Sprechstunde: Eltern fragen – Ärzte antworten Magnetisches Spielzeug und Herzschrittmacher Unser Sohn Finn ist vier Jahre alt und wurde mit VSD (Ventrikelseptumdefekt) und ASD (Vorhofseptumdefekt) geboren. Mit sechs Monaten wurden die Löcher verschlossen. Mit acht Monaten wurde ein Einkammerschrittmacher eingesetzt und mit 2 1/2 Jahren ein Zweikammerschrittmacher. Finn ist ein fideler Junge, der ohne jede Einschränkung lebt. Nun meine Frage: Zur Zeit gibt es ein Spielzeug mit dem Namen GEOMAG. Dieses Spielzeug besteht aus magnetischen Stäbchen und Metallkugeln, aus denen man viele Figuren bauen kann. Unsere beiden Söhne haben dieses Spielzeug geschenkt bekommen. In der Beschreibung steht nichts von einer Gefahr bei Schrittmacherträgern. Ich habe per E-Mail bei der Firma in Österreich angefragt, wie sich die Magnete gegenüber Schrittmachern verhalten. Die Firma hat mir geantwortet, dass dieses Spielzeug auch in Therapiezentren verwendet wird und unter Umständen eine Reizung bei Nickelallergikern auslösen kann. Ich traue dieser Aussage nicht. Ein Bekannter, der hier in Berlin bei dem Herzschrittmacherhersteller arbeitet, hat dieses Spielzeug an einem Schrittmacher getestet und der Schrittmacher reagiert darauf. Daraufhin habe ich eine E-Mail an Medtronic geschickt. Ich habe aber noch keine Antwort erhalten. Gern wüsste ich, was Ärzte dazu sagen. Beide Söhne wünschen sich noch Ergänzungsteile zu diesem Spielzeug. Welche Auswirkungen haben die Magnete auf den Schrittmacher? Kann der Schrittmacher schon verstellt sein, weil mein Sohn mit dem Magnet gespielt hat? Carola Chr., Berlin 6 Sie fragen, ob ein Schrittmacher durch magnetisches Spielzeug (GEOMAG) beeinflusst werden kann. Prinzipiell ist gut möglich, dass diese Magnetkügelchen den Herzschrittmacher stören. Bei fast allen Herzschrittmachern führt die Auflage eines Magneten auf den Schrittmacher zu einer starrfrequenten Stimulation, die die Eigenfrequenz des Herzens nicht beachtet. Diese Reaktion wird von den Schrittmacherherstellern dazu benutzt, einen einfachen Test ohne spezielles Programmiergerät hinsichtlich der Lebensdauer des Herzschrittmachers z.B. in einer Arztpraxis durchzuführen. Das einfachste wäre es, das Spielzeug mit zur Kontrolluntersuchung des Herzschrittmachers zu bringen. Ähnlich wie wir auf Wunsch von Kind oder Eltern bei unseren Patienten mögliche Störbeeinflussung durch Handys oder andere elektronische Geräte testen, könnte man hier untersuchen, ob und wie der Schrittmacher beim Spielen/Legen des Spielzeuges reagiert. Wir haben auch schon Ohrringe in dieser Weise untersucht. Falls das Spielzeug den Schrittmacher nicht beeinflusst, kann es (nicht aber ein anderes, ähnliches Spielzeug) problemlos verwendet werden. Falls es den Schrittmacher beeinflusst, sagt Ihnen Ihr Kinderkardiologe, ob die beobachtete Störbeeinflussung so stark ist, dass Ihr Kind nicht damit spielen darf. Manche Herzschrittmacher verfügen auch über die Möglichkeit, eine Magnetreaktion auf Aus zu programmieren. Dr. med. Joachim C. Will Sinusknotensyndrom Wir haben eine achtjährige Tochter, die unter folgenden Krankheiten leidet: Sinusknotensyndrom mit AV-Block II.