2000/2001 Zweijahresbericht GeoForschungsZentrum Potsdam IMPRESSUM Herausgeber: GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ) Stiftung des öffentlichen Rechts Telegrafenberg 14473 Potsdam Redaktion: Dr. Jörn Lauterjung Franz Ossing Layout: Otto Grabe (GFZ) & Druckerei Arnold Druck: Druckerei Arnold Am Wall 15 14979 Großbeeren GFZ Potsdam 2002 Das GFZ Potsdam ist Mitglied der Hermann von Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren e.V. Diamantstempelpaar und Rhenium-Dichtring für Experimente bei hohen Drücken und Temperaturen. Durchmesser der Diamantstempel: etwa 3,5 mm (Foto: R. Schulz, GFZ Potsdam) Pair of diamond anvils for experiments with high pressures and temperatures. Diameter of the diamond anvils is about 3.5 millimetres. 298 Aufgabenbereich 4 Stoffparameter und Transportprozesse Der Aufgabenbereich ”Stoffparameter und Transportprozesse” vereint Mineralogen, Petrologen/Petrographen, Geochemiker, Physikochemiker, Geophysiker und Strukturgeologen zum Forschungsthema ”Stoff- und Energietransport über Schmelzen und Fluide”. Das interdisziplinär angelegte Forschungsprogramm umspannt den Rahmen chemischer, physikalischer, mineralogischer und geologischer Arbeiten und ist durch den Einsatz vielfältiger analytischer und experimenteller Untersuchungsmethoden charakterisiert. Ziel ist die Ermittlung von Stoffeigenschaften und Stoffzuständen als Funktion unterschiedlichster Parameter, um die Dissipation von Energie und die Umlagerung von Material quantifizieren zu können. Die Ergebnisse dieses Forschungsprogramms werden wesentlich zum Verständnis der stofflichen Entwicklung der Erdkruste, der in ihr vorkommenden Mineralisationen und ihrer heutigen thermischen Struktur beitragen. Die kontinentale Lithosphäre unterliegt einer ständigen Veränderung, die im Laufe der Erdgeschichte zu einer ausgeprägten stofflichen Differenzierung zwischen Erdmantel und Erdkruste sowie innerhalb der Erdkruste in Ober- und Unterkruste geführt hat. Eine wesentliche Rolle bei den Stoffumlagerungen spielen dabei Gesteinsschmelzen und Fluide, deren Aufstieg bzw. Migration untrennbar mit Energie- und Stofftransport gekoppelt sind. Die stofflichen Veränderungen und Umlagerungen lassen sich grob in magmatische, metamorphe und hydrothermale Prozesse untergliedern. Sie werden durch druck- und temperaturgesteuerte Wechselwirkungen zwischen Festkörpern und Fluiden oder Schmelzen ausgelöst. Ein wichtiger Aspekt dabei ist, dass sich in Gegenwart von Fluiden viele physikalische Gesteins- und Mineraleigenschaften ändern. Der durch Subduktionsprozesse hervorgerufene Magmatismus und der damit verbundene Stoff- und Energietransport werden intensiv untersucht. Als wichtigster Prozess der Krustenentwicklung ist er verantwortlich für die stoffliche Differenzierung, das rheologische Verhalten und die physikalischen Eigenschaften der Erdkruste. Zusätzlich werden aus Untersuchungen von Verformungs- und Bruchvorgängen sowie ihres Einflusses auf die Porenraumstruktur wichtige Beiträge zur Frage des Stoff- und Energietransports in tektonisch beanspruchten Zonen erwartet. Die damit einhergehende Deformation von Gesteinen und Mineralen löst metamorphe Reaktionen aus, wobei sich bei ändernden Temperaturen und Drücken Minerale neu bilden, ein Prozess, der von charakteristischen Element-Umverteilungen in Gegenwart von Fluiden begleitet ist. Ein tieferes Verständnis der Wechselbeziehung Deformation-Gestein-Fluid liefert wichtige Beiträge für die Rekonstruktion der für den Strukturbau der Kruste verantwortlichen Tektonik. Die quantitative Modellierung dieser Vorgänge ist allerdings erst möglich, wenn ausreichende physikochemische und petrophysikalische Grundlagendaten vorliegen. Ein Thema von internationaler Aktualität sind Gesteinsfluide, die in der Erdkruste chemische und mineralogische Prozesse auslösen, geodynamische Vorgänge beeinflussen und physikalische Eigenschaften der Gesteine verändern können sowie große Bedeutung für den Energie- und Stofftransport haben. Hydrothermale Prozesse treten immer im Gefolge von Magmatismus und Metamorphose auf. Dabei werden mineralisierende Fluide gebildet, deren Stoffinhalt bei unterschiedlichen Alterationsreaktionen aus den Gesteinen freigesetzt wurde. Ein zentrales Anliegen der Fluidforschung im Aufgabenbereich 4 ist die Aufklärung des geochemischen Verhaltens von Gasen und Gashydraten sowie damit verbundene Isotopenfraktionierungsprozesse. Untersuchungen zu den Stoffkreisläufen von Stickstoff, der Edelgase und des Methans sollen dabei im Mittelpunkt stehen. Die Langzeitdetektion vulkanischer Gasemanationen und die Erforschung des geochemischen Verhaltens von Gasen in Magmen können wesentlich dazu beitragen, vulkanische Risiken abzuschätzen. Es wird erwartet, daß geochemisches Monitoring kombiniert mit geophysikalischen Beobachtungsnetzen helfen wird, Naturgefahren, die durch Vulkanismus hervorgerufen werden, zu erkennen und zu minimieren. Im Rahmen der Gemeinschaftsprojekte/Gemeinschaftsforschung werden eine Ionensonde, Reinstraumlaboratorien nebst Massenspektrometern für die Mineral- und Gesteinsdatierung sowie die Isotopengeochemie und eine Hochdruck-Hochtemperatur-Experimentieranlage für in-situ-Untersuchungen mit Röntgenbeugungsmethoden am Hamburger Synchrotron-Strahlungslabor (HASYLAB) zur Verfügung gestellt. Aluminium-Gehalt von Amphibolen In Metamorphiten und Magmatiten sind Amphibole als gesteinsbildende Minerale weit verbreitet. Auf Grund ihrer sehr variablen Zusammensetzung sind Amphibole hervorragend geeignet, über die Bildungsbedingungen von Gesteinen Auskunft zu geben. Insbesondere der Einbau von Aluminium in Amphibol spielt eine wichtige Rolle, denn der Aluminum-Gehalt ist eine Funktion des Druckes. Daher lässt sich der Aluminum-Gehalt von Amphibolen als Geobarometer verwenden. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass für die entsprechenden Amphibole die notwendigen thermodynamischen Größen bekannt sind. Um die vorhandene thermodynamische Datenbasis zu erweitern, wurden daher expe- 299 rimentelle Arbeiten im System CaO-MgO-Al2O3-SiO2H2O durchgeführt. In diesem System lassen sich die Amphibole als Mischkristalle aus den Komponenten Tremolit (Ca2Mg5[Si8O22/(OH)2]), Tschermakit (Ca2Mg3Al2[Al2Si6O22/(OH)2]) und Cummingtonit (Mg2Mg5[Si8O22/(OH)2]) beschreiben. Der Tschermakit-Gehalt des Amphibols, also sein Aluminium-Gehalt, ist aber nicht nur ausschließlich eine Funktion des Druckes, sondern auch der Temperatur und im Besonderen der Gesamtzusammensetzung des Gesteins. Je nach Mineralvergesellschaftung baut der Amphibol bei sonst identischen Bedingungen unterschiedlich viel Aluminium ein. Aus kristallchemischer Sicht ist der Einbau von Aluminium in das Kristallgitter kompliziert, da er gleichzeitig auf kristallographischen Positionen mit oktaedrischer (VI) und tetraetrischer (IV) Sauerstoffumgebung erfolgt, wobei jeweils mehrere verschiedene Gitterplätze zur Verfügung stehen. Um den AluminiumGehalt der Amphibole thermodynamisch erfassen zu können, ist daher neben einer genauen chemischen Analyse die Bestimmung, auf welchen Gitterplätzen das Aluminium sitzt, unbedingt erforderlich. Normalerweise sind die Kristalle synthetischer Amphibole sehr klein und kaum größer als 0,03 mm, was die analytische und strukturelle Untersuchung sehr erschwert. Mit speziellen Synthesemethoden gelingt es aber, relativ große Kristalle von bis zu 0,1 mm zu züchten (Abb. 4.1). Mit einer Kombination unterschiedlichster analytischer und spektroskopischer Methoden wie Elektronenmikroskopie, Elektronenstrahlmikrosonde, Röntgenbeugung und Infrarotspektroskopie ist es dann möglich, den Chemismus und die Aluminium-Konzentrationen auf den einzelnen Gitterplätzen zu bestimmen. So lassen sich mit Hilfe der Strukturverfeinerung auf der Basis von Pulverdiffraktometer-Daten die Gitterplätze identifizieren, auf denen ein Kationenaustausch stattfindet. Auf Grund ihrer Größe beanspruchen die einzelnen Kationen unterschiedlich viel Platz. Daher kommt es auf den Gitterplätzen, auf denen eine Substitution erfolgt, zu einer Aufweitung oder Schrumpfung der mittleren Kationen-Sauerstoff-Abstände als Funktion der Zusammensetzung, während die anderen Kationen-Sauerstoff-Abstände im wesentlichen konstant bleiben. Aus Abb. 4.2 ist ersichtlich, daß der Austausch von Aluminium mit Magnesium auf den oktaedrischen M2- und M3-Positionen und der Austausch von Aluminium mit Silizium ausschließlich auf der tetraedrischen T1-Position erfolgt. Mit Hilfe der Infrarot-Spektroskopie lassen sich diese Beobachtungen bestätigen. Die ermittelten Gleichgewichte werden zusammen mit den strukturellen und kirstallchemischen Ergebnissen dazu verwendet, die thermodynamischen Daten für Tschermakit abzuleiten. In Abb. 4.3 ist der unter Verwendung der ermittelten thermodynamischen Daten bestimmte Aluminium-Gehalt für die in Amphiboliten typische Mineralvergesellschaftung Amphibol-Anorthit-Diopsid-Quarz dargestellt. Da die TschermakitIsoplethen, das heißt die Linien mit konstanten Tschermakit-Gehalten, für diese Mineralvergesellschaftung relativ horizontal verlaufen, stellt der Aluminium-Gehalt der Amphibole für diese Paragenese ein gutes Geobarometer dar. Der Aluminium-Gehalt des Amphibols wurde bei unterschiedlichen Druck- und Temperaturbedingungen unter Berücksichtigung der folgenden Mineralreaktionen untersucht: 300 1 Tschermakit + 2 Diopsid + 2 Quarz ⇔ 1 Tremolit + 2 Anorthit 1 Tschermakit + 2 Quarz ⇔ 1 Talk + 2 Anorthit 2 Tschermakit + 2 Quarz ⇔ 4 Anorthit + 3 Enstatit+ 2 H2O 5 Tschermakit + 4 H2O € 1 Tremolit + 8 Aanorthit + 2 Klinochlor 3 Tremolit + 9 Tschermakit +14 Quarz + 8 H2O ⇔ 12 Zoisit + 14 Talk 5 Tremolit + 43 Tschermakit + 60 H2O € 14 Klinochlor + 28 Talk + 48 Zoisit 20 µm (1) (2) (3) (4) (5) (6) Abb. 4.1: Rasterelektonenmikroskop-Aufnahme von synthetischen Tremolit-Tschermakit Mischkristallen. Die einzelnen Kristalle sind bis zu 0,06 mm lang und 0,01 mm dick. Scanning electronmicroscope picture of synthetic tremolite-tschermakite crystals. The crystals are up to 0.06 mm in length and 0.01 mm in diameter. Abb. 4.2: Mittlerer Kationen-Sauerstoff-Abstand einer Kationenposition <M-O> in Abhängigkeit vom Aluminiumbzw. Tschermakit-Gehalt und die entsprechenden Kationengrößen. Bei der Substitution eines Kations auf einem spezifischen Gitterplatz reagiert auch der dazugehörige mittlere Kationen-Sauerstoff-Abstand entsprechend. Aus den gemessenen Abständen läßt sich ableiten, daß Aluminium auf den oktaedrischen Positionen M2 und M3 und auf der tetraetrischen Position T1 eingebaut wird. Mean cation-oxygen distance of a cation latticeposition <M-O> in dependance of the aluminium or tschermakite content and the respective cation magnitudes. Substitution of a cation at a specific latticeposition influences the respective mean cation-oxygen distance. The measured distances show that aluminium occupies octaedric positions M2 and M3 and tetraedric position T1. 301 700 Amph + Zo + Di + Qz 600 0.25 500 P [MPa] 0.30 Amph + An + Di + Qz 0.20 400 0.15 300 200 Tschermakit-Gehalt 0.10 An + Di + En + Qz 100 0 500 600 700 T [°C] 800 900 Abb. 4.3: Aluminium- bzw. TschermakitGehalt der Mineralparagenese AmphibolAnorthit-Diopsid-Quarz (blau) in Abhängigkeit von Druck und Temperatur. Die Isoplethen (gestrichelt), d.h. Linien mit konstantem Tschermakit-Gehalt, sind für diese Paragenese überwiegend eine Funktion vom Druck. Al- or tschermakite content of the mineral paragenesis amphibole-anorthite-diopsidequartz (blue) as a function of pressure and temperature. The isopleths (dashed lines) i.e. lines with constant tschermakite content depend for this paragenesis mainly on pressure. Neubildung von Monazit und Xenotim in Apatit: Resultat der fluid-induzierten Metasomatose metamorpher Gesteinen unter erhöhten P-T-Bedingungen In vielen metamorphen und magmatischen Gesteinen bilden Phosphat-Minerale die wichtigsten Träger von Seltenen-Erden-Elementen (SEE). Neben Apatit, der zumeist als F-Apatit [Ca10(PO4)6F2] (F-Ap), seltener auch als Cl-Apatit [Ca10(PO4)6 Cl2] (Cl-Ap) ausgebildet ist, gehören dazu auch Monazit [(Ce,LREE)PO4] (Mnz) und Xenotim [(Y,HREE)PO4] (Xn). In einer Reihe metamorpher Gesteine, die nachweislich eine fluidinduzierte metasomatische Überprägung bei erhöhten Drücken (500 bis 1000 MPa) und Temperaturen (> 500 bis 600 °C) erfahren haben, wurden kleine (< 1 bis 20 µm) Kristalle von Monazit und/oder Xenotim beobachtet, die entweder innerhalb des Apatits eingeschlossen sind oder Aufwachsungen an den Apatitkornoberflächen darstellen (Abb. 4.4a, b). Solche SelteneErden-Phosphate sind nicht mit Apatiten assoziiert, die keiner Metasomatose ausgesetzt waren. Monazit- bzw. Xenotim-generierende Apatite zeichnen sich in der Regel durch (Y+SEE)-Gehalte oberhalb von etwa 0,5 Gew.-% aus. Ein charakteristisches Merkmale von SEEPhosphaten, die genetische Beziehungen zu Apatit aufweisen, sind niedrige Gehalte an Th (< 1 Gew.-%). Darüber hinaus sind innerhalb von Apatiten gebildete Monazite und Xenotime räumlich von Zonen umgeben, in denen die leichten SEE bzw. die schweren SEE einschließlich Y im Apatit abgereichert wurden. 