REGION SENSE JULI 2016 KÖNIZER ZEITUNG DER SENSETALER 39 Vom Wirtschaftsinformatiker zum Käser Otto Lieb lässt die Tradition des Käsens wieder aufleben WILEROLTIGEN – In seiner «Käse Manufaktur», in der ehemaligen Käserei, entstehen vorwiegend aus Ziegenund Schafmilch französische Käsespezialitäten. Die Milch wird bei der Produktion nicht erhitzt. Dadurch bleiben sämtliche Inhaltsstoffe der Milch in den Käseprodukten erhalten. Seit 1866 wurde in Wileroltigen gekäst. In der ersten Käserei nur 34 Jahre. Nach dem Verkauf der Liegenschaft wurde sie durch einen Brand vollständig zerstört. Das heutige Gebäude existiert seit 1901. Bis im Herbst 1997 wurde dort Käse produziert und vor der Schliessung noch knapp ein Jahr als Milchsammelstelle genutzt. Vor rund 20 Jahren haben Otto Lieb und seine Frau Cornelia die Liegenschaft erworben und teilweise umgebaut. Wie kommt ein Wirtschaftsinformatiker zum Käsen? «Nach 30 Jahren in der Informatik war es Zeit, etwas völlig Neues zu machen», erklärt der 59-jährige gelernte Maschinenkonstrukteur. «Die Idee zur Herstellung von Rohmilchspezialitäten ist vor zwei Jahren entstanden, weil meine Frau und ich natürliche, gesunde und ehrlich hergestellte Lebensmittel konsumieren wollen. Wenn man bei industriell hergestellten Produkten sieht, was vorne auf den Packungen mit ‹natürlich› deklariert wird und auf der Rückseite die Inhaltsstoffe studiert, wird es einem anders.» Viel Lehrgeld bezahlt Mit dem Käsen und der Produktion von französischem Weichkäse vertraut gemacht hat sich Lieb durch Studium von Fachliteratur, über das Internet und durchs Ausprobieren. «Dabei bin ich ein paarmal auf die Nase gefallen und habe einiges wegschmeissen müssen», gibt er unumwunden zu. Zuerst bot er das Käsesor- Otto Lieb vor seiner «Käse Manufaktur». | Fotos: Daniel Bill Frisch gefertigte Ziegenkäse. timent im Bekanntenkreis an, was sehr gut ankam. Einen ersten Durchbruch im öffentlichen Markt verzeichnete er am Wileroltiger Weihnachtsmarkt 2014. «Nach zwei Tagen war ich ausverkauft und erhielt sehr positive Rückmeldungen», sagt er stolz. Den ehemaligen Klimakeller hat er eigenhändig zu einer Käse-Manufaktur umgebaut. Da sind Produktions-, Reife- und Lagerräume, alle klimatisiert und blitzsauber. Weil die Milch roh verarbeitet wird, achtet Otto Lieb sehr genau auf die Hygiene. Zutritt zu diesen Räumen gibt es nur mit Plastiküberzügen. Im Produktionsraum steht ein 300-LiterKessi sowie drei 20-Liter-Behälter, in denen die Milch verkäst wird. Otto Lieb verarbeitet nur kleine Mengen Milch. Pro Woche sind es total 500 Liter Ziegen- und Schafmilch sowie kleine Mengen von Jersey-Kuhmilch, alles aus der Region. Die Ziegenmilch stammt aus dem freiburgischen, die Schafmilch aus Schüpberg. Die Kulturen und das Lab bezieht Lieb aus Südfrankreich. Neu auch Lab, das aus dem Pilz «Mucor Miehei» extrahiert wird, also vegetarischen Ursprungs ist. In den Reife- und Lagerräumen ruhen die milden Käse unterschiedlicher Grösse bei 10 bis 14 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von 80 bis 85 Prozent, je nach Sorte zwischen drei und acht Wochen. Otto Lieb hält die Lagerbestände bewusst klein, damit er immer frischen Käse anbieten kann. Zudem ist Käse aus Rohmilch weniger lange haltbar als pasteurisierte Produkte. Gefragter Jubiläumskäse Das diesjährige Jubiläum «150 Jahre Käserei Wileroltigen» war für Otto Lieb Grund genug, einen neuen Käse zu kreieren. Der «Jubiläumskäse» besteht aus zwei Dritteln Ziegenmilch und einem Drittel Jersey-Kuhmilch, die einen doppelt so hohen Fettanteil aufweist. Der Halbhartkäse entfaltet im Mund ein nachhaltiges, lieblich-würziges Aroma. «Der Jubiläumskäse ist zum eigentlichen Renner meines Käseangebotes avanciert», betont Lieb, der seine Produkte an den Wochenmärkten am Samstag in Murten und jeden zweiten Mittwoch im Monat in Aarberg sowie über das Internet verkauft. Seine Frau begleitet ihn oft an die Märkte und ist für die Produktion der Cheesecakes zuständig. Das Angebot umfasst auch Nature-Joghurt aus Ziegen-, Schaf- und Jerseymilch, Butter, Eier sowie Lammwurst und Natura Beefwurst. Damit er sich mit geschützten Markennamen keine Probleme einhandelt, gibt Lieb seinen Käseprodukten fantasievolle Eigennamen. Der roquefortähnliche Ziegen-Blauschimmelkäse heisst «Seeländer Smaragd», die in Öl eingelegten Ziegenkäsewürfel nennt er «Prosfatos» statt Feta, die in verschiedenen Varianten erhältlichen Schafkäsewürfel heissen «Mozza» statt Mozzarella. Übrigens: sein «Jubiläumskäse» wird ab nächstem Jahr «Wileroltiger Hofkäse» heissen. Versuchsweise beliefert Lieb die Bäckerei/Konditorei Hauser in Muntelier mit Hartkäse und Joghurt. Ein Vorfahre Hausers war vor langer Zeit selber Käser in Wileroltigen. So schliesst sich der Kreis zur bewegten Geschichte der Wileroltiger Käsereitradition. Daniel Bill INFO: Käse-Manufaktur Wileroltigen, Otto E. Lieb, ehem. Käserei, 3207 Wileroltigen, www.kaese-manufaktur.ch