Kanada eine kleine Dornhaiindustrie entstand, stiegen die Fänge
jedoch langsam an und erreichten nach der Jahrtausendwende
ein stabiles Niveau von knapp
10.000 t, woran die Fischereien
im Atlantik und im Pazifik zu annähernd gleichen Teilen beteiligt
sind.
In der gezielten Fischerei werden
Dornhaie vorwiegend mit Langund Handleinen gefangen, die
mit Hering oder Tintenfisch beködert sind. Gelegentlich kommen
www.fischmagazin.de
Beschreibung – Langgestreckter, im Körperquerschnitt rundlicher Hai.
Der keilförmige Kopf ist vorne schmal und platt. Mund unterständig, auf
den Kiefern je drei Reihen mit je 26-30 dreikantigen spitzen Zähnen. Auf
beiden Seiten des Kopfes fünf enge senkrechte Kiemenspalten unmittelbar vor den großen Brustflossen. Rücken grau oder bräunlich, an den Seiten hellgrau und am Bauch schmutzig weiß gefärbt. Zwei Rückenflossen,
vor denen dreikantige hornartige Stacheln stehen (hintere Flosse nur halb
so hoch wie die vordere). Schwanzflosse asymmetrisch mit haitypisch
großem oberen Lappen.
Lebensraum – Kalte und temperierte Regionen (zwischen 0 und 15°C)
der Weltmeere. Toleriert eine breite Salzgehaltsspanne und ist auch in
Flussmündungen zu finden. Im Meer bis 730 m Tiefe.
Lebensweise – Bildet Schwärme aus einigen Hundert oder Tausend Tieren, die alle das gleiche Geschlecht und annähernd gleiche Größe haben.
Durchschnittliche Größe zwischen 75 und 105 cm, maximal 130 cm und
9 kg. Höchstalter etwa 70 bis 80 Jahre. Langsamwüchsig, sehr später
Eintritt der Reife. Unternimmt Wanderungen über größere Distanzen, vereinzelt auch quer über den Atlantik.
Ernährung – Allesfresser („omnivorer Opportunist”), vor allem Hering,
Lodde, kleine Kabeljaue, Menhaden und Schellfisch, aber auch Krill,
Krabben, Tintenfische, Borstenwürmer und sogar Quallen.
Vermehrung – Lebendgebärend, Tragezeit 18-22 Monate. Anzahl der
Nachkommen, die ihren Dottersack noch im Körper der Mutter aufzehren,
hängt von der Größe der Weibchen ab. Zwischen 1 und 15 Junge, die 20
bis 30 cm groß sein können. Männchen nach 10 Jahren mit etwa 64 cm
reif, Weibchen erst nach 15-16 Jahren mit 82 cm.
Besonderheiten – Anders als oft angenommen, sind die Stacheln des
Dornhais nicht giftig, können aber schmerzhafte Verletzungen hervorrufen. Früher galten die noch ungeborenen Eier und Embryonen des Dornhais als besondere Delikatesse.
auch Kiemennetze und Schleppnetze zum Einsatz. Die Fischerei beginnt Ende des Frühjahrs,
wenn die Schwärme im Verlaufe
ihrer nordwärts gerichteten Wanderung an den Küsten vorbeiziehen und endet gewöhnlich zu
Herbstanfang.
Im gleichen Maße, wie die Fänge
im Nordostatlantik zurückgingen, begannen die Europäer in
anderen Teilen der Welt, nach Alternativen zu suchen. Den kanadischen Fischern boten sich dadurch Exportmöglichkeiten und
ihr Interesse am Dornhai stieg.
2002 wurde deshalb für AtlantikKanada erstmals eine Fangquote
von 2.500 t festgelegt – in Verbindung mit der Auflage, dass die
Fischerei auch zur Sammlung
wissenschaftlicher
Basisdaten
beiträgt. Im Jahr darauf stieg die
Quote kurz auf 3.200 t, wurde
2004 aber wieder auf 2.500 t abgesenkt. Dieser TAC, der bis heute
unverändert gilt, wurde seit 2004
noch nie ganz von den Fischern
ausgeschöpft. Im Jahr 2009 fingen
die kanadischen Atlantikfischer
sogar nur 140 t, weil die Europäer
immer weniger Dornhai abnehmen. Parallel zur Fischerei wird
der Dornhaibestand seit Jahren
intensiv wissenschaftlich bearbeitet. Die Ergebnisse des kanadischen Dornhai-Forschungsprogramms haben ergeben, dass
die Biomasse des Fisches in den
kanadischen Gewässern des
Nordwestatlantiks mindestens
300.000 t beträgt.