302 Die Untersuchung natürlicher Gesteine als auch experimentelle Studien legen den Schluss nahe, daß derartige Monazite und auch Xenotime ihren Gehalt an Y und den SEE aus dem Mutterapatit selber bezogen haben, welcher im Zuge der Einwirkung metasomatischer Fluide mobilisiert wurde. Es gibt keine Hinweise darauf, dass diese Minerale Fremdeinschlüsse oder im Zuge der Abkühlung entstandene Entmischungsprodukte darstellen. Die Freisetzung der (Y+SEE) aus dem Apatitgitter erfolgte im Ergebnis folgender gekoppelter Substitutionsreaktionen: Na+ + (Y + REE)3+ = 2 Ca2+ (1) Si4+ + (Y + REE)3+ = P5+ + Ca2+ (2) und/oder Die Kristallisation von Monazit bzw. Xenotim innerhalb von Apatit kann vereinfacht wie folgt beschrieben werden: Apatit(1) + (Ca2+, P5+, O2-)Fluid = Apatit(2) + Monazit und/or Xenotim + (SiO2 + Na2O)Fluid (3) Der Reaktionsapatit(2) ist dabei im Vergleich zum Ausgangsapatit(1) an den Seltenen Erden Y, Na bzw. Si abgereichert. Aus den Reaktionen (1) bis (3) kann abgeleitet werden, dass neben Druck und Temperatur die Zusammensetzung der fluiden Phase für die Bildung der SEEPhosphate von entscheidender Bedeutung ist. Das infiltrierende Fluid muß die Substitutionsreaktionen (1) und/oder (2) dergestalt begünstigen, dass Na bzw. Si aus dem Apatitgitter mobilisiert werden. Die daraus resultierende Störung der elektrischen Neutralität bedingt dann die Freisetzung der SEE, welche in der Form von Monazit und/oder Xenotim im Apatit selber wieder fixiert werden. Aus den drei genannten Reaktionsgleichungen läßt sich auch erkennen, dass das metasomatische Fluid auch in der Lage sein muß, P und Ca bzw. F, Cl und OH (als Komplexbildner für Na bzw. Si) in ausreichender Menge zu transportieren. Die experimentellen Untersuchungen an natürlichen Fund Cl-Apatiten haben nachgewiesen, daß H2O oder bestimmte konzentrierte bzw. überkritische salinare Lösungen (z.B. CaCl2) die Generierung der SEEPhosphate fördern, während Salze wie NaCl oder KCl erwartungsgemäß keine oder nur eine begrenzte stimulierende Wirkung ausüben. Darüber hinaus belegen die Experimente ein Temperaturlimit von etwa 600 °C, unterhalb dessen eine Kristallisation der SEE-Phosphate nicht mehr innerhalb, sondern ausschließlich auf der Oberfläche der Apatit stattfindet. Demgegenüber kann ein wässriges Fluid die Bildung der SEE-Phosphate in Cl-Apatiten zumindest über T- und P-Bereiche von 300 bis 900 °C bzw. 500 bis 1000 MPa in Gang setzen. In der Natur wurden Monazit- und/oder Xenotim-Kristalle auch in F-Apatiten aus geringmächtigen, CO2induzierten Dehydratationszonen beobachtet, in denen Amphibol +/- Biotit in Orthopyroxen +/- Klinopyroxen umgesetzt wurden. Dieser Sachverhalt gibt zu der Vermutung Anlass, dass auch Kohlendioxid einen Komplexbildner darstellt, der geeignet ist, SEEPhosphate im Zuge der Apatitmetasomatose zu generieren. Zur Untermauerung dieser These müssen jedoch noch einige abschließende Experimente realisiert werden. Die bisherigen Ergebnisse der Studien unterstreichen, dass die Apatit−Monazit (Xenotim)-Paragenesen wichtige Indikatoren für die Rekonstruktion von p-T-XBedingungen metamorpher Prozesse bilden. Zum einen belegen sie qualitativ, dass fluid-induzierte metasomatische Prozesse das Gestein geprägt haben. Zum anderen geben sie im Fall von F-Apatit und der Bildung der SEEPhosphate innerhalb des Mutterapatits eine untere TGrenze für die Wirksamkeit der Metasomatose. Und letztlich erlauben sie auch eine qualitative Bestimmung der Zusammensetzung (K,Na,Ca,F,Cl,OH) der infiltrierenden externen Lösungen oder der internen Restfluide, die für die Überprägung verantwortlich zeichneten. Abb. 4.4: a) Rückstreuelektronenfotografie (RSE) eines metasomatisch überprägten F-Apatits (F-Ap) (800 °C, 800 MPa) aus einem granulitfaziellen Metabasit von Val Strona, Ivrea-Verbano-Zone, Italien. Im Inneren des Apatits, der von Ilmenit (Ilm), Plagioklas (Plg) und Orthopyroxen (Opx) umgeben wird, befindet sich ein ungewöhnlich großer Monazitkristall (Mnz). b) RSE-Fotografie eines partiell metasomatisch veränderten Cl-Apatits (Cl-Ap) (600 bis 700 °C, 500 bis 600 MPa) aus der Apatit-Lagerstätte Ødegårdens Verk, Bamle-Sektor, SO-Norwegen. Der metasomatisch veränderte Bereich erscheint als ein horizontaler dunkler Bereich etwa in der Mitte des Bildes und enthält eine Vielzahl kleinster Monazit- und Xenotim-Körner. c) RSE-Fotografie eines natürlichen F-Apatits, welcher experimentell durch die Einwirkung von reinem H2O bei 900 °C und 1GPa unter Generierung eines Monazitkristalls (im dunklen Bereich) metasomatisch überprägt wurde. d): RSE-Fotografie eines natürlichen Cl-Apatits, der den gleichen experimentellen P-T-X-Bedingungen wie der in Abb. 1c dargestellte F-Apatit ausgesetzt wurde. Auch hier finden sich in den dunklen, metasomatischen Partien neugebildete Körner von Monazit und Xenotim. a) Backscattered electron (BSE) image of a metasomatised fluorapatite grain (F-Ap) (800 °C; 8 kbars) with a single monazite (Mnz) inclusion located in a granulite facies metabasite from the upper Val Strona of the Ivrea-Verbano Zone, N. Italy. It is surrounded by ilmenite (Ilm), plagioclase (Plg) and orthopyroxene (Opx). b) BSE image of a partially metasomatised chlorapatite (Cl-Ap) grain (600 to 700 °C; 5 to 6 kbar) from the Ødegårdens Verk apatite mine, Bamble Sector, SE Norway. The metasomatised region is represented by the dark band across the center of the photo. Both monazite (Mnz) and xenotime (Xn) inclusions are found in the (Y+REE) depleted metasomatised region. c) natural fluorapatite grain experimentally metasomatised using pure H2O at 900 °C and 10 kbar. This resulted in the nucleation and growth of the single monazite inclusion. Fig. 1d shows two natural chlorapatite grains experimentally metasomatised using pure H2O at 900 °C and 10 kbar. Both monazite and xenotime grains volunteered in the metasomatised (Y+REE) depleted regions represented by the dark patches. 303 TEM-Untersuchung von diffusions-kontrolliert gebildeten Wollastonitsäumen Wenn in Gesteinen der Erdkruste Minerale miteinander reagieren, bestimmt in vielen Fällen Diffusion entlang von Korngrenzen die Reaktionsgeschwindigkeit. Da die meisten Reaktionen mit Volumenänderungen verbunden sind, wird das dynamische Verhalten der Erdkruste durch die Kinetik der Diffusionsprozesse stark beeinflusst. Will man die Kinetik diffusions-kontrollierter Mineralreaktionen studieren, so bieten sich Reaktionssäume zwischen inkompatiblen Phasen als ideale Modellsysteme an. Reaktionssäume kommen zudem in vielen metamorphen Gesteinen vor und können wichtige Informationen über die diffusive Mobilität der chemischen Komponenten und über die Metamorphosegeschichte der Gesteine liefern. Ein Beispiel sind Wollastonit-Säume in quarzführenden metamorphen Kalksteinen. In mehreren experimentellen Studien wurde die Wachstums-Kinetik von Reaktionssäumen untersucht, z. B. von Wollastonit-Reaktionssäumen zwischen Quarz und Calcit. Wie schnell der Wollastonit wächst, wird von der Diffusion der beteiligten chemischen Komponenten – CaO und SiO2 – durch den Saum hindurch kontrolliert. Der Diffusionsmechanismus hängt von den Reaktionsparametern ab. In den meisten Fällen handelt es sich um Korngrenz-Diffusion. Die WollastonitSäume sind polykristallin. Die Diffusion durch einen Saum stellt daher immer einen integralen Effekt dar, bei dem sich der diffusive Transport über sehr viele Körner und Korngrenzen hinweg addiert. Um die WachstumsKinetik der Wollastonit-Säume zu beschreiben, genügt es, diesen summarischen Effekt zu betrachten. Will man jedoch die grundlegenden Mechanismen verstehen, ist es nötig, Einzelkörner und einzelnen Korngrenzen zu betrachten. 304 Dies ist mittels Transmissions-Elektronenmikroskopie (TEM) möglich. Ein Haupthindernis für TEMUntersuchungen an sehr kleinen Objekten, wie den nur wenige µm breiten Wollastonitsäumen aus unseren Experimenten, lag bislang in der Probenpräparation. Eine neue Methode, die Focused Ion Beam (FIB) Technik, hat nun das Tor aufgestoßen. Mit der FIBMethode ist es möglich, große TEM-Präparate von völlig einheitlicher Dicke herzustellen – analog einem Gesteins-Dünnschliff, aber um zwei bis drei Größenordnungen kleiner und dünner. Abb. 4.5 zeigt eine solche Probe: Ein Wollastonitsaum ist auf Quarz aufgewachsen. Vom Calcit ist er durch einen Hohlraum getrennt, der während der Reaktion mit CO2 gefüllt war. Der abgebildete Ausschnitt des Reaktionssaums wird ganz überwiegend von stengligen Kristallen gebildet, die senkrecht zur Quarzoberfläche orientiert und durch Verdrängung von Quarz gewachsen sind. Die initiale Quarz-Calcit-Grenzfläche lag also ganz am rechten Rand des Wollastonit-Saums. Von rechts nach links wird der Wollastonit immer jünger: Die Kristalle an der initialen Grenzfläche haben sich kurz nach Versuchsbeginn gebildet, während der Wollastonit an der Reaktionsfront zum Quarz erst unmittelbar vor Versuchsende kristallisiert ist. Wie im Zeitraffer kann man im Querschnitt durch den Saum seine texturelle Entwicklung nachvollziehen. Abb. 4.5: TEM-Aufnahme von einem WollastonitReaktionssaum, aufgewachsen auf Quarz (links). Vom Calcit (rechts) ist der Wollastonit durch einen offenen Hohlraum getrennt, der während der Reaktion mit CO2 gefüllt war. Fast der gesamte Wollastonit hat sich durch Verdrängung von Quarz gebildet. Nur einige größere, rundliche Kristalle (z.B. am oberen Bildrand) sind frei in den CO2-gefüllten Hohlraum gewachsen. Die Dicke des TEM-Präparats beträgt 100 nm. Versuchsbedingungen: 950 °C, 100 MPa, 150 h. TEM-picture of a wollastonite reaction rim overgrown on quartz (left). Wollastonite is separated from calcite (right) by an open cavity, which was filled with CO2 during reaction. Almost the entire wollastonite is formed by replacement of quartz. Only a few larger, rounded crystals (e. g. upper edge of the picture) have grown freely into the CO2-filled cavity. The thickness of the TEM-foil is 100 nm. Experimental conditions: 950 °C, 100 MPa, 150 h. Vorläufige Ergebnisse zeigen, daß die Dicke der Wollastonit-Kristalle im Verlauf des Saum-Wachstums stetig abnimmt, in dem Saum in Abb. 4.5 z. B. durchschnittlich von 215 auf 165 nm. Nach einiger Zeit stellt sich ein Plateauwert ein, im vorliegenden Beispiel nach 75 von 150 Stunden Versuchsdauer. Wir interpretieren die Kristalldicke als ein Resultat der KorngrenzDiffusion von CaO und SiO2 entlang der QuarzWollastonit-Grenzfläche. Die treibende Kraft sind Gradienten im chemischen Potential dieser Komponenten, welche vom Kristallisationsdruck des Wollastonits induziert werden. Derartige Effekte wurden theoretisch vorhergesagt, waren aber der direkten Beobachtung bisher kaum zugänglich. Experimentelle Entwässerung eines DiasporitMarmor Systems bei subduktionszonen–relevanten P-T Bedingungen: Reaktionsbedingte Porosität, Bildung und Evidenz für ausgeprägte Al (Ti,Fe) Mobilität bei hohen Drucken. Im Gegensatz zu den meisten Gesteinstypen (z.B. tonige Gesteine), die mit zunehmender Erdtiefe bei ansteigendem Druck (P) und Temperatur (T) kontinuierlich entwässern, verlieren Metabauxite ihr Wasser diskontinuierlich während der prograden Metamorphose. Die abrupte Dehydratisierung wird durch die Umwandlung des Minerals Diaspor (α-AlOOH) in Korund (α-Al2O3) plus Wasser bei P-T-Bedingungen der Blauschiefer- und Eklogit-Fazies (Abb. 4.6). Da niedriggradige Bauxite 50 bis 80 Vol.% Diaspor enthalten, werden bei der Phasenumwandlung 6 bis 8 Gew.% H2O freigesetzt. Metamorphe Bauxite bieten deswegen ein einzigartes Modellsystem zur Untersuchung von Dehydratisierungsprozessen in der mittleren und tieferen Kruste, wie sie z.B. während der Subduktion von Sedimenten oder hydratisierter ozeanischer Kruste stattfinden. Abb 4.6: Druck (aH2O = 1)-Temperatur Diagramm mit der Position des Diaspor-Korund (Dsp-Crn) -Gleichgewichtes (nach Fockenberg et al., 1996). Kreise und Vierecke, verbunden durch Linien, geben experimentelle Sinter- und endgültige P-T-Versuchsbedingungen an. Metamorphe Faziesfelder sind schematisch eingezeichnet. P-T diagram showing the diaspore-corundum (DspCrn) equilibrium (after Fockenberg et al., 1996). Circles and squares connected by lines depict annealing and final conditions of the experiments, respectively. Metamorphic facies fields are shown schematically. Die Diasporit-Dehydratisierung wurde experimentell an einem Diasporit-Marmor-System in der Piston-Zylinderapparatur bis zu Drücken von 40 Kbar (≈ 120 km Erdtiefe; Abb. 4.6) untersucht. Das untersuchte System besteht aus einem Zylinder aus natürlichem feinkörnigen Diasporit (6 mm lang und 3 mm Durchmesser), der in zwei Hohlzylindern aus feinkörnigem, entweder kalzitischen oder dolomitischen Marmor eingeschlossen wurde (Abb. 4.7a). Dieser Aufbau wurde dann in einer dickwandigen Gold-Kapsel eingeschlossen und zuerst circa einen Tag P-T-Bedingungen innerhalb des DiasporStabilitätsfeldes ausgesetzt (Abb. 4.6). Die Experimente zeigen, dass bei einer Überschreitung des Diaspor-Korund-Gleichgewichtes um 40 bis 150 °C nach 5 bis 7 Tagen eine (fast) vollständige Unwandlung von Diaspor in Korund stattgefunden hat. Bei einer geringeren Überschreitung des Gleichgewichtes um 10 bis 30 °C reagierte Diaspor nur teilweise nach Korund (Experimente AFD06, 07 und 10 in Abb. 4.6). Die Diaspor-Dehydratisierung findet dann bevorzugt am äußersten Metabauxit-Rand statt (Abb. 4.8D), vermutlich als Folge einer reduzierten Wasseraktivität (aH2O) während des Anfangsstadiums des Dehydratisierungsprozesses. Ein ähnliches Phänomen wird in der Natur bei der Umwandlung von diaspor- nach korundführenden Metabauxiten auf der Insel Naxos (Kykladen, Griechenland) beobachtet. Während der prograden Metamorphose bildete sich hier der erste Korund auch bevorzugt am äußersten Rand der Metabauxit-Linsen (Abb. 4.9), welche im inneren Bereich noch unverändert sind. Bei Drücken ab 17 Kbar (Abb. 4.6) bildete sich in allen Experimenten eine mehrere Millimeter breite poröse, korundreiche Zone entlang der bauxitischen Seite des Metabauxit-Marmor Kontakts, wobei der Marmor keine sichtbare Porosität zeigt (Abb. 4.8). Der lithologische Kontakt wird, abhängig von den experimentellen Bedingungen, von einem 10 bis 100 µm breiten metasomatische Saum aus Biotit, Fe-reichen Staurolith, oder Fe-Ca-Mg Granat gekennzeichnet. Dieser fast monomineralische Saum und die Bildung von Silikaten in der porösen Kontakt-Zone ist auf lokale Reaktionen zwischen dem Metabauxit und dem umgebenden Marmor züruckzuführen. Mikroanalytische Untersuchungen zeigen eine Migration von Si, Na und K vom zentralen Teil des Metabauxites zum Randbereich. Die Bildung einer ausgeprägten Porosität entlang des lithologischen Kontakts ist vor allem auf die Abnahme des Gesteinsvolumens zurückzuführen. Bei der DiasporKorund Reaktion reduziert sich das Volumen um circa 28%, da Korund eine viel dichtere Struktur