22 PBS | Nonbook | Spiele buchreport.spezial 2016 Tragetaschen In die eigene Tasche: Beutel zum Buch anbieten Aus der Vermeidung von Plastiktüten lässt sich auch ein Geschäft machen. Im Buchhandel suchen viele Kunden nach tragbaren Alternativen aus Stoff. erlangt. Mit bunten Designs schafft der Verlag Abwechslung und bietet eine wiederverwendbare Alternative zur Plastiktüte. E s hat etwas länger gedauert als geplant, doch zum 1. Juli ist die freiwillige Selbstverpflichtung zur Reduzierung des Plastiktüten-Aufkommens in Kraft getreten. Die Vereinbarung von Handelsverband HDE und Bundesumweltministerium sieht vor, Plastiktüten nur noch gegen Entgelt herauszugeben; den Verkaufspreis legen die Händler fest. Damit soll einer EURichtlinie nachgekommen werden, mit der das Plastiktütenaufkommen reduziert werden soll. Die Buchfilialisten haben inzwischen allesamt auf Tütengebühren umgeschaltet. Viele Standortbuchhändler haben die Vereinbarung ebenfalls unterzeichnet oder verzichten ohnehin aufs Plastik. Gleichwohl will das Buch von der Buchhandlung vom Kunden nach Hause getragen werden. Eine ganze Reihe von Buchhändlern sind bereits auf Stofftaschen umgestiegen und haben dabei zum Teil kreatives Potenzial entfaltet (s. Praxiskasten auf S. 24). Die Stofftaschen lassen sich auch gewinnbringend als Zusatzsortiment anbieten. Verlage wie teNeues und Moses, aber auch Groh Design, Oetinger und Coppenrath bieten hierfür Taschen in verschiedensten Varianten an. Ob aus Jute, Polyester, zum Falten oder Umhängen: Was gefragt ist, entscheiden die Buchhändler und ihre Kunden. In der Tat habe die Nachfrage nach Tragetaschen im Zuge der Plastiktütendiskussion spürbar angezogen, stellt Moses-Geschäftsführerin Nina Tebartz fest. Besonders für Frauen seien die Taschen ein dankbares Thema und würden inzwischen auch als modisches Accessoire und Handtaschenersatz getragen. Umso wichtiger ist das Design der Beutel. Moses schaut sich hierfür im Mode- und Kosmetikmarkt um, verfolgt aktuelle Trendfarben und -motive. Dabei hat der Verlag beispielsweise die Motive Flamingo und Dschungel herausgefiltert. Und ganz traditionell: Buchhandelskunden mögen besonders Eulen gern, hat Tebartz festgestellt. Farblich sind Aquarelltöne und Farbverläufe gefragt. Beim Material sind die Shopper aus Polyester seit Jahren gut gefragt und hätten sich bereits zu einem Klassiker entwickelt. Aufgerüstet hat Moses im Bereich der Baumwolltaschen, die seit einigen Jahren wieder stärker nachgefragt werden und ihr einstiges Öko-Image abgelegt haben. Taschen in verschiedenen Variationen Moses hat gleich mehrere Linien der Tragehelfer im Programm: ■ Büchertaschen: Die Libri_x-Baumwolltaschen sind mit 20 x 25 cm auf übliche Buchgröße zugeschnitten, 16 Motive stehen zur Auswahl. Die „Lesefan“-Taschen richten sich speziell an Buchliebhaber und werden oft als Geschenkverpackung eingesetzt. Moses bietet hierfür das Display „Büchertaschenturm“ an. ■ Shopper aus Polyester: Die Taschen können zusammengefaltet in ein integriertes Täschchen gesteckt werden. 