°, offenes persistierendes Foramen ovale mit geringfügigen links-rechts-Shunts, pathologisch inkompletter Rechtsschenkelblock, phy- siologisch Trikuspidalklappen- und Pulmonalklappeninsuffizienz, Zyanose., des Weiteren Asthma Grad I, mäßige Lungenblähung. Die Herzfrequenz ist in Ruhe besonders nachts auf weit unter 40, bei leichter Anstrengung z.B. beim Spielen steil nach oben auf 190-220 und bei anschließendem Ausruhen schwankend. Nach einem sechstägigen Klinikaufenthalt im September 2001 wurden die oben genannten Diagnosen gestellt und ITROP gegen langsame Herzrhythmusstörungen dreimal täglich verordnet. Trotz regelmäßiger Einnahme geht es unserer Tochter schlecht. Sie ist körperlich stark eingeschränkt. Bei Anstrengungen wird sie blau und nimmt Hockstellung ein. Sie leidet oft unter Kopfschmerzen, Schwindel, Bauchschmerzen, Brechen mit Schweißausbrüchen. Seit Dezember 2001 darf sie auf Anweisung des Kardiologen nicht mehr am Schulsport teilnehmen. Stattdessen geht sie einmal pro Woche in eine Kinder-Herzsportgruppe. Bei den zwischendurch stattfindenden Messungen fällt bei kurzem Spielen oder Laufen die Sauerstoffsättigung bis auf 92. Die Herzfrequenz geht in hohe Bereiche und pendelt sich nur langsam erst wieder ein. Die Ärzte sehen das als normal und nicht als Besorgnis erregend an. Wir haben deshalb eine Frage an Sie: Müssen wir in Dauersorge um unsere Tochter leben? Unser Kind leidet selbst sehr unter den körperlichen Beschwerden und darunter, dass sie nicht mehr mit anderen Kindern spielen und mithalten kann. Die Kinderherzklinik hält eine dreimonatige Kon- trolle für ausreichend. Auf unsere Frage nach der Ursache der Störungen erhalten wir keine Antwort. Es wird auch nicht weiter nachgeforscht. Jedesmal EKG, Ultraschall und Langzeit-EKG. Die Befunde bleiben trotz ITROP gleich. Wir haben ein chronisch krankes Kind. Sie leidet häufig unter Atemwegsinfekten. Seit März 2001 kam dann die Herzgeschichte dazu. Soll unser Kind so weiterleben? Das Schlimmste sind für uns die unruhigen Nächte, wenn sie wegen Übelkeit, Erbrechen, Herzrasen und Schweißausbrüchen aufwacht. Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie uns einen Rat geben würden, wie wir verfahren sollen. Denn wir sind nicht mehr bereit, den Zustand unserer Tochter hinzunehmen. Wir haben den Eindruck, dass die behandelnden Ärzte mit diesem Fall nicht klarkommen, weil unsere Tochter mit ihren Beschwerden nicht einzuordnen ist. Unser Kind ist mit seinen acht Jahren 1,35 m groß und 35 kg schwer. Familie Sp., Siegburg Nach den Krankheiten, die Sie in Ihrem Brief beschreiben, ist mir leider nicht ganz klar, was die Kollegen für eine Gesamtdiagnose gestellt haben. Besteht ein Sinusknotensyndrom, heißt das meistens, dass der Herzschlag zu langsam im Vorhofbereich entspringt. AV-Block II.° bedeutet, dass auch die Überleitung des Herzschlages auf die Herzkammer zu langsam ist. Der inkomplette Rechtsschenkelblock könnte in Zusammenhang mit der Sinusknotenfunktionsstörung und dem AV-Block auch auf eine Erkrankung des gesamten Erregungssystems des Herzens hindeuten. Hier wäre auch wichtig zu wissen, ob jemand in Ihrer Familie ähnliche Probleme hat. Wenn diese Befunde die Ursache für die schlechte Belast7 barkeit Ihrer Tochter sind, dann könnte ein Herzschrittmacher die Leistungsfähigkeit wahrscheinlich verbessern. Es verwundert aber, dass Ihre behandelnden Kardiologen ITROP gegen langsamen Herzschlag verordnet haben, andererseits aber der Herzschlag beim Spielen in hohe Bereiche geht. Außerdem berichten Sie über nächtliches Herzrasen. Es gibt durchaus auch Formen von Herzrasen, die manchmal im Intervall im EKG so aussehen, als bestünde ein AV-Block II.