besitzt als Diaspor. Auch die lokalen DekarbonatisierungsReaktionen, welche zu Mineralneubildungen von Staurolith und Granat führen, sind mit einer deutlichen Volumenabnahme verbunden. In den Experimenten mit 20 bis 40 Kbar (Abb. 4.6) diente die poröse Kontaktzone zum Fluidtransport. Angetrieben von einem thermischen Gradienten (20 bis 30 °C) entlang der 10 mm langen Goldkapsel, wurde der oberste Teil des Metabauxit-Zylinders teilweise aufgelöst, besonders bei Experimenten mit dolomitischen Marmor (Abb. 4.7E). Dies deutet auf eine aus- 305 306 Abb. 4.7: Startmaterial und Produkte der Diasporit-Entwässerungsexperimente. (A) Startmaterialien bestehen aus einem feinkörnigen Diasporit-Zylinder und zwei Marmor-Hohlzylindern. (B) Produkt des Experiments AFD03 parallel und senkrecht zur Goldkapsel geschnitten. Horizontale Risse im unteren Teil des Korundit und Marmor entstehen durch Druckentlastung am Ende des Piston-Zylinder Experiments. (C) Produkt des Experiments AFD03. (D) Detailaufnahme des Experiments AFD01 mit Bildung eines Hohlraums im obersten Teil der Kapsel. Der Hohlraum war gefüllt mit H2O, freigesetzt durch die Diaspor-Umwandlung und CO2, produziert durch lokalen KarbonatZerfall. (E) Produkt des Experiments AFD02 mit dolomitischen Marmor. Der oberste Teil des Diasporit-Zylinders wurde größtenteils aufgelöst . Start material and final products of diasporite dehydration experiments. (A) Start material consisting of fine-grained diasporite cylinder and two hollow marble cylinders. (B) Product of run AFD03 cut parallel and perpendicular to gold capsule. Horizontal fractures crossing lower part of metabauxite and marble formed during unloading of the piston-cylinder apparatus. (C) Product of run AFD03. (D) Detail of product of run AFD01 with development of cavity in upper part of capsule. The cavity was filled with H2O released by diaspore breakdown and CO2 produced by local breakdown of carbonate. (E) Product of run AFD02 using dolomitic marble. Upper part of metabauxite cylinder was largely dissolved and a fluid-filled cavity was developed there. geprägte Mobilität von Al, Fe und Ti im MetabauxitMarmor-System bei hohen Drücken hin. Eine solche stark zunehmende Element-Löslichkeit im Form superkritischer Fluide bei relativ kalten, hoch-P-Bedingungen wurde in letzter Zeit auch von andere Forschergruppen bestätigt. Die Bildung dieser “high-density”-Fluide hat eine wichtige Bedeutung für die Fluid-Gesteinswechselwirkung und rheologische Prozesse im Bereich von Subduktionszonen. Das Metabauxit-Marmor-Modell- system ist ein gutes Beispiel für die Bildung reaktionsbedingter Porosität und Permeabilität an chemisch unterschiedlichen Gesteinskontakten. Da eine Abfolge verschiedener Lithologien auf kleinem Raum häufig in der Natur auftritt, spielt dieser metamorphe Prozess eine große Rolle für die Speicherung und den Transport von Fluiden und beeinflusst deswegen die petrophysikalischen und rheologischen Eigenschaften der mittleren und tiefen Kruste. G A B Ca Crn Bx rbo na te 50 µm Dsp Pg Ms C D Ms Ms Bt 20 µm Dol Crn Hem Crn M s Dol Dsp Bt 50 µm 20 µm Crn Crn + por Grt Grt F Ms St Ank St n Grt Cr E Carb. Grt Ms Dol 200 200 µm µm Ms St Gr t St St Pg 100 µm Abb. 4.8. Rasterelektronenmikroskopische- (SEM) und rückgestreute Elektronen- (BSE) Bilder von Produkten der Diasporit-Dehydratisierungsexperimente. P-T-Bedingungen der Experimente sind in Abb. 4.6 angegeben. Benutzte Abkürzungen: Ank = Ankerit; Bt = Biotit; Bx = Metabauxit; Carb = CaCO3-reicher Marmor; Crn = Korund; Dol = Dolomit; Dsp = Diaspor; Grt = Granat; Hem = Ti-Hämatit; Ms = Muskovit; Pg = Paragonit; por = Porosität; St = Staurolith. (A) SEM-Bild des Kontakts (gestrichelte Linie) zwischen Metabauxit und CaCO3-reichem Marmor des Experiments AFD03. Metabauxit entlang des Kontakts wird charakterisiert durch eine ausgeprägte Porosität, wobei der Marmor keine sichtbare Porosität zeigt. Das Rechteck gibt die Position von Bild B an. (B) Detail einer porositätsreichen Zone mit plattigen Korund-Kristallen. Feinkörnige Quench-Phase bedeckt einige Korund Kristalle. (C) BSEBild des Experiments AFD04. Bildung von Biotit entlang des Metabauxit-Dolomit Kontakts. Muskovit und Ti-Hämatit kommen in geringeren Mengen in der porösen korundreichen Kontaktzone vor. (D) BSE-Bild des Experiments AFD07 mit teilweiser Umwandlung von Diaspor in Korund am Rand des Metabauxites. Die weiße Phase ist Ti-Hämatit. Der vertikale Riss (schwarz) zwischen Dolomit und Metabauxit hat sich entweder während der Druckentlastung des Experiments oder bei der Probenpräparation gebildet. (E) BSE-Bild eines Granat-Reaktionssaums entlang des Metabauxit-Marmor-Kontakts (Experiment AFD01). Der korundreiche Metabauxitrand zeigt eine hohe Porosität (schwarz) und enthält einzelne Körner von Granat, Staurolith, Muskovit und Ti-Hämatit (weiß). (F) BSE-Bild einer porösen Staurolith- und Korund-reichen Zone entlang des Metabauxit-Dolomit Kontakts. Dolomit entlang des Kontakts ist teilweise von Ankerit ersetzt worden. Granat, Muskovit und Ti-Hämatit (helle Körner im linken Teil des Bildes) kommen vereinzelt in der porösen Zone vor. Products of diasporite dehydration experiments. Abbreviations used: Ank = ankerite; Bt = biotite; Bx = metabauxite; Carb = CaCO3-rich marble; Crn = corundum; Dol = dolomite; Dsp = Diaspore; Grt = garnet; ; Hem = Ti-hematite; Ms = muscovite; Pg = paragonite; por = porosity; St = staurolite. (A) SEM micrograph of contact between metabauxite and CaCO3-rich marble in run AFD03 (image from fracture surface). Note high porosity in the metabauxite along the contact and lack of visible porosity in the adjacent marble. Dashed line marks metabauxite-marble contact and square position of plate B. (B) SEM micrograph showing details of platy euhedral corundum crystals in high-porosity zone of run AFD03. Fine-grained quench phase covers some of the corundum grains. (C) BSE picture of run AFD04 showing metabauxite-dolomite contact marked by a thin biotite seam. Minor muscovite and Ti-hematite are also present in the porous corundum-rich contact zone. (D) BSE picture of run AFD07 showing partial reaction of diaspore to corundum at edge of metabauxite. White phase is Ti-hematite. The vertical fracture (black) between dolomite and metabauxite formed during unloading of the experiment or sample preparation. (E) BSE picture of run AFD01 showing a garnet reaction rim along the bauxite-marble boundary. The corundum-rich metabauxite rim has a high porosity (black) and contains isolated grains of garnet, staurolite, muscovite and Ti-hematite (white). (F) BSE picture of run AFD05 showing metabauxite-dolomite contact. A high-porosity staurolite-corundum zone occurs on the bauxitic side of the contact; dolomite near the contact is partially replaced by ankerite. Some garnet occurs on the contact and in the porous zone together with muscovite and Ti-hematite (white grains in left part of picture). 307 marble metabauxite Abb. 4.9: Kontakt zwischen Metabauxit und kalzitischen Marmor in der Nähe der Korund-in Isograde in SO-Naxos (Kykladen, Griechenland). Der lithologische Kontakt ist subvertikal und wird gekennzeichnet durch cm-grosse Korunde (blau) und Chloritoid (braun verwittert). Metabauxit war ursprünglich anwesend im Vordergrund, wurde dort aber abgebaut. Die Münze hat einen Durchmesser von 2,5 cm. Contact between metabauxite and calcitic marble in the vicinity of the corundum-in isograd in SE-Naxos (Cyclades, Greece). Subvertical lithological contact is marked by cm-sized corundum (blue) and chloritoid (brownish weathered). Metabauxite was initially present in the front but was mined there. Coin has diameter of 2.5 cm. Experimente und Modellierungen zur Deutung der Spurenelementsignaturen von Inselbogenbasalten 308 Die Anreicherung von bestimmten inkompatiblen Spurenelementen und ihren Isotopen in Inselbogenbasalten (IAB) relativ zu Basalten mittelozeanischer Rücken, wird interpretiert als ein Recyclingprozess von Krustenmaterialien in den Erdmantel und Rücktransport über an der Erdoberfläche eruptierte Laven durch in der subduzierten Platte freigesetzte Fluide. Ein Schlüssel zum Detailverständnis dieses vermutlich mit komplexen Fraktionierungsprozessen zwischen Festkörper, Fluid und Schmelze einhergehenden Element- und Isotopenkreislaufes, bietet die Kombination von Experimenten und Simulationen zum Verteilungsverhalten zwischen den oben genannten Komponenten. Dieser Strategie folgend, konnten Melzer & Wunder (2000) zeigen, dass – basierend auf experimentell ermittelten Verteilungskoeffizienten KD von Alkalien zwischen Fluid und Phengit – die in der Natur beobachtete Alkalienvariationen in IAB mit der Tiefe der Benioff-Zone übereinstimmen. Dies ergibt sich aus einem einfachen Modell der Veränderung der Rb/K-, Cs/K- und Cs/Rb-Werte bei einer Rayleigh-Fraktionierung unter Annahme einer kontinuierlichen Zersetzung von Phengit mit der Tiefe (Abb. 4.10). Die Modellierung setzt allerdings die Annahme voraus, daß das in der abtauchenden Platte bei der kontinuierlichen Entwässerung von Phengit gebildete Fluid nicht durch im Mantelkeil metasomatisch neugebildete alkalihaltige Phasen (wie z.B. Phlogopit) bezüglich seines Alkaliverhältnisses verändert wird. Kürzlich durchgeführte Experimente zum Alkalienaustausch zwischen Fluid und Phlogopit (Melzer & Wunder, 2001) zeigen ein grundsätzlich ähnliches Verhalten wie das System Phengit - Fluid: Cs fraktioniert bevorzugt ins Fluid und Rb wird bevorzugt im Festkörper eingebaut. Insbesondere bei hohen Drücken zeigen sich allerdings relative Unterschiede: Beim Phlogopit - Fluid System fraktioniert Rb stärker in den Phlogopit und Cs schwächer in das Fluid (Abb. 4.11) als beim System Phengit - Fluid. Unter der Annahme, daß Si- und alkalireiche Fluide aus der entwässernden subduzierenden Platte zu einer metasomatischen Phlogopitbildung im überlagernden Mantelkeil führen, lässt sich die Fraktionierung der Alkalien durch Modelle von Ionenaustauschprozessen in einer phlogopithaltigen chromatographischen Gesteinssäule simulieren (Abb. 4.12). Für subduktionszonen-relevante Bedingungen liefern solche Modellierungen Alkalienverhältnisse, die nicht mit denen der IAB-Signaturen übereinstimmen. Dementsprechend wird vermutet, dass die metasomatische Bildung von Phlogopit im Mantelkeil limitiert ist und dass die LILE-Signatur von IAB primär durch die in der subduzierten Platte freigesetzten Fluide geprägt wird. Phengit Fluid 0.008 Rb K 0.008 0.006 0.006 0.004 0.004 0.002 0.002 0.000 0.000 0.0006 0.0006 Cs 0.0004 K 0.0004 0.0002 0.0002 0.0000 0.0000 Cs K 0.20 0.20 Cs Rb Cs Rb 0.10 0.10 0.00 1.0 Rb K 0.00 0.8 0.6 0.4 0.2 0.0 50 150 F (Anteil des verbleibenden Phengits) 250 350 450 Tiefe der Benioff-Zone [km] Abb. 4.10: a) Berechnete Veränderung der Alkalienverhältnisse (Rb/K, Cs/K, Cs/Rb) bei einer perfekten RayleighFraktionierung, unter der Annahme einer kontinuierlichen Zersetzung von Phengit und damit verbundenem Fluidfreisatz während des Subduktionsprozesses. Die Modellierungen basieren auf den in Melzer & Wunder (2000) ermittelten Verteilungskoeffizienten. b) Variation der Alkalienverhältnisse in Inselbogenbasalten (Quellen, zusammengefasst in Melzer & Wunder, 2000) in Abhängigkeit zur Tiefe der Benioff-Zone. Modellierung und Naturbeobachtungen stimmen überraschend gut überein. Dieses lässt vermuten, dass beim Fluidaufstieg durch den Mantelkeil und zwischen Fluid und Schmelze keine weiteren Fraktionierungsprozesse bezüglich der LIL-Elemente auftreten. a) Calculated changes of alkali-ratios (Rb/K, Cs/K, Cs/Rb) for a perfect Rayleigh fractionation assuming continous disproportion of phengite with associated fluid liberation during subduction. Models are based on distribution-coefficients of Melzer & Wunder (2000). b) Variation of alkali-ratios in island arc basalts (Melzer & Wunder, 2000) dependant on the depth of the Benioff-zone. Model and observation match quite well. This implies that no additional fractionation process of LIL elements occurs during fluid migration through the mantle wedge. 