16 Varianten liegen vor, die Ausgaben „Fernweh“ und „Weihnachten“ erscheinen im Oktober. Auch hierfür sind Displays verfügbar. ▹ Foto: Michael Ricks Zum Klassiker avanciert: Die Moses-Shopper haben inzwischen eine hohe Bekanntheit im Einzelhandel 24 PBS | Nonbook | Spiele buchreport.spezial 2016 PRAXISTIPPS VON KREATIVEN BUCHHÄNDLERN ■ Taschen von Moses und teNeues: Kunden können außerdem die großen Shopper von teNeues oder Büchertaschen von Moses bei Kapitel 43 kaufen. Die Platzierung im Laden wechselt, je nach Aktionstischen und/oder Platz an der Kasse. Dabei gäbe es schnell drehende Motive und Ladenhüter, aber Taschen würden zu jeder Jahreszeit nachgefragt. Bisher blieb die Buchhandlung auf keinem Motiv sitzen, sagt Melanie Enders. Ihr Fazit: „Durch die verschiedenen Größen der Taschen ergänzen sie sich gut. Mehrere Taschen der selben Größe würden wir wahrscheinlich nicht einkaufen.“ Altstadt Buchhandlung (Wittlich) Beutelmarketing: Bei Kapitel 43 sind der Taschenverkauf und der ökologische Hintergrund ein großes Thema. Kapitel 43 (Rüsselsheim) Die Buchhändlerinnen Melanie Enders und Sara Vazquez haben sich geradezu auf Taschen spezialisiert. Seit der Geschäftseröffnung ihrer Buchhandlung Kapitel 43 in Rüsselsheim im März 2015 verzichten sie konsequent auf die Ausgabe von Plastiktüten und bieten ihren Kunden stattdessen eine Reihe von Alternativen: ■ Baumsparkarte: Bei jedem tütenlosen Einkauf stempeln die Buchhändlerinnen die „Baumsparkarte“ ab. Beim 10. Stempel erhält der Kunde einen Gutscheincode, der auf der Internetseite Plant-for-the-Planet eingelöst werden kann. Die Organisation pflanzt u.a. Bäume in Mexiko. „Viele Kunden sehen auch gerade dies als Anlass, die Bestellungen im Internet künftig sein zu lassen und unterstützen uns lieber vor Ort. Das freut uns natürlich ungemein, fördert die Kundenbindung und zieht neue (Stamm-)Kundschaft an“, so Melanie Enders. ■ Regionale Tasche: Seit Anfang November 2015 gibt es die „Wittlich-Tasche“, die mit Motiven des rheinland-pfälzischen Städtchens bedruckt und äußerst beliebt ist. Die Tasche bezieht die Altstadt Buchhandlung über Atregio und bietet sie für 4,95 Euro an. Die Tasche ist ausschließlich in der Buchhandlung erhältlich und wurde bisher bereits über 700 mal verkauft. Plastiktüten gibt die Buchhandlung nur noch auf Nachfrage aus, seit dem 1. Juli für 20 Cent pro Stück. ■ Pfandtaschen: Seit Anfang Juni hat die Altstadt Buchhandlung Pfandtaschen im Angebot, die sich seitdem bestens verkaufen. Die Taschen werden für 4 Euro abgegeben, bisher hat aber noch kein Kunde die Tasche wieder zurückgebracht. Stattdessen werden die Stofftaschen fleißig weiter zum Einkaufen benutzt, berichtet Ulrich Jacoby, zuständig für die Außendarstellung der Buchhandlung. Genäht hat die Taschen der aus Syrien geflüchtete Schneider Mohammed Hamsho aus alten Stoffresten. ■ Tütle: „Das Tütle“ ist eine komplett recycelbare Papiertüte, die nach ihrer Benutzung als Tragetasche als Abfallbeutel für Biomüll weiterverwertet werden kann. Auf Wunsch bedruckt der Anbieter Apomore die Tüten mit Buchhandelslogo. Beziehen können Buchhändler „Das Tütle“ u.a. über den Nonbook-Ausstatter Livendo. Für 2 Euro können Kunden den hauseigenen Beutel erwerben, bei einem Einkauf über 50 Euro gibt es ihn gratis. Die Taschen haben einen festen Platz im Kassenbereich. Die Buchhandlung bezieht die Stoffbeutel über die Münchner Firma Steinebach. Insgesamt wurden bereits ca. 700 Stoffbeutel verkauft und verteilt. Für die Urlaubszeit haben die Buchhändlerinnen ihre Kunden aufgefordert, sich mit der Tasche im Urlaub zu fotografieren. Unter anderem sind Fotos aus Buchhandlungen in Frankreich und Venedig eingetroffen. Individuelle Taschen: Inhaberin Claudia Jacoby (Foto links), Buchhändlerin Alexandra Marbach (Mitte) und Schneider Mohammed Hamsho (rechts) freuen sich, dass die Pfandtaschen regen Anklang bei den Kunden der Altstadt