Im Vergleich zur Fangquote von
2.500 t erscheint das zwar viel,
doch Haiforscher Steven E. Campana weist vorsorglich darauf
hin, dass der TAC derzeit nicht
wissenschaftlich ermittelt, sondern rein willkürlich festgelegt
wurde. Erst wenn die Ergebnisse des gemeinsam mit den USA
durchgeführten
Assessments
vorliegen, könne man sagen, ob
FischMagazin 6 / 2010
63
[ warenkunde ]
diese Quote wirklich im sicheren Bereich liegt. Seine Vorsicht
ist verständlich, denn Kanada
und die USA befischen zwar
den gleichen Dornhaibestand,
aber mit sehr unterschiedlichen
Strategien. Während die Kanadier beide Dornhaigeschlechter
fangen, haben es die US-Fischer
hauptsächlich auf die großen
Weibchen abgesehen, die für
den Fortbestand der Population
besonders wertvoll sind (Schillerlocken werden angeblich nur
aus Bauchlappen der weiblichen
Tiere hergestellt). Wie der Bestand die gezielte Weibchenfischerei langfristig verkraftet, wisse niemand. Offen ist auch die
Frage, wie sich der Beifang von
Dornhaien bei anderen Fische-
reien im Gebiet auswirkt. Zumal
kürzlich durchgeführte Experimente mit markierten Dornhaien den Schluss nahe legen, dass
der Austausch zwischen den
Populationen vor Kanada und
den USA doch nicht so intensiv
sein könnte, wie zuvor vermutet. Nur 10 bis 20% der Dornhaie
ziehen aus den US-Gewässern
nach Norden. Im Projekt ‚Ocean
Tracking Network‘ (OTN) wollen
die Forscher jetzt herausfinden,
ob Tiere regelmäßig hin- und
herziehen oder ob der Zug nur in
eine Richtung geht.
Indizien, dass der gezielte Fang
von Weibchen zu Problemen
führen könnte, gibt es bereits.
Bei der letzten Untersuchung
2009 hat das Northeast Fisheries Science Center zwar keine
Anzeichen für Überfischung entdeckt, weist aber darauf hin, dass
relativ wenige Tiere über 100
cm und unter 70 cm Länge gefunden wurden. Das Fehlen der
größeren Muttertiere und deren
Nachwuchs macht sich bereits
deutlich bemerkbar, denn der
Bestand wird derzeit von Dornhaien zwischen 75 und 95 cm
dominiert. In der Tendenz werde
die Population deshalb bis 2017
leicht abnehmen, vermuten die
Wissenschaftler. Wohl auch darum hat die Atlantic States Marine
Fisheries Commission (ASMFC)
die Fangquote für 2010/11 auf
15 Mio. lbs (etwa 6.800 t) reduziert und fordert, den Beifang
von Dornhaien zu verringern.
Die Chancen dafür stehen gut,
schließlich könne jeder zweite
Dornhai, der in ein Schleppnetz
geraten sei, den Rückwurf ins
Meer überleben. Bei Kiemennetzen liege die Überlebensrate zwischen 30 und 55%.
MSC-Zertifizierung
in Kanada und
den USA steht bevor
Sowohl in Kanada als auch in den
USA standen die Fischer dem
Versuch, den Dornhai auf die
Anhangliste II der CITES (Convention on International Trade
in Endangered Species) zu setzen, ablehnend gegenüber. Diese
Listung würde einen enormen
Die Hairücken, interleaved oder im Block gefrostet, gehen zumeist nach UK, wo man sie für „fish and chips“ verwendet, oder in andere Länder
Kontinental-Europas. Hierzulande kennt man sie unter dem irreführenden Namen „Seeaal“.
64 FischMagazin 6 / 2010
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[ dornhai ]
Genehmigungsaufwand für jede
einzelne Lieferung nach sich ziehen und Exporte nach Europa
praktisch unmöglich machen,
befürchtete Steve Barndollar, der
Präsident von Seatrade International Inc., einer der drei wichtigsten Dornhaiexporteure der
USA. Man gründete den Verband
„Fishermen Organized for Responsible Dogfish Management”,
der ein in solchen Fragen erfahrenes Rechtsanwaltsbüro engagierte und rund 20 einflussreiche
Senatoren des US-Kongresses für
die Durchsetzung seiner Interessen gewann. Ihr Hauptargument klingt durchaus plausibel:
wenn die Europäer ihre Dornhaibestände im Nordostatlantik
überfischt haben, bedeutet das
noch lange nicht, dass auch alle
anderen Bestände in der Welt in
ähnlich beklagenswertem Zustand sind. Die nordamerikanischen Dornhaibestände sind
jedenfalls nicht überfischt und
werden nachhaltig genutzt. Deshalb gibt es auch keinen Anlass,
den Export der Haiprodukte
durch bürokratische Regulierungsversuche einzuschränken.