1.0 Rb-K-Serie 0.8 Cs/(Cs+K)fluid Rb/(Rb+K)fluid 0.8 1.0 0.6 0.4 0.2 0.0 0.0 0.2 0.4 E G A 0.2 GPa 2.0 GPa 4.0 GPa 0.6 0.8 Rb/(Rb+K)phl Cs-K-Serie 309 0.6 0.4 0.2 1.0 0.0 0.0 E G A 0.2 0.4 0.6 Cs/(Cs+K)phl 0.2 GPa 2.0 GPa 4.0 GPa 0.8 1.0 Abb. 4.11: Experimentell (alle Daten bei 800 °C) ermittelte Verteilungen von a) Rb-K und b) Cs-K zwischen Phlogopit und chloridischen Lösungen. Im Vergleich zu K wird Rb bevorzugt in den Phlogopit eingebaut und mit zunehmenden Druck wird der Effekt größer. Cs wird bevorzugt in der fluiden Phase angereichert und mit zunehmenden Druck wird dieser Effekt geringer, so dass bei 40 kbar nahezu eine Gleichverteilung vorliegt (nach Melzer & Wunder, 2001). Experimentally determined distributions (for 800 °C) of a) Rb-K and b) Cs-K between phlogopite and chloridic solutions. Compared to K predominantly Rb is built in phlogopite with increasing pressure. R = Rb/K 0.010 0.008 0.006 t=t c 4 t c 16 t 32 t c c 64 t c phl 0.004 0.002 fluid 0.000 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 z/L 310 Abb. 4.12: Veränderung der Alkalienverhältnisse (am Beispiel Rb/K) von Phlogopit und fluider Phase bei einem kontinuierlichen Fluidfluß durch eine phlogopithaltige chromatographische Säule. In diesem Modell soll die chromatographische Säule einem der Subduktionszone überlagernden Mantelkeil entsprechen. Die Berechnung der Alkalienverhältnisse von Fluid und Phlogopit nach unterschiedlichen Durchflußzeiten (x · tc) an verschiedenen Orten (z/L) in der Säule erfolgte für subduktionszonenrelevante Eingabeparameter (bei 40 kbar/800 °C ermittelte KDWerte, Alkalienverhältnisse von Mantelphlogopit, Fluid-Alkalienverhältnisse eines bei 120 km Erdtiefe entwässernden phengithaltigen Sediments) und gleichförmige Verteilung chemisch homogener Phlogopite in der Säule. Die Modellierungen belegen, daß ein in der Subduktionszone freigesetztes Fluid beim Aufstieg durch einen phlogopithaltigen Mantelkeil eine LILE-Signatur aufgeprägt bekäme, die bezüglich der Rb/K-Werte eine gute, aber bezüglich der Cs/K- und Cs/Rb-Verhältnisse (hier nicht dargestellt) schlechte Übereinstimmung mit typischen IAB-LILESignaturen besitzten würde. Change of alkali-ratios (i.e. Rb/K) of phlogopite and fluid phase during a continous fluid flow through a phlogopite containing chromatographic column. In this model the column represents an overlying mantle wedge in a subduction zone. Calculation of alkali-ratios of fluid and phlogopite after different flow times (x · tc) at different locations in the column (z/L) was based on subduction-zone relevant input parameters (KD-values for 40 kbar and 800 °C, alkali-ratios of mantle-phlogopite, fluid-alkali-ratios of an dehydrating phengite-containing sediment at a depth of 120 km) and homogenous distribution of phlogopite in the column. The model calculations show that fluids will get a LILE signature during migration through a phlogopite-containing mantle wedge. Zustandsfunktionen für Fluide in der Erdkruste und dem Erdmantel Bei vielen Prozessen in Kruste und Mantel der Erde spielen Fluide eine wichtige Rolle. Die Entstehung von Schmelzen, metasomatische Veränderungen von Gesteinen, generell fast jeder Stofftransport, aber auch das rheologische Verhalten von Mineralen und Gesteinen wird entscheidend von Fluiden und deren thermodynamischen Eigenschaften beeinflusst. So werden Schmelztemperaturen von Gesteinen in Gegenwart eines H2Ohaltigen Fluids im Vergleich zu trockenen Systemen um mehrere hundert Grad herabgesetzt und damit die Magmenbildung in der Erdkruste erst ermöglicht. H2OGehalte von nominell H2O-freien Mineralen bestimmen wesentlich die rheologischen und diffusiven Eigenschaften. Durch sein hohes Dipolmoment ist Wasser ein starkes Lösungsmittel und trägt wesentlich zum Stofftransport in der Tiefe bei. Gesteine, die durch tektonische Prozesse in die Tiefe transportiert werden, setzen mit steigender Temperatur durch Mineralrektionen solche Fluide frei. Hierbei handelt es sich im wesentlichen um Dehydrations- und Gleichgewichtstemperaturen von Mineralreaktionen, Schmelztemperaturen von Gesteinen, H2O-Gehalte von nominell H2O-freien Mineralen hängen unmittelbar mit den thermodynamischen Eigenschaften von H2O und anderer Spezies im Fluid ab. Die entscheidenden Größe hierfür ist die Fugazität einer Spezies. Die Berechnung dieser Fugazität setzt aber die Kenntnis der Zustandsfunktion voraus, die das Volumen des entsprechenden Fluids in Abhängigkeit von der Temperatur und der Zusammensetzung im gesamten Druckintervall beschreibt. Für einfache Fluide, die im wesentlichen aus einer Spezies bestehen, sind solche Zustandsfunktionen sehr gut bekannt. Diese beruhen im wesentlichen auf experimentellen Daten. Experimentell bestimmte Volumina von Fluidmischungen bei georelevanten Bedingungen gibt es aber nur wenige. Daher müssen solche Mischungsvolumina aus den Zustandsfunktionen der reinen Komponenten interpoliert werden. Auf Grund der physikalisch-chemischen Wechselwirkung der unterschiedlichen Moleküle verhalten sich die Volumina solcher Fluidmischungen nicht linear, sondern müssen mit Mischungsregeln errechnet werden, die meist empirisch sind und nicht theoretisch begründet werden können. Ausserdem setzt eine solche Interpolation voraus, dass allen Zustandsfunktionen der gleiche physikalische Ansatz zu Grunde liegt und sie die gleiche mathematische Form haben. Unter Berücksichtigung der intermolekularen Wechselwirkungen ist es mit Hilfe der Perturbationstheorie möglich, für alle Spezies eine einheitliche Zustandsfunktion zu formulieren, die sich außerdem zu hohen Drücken extrapolieren lässt. Diese Zustandsfunktion setzt sich aus einem Lennard-Jones-Potential und Termen zusammen, die die Wechselwirkungen von permanenten und induzierten Dipolen berücksichtigt. Für jede Fluidspezies gehen neben den zwei Konstanten des Lennard-Jones-Potentials lediglich noch das Dipolmoment und die Polarisierbarkeit des jeweiligen Moleküls ein. Die entwickelte Zustandsfunktion beschreibt mit großer Genauigkeit das Verhalten von reinen Spezies in Fluiden mit lediglich 4 Konstanten. Abb. 4.13 zeigt am Beispiel Stickstoff, dass die mit der Zustandsfunktion berechneten und die experimentell bestimmten Volumina über einen großen Druck- und Temperaturbereich gut übereinstimmen. Bisher kann die Zustandsfunktion 98 verschiedene Fluidspezies beschreiben. 95 85 V [cm3mol-1] Dekarbonationsreaktionen. Theoretisch lassen sich diese Fluide im System C-O-H beschreiben. Gase, die an Vulkanen freigesetzt werden, enthalten neben diversen Salzen wie NaCl, KCl, CaCl2 und anderen gelösten Verbindungen auch Moleküle, die aus den Elementen N, S, F, Cl, Br, I, B zusammengesetzt sind. So enthalten solche Fluide neben H2O und CO2 auch noch Anteile von H2, CO, CH4, N2, NH3, HCl, H2S, SO2 und Ar. Neben anderen Beobachtungen weist dies darauf hin, dass auch Fluide im Erdinnern deutlich komplexer zusammengesetzt sind, und sich nicht ausschließlich durch das System C-O-H beschreiben lassen. 75 873 K 973 K 65 1073 K 55 45 773 K 673 K 573 K 35 100 300 1273 K 1473 K 1773 K 500 700 P [MPa] 900 Abb. 4.13: Vergleich von berechneten und experimentell bestimmten Volumina von Stickstoff Comparison of calculated and measured volumes of nitrogen Da die mathematische Form für alle Spezies identisch ist, kann diese auch uneingeschränkt für Mischungen unterschiedlichster Fluidspezies verwendet werden. Damit ist es auch möglich, komplexe Phasenbeziehungen, wie sie in Fluidmischungen oft auftreten, zu berechnen. So zeigt Abb. 4.14 die Phasenbeziehungen im System H2O-CH4-CO2 bei 673 K (400 °C) und 1,5 bzw. 3,0 Gpa. Hierbei wird ersichtlich, dass über weite Bereiche zwei fluide Phasen koexistieren. Generell zeigt die Anwendung der abgeleiteten Zustandsfunktion, dass man über weite Bereiche der Erdkruste und des Erdmantels mit zwei koexistierenden Fluiden zu rechnen hat, wenn H2O mit deutlichen Anteilen einer weiteren Komponente gemischt ist. Dies ist insofern von außerordentlicher geologischer Relevanz, da die koexistierenden Fluide sich meist deutlich in der Dichte und in ihren anderen physikalisch-chemischen Eigenschaften, wie z.B. dem Lösungsverhalten, unterscheiden. Werden zwei koexistierende Fluide durch physikalische Prozesse voneinander getrennt, so kann es zu Fraktionierungen und letztendlich zu Anreicherungen und Lagerstättenbildung kommen. Auch die Speziation in komplex zusammengesetzten Fluiden lässt sich mit der entwickelten Zustandsfunktion berechnen. So zeigt Abb. 4.15 die Speziation von einem Fluid im System NO-H bei 773 K (500 °C) und 100, 500 bzw. 900 Mpa in Abhängigkeit vom Sauerstoffpartialdruck für eine spezifische Zusammensetzung. Es wird deutlich, dass die Speziation in komplexen Systemen von den physikalischen Bedingungen abhängt. Auch dies hat weitreichende Konsequenzen für geologisch relevante Prozesse, da die Speziation in einem Fluid wiederum die Transporteigenschaften und die Komplexbildung von wichtigen Rohstoffen beeinflusst. 311 1.E-3 P=100 MPa QFM 1.E-2 T=773 K H2/N2=4 1.E-4 1.E-0 H2 NH3 H2O N2 QFM 1.E-1 1.E-2 P=500 MPa T=773 K H2/N2=4 1.E-3 1.E-4 H2 NH3 H2O N2 1.E-1 QFM Konzentration xi 1.E-0 1.E-2 T=773 K H2/N2=4 1.E-3 1.E-4 P=900 MPa 1.E-5 -40 -35 -30 -25 -20 -15 Fluid 2 312 N2 1.E-5 -40 -35 -30 -25 -20 -15 673 K 3.0 GPa F1+F2 CH4 H2 O NH3 WM Fluid 1 Konzentration xi N2 H2O b 1.E-1 H2 1.E-5 -40 -35 -30 -25 -20 -15 F1+F2 CH4 1.E-0 WM 673 K 1.5 GPa WM a Konzentration xi H2O N2 Log[fO2] Abb. 4.14: Phasenbeziehungen im System H2O-CH4CO2 Phase relations in the system H2O-CH4-CO2 Abb. 4.15: Speziation im System N-O-H Speciation in the system N-O-H Ursachen der Versalzung des See Genezareth und der Quellen und Bohrungen entlang seines Ufers. oberen Kreide gespeist. Einige Quellen und Bohrungen fördern Thermalwässer bis zu 70°C. Die Lanthaniden Signatur der Oberflächen- und Grundwässer ist in charakteristischer Weise verschieden (Abb. 4.16). So zeigen die Grundwässer des Eozän große negative CeAnomalien (Ein 7, Kin 7, Tabgha-Quellen), die auf die Oxidation von Fe im Kalkstein bei dessen Verkarstung zurückgehen. Grundwässer aus dem Cenoman zeigen keine Ce Anomalie (Sapir Site, Druzi spring), da diese Wässer hinreichend reduzierend reagieren, so dass Fe nicht mehr oxidiert werden kann. Diese Grundwässer sind verschieden von den Oberflächenwässern (Jordan, Meshushim, Yarmukwasser), deren Lanthaniden-Signatur wesentlich von der Verwitterung der Vulkanite geprägt wird. Die Wässer der Fuliya-Gruppe erweisen sich als Mischwässer der extremen Tiberias-Gruppe und Der See Genezareth ist das größte FrischwasserReservoir in Israel. Seine zunehmende Versalzung wie auch die der Quellen und Bohrungen entlang seines Ufers ist ein schwerwiegendes Umweltproblem, verknüpft mit der ernsten Bedrohung der Trinkwasserversorgung der Bevölkerung. Daher ist eine eingehende Kenntnis der Versalzungsursachen eine dringende Voraussetzung für jede Art Wasser Management in dieser Region. Die Quellen werden vom Grundwasser aus eozänen Kalken, die Bohrungen zumeist aus den Kalksteinen der den Grundwässern in oberkretazischen Kalksteinen. Es zeigt sich, dass einige Wässer extreme Lanthanidenmuster aufweisen, die auf das Vorhandensein von basischen Plutoniten, möglicherweise entlang der Grabenstörung, hinweisen. Hinweise finden sich hierfür in den Wässern der Bohrungen Kikar, Kin 8 und der Fuliya Gruppe. Die allermeisten Proben zeigen eindeutige fingerprints des Kalkstein, mit dem die Wässer in langem Kontakt standen. 313 Abb. 4.16: See Genezareth, Israel, mit den Lokationen der Quellen und Bohrungen. Seitlich angeordnet sind links von oben nach unten die Lanthaniden-Muster der Tabgha-, Fuliya- und Tiberias-Gruppen und rechts die der Oberflächenzuläufe, des Seewassers und der östlichen Quellgruppe. Die untere Abbildung entspricht der synoptischen Darstellung der Ergebnisse der Untersuchungen unter Einbeziehung der Modellrechnungen. Lake Genezareth, Israel, with the location of springs and drill-holes. To the left the lanthanide signatures of the Tabgha-, Fuliya und Tiberias groups and to the right of the surface inflows, lakewater and the eastern group of springs. The lower figure shows a sketch of the results of the investigations and the model-calculations. Wie kommt es zur Versalzung? Hierzu werden in der Literatur vier Varianten diskutiert: (i) rezente, marine Wässer, (ii) schwache Seewassersolen, (iii) stark eingeengte Seewassersolen und (vi) Auflösung von Evaporiten des Jordangrabens. Die ersten beiden Varianten scheiden aus vielen Gründen aus. Die beiden letzteren bilden die Polarisierung in der gegenwärtigen Diskussion. In beiden Szenarien wird mit Annahmen gearbeitet, für die es gegenwärtig keine oder unzureichende Belege gibt. Daher soll auf diese beiden Szenarien eingegangen werden, um die Brisanz dieses Themas zu beleuchten. Die Förderung von Grundwasser ist erst in den letzten 50 Jahren durch die dichte Besiedlung dieses Raumes forciert worden. Vorher war die Besiedlung eher gering und man begnügte sich mit den Schüttungen der vorhandenen Quellen. Mit der Anlage von Brunnen wurden tieferliegende Aquifere erschlossen. Durch intensives Pumpen, verbunden mit der Grundwasserabsenkung, wurde die hydrostatische Auflast auf den Solen verringert und damit deren Aufstieg ermöglicht. Gibt es im Untergrund ein endliches Potential an Solen, sollte mit der Zeit eine Aussüßung eintreten, und sich somit die Versalzung der geförderten Grundwässer verringern. Repräsentieren diese Solen jedoch Ablaugungen von Salzlagerstätten, dann ist je nach Größe derselben nicht mit einer Aussüßung zu rechnen. Daraus resultiert das große Interesse an einer Klärung dieser Frage, die auch die Zukunft dieses bedeutungsvollen Siedlungsraumes betrifft. 314 Unser Ansatz geht von der Annahme aus, dass eine unbekannte Masse Grundwasser mit bekannter Zusammensetzung sich mit einem Kilo unbekannter Sole vermengt, um als Wasser mit bekannter Zusammensetzung gefördert zu werden. Als weitere Möglichkeit wird angenommen, dass die Sole selbst oder mit fortschreitender Verdünnung der Kalkstein dolomitisiert und es, bedingt durch den Anstieg des Ca-Gehaltes, zur Gipsfällung kommt. Insgesamt enthält das Modell 10 unabhängige Gleichungen mit neun unbekannten Parametern. Die Lösung erfolgt mit dem solver des mathcad-Programms. Die Lösungen stellen Daten mit den kleinsten Abweichungsquadraten dar, d.h. es sind keine exakten analytischen Lösungen. Daher ist deren Überprüfung unbedingt erforderlich. Als Ergebnis für 13 Wässer rund um den See Genezareth (Tab. 1) ergibt sich ein recht einheitliches Bild: Die Zusammensetzung der Sole, mit der sich das Grundwasser vermischt und dabei aufsalzt, ist in allen Fällen nahezu identisch (Tab. 1). Um diese Zusammensetzung beurteilen zu können, sind zum Vergleich die Zusammensetzungen eines eindampfenden Meerwassers bei Erreichung unterschiedlicher Einengungsstadien gegeben, gekennzeichnet durch den Beginn der Kristallisation der angegebenen Salze. Wählt man als Bezug den Chloridgehalt, so ergibt sich eine Solenzusammensetzung die etwa dem Epsomit-Sylvin-Stadium entspricht. Die errechnete Solenzusammensetzung (Tab. 4.1) weicht in ihrem Natrium, Kalium und Magnesiumgehalt deutlich von Na Cl K Mg Ca SO4 Dilution Dulomit Precipitation factor isation of gypson Tiberias,main spring Kikar Ein 7 Haon 3900 3740 3970 3590 6540 6820 6430 7110 106 136 113 215 1925 2235 1780 2500 3.6 3.1 3.9 2.8 638 741 591 829 13 10 168 16 125 186 8.4 87 48 77 2.8 57 KIN 8 Fuliya A 4420 4510 5760 5650 227 118 843 778 8.0 8.6 288 265 14 95 24 5.3 -37 KIN 5 KIN 10b Druzi spring Gofra Ein Reach 4180 4300 4250 4280 4200 6100 5930 6000 5960 6070 133 107 68 132 220 1350 1160 1280 1170 1240 5.1 5.9 5.3 5.8 5.5 450 389 428 393 416 52 12 152 85 800 18 63 7 7 1 8 17 1 3 0 D906 Sartan-saline 4110 4080 6200 6250 102 100 1510 1564 4.6 4.4 502 520 568 75 2 16 1 5 Tab. 4.1: Berechnete