Anzeigepflichtige Krankheiten SERIE Ansteckende Schweinelähme Die ansteckende Schweinelähme wird auch als Porzine Enterovirale Polioenzephalomyelitis (PEV-PEM) oder als Teschen/Talfan-Disease bezeichnet. Es handelt sich um eine Viruserkrankung, die der Kinderlähme des Menschen entspricht, mit dieser aber nichts zu tun hat. Hervorgerufen wird sie durch porzine Enteroviren, von denen inzwischen 13 Typen nachgewiesen wurden. Anzeigepflichtig ist davon nur der Typ 1, welcher die typischen Lähmungserscheinungen hervorruft. Diese klassische Form ist nur noch sehr selten zu beobachten. Trotzdem soll sie hier beschrieben werden, da sie aller Erfahrung nach jederzeit wieder akut werden könnte. Klinisches Bild Myelitische Form. Die Erkrankung beginnt mit einer kurzen Erhöhung der inneren Körpertemperatur (40 – 41 °C) und Fressunlust. Dann treten motorische Ausfallserscheinungen auf, die mit einer leichten Lähmung der Hinterhand beginnen. Danach verschlimmern sich die Lähmungserscheinungen, im ungünstigsten Fall bis zum Festliegen. Bei weniger dramatischem Verlauf gehen wenig ausgeprägte Lähmungen zurück, es erfolgt Selbstheilung. Die Anteilnahme an der Umgebung ist in beiden Fällen erhalten, die Hautsensibilität ebenfalls, eventuell ist sie erhöht (Hyperästhesie). Hirn-Rückenmark-Form. Diese Form betrifft in erster Linie Ferkel (Abb. 1) und ist nach Plonait und Bickhardt (1997) durch folgende Krankheitserscheinungen gekennzeichnet: Muskeltremor, klonisch-tonische Krämpfe, Opisthotonus, Nystagmus und Lähmung der Kehlkopf- und Zungenmuskulatur. Die Krankheit verläuft zu einem großen Teil tödlich. Stumme Durchseuchung Porzine Enteroviren sind in der Schweinepopulation sehr weit verbreitet, sie können in bis zu 80 % der Bestände gefunden werden. Die Infektion mit wenig virulenten Stämmen führt zu keinern erkennbaren Krankheitsanzeichen. Diagnose Die Diagnose ist anhand klinischer Erscheinungen nicht möglich. Die Sicherung der Verdachtsdiagnose ist aufwändig. Hierzu muss der Erreger aus Gehirn oder Rückenmark isoliert werden. Sie ist nach Plonait und Bickhardt (1997) “erfolgversprechend, wenn das Organmaterial innerhalb der ersten beiden Tage nach Auftreten von ZNS-Symptomen entnommen worden ist. Indirekt kann die Diagnose serologisch gestellt werden durch Untersuchung von Parallelproben, die bei Krankheitsbeginn und 14 Tage später von identischen Tieren entnommen werden”. Anzeigepflicht Foto: Iben, Witzenhausen Abb. 1. Schlaffe Lähmung bei neugeborenen Ferkeln mit ansteckender Schweinelähme. Der Gesetzgeber macht gern neue Gesetze, ist aber träge, wenn es um Abschaffung “alter Zöpfe” geht. So sind die Anzeigepflicht für die ansteckende Schweinelähme und Bestimmungen, die denen bei einem Ausbruch von Maul- und Klauenseuche gleichen, nur aus historischer Sicht verständlich. Seit Jahrzehnten ist eine Bedrohung des Schweinebestandes durch Enteroviren nicht mehr gegeben. Deshalb müsste die Anzeigepflicht für die Krankheit gestrichen werden. GROSSTIERPRAXIS 08/2004 13