° oder ein Sinusknotensyndrom, nämlich eine Art von Vorhofherzrasen, die mit einzelstehenden P-Wellen im EKG einhergehen. Es gibt zum Beispiel sogenannte retrograd geleitete Vorhofaktionen oder auch geblockte Extrasystolen. Sollte das Grundproblem eine Tachykardie, also Herzrasen, sein, so kann eine andere medikamentöse Therapie oder auch eine spezielle Herzkatheteruntersuchung unter Umständen Sarahs Zustand verbessern. Das persistierende Foramen ovale, die physiologische Trikuspidal- oder die Pulmonalklappeninsuffizienz erklären die Befunde nicht. Auffällig aber ist die Zyanose und der Sättigungsabfall bei Belastung, die nach Ihren Angaben wahrscheinlich am ehesten durch eine Lungenerkrankung bedingt zu sein scheint. Und Sie sprechen ja auch davon, dass Ihr Kind chronisch krank sei und die „Herzgeschichte dazukam“. Wenn die eigentliche Ursache für die körperlichen Beschwerden an der Lunge liegen, kann auch ein Herzschrittmacher leider keine Verbesserung der Leistungsfähigkeit mehr erbringen. Vielleicht lässt sich aber auch hier die Therapie noch optimieren. Zusammenfassend kann ich Ihnen allein mit den mir zur Verfügung stehenden Angaben leider noch keinen endgültigen Rat geben. Sie können mir aber auf Wunsch selbstverständlich gern die 8 Arztbriefe, EKGs und Langzeit-EKGs in Kopie übersenden, so dass ich Ihnen vielleicht helfen kann, die Beschwerden Ihrer Tochter besser zu verstehen und ihren Zustand zu verbessern. Dr. med. Joachim C. Will Wie oft kann man operieren? Vor etwa sieben Wochen wurde unser Sohn Matthias zum vierten Mal am offenen Herzen operiert. Er kam mit einer Fallot’schen Tetralogie zur Welt. Bei seiner letzten Operation musste die Pulmonalklappe durch einen Venograft, eine Rindervenenprothese (20 mm), ersetzt werden. Stimmt es, dass der Venograft mit günstigen Eigenschaften erst seit drei Jahren auf dem Markt ist? Was ist der Unterschied zwischen einem Xenograft und einem Venograft? Welche Vor- und Nachteile gibt es? Wie verhält es sich mit der Lebensdauer und Reaktionen der beiden Klappen auf den Körper? Müssen die Tiere, Schweine oder Rinder, speziell gezüchtet und genmanipuliert werden, um als Organspender zu dienen? Oder handelt es sich um Abfälle aus normalen Schlachtungen? Die Häufigkeit der Operationen ist für uns sehr beängstigend. Wie oft ist es eigentlich möglich, die Pulmonalklappe und ein Stück Vene auszutauschen? Immerhin muss jedes Mal an derselben Stelle operiert werden. Unser Sohn nahm fast neun Jahre lang Lexonin Liquid (Wirkstoff Digoxin) zur Herzstärkung. Bei der letzten Operation wurde dieses Medikament ohne Ersatz abgesetzt mit der Begründung, er habe ja keine Herzrhythmusstörungen und das Medikament sei umstritten. Das hat mich natürlich beun- ruhigt, denn neun Jahre im festen Glauben an die Wirksamkeit sind nicht so einfach wegzuwischen. Natürlich bin ich froh, wenn er weniger Medikamente nehmen muss. Ich habe aber Angst, dass nun gerade Rhythmusstörungen bzw. Herzschwäche auftreten. Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt es darüber (Fallstudien, Ergebnisse, Meinungen)? Doréen G., Senftenberg Bei Ihrem Sohn besteht offenbar ein Dauerproblem im Bereich des Ausflusses aus der rechten Herzkammer bei korrigierter Fallot’scher Tetralogie. Zuletzt ist, wie ich Ihren Angaben entnehmen kann, eine klappentragende Rindervenenprothese eingesetzt worden, die einen Durchmesser von 20 mm hat. Per Definition ist dies auch ein Xenograft. Xenos (griechisch) bedeutet fremd, also von einer anderen Spezies und nicht vom Menschen stammend. Die Rindervenen gibt es in der Tat erst seit etwa drei Jahren, so dass man über ihre Haltbarkeit noch nicht mehr sagen kann, auch wenn die ersten Erfahrungen durchaus positiv sind. Die Venen werden Tieren entnommen, die nicht genmanipuliert sind. Die Tiere werden nicht herkömmlich geschlachtet, sondern in erster Linie zu medizinischen Zwecken. Der Entnahmeund Aufbereitungsprozess ist ein, wenn man so will, medizinischer Vorgang unter streng kontrollierten hygienischen Bedingungen. Eine Alternative zu dieser Prothese wäre ein Homograft, eine von der gleichen Spezies, also von einem verstorbenen Menschen stammende Lungenschlagader. Ein Homograft kann ein gutes Dutzend Jahre halten, sicher ist es nicht. Beim Alter Ihres Sohnes ist ohnehin damit zu rechnen, dass man wegen des Größenwachstums noch mindestens einmal wird operieren müssen, da die 20 mm für einen ausgewachsenen Menschen eher knapp sind. Wahrscheinlich hat man deshalb auch eine Rinderprothese gewählt. Auf die muss man nicht warten, wie bei einem Homograft, dessen Verfügbarkeit nur bedingt kalkulierbar ist, sondern kann sie kaufen. Die Einpflanzung im Herzen ist für den Chirurgen aus technischen Gründen einfacher als beim Homograft. Eine richtige Abstoßung ist bei den Rinderprothesen noch nicht beobachtet worden, weil das Gewebe so behandelt wird, dass das Immunsystem des Patienten es nicht mehr als artfremd erkennt. Sie haben sicher mit Ihrer Sorge recht, dass immer wieder an der gleichen Stelle operiert werden muss. Dies ist nun einmal der schwache Punkt bei Herzen mit der Fallot-Erkrankung. Die Zahl der möglichen Operationen ist nach oben offen. Zu Ihrer Beruhigung kann man nur sagen, dass diese Stelle des Herzens relativ gut zugänglich ist, und der Wechsel einer solchen Prothese in der Regel ein verhältnismäßig geringes Operationsrisiko hat. Natürlich kann, besonders wegen der Verwachsungen, immer etwas passieren. Aber wenn man schon ahnt, dass man einen Patienten erneut wird operieren müssen, sorgt man als Kinderherzchirurg mit technischen Tricks vor. Digoxin ist sicher ein hochwirksames Herzmedikament, das aber auch Nebenwirkungen hat. Wenn das Herz Ihres Sohnes mit den Belastungen bislang gut zurechtgekommen ist, besteht kein zwingender Grund, das Medikament unkritisch lebenslang weiter einzunehmen. Da dürfen sie getrost Ihrem Kinderkardiologen vertrauen. Wenn man bei den regelmäßigen Nachkontrollen (und die sind wichtiger als Digoxin!) sieht, dass das Herz sich langsam zum Negativen verändert, kann man jederzeit wieder mit dem Medikament beginnen und muss keine Angst haben, etwas verpasst zu haben. Prof. Dr. med. Markus Heinemann 9