Konzentration in der Salzsole (mmol/kg), die zu der Versalzung der Brunnen und Quellen führt. Der Verdünnungsfaktor gibt an, mit wieviel Grundwasser die Salzsole verdünnt wird. Die Dolomitisierung und Gipsfällung besagt, wie viel Dolomit bzw. Gips pro kg Sole gebildet wird. Calculated concentration of the brine (mmol/kg) leading to salination of springs. The dilution factor is a measure of the dilution of the brine with freshwater. Dolomitization and precipitation of gypsum indicates the amount of dolomite or gypsum which is formed by 1 kg of brine. Dichte TDS Na Cl K Mg Ca SO4 1.022 35.8 Meerwasser 485.2 565.7 10.6 55.1 10.6 29.2 1.084 124.7 Gips 1714 2029 39.2 194 40.1 110 1.204 307.9 Halit 1 4616 5527 103 615 12.5 222 1.22 334.4 Halit 2 4371 5994 153 971 6.68 339 1.247 332 Halit 3 3119 5709 216 1596 4.64 414 1.238 383.8 Halit 4 3200 6271 386 2432 2.81 797 1.286 400.2 Espomit 2367 6066 510 2607 966 1.29 410.3 Sylvin 1093 7179 753 3410 664 Tab. 4.2: Berechnete Konzentrationen in mmol/kg von eingeengtem Meerwasser nach Angaben von Fontes und Matry (1993) Calculated concentrations in mmol/kg of evaporated sea water after data of Fontes and Matry (1973) der Einengungssole (Tab. 4.2, Epsomit/Sylvin Stadium) ab, anders ausgedrückt, der Natriumgehalt ist um den Faktor 2 zu hoch, der Magnesiumgehalt um ca. 50% und der Kaliumgehalt ist um den Faktor 6 zu niedrig. Da Natrium und Kalium in den Solen nicht durch Mineralreaktionen beeinflusst werden, der geringe Magnesiumgehalt trotz der errechneten Dolomitisierung immer noch zu niedrig ist, zeigt sich, dass die Sole aus einer Quelle stammt, die stark von Halit geprägt ist. Die leichter löslichen Salze wie die von Magnesium, Kalium und möglicherweise auch von Bor, sind offensichtlich weitgehend herausgelöst und damit unterrepräsentiert im Vergleich zu den Gehalten wie sie in Einengungssolen enthalten sein sollten. Abschätzung der Transportgeschwindigkeit von CO2-dominierten Mantelfluiden: Ergebnisse eines mehrjährigen Tracer-Naturexperiments in der Oberkruste des nördlichen KTB-Umfeldes Nach wie vor wissen wir wenig über die Transportgeschwindigkeiten von CO2-dominierten Fluiden, die aus dem oberen Mantel bzw. der Unterkruste stammen, durch die Kruste migrieren und an der Oberfläche austreten (Beispiele in Mittel- und Westeuropa: Französisches Zentralmassiv, Eifel, westlicher Teil des EgerRiftes). Die Entfernungen, die das CO2 vom Ursprungsort im subkontinentalen oberen Mantel bis zum Austritt an der Oberfläche zurücklegt, dürften mehrere 10er Kilometer betragen. Als wesentliche Argumente für die Einengungssolen werden Isotopendaten herangezogen: 87Sr/86Sr und δ11B zeigen Werte, wie sie für Einengungssolen zu erwarten sind. Bei dieser Beurteilung wird jedoch übersehen, dass Strontium mit mariner Signatur in erheblichen Anteilen in den Kalken enthalten ist und bei der Dolomitisierung freigesetzt wird. Damit dominiert dieses Strontium mit seiner Signatur das der Salzsole. Beim Bor liegt die Sache ähnlich. Wenn nämlich die leicht löslichen Salze bereits weitgehend herausgelaugt worden sind, dann sind die Borgehalte in den Formationswässern (und Kalken) mit ihrer marinen Signatur dominant gegenüber denen der Salzsolen. In der Tat zeigen einige der Wässer gegenüber den angenommenen δ11B-Werten für die Einengungssole geringere Werte, was bei aller Vorsicht auf den Einfluss von Salzsolen zurückgeführt werden kann. Es fehlen bisher gute Stoffbilanzen, die daran scheitern, dass die Einengungssole in ihrer Zusammensetzung nicht bekannt ist. 315 Abb. 4.17: Lokation der KTB (Foto: KTB-Archiv des GFZ Potsdam) Location of the German Deep Drilling Programme Im Bereich der KTB-Bohrungen und im nordöstlichen KTB-Umfeld wurden in den letzten Jahren zwei grundsätzlich verschiedene aktive Fluidsysteme nachgewiesen: (1) salinare Krustenfluide („Basement Brines“) auf Störungen des Fränkischen Lineaments, erschlossen durch die KTB-Vor- und Hauptbohrung in ca. 4000 und 7000 m Tiefe und (2) ein CO2-dominiertes magmatisches Fluidsystem, das im Gebiet des westlichen Eger-Riftes an der Oberfläche austritt (Gase magmatischer Herkunft in Mineralwässern und Mofetten). Gaszusammensetzung, -isotopie (C, He, N), CO2Gasfluß, Untersuchungen an Xenolithen aus Schlackekegeln quartären Alters und Resultate aus der Tiefenseismik legen nahe, dass das magmatische Fluidsystem im westlichen Teil des Eger-Riftes von einem aktiven Magmenreservoir in 30 bis 50 km Tiefe ausgeht. Die Kontur des verdeckten Fluidreservoirs/Magmenkörpers wird durch die Untersuchungsergebnisse am freien Quellgas an der Oberfläche sichtbar. Sie umfasst ein Gebiet von ca. 1500 km2 Fläche (Bereich Frantiskove Lazne – Marianske Lazne – Karlovy Vary in Tschechien). Entlang der ONO-WSW streichenden nördlichen und südlichen Randstörung des Eger-Grabens migrieren magmatische Fluide aus den Entgasungszentren in NW-Böhmen in Richtung Fichtelgebirge bzw. Oberpfalz. Der KTB-naheste Austrittspunkt des magmatischen Fluidsystems ist Wiesau (ca. 10 km nördlich von KTB). Etwas schwächere Indikationen für die Gasmigration auf Störungszonen für NW-SO streichende Parallelstörungen der Marienbader Störung finden sich im Bereich NWBöhmen – Vogtland (Bublak – Schönbrunn, Abb. 4.18). Die Marienbader Störung ist seismisch aktiv (Schwarmbeben, Epizentren im Bereich Novy Kostel Klingenthal). Offen war bisher die Frage, ob sich eine seismisch getriggerte Interaktion zwischen den Gasen des magmatischen und des krustalen Fluidsystems nachweisen lässt. Aus diesem Grund wurde in Zusammenarbeit mit dem UFZ Leipzig/Halle, der GSF Neuherberg und der Sächsischen Akademie zu Leipzig ein über zwei Jahre (5/94 bis 5/96) laufendes wöchentliches Monitoringprogramm an drei Lokalitäten auf einem 40 km langen Profil durchgeführt. Die Isotopencharakteristik (3He/4He, 13CCO2, 15N) der freien Quellgase von den Probenahmestellen weist einen großen Gradienten in der Abnahme des magmatischen Fluidanteils auf (von magmatisch dominiert in Bublak/Entgasungszentrum im SO, über krustal beeinflußt in Bad Brambach bis zu krustal dominiert in Schönbrunn/Rand des Entgasungszentrums im NW), vgl. Abb. 4.18. Schönbrunn North Sea Ba Naab Pritzwalk lineament Klingenthal 0 Bo f 316 rift si er 0 Bad Elster a hemian M Eg KTB Se as 9HR/91 ltic 200 km 10 D CZ Olovi Bad Brambach 20 Bublak Bu blak s Ba v o ol Sok in Sokolov 30 sin Cheb Ba Cheb Sedimente (Tertiär, Quartär) Phyllite und Metabasite (Paläozoikum) Para- und Orthogneise, Glimmerschiefer (Paläozoikum) Granite (postkollisional, variszisch); anstehend/verdeckt 0 5 km Bruchstörungen tiefenseismisches Profil Epizentren der Schwarmbeben im Vogtland/NW-Böhmen Epizentrum (Schwarmbeben 4./5.12.1994) Probenahme- und Meßstelle des Fluidmonitorings Abb. 4.18: Schwarmbebengebiet Vogtland/NWBöhmen, geologische Übersicht. Das hier eingetragene tiefenseismische Profil 9HR/91 ist in Abb. 4.19 als Interpretation dargestellt. Geological map of the swarm quake region Vogtland/NW-Bohemia. The seismic profile 9HR/91 is shown in Abb. 4.19. NW SE Germany Czech Republic 9HR/91 0 10 2800 kg/m3 20 Nový Kostel Olovi depth Klingenthal in km 0 Saxothuringian Zone 30 km Sokolov 2600kg/m3 2600kg/m3 2604kg/m3 2610kg/m3 2706kg/m3 5 6.5 2610kg/m3 2770kg/m3 10 2663kg/m3 2755kg/m3 15 2722kg/m3 20 Granite 2610kg/m3 Angabe der Referenzdichte Para- und Orthogneise, Glimmerschiefer Phyllite und Metabasite nicht an der Oberfläche anstehende Krusteneinheiten unterschiedlicher Referenzdichte Nach einem Drittel der zweijährigen Monitoringphase (4./5.12.1994) fand ein Schwarmbebenereignis statt. Dabei wurden mehr als 500 Beben, von denen das stärkste die Magnitude von 2,2 hatte, registriert und ausgewertet. Das Hypozentrum befand sich unweit von Nowy Kostel in 6,5 km Tiefe, wahrscheinlich im Bereich eines Granitkörpers, der von einer Metasediment/Metabasit-Einheit überlagert wird (Abb. 4.19). An allen Probenahmestellen wurde Wochen bis Monate nach dem Schwarmbeben eine Änderung in den Isotopensignaturen im freien Gas beobachtet, die über mehrere Monate andauerte. Die Ergebnisse sollen hier am Beispiel der Eisenquelle, Bad Brambach erläutert werden (Abb. 4.20). Hypozentren (1991-1994) Hypozentren der Schwarmbeben vom 4./5.12.1994 Abb. 4.19: Interpretation des tschechischen tiefenseismischen Profils 9HR/91 (Lage: Abb. 4.18) Interpretation of the Czech deep seismic profile )HR/91 Fluidstrom zugemischt werden und damit dessen Isotopensignatur verändern. Die Isotopensignatur von Einschluß- CO2 aus Gesteinseinheiten , vergleichbar mit denen der Lokalität des Hypozentrums, liegt im Mittel bei –13 ‰ . Aus der Entfernung zwischen Hypozentrum und Probenahmeort sowie der Zeitdifferenz zwischen Beben und dem Zeitpunkt, zu dem sich die Veränderung in den Isotopensignaturen einstellt, lässt sich die durchschnittliche Transportgeschwindigkeit der CO2-dominierten Fluide abschätzen. Sie liegt im Fall der Eisenquelle Bad Brambach bei ca. 50 m/Tag (Abb. 4.21). Ungefähr 220 Tage nach dem Ereignis ist eine deutliche Veränderung in der Isotopensignatur des magmatischen Fluidstromes festzustellen, die über mehrere Wochen andauert. Die 3He/4He- Verhältnisse nehmen ab und auch die 13CCO2-Werte weichen von dem erwarteten Verlauf ab (vgl. Abb. 4.20). Die Isotopensignaturen lassen auf Zumischung von Krustenhelium und von CO2 aus einer nicht magmatischen Quelle schließen. Für die anderen Probenahmepunkte, die Mofette Bublak und den Thermalwasseraustritt Schönbrunn, liegen keine Monitoringdaten für die Heliumisotopie vor. Die Auswertung der 13CCO2-Daten zeigte jedoch auch hier in beiden Fällen eine 12C-Anreicherung nach dem Schwarmbebenereignis. In Bublak, der Lokalität direkt im Entgasungszentrum, die sich durch einen extrem hohen CO2Fluss auszeichnet, und wo der Fluidtransport deshalb weitestgehend in der Gasphase erfolgen sollte, wurde ca. 6 Wochen nach dem Schwarmbeben ein Abfall der 13 CCO2-Werte beobachtet (durchschnittliche Transportgeschwindigkeit der CO2-dominierten Fluide ca. 200 m/Tag). Die beobachtete simultane Änderung in den Isotopensignaturen kann erklärt werden, wenn im Umfeld des Hypozentrums während des Schwarmbebens Krustenfluide mobilisiert werden, die dann dem magmatischen In der ca. 40 km vom Epizentrum entfernt liegenden Flussspatgrube Schönbrunn wurde die als Mischungssignal interpretierte Veränderung der 13C-Signatur etwa zur gleichen Zeit wie an der Eisenquelle beobachtet. 317 Abb. 4.20: Zeitreihe Eisenquelle Bad Brambach (5/94 – 5/96) in Bezug zum Erdbebenschwarm bei Novy Kostel am 4/5. 12. 1994. Dargestellt sind die Ergebnisse der Kohlenstoffisotopenmessungen an freiem Quellgas (oben) und die Ergebnisse der Heliumisotopenmessungen (unten). Time series „Eisenquelle“ Bad Brambach (5/94 – 5/96) in connection with the swarm quake near Novy Kostel (4/5. 12. 1994). Shown are the results of carbon isotope measurements of gas from springs (top) and the results of helium isotope measurements (bottom). N Bublak 20 ch ramba Bad B 318 hypocentre (fluid mixing) 10 km 0 CO 2 crust 10 km CO 2 mantle fluid flux ed fluid captur zone trap 20 MO HO 30 ac tiv re e m se ag rv m oi a r 40 tle al man HK 20 st subcru 01 Abb. 4.21: Modellvorstellung für die CO2-Herkunft aus dem subkontinentalen Oberen Mantel – fluidgetriggerte Seismizität (Schwarmbeben) – Fluidtransport durch die Erdkruste bis an die Erdoberfläche Model for the CO2 occurence from the subcontinental upper mantle – fluid triggered seismicity – fluid transport through the Earth’s crust to the surface Die Ursache für großräumige Schmelzbildung in der andinen Kruste Die kontinentale Erdkruste wird durch Bildung, Transport und Platznahme von Magmen thermisch und stofflich verändert und dadurch auch wesentlich in ihrem Deformationsverhalten beeinflusst. Nirgendwo sonst lassen sich diese Zusammenhänge besser untersuchen als im magmatischen Bogen (magmatic arc) und angrenzenden Altiplano-Puna-Plateau in den zentralen Anden. Mit der Plateaubildung vor etwa 30 bis 20 Ma ging eine ausgeprägte Veränderung der magmatischen Aktivität einher. Zum subduktionsbezogenen Vulkanismus, der sich in den Stratovulkanzentren des magmatischen Bogens manifestiert, kam noch die Förderung riesiger Volumina SiO2-reicher Ignimbrite. Abschätzungen aus Oberflächenaufschlüssen lassen auf mindestens 10.000 km3 geförderter Ignimbritmagma schließen und für deren intrusiven Äquivalente kann ein vielfaches mehr an Volumen erwartet werden. Es entstand mit dem Altiplano-Puna Volcanic Complex (APVC), eine der größten neogenen IgnimbritProvinzen der Erde (Abb. 4.22). Abb. 4.23: Zusammenfassung der prä-eruptiven Temperaturen (A) und Isotopenverhältnisse (B) der Ignimbrite der APVC Summary of the pre-eruptive temperatures (A) and initial isotope ratios (B) of the ignimbrites from the APVC Abb. 4.22: Karte von NW-Chile mit den Lokationen teleseismischer Stationen, die p-s-Konversionen in der mittleren Kruste registrieren. Die stärksten p-s-Konversionen im Gebiet der neogenen Kalderakomplexe (APVC) werden als Hinweis für Schmelzen in der mittleren Kruste gedeutet. Map of NW Chile showing teleseismic stations where p-s converted waves were registered. The strongest p-s conversions in the area of the Neogene caldera complexes (APVC) indicate the presence of mid-crustal melts. Die Ignimbrite sind überwiegend dazitisch, kristallreich und hinsichtlich ihrer stofflichen und isotopischen Zusammensetzung homogen. Mineralthermometrie und -barometrie ergeben Schmelztemperaturen von durchschnittlich 750 bis 800 °C (Abb. 4.23a). Niedrige Drucke (110 bis 280 MPa) deuten auf Magmenkammern in 5 bis 9 km Tiefe hin. Die Tiefe der Quellregion ist unbekannt aber der minimale Wert für die Temperaturen in der Quellregion beträgt 800 °C. Die Sr- und NdIsotopenverhältnisse der Ignimbrite sind deutlich abgegrenzt von den zeitgleichen andesitisch-dazitischen Gesteinen der Stratovulkane des Arcs. Ihre Isotopensignatur beweist eine Herkunft der Magmen überwiegend aus der kontinentalen Kruste (Abb. 4.23b). Die