Zumal eine solche Maßnahme
keinerlei Einfluss auf die europäische Fischereipolitik hätte, in
Zukunft sorgfältiger mit dieser
Ressource umzugehen.
Für Nordamerikas Dornhaiindustrie steht ein 80 bis 100
Millionen-Dollar-Business auf
dem Spiel. Flossen nach Asien, die Rücken nach England,
Frankreich, Italien und Belgien und die Bauchlappen nach
Deutschland – das Geschäft mit
dem Dornhai lohnt sich nur
dann, wenn sämtliche Produkte
verkauft werden können. Wenn
auch nur einer dieser Abnehmer
verloren geht, droht der Export
unrentabel zu werden, meint
auch Christian Brun, Geschäftsführer der Maritime Fishermen’s
Union in New Brunswick. In den
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plante MSC-Zertifizierung kostet
rund 90.000 Dollar und wenn
der Export durch CITES-Auflagen nahezu unmöglich wird,
kann man sich diese Ausgaben
sparen.
Auch die kanadische Dornhaifischerei im Atlantik will sich
MSC-zertifizieren lassen. Und
wie in den USA war bei ihnen das
Preassessment positiv. Steven E.
Campana, der Haiforscher vom
Bedford Institute, weiß jedoch,
dass die beauftragte Zertifizierungs-Agentur erst noch die Auswertung der Bestandseinschätzung abwarten will, die Kanada
und die USA erstmals gemeinsam durchgeführt haben. Wenn
die Ampel danach „Grün“ zeigt,
soll der Prozess wohl im Herbst
beginnen.
Der Rohwarenbedarf wird heute praktisch ausschließlich durch
Importe gedeckt. Fast 70% der Schillerlocken, die wir heute in Europa
verzehren, kommen aus den USA und Kanada. Beide Länder fangen
Dornhaie sowohl im Nordostpazifik als auch im Nordwestatlantik.
letzten zwei Jahren ist das Geschäft zunehmend schwieriger
geworden, weil die Nachfrage
deutscher Kunden nach Bauchlappen um zwei Drittel einbrach.
Deshalb sehe man sich derzeit
gezwungen, ungefähr die Hälfte
der Bauchlappen wegzuwerfen,
bedauert Louis Juillard, Exportmanager des US-Unternehmens
Marder Trawling.
Unter dem Druck von Umweltverbänden fordern insbesondere
deutsche, zunehmend aber auch
französische
Handelsketten,
von den Dornhaianbietern eine
MSC-Zertifikation. Nur so könne
man den Konsumenten zeigen,
dass der Fisch aus nachhaltig bewirtschafteten, nicht bedrohten
Beständen stamme. Seatrade International Inc. (Massachusetts),
Marder Trawling Inc. (New Bedford) und Zeus Packing Inc.
(Gloucester), die drei wichtigsten Verarbeiter für Dornhai in
den USA und eigentlich Wettbewerber, haben sich deshalb verbündet und bereits im Frühjahr
2009 den MSC-Zertifizierungsprozess in Gang gesetzt. Der Abschlussbericht der Vorprüfung
am 28. September bestätigte,
dass die US-Dornhaifischerei im
Atlantik sehr gute Chancen hat,
das MSC-Zertifikat zu erhalten.
Mit der Voll-Zertifizierung wollten sich die drei Unternehmen
jedoch bis März 2010 Zeit lassen,
um die Entscheidung der CITESKonferenz abzuwarten. Die ge
Etwas weiter sind da schon die
Dornhaifischer auf der Pazifikseite Kanadas, denn auch die
„Hook and Line“-Fischerei British-Columbias lässt sich MSCzertifizieren. Am 12. März 2010
teilte der MSC auf seiner Internetseite mit, dass das Zertifizierungsbüro Moody Marine jetzt
in die Phase der InformationsSammlung eintritt. Vom 19. bis
23. April fanden Gespräche mit
Vertretern der Fischerei, des
Fischereimanagements sowie
anderen Beteiligten statt. Wenn
nichts dazwischen kommt,
könnte die Zertifizierung wohl
Ende 2010 oder Anfang 2011 erfolgen.
Handelsketten, die jetzt Dornhaiprodukte mit dem Hinweis auf die
Überfischung des Fisches auslisten, könnten also schon bald in
die kuriose Situation kommen,
ihren Kunden erklären zu müssen, warum es die gleichen Produkte beim Wettbewerber sogar
mit dem MSC-Logo gibt, das für
nachhaltige, bestandsschonende
Fischerei steht.
mk
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