jüngsten Ignimbriteruptionen im APVC sind ca. 1 Mio. Jahre alt. Eine Reihe geophysikalischer Anomalien, wie z. B. niedrige seismische Wellengeschwindigkeiten, starke p-s-Konversionen sowie hohe elektrische Leitfähigkeiten, zeigen ein heute noch aktives Gebiet partieller Schmelzbildung in der mitteleren Kruste in ca. 20 km Tiefe an. Um die möglichen Ursachen für die großräumige Aufschmelzung der mittleren Kruste zu identifizieren, werden mit Hilfe der numerischen Modellierung verschiedene Szenarien geprüft. Ein erfolgreiches Modell muss innerhalb von 15 Mio. Jahren nach Beginn der Plateaubildung eine durchschnittliche Temperatur von 319 800 °C in der Zone von 20 bis 25 km Tiefe und von ca. 100 km Breite erreichen. Die zu prüfenden Szenarien sowie die Randbedingungen für die Modellierung liefern geologische und petrologische Informationen über den Ignimbritmagmatismus sowie die vielfältigen geophysikalischen Daten. Die mathematische Grundlage für die Modellierung ist eine nach FLAC (fast lagrangian analysis of continua) modifizierte FiniteElemente-Methode, die eine voll gekoppelte thermische und mechanische Berechnung mit beliebig unterschiedlichen, nicht-linearen Rheologien erlaubt (Babeyko et al., 2001). Als Startbedingung für die Modellierung wird die Situation vor der starken tektonischen Verkürzung und Plateaubildung, d. h. eine kontinentale Kruste mit durchschnittlicher Mächtigkeit von 35 km und einem durchschnittlichen geothermischen Gradient von 20 °C/km, angenommen. Angaben zum Stoffbestand der Kruste insbesondere deren Konzentration an wärmeproduzierenden Elementen (K, U, Th) wurden aus einer neuen Kompilation von Lucassen et al. (2001) entnommen. Die Mantellithosphäre soll 70 km mächtig und die Temperatur an der Lithosphärenbasis 1300 °C betragen. In Anlehnung an die tatsächliche Entwicklung der Zentralanden wird das Startmodell horizontal verkürzt, bis sich die Krustenmächtigkeit in 30 Mio. Jahren verdoppelt hat, was einer konstanten Verformungsrate von ca. 10-15s-1 entspricht. Zusätzlich zur Deformation werden folgende Wärmequellen berücksichtigt: • • • 320 Interne Wärme durch radioaktiven Zerfall und Reibungswiderstand Externe Wärme durch die Intrusion von ArcMagmen (Andesit mit 1200 °C) Externe Wärme durch erhöhten Wärmefluss aus dem oberen Mantel ERGEBNISSE Die Temperatur-Zeit-Kurven in Abb. 4.24 zeigen die modellierten durchschnittlichen Temperaturen in der betrachteten Zone (20 bis 25 km Tiefe, 100 km Breite) für unterschiedliche Kombinationen von Wärmequelle und Wärmetransportmechanismus. 1. Interne Wärmequellen Kurve 1a zeigt den kombinierten Effekt von radiogener Wärme und Reibungswärme. Die mittlere Kruste erfährt eine Netto-Abkühlung innerhalb der ersten 25 Mio. Jahre, weil die Verkürzung kältere Kruste in größere Tiefen bringt, d. h. die Isothermen werden gespreizt. Dieser Effekt ist größer als die in-situ Wärmeproduktion. 2. Externe Wärme durch Magmenintrusionen Die Produktionsraten an magmatischen Bögen weltweit werden mit ca. 30 bis 60 km3/km/Ma angenommen. Im Modell nehmen Einzelintrusionen mit 1200 °C in der betrachteten Zone Platz. Die Größe der Einzelintrusionen sowie der Ort ihrer Platznahme innerhalb der Zone werden willkürlich geändert, aber die gesamte Intrusionsrate beträgt 30 km3/km/Ma. Die berechnete Kurve (Ib) zeigt keine Erwärmung an, selbst wenn die Hälfte der Magmenproduktion in die mittlere Kruste eindringt. Die Abkühlung der Einzelintrusion in dieser Tiefe ist effektiver als die durchschnittliche Erwärmung. 3. Erhöhter Wärmefluss vom Erdmantel In diesem Modell wird der Wärmefluss an der Krustenbasis erhöht und während der Verkürzung auf einem konstanten Wert gehalten. Die Kurven IIa und IIb zeigen die Resultate für einen Wärmefluss von 60 mW/m2. Kurve IIa beschreibt die Temperaturentwicklung in 20 bis 25 km Tiefe für rein konduktiven Wärmetransport ohne Schmelzbildung in der unteren Kruste. Die geforderten Temperaturen in der mittleren Kruste werden nicht erreicht. Für die Berechnung der Kurve IIb werden partielle Schmelzbildung in der unteren Kruste sowie ein duktiler Aufstieg des teilgeschmolzenen Krustenmaterials modelliert. Diese Prozesse bewirken einen konvektiven Wärmetransport und die Temperaturentwicklung in der mittleren Kruste erreicht Werte über 700 °C nach etwa 10 Mio. Jahren. Ein Beispiel für die 2DTemperaturentwicklung im Modell zeigt die Abb. 4.25. Abb. 4.24: Die modellierte Entwicklung der Krustentemperatur in einer 100 km breiten Zone bei 20 bis 25 km Tiefe unterhalb des APVC. Die Kurven zeigen die Resultate der numerischen Modellierung für unterschiedliche Wärmequellen: Ia – radiogene Wärme und Reibungswärme; Ib – Intrusion von Arc-Magmen, IIa – erhöhter Wärmefluss vom Mantel und konduktiven Wärmetransport; IIb – wie IIa, aber mit konvektivem Wärmetransport. The development of temperature in a zone between 20 and 25 km depth and 100 km width beneath the APVC. The curves represent model results fordifferent heat sources: Ia – radiogenic heat and shear heating; Ib – heat from intrusion of arc magmas; IIa – increased mantle heatflux with conductive transport in the crust; IIb – like IIa but with convective heat transport. Der Feuerberg auf Java Merapi bedeutet in javanischer Sprache Feuerberg und ist der berechtigte Name eines der rastlosesten Vulkane in Zentral-Java, Indonesien, dem Land mit den meisten aktiven Vulkanen. Wegen seiner starken Aktivität einerseits und der großen Anzahl gefährdeter Menschen andererseits zählt der Vulkan zu den gefährlichsten weltweit. Er wurde deshalb von einem Komitee der UNESCO in die Gruppe der 16 Hochrisiko-Vulkane aufgenommen, die besonders genau beobachtet und erforscht werden, um das Verständnis vulkanologischer Prozesse und Mechanismen zu vertiefen, Methoden zur Gefährdungsabschätzung zu verbessern und Vorhersagestrategien zu entwickeln. In diesem Rahmen betreibt das GeoForschungsZentrum seit 1995 am Vulkan Merapi ein Geländeobservatorium, in dem wir in einem Teilvorhaben die vulkanische Gaszusammensetzung und -temperatur kontinuierlich und langfristig aufzeichnen. Abb. 4.25: Beispiel einer Modellrechnung mit der Entwicklung von Konvektion innerhalb der Kruste als Folge erhöhten Wärmeeintrags an der Basis (hier: Moho-Temperatur 1200 °C) An example of model results showing the develoment of convection within the crust as a consequence of high heatflow at the base (in this case, 1200 °C at the Moho) Die Aussage der Modellierung ist eindeutig. Die geforderten hohen Temperaturen in der mittleren Kruste des APVC können innerhalb des möglichen Zeitraums nur durch einen erhöhten Wärmefluss aus dem Mantel mit konvektivem Wärmetransport innerhalb der Kruste erklärt werden. Konvektiver Wärmetransport in der Kruste setzt eine felsische Zusammensetzung (Quarzrheologie) und aktive Deformation (geringe Viskosität) voraus, beides trifft auf die Zentralanden zu. Mögliche Ursachen für erhöhte Manteltemperaturen in einem Gebiet seit dem Neogen sind eine Delaminierung von Mantellithosphäre unter der verdickten Kruste des Plateaus und/oder eine Versteilung des Subduktionswinkels mit Vergrößerung des Mantelkeils (Allmendinger et al., 1997). Abb. 4.26: Hochrisikovulkan Merapi, Java (Fotos: oben B. Lühr, GFZ; unten A.Fausten, KICK-Film ) High risk volcano Merapi, Java 321 Da die Gase zum großen Teil aus dem Magma stammen, können Variationen ihrer Zusammensetzung und Temperatur Aufschluss über Prozesse im Vulkaninneren geben. Zur Messung wurde eine eigens konstruierte Gipfel-Station aufgebaut, die das Gas automatisch in kurzen Zeitabständen analysiert und die Messwerte nach Yogyakarta funkt. Kernstücke der Anlage sind ein am GFZ Potsdam gebauter spezieller Gaschromatograph (GC) und ein ebenfalls selbst entwickelter Temperatursensor (TS) sowie ein konventionelles α-Scintillometer zur Messung der Radon-Aktivität. Der GC ist direkt neben dem Gasaustritt installiert, um die ca. 400 °C heißen und stark korrosiven Gase ansaugen und direkt analysieren zu können. Im Scintillometer wird dagegen das schon abgekühlte Gas gemessen. Der TS taucht ca. 30 cm in eine Fumarole, um dort direkt die Temperatur zu bestimmen. Eine Photovoltaik-Anlage liefert die elektrische Energie, die in Akkus für die nächtliche Versorgung der Anlage zwischengespeichert wird. Mehrere kleinere Eruptionen seit 1996 hat die Station heil überstanden. Zu einer teilweisen Zerstörung der Anlage mit Datenausfall für ca. 3 Monate hat aber die starke vulkanische Aktivität im Januar und Februar 2001 geführt. Abb. 4.27: Fumarolengaszusammensetzung und temperatur sowie Luftdruck und Niederschlagsmenge vom 10. bis 17. Juli 2000 Gas composition and temperature, air pressure and rain fall during the period from July 10 to July 17, 2000. 322 Gegenüber althergebrachten Vorstellungen konnten wir mit unseren längerfristigen und kurzperiodischen Messungen am Merapi zeigen, dass die Konzentrationen der Gase und die Temperatur in der Fumarole relativ stark schwanken (Abb. 4.27). Periodisch alle 3 bis 4 Stunden steigen die Kohlendioxidkonzentrationen und die Gastemperatur an, verbunden mit niedrigeren Wassergehalten. Dieses Oszillieren wird wahrscheinlich durch pulsartiges stärkeres Entgasen des Magmas hervorgerufen. Dagegen können während und nach starken Regengüssen höhere Wassergaskonzentrationen und plötzlich stark abfallende Temperaturen in der Fumarole beobachtet werden. Bis zum Wiedererreichen der ursprünglichen Fumarolentemperatur benötigt das System bedeutend länger (z. T. mehrere Tage). Dies deutet auf tiefes Einzirkulieren des meteorischen Wassers in das fumarolische System des Vulkans hin. Dabei werden die Gase aus dem Magma abgekühlt und „verdünnt“, d. h. das Verhältnis magmatischer Gase zu meteorischem Wasser wird zu kleineren Werten verschoben. Auch über längere Zeiträume betrachtet lässt sich der Einfluss von Niederschlägen auf die Temperatur der Fumarole erkennen. In der Trockenzeit (Mai bis August) sind Niederschläge seltener und die Fumarolentemperatur relativ hoch und stabil, in der Regenzeit (Oktober bis April) ist dagegen die Temperatur generell niedriger und vergleichsweise variabler. Abb. 4.28: Mittlere tägliche Gastemperatur, Niederschlagsmenge und Anzahl flacher seismischer Signale vom 1. September 2000 bis 15. Januar 2001 Daily means values of temperature, rain fall and number of seismic events from September 1, 2000 to January 15, 2001 Unsere Untersuchungen und Resultate zeigen, daß die Gasemisionen und Temperaturen in vulkanischen Fumarolen neben der vulkanischen Aktivität auch stark von meteorologischen Parametern abhängig sind. Nur eine umfassende und zusammenhängende Interpretation aller zur Verfügung stehenden chemischen, geophysikalischen und meteorologischen Daten lässt eine sinnvolle Bewertung einzelner Parameter und ihre Relevanz für die vulkanische Gefährdungsabschätzung zu. Datierung von Saurierknochen mit der Uran-Blei-Methode Abb. 4.29: Fumarolengastemperatur vom 23. bis 27. Mai 2001 Temperature of fumarole gases (May 23 to 27, 2001) Eindringendes Regenwasser setzt nicht nur die Fumarolentemperatur herunter, sondern führt auch zu einer Verminderung von flachen (bis 1,5 km unterhalb des Gipfels) vulkano-seismischen Ereignissen (Abb. 4.28). Vermutlich bewirkt das Wasser im Vulkangebäude gleitende und reduziert bruchhafte Bewegungen auf Klüften und Scherbahnen, so daß weniger seismische Signale erzeugt werden. In der ersten Januarhälfte 2001 konnten trotz starker Regenfälle ein Ansteigen der flachen vulkanischen Beben auf ca. 100 pro Tag und der Fumarolentemperatur auf ca. 400 °C registriert werden. Die Entkopplung dieser beiden Parameter von der Niederschlagsmenge war im höheren Aktivitätszustand des Vulkans begründet, der zu einer Eruption am 15. Januar 2001 führte. Die Gesteinspermeabilität und die Klüftigkeit haben ebenfalls starken Einfluss auf die Gasemissionstemperaturen. Durch den Einfluß eines tektonischen Bebens (M 5,8) ca. 40 km SW von Yogyakarta am 25. Mai haben sich vermutlich neue Wegsamkeiten im Fumarolensystem gebildet, so daß ein intensiverer Gasfluß zu einem sprunghaften Anstieg der Fumarolentemperatur um 30 °C geführt hat (Abb. 4.29). Die Radonaktivität in der Fumarole zeigt deutlich eine tägliche positive Abhängigkeit vom atmosphärischen Luftdruck (vgl. Abb. 4.27). Eine Erklärung wäre, daß bei höherem Luftdruck das durch radioaktiven Zerfall in-situ entstandene Radon in den Gesteinen am direkten Ausgasen zur Oberfläche gehindert und in tiefere Zonen des Vulkans gedrückt wird. Hier kann es verstärkt im Fumarolengasstrom aufgenommen und nach Übertage transportiert werden. Fossilien und Fossilvergesellschaftungen sind wichtige Indikatoren, um die geologische Altersabfolge sedimentärer Gesteine zu bestimmen und weltweit zu korrelieren. Das Alter von Leitfossilien wird oftmals z. B. durch das Datieren vulkanischer Tufflagen unterhalb und oberhalb der fossilführenden Schichten eingegrenzt. In einigen Fällen ist dieser Datierungsansatz jedoch nicht durchführbar und so müssen Wege gefunden werden, Fossilien auch direkt zu datieren. Eine Möglichkeit bietet bei höheren Fossilaltern das UPb-Datierungssystem, wobei jedoch folgende wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche direkte Datierung erfüllt sein müssen: (1) hohe diagenetisch erworbene U/Pb-Verhältnisse, welche die Skelett- oder Schalenreste früh nach dem Ableben des Organismus erhalten haben und (2) ein geschlossenes System bezüglich U-Pb seit dem Zeitpunkt der Diagenese. Wir haben diese Voraussetzungen in einer Pilotstudie anhand eines Beckenknochens von Brachiosaurus brancai, einem Saurier der Oberkreide überprüft. Das Exemplar stammt von der Tendaguru-Fundstelle und wird im Naturhistorischen Museum der HumboldtUniversität zu Berlin ausgestellt (Abb. 4.30). Aus den lokalen geologischen Gegebenheiten lässt sich das zu erwartende Alter auf 135 bis 146 Mio. Jahre eingrenzen. Diagenetische Prozesse haben die untersuchten Knochen chemisch durchgehend überprägt, wobei die ursprüngliche physikalische Struktur noch immer deutlich erhalten blieb (Abb. 4.31). Der krypto- bis mikrokristalline Hydroxylapatit wurde in Fluorapatit umgewandelt. Während der Diagenese wurden von „aussen“ neben Fluor auch Schwefel und Uran (bis zu 1800 ppm) sowie Seltene-Erden-Elemente in den Apatit eingebaut. Intraknochen-Zellen wurden durch FeHydroxide ersetzt, während Poren und Kanäle mit Calcit gefüllt wurden. Um die Poren und Kanäle herum entwickelte sich im allgemeinen eine Zone mit FeHydroxiden. Die Eisengehalte korrelieren meist mit den Magnesiumkonzentrationen und dem weniger häufigen Silizium und Aluminium. Die Korrelation von Uranund Fluorkonzentrationen im Apatit bestätigt, dass auch 323 Uran bei der Diagenese zugeführt, und dass die zur Datierung verwendete radiometrische Uhr, das U-Pb Zerfallssystem, bei der Diagenese gestartet wurde. Abb. 4.30: Brachiosaurus brancai im Museum für Naturkunde der Humboldt-Universität zu Berlin (Foto: Museum für Naturkunde der Humboldt-Universität zu Berlin) Brachiosaurus brancai at the Museum of Natural Sciences of the Humboldt University Berlin 324 Das U-Pb System besteht aus zwei Zerfallsreihen, die von den langlebigen Isotopen 235U und 238U ausgehen und über verschiedene mehr oder weniger kurzlebige Tochterisotope die stabilen Bleiisotopen 207Pb und 206Pb bilden. Die Stärke des U-Pb Systems liegt darin, dass es zwei Zerfallssysteme mit unterschiedlichen Zerfallskonstanten beinhaltet, wobei die Mutter- und Tochterisotope jeweils zum gleichen chemischen Element gehören. Dadurch ist eine chemische Fraktionierung der Mutterisotope bzw. der stabilen Tochterisotope ausgeschlossen. Traditionell werden beide Zerfallssysteme in einem Konkordiadiagramm zusammengefasst (Abb. 4.32A), wobei auf den beiden Achsen die radiogen gebildeten stabilen Bleiisotope, normalisiert auf das jeweilige Mutterisotop, aufgetragen wird und die Konkordiakurve den Ort darstellt, an dem beide Zerfallsreihen das gleiche Alter ergeben. Sollten die beiden U-Pb Zerfallssysteme scheinbar unterschiedliche Alter ergeben, d.h. die Daten fallen nicht auf die Konkordia, so ist dies ein untrüglicher Hinweis darauf, dass die Probe eine mehrstufige Entwicklung erlebt hat und das geochronologische System gestört ist. Für das untersuchte Knochenfragment kann angenommen werden, dass das Blei aus drei verschiedenen Quellen stammt. (1) Blei wird bereits zu Lebzeiten des Organismus eingebaut, welches über die Nahrung aufgenommen wurde. (2) Während der Diagenese wurden Blei und Uran aus dem umgebenden Sediment aufgenommen. (3) Nach der Diagenese wurde Blei, welches durch den radioaktiven Zerfall von Uran gebildet wurde, im fossilen Knochen akkumuliert. Diese dritte Bleiquelle enthält die Altersinformation, die beiden anderen Bleibeiträge müssen korrigiert werden. Abb. 4.31: Verteilung der rückgestreuten Elektronen (BSE) und der Elemente Phosphor, Kalzium, Eisen, Uran und Fluor in einem fossilen Saurierknochen Distribution of backscattered electrons (BSE) and the elements phosphorus, calcium, iron, uranium, and fluorine of a fossile saurian bone Die U-Pb Isotopendaten von Brachiosaurus brancai liegen nach Korrektur des metabolisch aufgenommenen Bleis nicht auf der Konkordiakurve (Abb. 4.33A), sondern deutlich darunter. Eine Referenzlinie durch die Daten schneidet die Konkordia bei einem geologisch nicht sinnvollen Alter. Im 206 Pb/204Pb – 207Pb/204Pb-Diagram (Abb. 4.32B) zeigen die Bleidaten eine gute Anpassung an eine Gerade, deren Steigung unter der Voraussetzung eines ungestörten Systems dem Alter der Proben entsprechen würde. Die abgebildete Gerade ergibt jedoch ein zu hohes scheinbares Alter von ca. 625 Mio. Jahren. Werden die Daten in Isochronendiagrammen geplottet (Abb. 4.33A und 4B), so streuen sie um Regressionslinien, welche für das 207Pb235 U-System einem scheinbaren Alter von ca. 149 Mio. Jahren und für das 206Pb-238U-System einem Alter von ca. 109 Mio. Jahren entsprechen. Abb. 4.32: (A) U-Pb-Konkordiadiagramm, (B) Blei-Blei-Isotopendiagramm für alle 19 analysierten fossilen Knochenfragmente (A) U-Pb-Concordiadiagram, (B) lead-lead-diagram showing data all 19 fossile bone fragments analyzed Abb. 4.33: U-Pb-Isochronendiagramme für (A) das 207Pb – 235USystem und (B) das 206Pb – 238U-System U-Pb isochron diagrams showing (A) the 207Pb – 235U and (B) the 206 Pb – 238U systems, respectively Die Störungen des U-Pb-Systems im untersuchten Brachiosaurus brancai lassen sich wie folgt erklären: (1) Die beiden Proben 8 und 10 zeigen eindeutige Anzeichen von Bleiverlust. (2) Proben mit 207Pb/235U-Altern, die höher sind als das biostratigraphisch abgeschätzte Alter von 135 bis 146 Mio. Jahren besitzen eine ererbte Pb-Komponente, die dem bei der Diagenese zugeführten Blei entspricht. Die Variabilität der 207 Pb/235U Alter deutet darauf hin, dass der Anteil an diagenetisch zugeführtem Blei, welches möglicherweise auch noch isotopisch heterogen war, in den einzelnen Teilproben unterschiedlich ist. Dieses Beispiel zeigt, dass durch den Einbau eines „exotischen“ Bleis auch der Eindruck erweckt werden kann, dass die Probe eine ererbte ältere Komponente enthält. (3) Das 206 Pb-238U und das 207Pb-235U Zerfallssystem sind voneinander entkoppelt. Je nach Probe fehlen zwischen 5 und 20% an 206Pb, ein Hinweis darauf, dass ein Zwischenprodukt der Zerfallsreihe „verlorengegangen“ ist. Dabei sind 222Rn und 226Ra ideale Kandidaten, da sie deutlich längere Halbwertszeiten haben als die aus der 235U-Zerfallsreihe stammenden 219Rn und 223Ra. Ausserdem können sie als Edelgas bzw. Alkalielement leichter aus dem krypto- bis mikrokristallinen Apatitkristallen entgasen bzw. herausgelöst werden, als die anderen Tochterisotope. Damit ein 206Pb-Defizit im Prozentbereich auftreten kann, muss der Verlust von 222Rn oder 226Ra kontinuierlich erfolgt sein. Selektiver Verlust von 222Rn oder 226Ra scheint von der Kristallgröße abhängig zu sein, wie er auch für mikrokristalline Pechblenden beschrieben wurde. 325 mal conductivity / thermal resistivity) beschreiben wieviel Wärme durch einen Körper transportiert werden kann. Temperaturleitfähigkeit a und Wärmeleitfähigkeit λ sind in homogenen Körpern über die Wärmekapazität cP und Dichte ρ korreliert. λ = cP ρ Abb. 4.34: Auswirkung von 222Rn -Verlust auf die U-Pb-Systematik; Daten sind aus Abb. 4.31A Influence of 222Rn-loss on the U-Pb systematics; data is from Abb. 4.31A (1) Verschiedene Teilchen können für den Wärmetransport in Mineralen verantwortlich sein (Phononen, Elektronen, Photonen, Exzitonen). Bei den gesteinsbildenden Mineralen dominieren Phonon (Gitterschwingungen) und Photonen (Lichtquanten) den Wärmetransport. Um die Wärmetransporteigenschaften über einen großen Druck und Temperaturbereich extrapolieren zu können ist die Kenntnis der zugrundeliegenden Prozesse von entscheidender Bedeutung. Im wesentlichen sind die dazu notwendigen mineralphysikalischen und theoretische Untersuchungen bisher auf hochreine Einkristalle – vor allem Elemente – bei tiefen Temperaturen beschränkt. Die Datierung von Fossilien mit der U-Pb Methode erweist sich als ein tückisches Geschäft, da neben initialer Heterogenität der Bleiisotopenzusammensetzung und der Unsicherheit hinsichtlich der Zeitdifferenz zwischen Ableben des Organismus und Diagenese, auch eine selektive Störung des 206Pb-238U Systems durch Verlust von 222Rn und 226Ra auftreten kann. Das System 207 Pb-235U ist jedoch weniger anfällig auf solche Störungen und kann insbesondere in Fällen wo die Heterogenität des diagenetisch zugeführten Bleis gering ist zuverlässige Alter liefern. Wenn geeignete indirekte Datierungsmöglichkeiten fehlen, stellt die direkte Datierung von Fossilien mit der U-Pb-Methode ein alternatives Verfahren dar, welches jedoch mit sehr viel Vorsicht angewandt werden sollte. 326 Wärmetransport Die Wärmetransporteigenschaften von Mineralen sind entscheidend für den Wärmetransport von Gesteinen und damit wesentlich bei geodynamischen Modellierungen und zum Verständnis geodynamischer Prozesse oder die Nutzung geothermer Energie. Die Wärmeleitfähigkeit von Gesteinen (ohne Fluide) wird von den Mineraleigenschaften dominiert. Gute und verlässliche Daten als Funktion der Temperatur und des Druckes sind deshalb von fundamentaler Bedeutung – aber kaum bekannt. Wärmetransporteigenschaften werden durch die Temperatur- und Wärmeleitfähigkeit beschrieben. Die Temperaturleitfähigkeit gibt an, wie schnell sich die Temperaturunterschiede innerhalb eines Körpers ausgleichen. Die Temperaturleitfähigkeit kann auch als Wärmediffusion beschrieben werden (thermal diffusivity). Die Wärmeleitfähigkeit bzw. der Wärmewiderstand (ther- Abb. 4.35: Transientenverfahren zur Messung der Temperaturleitfähigkeit als Funktion der Temperatur (bis 900 °C, nach Schilling, 1998a) Method of thermal conductivity measurements as a function of temperature up to 900 °C Abb. 4.36: Temperaturleitfähigkeit von Quarz als Funktion der Temperatur (Quadrate). Vergrößert ist der Bereich der a-b-Quarz-Umwandlung dargestellt. Zum Vergleich sind die Werte nach Kanamori et al. (1968) im selben Diagram dargestellt (Kreise). Thermal conductivity of quartz as a function of temperature (squares). Enlarged the region of the a-b-quartz transition. For comparison values after Kanamorin et al. (1968) (circles). Für die Untersuchung des Wärmetransports in Mineralen bei höheren Temperaturen wurde ein spezielles Transientenverfahren entwickelt (Abb. 4.36). Diese Apparatur ermöglicht richtungsabhängig die Temperaturleitfähigkeit als Funktion der Temperatur in bisher nicht erreichter Präzision zu bestimmen (Schilling, 1999). Die Temperaturleitfähigkeit a kann durch die Geschwindigkeit der Phononen v (entspricht der mittleren Schallgeschwindigkeit) und der mittleren freien Weglänge der Phononen l beschrieben werden: a = 13 vl (2) Die Temperaturleitfähigkeit von Quarz zeigt eine deutliche Richtungsabhängigkeit (Bild 4.36). Bei niedrigen Temperaturen, im Stabilitätsbereich des α-Quarzes, ist die Temperaturleitfähigkeit in Richtung der c-Achse [001] höher als in Richtung der a-Achse [100]. Bei höheren Temperaturen, im Stabilitätsfeld von β-Quarz, ist dagegen der Wärmetransport in Richtung der aAchse [100] höher als in c-Richtung [001]. Bei Temperaturen bis ca. 500 °C nimmt die Temperaturleitfähigkeit deutlich mit der Temperatur T ab. Die Abnahme der Temperaturleitfähigkeit ist proportional 1/T, was auf eine Zunahme von Phononen-PhononenWechselwirkungen zurückgeführt werden kann. Im Bereich der α−β−Quarzumwandlung wird eine starke Abweichung dieses klassischen 1/T-Verhaltens beobachtet. Sehr ungewöhnlich ist die beobachtete Zunahme der Temperaturleitfähigkeit mit der Temperatur oberhalb der Phasenumwandlung. Aus der Temperaturleitfähigkeit lässt sich mit Gleichung 2 direkt die mittlere freie Weglänge für Phononen bestimmen, d.h. die Strecke, die ein Phonon im Mittel zurücklegen kann bis es gestreut wird. Mit aus der Literatur bekannten Schallgeschwindigkeiten wurde die mittlere freie Weglänge der Phononen bestimmt (Abb. 4.37). Ähnlich wie bei der Temperaturleitfähigkeit wird bei der mittleren Schallgeschwindigkeit im Stabilitätsfeld von α-Quarz eine höhere Schallgeschwindigkeit in c-Richtung [001] beobachtet wie in a-Richtung [100]. Oberhalb der Phasenumwandlung ändert sich die Richtung der höchsten mittleren Schallgeschwindigkeit von der cin die a-Richtung. Ein vergleichbares Verhalten wird auch für die mittlere freie Weglänge beobachtet (Abb. 4.37). 327 Abb. 4.37: Mittlere freie Weglänge l der Phonon in Quarz bei Temperaturen bis 700°C berechnet nach Gleichung 2. 2 2 2 Die mittlere Phononengeschwindigkeit wurde mit vmean = (VP + VS1 + V2) berechnet. Für die Berechnung wurden 3 die Daten von Zubov & Firsova (1962), Ohno (1996), und Kammer (1948) verwendet. Mean free path l of phonons in quartz at temperatures up to 700 °C calculated with equation 2. For the calculation of the mean phononvelocity data from Zubov & Firsova (1962), Ohno (1996) and Kammer (1948) have been used. 328 Dies bedeutet, dass in Richtungen mit hoher Schallgeschwindigkeit auch die mittlere freie Weglänge groß ist. In erster Näherung kann zunächst davon ausgegangen werden, dass die Streuwahrscheinlichkeit für ein Phonon in allen Richtungen für dasselbe Zeitintervall gleich groß ist. Die mittlere Zeit, die ein Phonon zurücklegen kann, ist demnach unabhängig von der Richtung. In Richtungen mit höherer Phonongeschwindigkeit kann ein Phonon in diesem Zeitintervall eine größere Strecke zurücklegen als in Richtung geringerer Phononengeschwindigkeiten. Zusätzlich zur oben beschriebenen Abhängigkeit der mittleren freien Weglänge führt dies zu einer Erhöhung der mittleren freien Weglänge in Richtung hoher Schallgeschwindigkeit. Die Frequenzverteilung für Phonon lässt sich durch eine Boltzmann-Verteilung beschreiben und ist deshalb eine Funktion der Temperatur und unabhängig von der Richtung. In alle Richtungen wird deshalb eine vergleichbare Frequenzverteilung von Phononen erwartet. Die Wellenlänge der Phononen ist direkt mit der Geschwindigkeit und Frequenz gekoppelt. Dies führt in Richtungen mit hohen Schallgeschwindigkeiten zu größeren Wellenlängen. Bei größeren Wellenlängen wird jedoch die Streuwahrscheinlichkeit geringer. Aus dem Verhältnis zwischen mittlerer freien Weglänge und Schallgeschwindigkeit (Bild 3) lässt sich die Anisotropie (Richtungsabhängigkeit) der Temperaturleitfähigkeit (Bild 4) ableiten. Diese sollte dort am größten sein, wo die größte Anisotropie der Schallgeschwindigkeit beobachtet wird. Da die mittlere freie Weglänge von der Schallgeschwindigkeit abhängt ergibt sich mit Gleichung 2 eine stärkere Anisotropie für die Temperaturleitfähigkeit (Abb. 4.38) als für die Schallgeschwindigkeit (Abb. 4.37). Diese Beziehungen können für den Temperaturbereich zwischen 400 und 700 °C angenommen werden. Zusätzlich wird bei Temperaturen unterhalb 400 °C die mittlere freie Weglänge durch die Zunahme der Phononen-Phononen-Wechselwirkungen mit der Temperatur wesentlich beeinflusst. Abb. 4.38: Änderung der Anisotropie von Quarz als Funktion der Temperatur. Während der a-b-Quarz-Umwandlung ändert sich die Richtung des maximalen Wärmetransports von der c-Richtung in die a-Richtung. Change of the anisotropy of quartz as a function of temperature. During the a-b-transition the direction of the maximum heattransport changes from the crystallographic c-axis to the a-axis. Einschlüsse in Mantelmineralen als Indikatoren für Prozesse im Erdmantel? Mikroskopische oder submikroskopische Einschlüsse in Mantelmineralen wie Olivin, Diamant oder Granat können Einblick geben in die Beschaffenheit des Erdmantels oder der tiefen Unterkruste, und in die Geschichte von Krustenmaterial, welches durch Subduktionsvorgänge in den Erdmantel gelangt ist. Dem Wasser kommt hierbei eine zentrale Bedeutung zu, weil es einerseits die Schmelzbildung begünstigt, und andererseits die rheologischen Eigenschaften der Minerale verändert. Zunächst muß jedoch die Frage beantwortet werden, ob es überhaupt Wasser im Erdmantel gibt. Wenn ja, wie ist es in den Mantel gelangt und in welcher Form liegt es dort vor? Die Subduktion von Krustenmaterial in Verbindung mit wasserhaltigen Mineralen wie z. B. Serpentin oder Amphibolen geht einher mit Schmelzbildung, weil diese Minerale, wenn ihre Stabilitätsgrenzen überschritten werden, Wasser freisetzen können. Diese Schmelzen können durch den Einschluß in Mineralen konserviert werden und liefern somit wertvolle Information über Schmelzzusammensetzungen und Mechanismen des Aufschmelzens. Einschlüsse in Mantelmineralen können Hinweise liefern, bis in welche Tiefen Kruste subduziert werden kann, und auf welche Weise letztlich Krustenteile im Erdmantel wiederaufgearbeitet werden. Beobachtungen an Mineralen aus natürlichen Gesteinen in Verbindung mit den vorliegenden experimentellen Daten können das Verständnis von Subduktionsmechanismen und Mantelkonvektion wesentlich erweitern. Die bisher am GFZ Potsdam durchgeführten Untersuchungen an Olivin aus Mantel-Xenolithen zeigen, daß submikroskopische Einschlüsse, insbesondere solche mit H2O-haltigen Phasen, sehr häufig zu beobachten sind (Khisina et al. 2000; Khisina et al. 2001). Im Rahmen dieser Untersuchungen konnte beispielsweise erstmals die experimentell erzeugte 10Å-Phase, ein wasserhaltiges Silikat, als wasserhaltiges Mineral in natürlichen Mantelgesteinen nachgewiesen werden (Abb. 4.39). 329 Abb. 4.39: Die HRTEM-Aufnahme zeigt eine Verwachsung von 10-Å-Phase und Talk in einem Einschluß in Olivin in einem Mantel Xenolith aus einem Kimberlit von Yakutien. HRTEM picture showing the contact of the Å-phase and talc in an inclusion of olivin in a mantle xenolithe from Yakutia. Weiterhin zeigen diese Untersuchungen, daß der mit IRMethoden gemessene Wassergehalt in Olivin drei unterschiedliche Ursachen haben kann. Die Olivine weisen submikroskopische Einschlüsse von wasserhaltigen Phasen wie 10-Å-Phase, Talk und Serpentin auf. Zusätzlich gibt es auch Wasser im Kristallgitter des Olivin. Als dritte Möglichkeit der Präsenz von Wasser in Olivin wurden submikroskopische Einschlüsse von Hydro-Olivin beobachtet (Abb. 4.40a,b). 330 Bei Hydro-Olivin handelt es sich um einen Olivin mit geordneten Leerstellen in M1-Position in den (100) und (001) Oktaederschichten des Olivin-Gitters. Der hierzu notwendige Ladungsausgleich erfolgt durch den Einbau von Protonen in das Olivin-Gitter. Die Kristallstruktur des Hydro-Olivin wird als eine modular aufgebaute Olivin-Struktur mit geordneten Mg-Leerstellen angesehen. Es wird angenommen, daß Hydro-Olivin durch Entmischung aus einem an OH-haltigen Punktdefekten übersättigten Olivin unter den P-T-Bedingungen des oberen Mantels entstanden ist (Khisina & Wirth, PCM accepted). Ein wichtiger Aspekt dieser Untersuchungen ist die Erkenntnis, daß IR-spektroskopische Untersuchungen an Mineralen nur eingeschränkt zuverlässige Daten liefern können, wenn man die Mikrostruktur des jeweiligen Minerals nicht kennt. Ein weiteres Beispiel für die Bedeutung der Mikrostruktur (Einschlüsse) für die Auswertung von spektroskopischen Daten liefern TEM-Untersuchungen an Abb. 4.40: a) zeigt eine HRTEM-Aufnahme einer Lamelle von Hydro-Olivin in Olivin. Ein Ausschnitt aus dieser Lamelle (großes Rechteck in a) ist in b) dargestellt und zeigt den Kontrast von Hydro-Olivin in der Hochauflösung. Die durch Fourier-Transformation des Bildes erzeugte Beugungsaufnahme erlaubt Rückschlüsse auf die Struktur von Hydro-Olivin. a) HRTEM picture of a lamella of hydro-olivine in olivine. An enlarged part of this lamella (large rectangle) in b) shows the contrast of hydro-olivin in high resolution. The diffraction pattern produced by Fourier transformation of the pattern allows investigation of the structure of hydro-olivine. Cr-haltigen Kyaniten aus Mantel-Xenolithen. Hierbei handelt es sich um ein Gestein aus Kimberlit-Pipes in Yakutien. Erst die Beobachtung von plattenförmigen Ausscheidungen von Al2O3 mit einer Dicke von nur 2 nm und einer Breite von 5 bis 10 nm in den optisch klaren Kyanit-Kristallen ermöglichte die sinnvolle Interpretation der zuvor gemessenen AbsorptionsSpektren (Wirth et al. 2001). Gestein wird indessen bisher nur unzureichend verstanden. TEM-Untersuchungen an Olivin aus Xenolithen vom Bismarck-Archipel/Papua Neu-Guinea zeigen submikroskopische Entmischungen von Cr-Spinell (Franz & Wirth 2001). Die Spinell-Nadeln lassen eine strenge kristallographische Orientierungsbeziehung zu Olivin erkennen: (100)ol //(111)spl. Experimentelle Untersuchungen zum Einfluss von Entwässerungreaktionen auf die physikalischen Eigenschaften von Gesteinen sind bisher auf Grund ihrer Komplexität nur selten durchgeführt worden (z.B., Kern et al., 1997). Die physikalischen Eigenschaften wurden meist in „offenen Systemen“ gemessen, so daß das bei der Entwässerungreaktion frei werdende Wasser aus dem System entweichen und sich kein Fluiddruck aufbauen konnte. Im Gegensatz dazu wurden bei den hier geschilderten Experimenten Messungen der elektrischen Leitfähigkeit sowie der seismischen Geschwindigkeiten an geschlossenen Systemen durchgeführt. Hierfür werden die Proben in einer Metallhülse druckdicht verschlossen (Abb. 4.41 und 4.42). Auch in diesem Beispiel liefern die submikroskopischen Spinell-Nadeln einen Beitrag zur Entschlüsselung der Geschichte dieses Gesteins. Sie werden als eine Entmischung des Aluminiums und Chroms aus einem Al- und Cr- reichen Hochtemperatur-Olivin gedeutet. Die Entmischung erfolgte während der Abkühlung des Gesteins bei der Bildung lithosphärischen Mantels an mittelozeanischen Rücken. Diese wenigen Beispiele machen bereits deutlich, dass die Untersuchungen von Einschlüssen in Mantelmineralen grundsätzliche und neue Erkenntnisse bringen können. TEM und hier insbesondere die analytische Elektronenmikroskopie AEM sowie die ElektronenEnergieverlust-Spektroskopie EELS erlauben es, die „Welt jenseits der Mikrosonde“ zu erforschen. Petrophysikalische Eigenschaften von wasserhaltigen Gesteinen (Serpentinit) Im Rahmen des Sonderforschungsbereich 267 „Deformationsprozesse in den Anden“ wurden die elektrische Leitfähigkeit und die elastischen Eigenschaften von Serpentinitgesteinen bei hohem Druck und hoher Temperatur mit Laborexperimenten untersucht. Serpentinit enthält einen sehr hohen Anteil an kristallgebundenem Wasser (ca. 12,5 gew%), welches bei der metamorphen Umwandlung von Serpentin bei hohen Temperaturen zu den wasserfreien Mineralen Olivin und Enstatit freigesetzt wird. Der Entwässerungsprozess von Serpentiniten in der Subduktionszone wird mit zahlreichen geophysikalischen Beobachtungen in den Anden in Verbindung gebracht. So ist durch viele Untersuchungen nicht zuletzt innerhalb des SFB 267 ein hoher Fluidgehalt in der Kruste nachgewiesen worden (Brasse et al., 2001; Partzsch et al., 2000; Springer, 1999; Schilling et al., 1997; Schmitz et al., 1997; Giese, 1994; Gill, 1981). Zudem wird das Auftreten mitteltiefer Erdbeben (70 bis 300 km) u.a. mit der Freisetzung von Wasser aus wasserhaltigen Gesteinen wie Serpentinit erklärt (ANCORP, 1999; Kirby et al., 1996; Graeber et al., 1999; Schilling et al., 2000). Das freigesetzte Wasser führt dann sowohl zu den erhöhten Fluidgehalten in der Kruste als auch zu einer deutlichen Verringerung der Schmelztemperatur der Krustengesteine. Der Bildung von Gesteinsschmelzen äußert sich z.B. durch die vulkanischen Aktivitäten in den Anden. Die Entwässerungreaktion wasserhaltiger Gesteine ist also von entscheidender Bedeutung für das Verständnis wesentlicher geologischer Prozesse. Der Einfluss der Reaktion auf die physikalischen Eigenschaften der entwässernden Abb. 4.41: Probenaufbau für Experimente zur elektrischen Leitfähigkeit Sample assembly for electrical conductivity measurements 331 Abb. 4.42: Probenaufbau zur Messung der seismischen Geschwindigkeiten Sample assemblably for seismic velocity measurements Die Messungen wurden in innenbeheizten Gasdruckapparaturen vorgenommen, wovon eine speziell für das GFZ Potsdam entwickelt und gebaut wurde. Die Verwendung von Gas als Druckmedium sowie das im Vergleich zu bisherigen Untersuchungen sehr große Probenvolumen (bis zu 7,5 cm lang und 2,9 cm im Durchmesser), stellt eine wesentliche Verbesserung der Messgenauigkeit gegenüber bisherigen experimentellen Methoden dar, für die ein festes Druckmedium, z.B. Salz, verwendet wird und die Probengrössen wesentlich geringer sind. Aus petrologischen Untersuchungen ist bekannt, dass bei Serpentinit die Entwässerungsreaktion bei ca. 500 °C einsetzt. Es ist daher zu erwarten, daß die physikalischen Eigenschaften sich bei Temperaturen oberhalb 500 °C entsprechend ändern. Da die elektrische Leitfähigkeit von Wasser sehr hoch ist im Vergleich zu der von Gesteinen, eignet sich die Messung des elektrischen Widerstandes besonders gut zur Feststellung freigesetzten Wassers in einem ansonsten trockenen Gestein. Für die Messung der elektrischen Leitfähigkeit von Serpentinit wurde zunächst der Druck auf 300 MPa erhöht. Dann wurde der elektrische Widerstand der Probe bei Raumtemperatur, und danach bei Temperaturen von 50 °C bis 500 °C gemessen. Die Ergebnisse dieser Messungen sind in Abbildung 4.43 gezeigt. den war und wieder auf 50 °C reduziert wurde, war der Widerstand wesentlich geringer als zu Beginn des Experiments, was zeigt, dass der Prozess, der zur Veränderung der Leitfähigkeit bei Temperaturen höher als 200 °C führt, irreversibel ist. Bei 500 °C war der elektrische Gesamtwiderstand bereits so gering, daß der Gesteinswiderstand nicht mehr vom Eigenwiderstand der Elektroden unterschieden werden konnte. Nachexperimentelle Untersuchungen zeigten, daß der Probenbehälter sich nach außen gewölbt hatte, was auf einen erhöhten Fluiddruck während des Experiments hindeutet. Die seismischen Geschwindigkeiten wurden zuerst bei Raumtemperatur gemessen mit einer Frequenz von 1 MHz bei Drücken bis 860 MPa. Dann wurde die Veränderung der seismischen Geschwindigkeit mit zunehmender Temperatur (bis 210 °C) bei 700 MPa gemessen. Die Geschwindigkeit der Kompressionswelle (vp) mit zunehmendem Druck ist in Abbildung 4.44 dargestellt. Bis zu Drücken von ca. 200 MPa steigt vp mit zunehmendem Druck rapide an, oberhalb dieses Druckbereichs ist der Anstieg etwas geringer. Ähnliche Beobachtungen wurden bei anderen Untersuchungen zur Druckabhängigkeit von seismischen Geschwindigkeiten gemacht und mit der Abnahme der Porosität bedingt durch das Schließen von Mikrorissen begründet. Der Unterschied unserer Ergebnisse zu den bisher gemessenen Geschwindigkeiten in offenen Systemen, aus denen das frei werdende Wasser entweichen kann, besteht darin, daß die Veränderung des Anstiegs von vp bei deutlich niedrigeren Drücken auftritt. Mit zunehmender Temperatur nimmt vp deutlich ab. 332 Abb. 4.43: Elektrischer Widerstand bei zunehmender Temperatur unter Druck von 300 Mpa Electrical resistivity as a function of temperature at a pressure of 300 Mpa Bei Raumtemperatur war der Probenwiderstand größer als 1 MΩ. Der Widerstand nimmt mit zunehmender Temperatur um mehrere Größenordnungen ab. Bei 50 °C, 100 °C und 200 °C war der Widerstand jeweils wesentlich geringer als bei Raumtemperatur, reduzierte man die Temperatur von 200 °C wieder auf 50 °C, war kein entscheidender Unterschied zum Widerstand bei 50 °C am Anfang der Messung festzustellen; somit ist die Veränderung der Leitfähigkeit bis 200 °C reversibel. Nachdem jedoch die Temperatur auf 300 °C erhöht wor- Abb. 4.44: Seismische Geschwindigkeit bei Raumtemperatur mit zunehmendem Druck Seismic velocities as a function of pressure at ambient temperature Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich die physikalischen Eigenschaften von Serpentinit mit zunehmender Temperatur dramatisch ändern, wenn Wasser nicht aus dem System entweichen kann. Diese Änderung findet schon bei Temperaturen statt, die niedriger sind als die bei Beginn der Entwässerungsreaktion. Dies legt nahe, daß bei Serpentinit ähnlich wie bei Tongesteinen viel Wasser an den Korngrenzen adsorbiert ist, was dann bei zunehmender Temperatur mobilisiert und freigesetzt werden kann. In einem geschlossenen System, wie es in der Natur zu erwarten ist, kann das freigesetzte Wasser dann einen starken Einfluss auf die physikalischen Eigenschaften des Gesteins haben und hat somit bedeutende Konsequenzen für die Interpretation von geophysikalischen Feldbeobachtungen. Literatur: Allmendinger, R.W., T.E. Jordan, S.M. Kay and B.L. Isacks, (1997) The evolution of the Altiplano-Puna plateau of the central Andes, Annu. Rev. Earth Planet. Sci. 25 139-174. Babeyko, A.Y., Sobolev, S.V., Trumbull, R.B., Oncken, O. (2001) Numerical models of crustal scale convection and partial melting beneath the Altiplano-Puna plateau. Earth and Planet. Sci. Letters, in Revision. Franz, G., Lucassen, F., Trumbull, R.B., Viramonte, J.G., Wilke H.G. (2000). 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