Buchhandlung finden. Fotos: Kapitel 43; Ulrich Jacoby ■ Kapitel-43-Stoffbeutel: buchreport.spezial 2016 PBS | Nonbook | Spiele 25 ■ Tragetaschen aus Baumwolle: In vielen Moses-Themenwelten wie zu „Ed the Cat“, „Hattu“ und „Happy me“ sind Tragetaschen erhältlich. Die unverbindliche Preisempfehlung liegt bei 9,95 Euro. ■ Magazintaschen aus Baumwolle: 3 Motive stehen in der Reihe Libri_x zur Auswahl, unverbindliche Preisempfehlung ist 12,95 Euro. Auch teNeues hat Tragetaschen im Sortiment und versucht mit buchnahen Zitaten gezielt Buchhandelskunden anzusprechen. 18 verschiedene Motive bietet der Verlag auf Jutebeuteln für empfohlene 9,95 Euro an. Das hochwertige Material des Naturstoffs biete sich besonders für den Transport an, sagt teNeues-Verkaufsleiter Michael Schönberger. Auch er stellt eine erhöhte Nachfrage fest. Für die Präsentation empfiehlt Schönberger Buchhändlern, Kalendergitter zu nutzen. Foto: Te Neues Ganzheitliche Pfandtaschenlösung Eine ganz eigene Lösung hat Nonbook-Spezialist Städtler Media Marketing geschaffen. Unter der Marke Atregio vertreibt der Anbieter bereits seit Jahren u.a. regionale Taschen. Zum September lanciert die Firma den neuen Service „Pfandtaschen.com“ und will damit eine sozial und ökologisch nachhaltige Alternative zur Plastiktüte schaffen. Es gebe zwar schon Insellösungen für Pfandtaschen (s. auch Praxiskasten), das Unternehmen will jedoch ein ganzheitliches System anbieten, wie Geschäftsführer Ulrich Städtler erklärt. Auf der Website Pfandtaschen.com können Händler über einen Konfigurator ihre persönliche Tasche kreieren und bestellen. Gewählt werden kann aus sieben verschiedenen Taschenmodellen mit unterschiedlichen Henkellängen. Farbe, Design und Stückzahl werden individuell festgelegt. Auch Logos können auf die Taschen gedruckt werden, Städtler ist allerdings vorsichtig: „Wir glauben, dass die Endverbraucher lieber mit lustigen, witzigen, niedlichen und charmanten Designs auf der Tasche durch die Gegend laufen, als Werbeträger für ein Unternehmen zu sein.“ Die Einzelhändler können zudem je nach Wunsch ein quotiertes Rückgaberecht von 0 bis 30% festlegen. Aus allen Parametern ergibt sich schließlich der Einkaufspreis der Taschen, der zwischen unter 1 Euro bis 3 Euro pro Stück liegt. Als Pfandbetrag empfiehlt Städtler den Händlern 2 bis 3 Euro. Neben dem Verzicht auf Plastik erfüllen die Baumwolltaschen mehrere Nachhaltigkeitsfaktoren. Es kann u.a. zwischen zwei Textilstandards gewählt werden: ■ Oeko-Tex® Standard 100: Der Stoff ist schadstoffgeprüft und damit auch für Lebensmittel und andere Dinge geeignet. ■ Bio-Baumwolle nach GOTS-Standard: Das weltweite Standardlabel zertifiziert einen nachhaltigen Produktionsprozess vom Baumwollpflücker bis hin zu Transport und Verarbeitung. Die Taschen kosten entsprechend etwas mehr. ■ Soziale Nachhaltigkeit: Die Taschen werden zum überwiegenden Teil von einer Behindertenwerkstatt in Schwabach bei Nürnberg bedruckt. ■ Entsorgung: Die remittierten Taschen werden von einem Dämmstoffhersteller zerfasert, zu Dämmstoff verarbeitet und so dem Rohstoffkreislauf wieder zugeführt. Um den Kunden das System zu vermitteln, stellt Städtler Media Marketing auf der Website eine Erklärung als Download bereit, die im Laden als Aufsteller oder als Zettel im Kassenbereich Hilfestellung leistet. Städtler erkennt in der Pfandtasche auch einen Kundenbindungsaspekt: „Der Händler freut sich, wenn der Kunde die Tasche nicht wiederbringt. Er freut sich aber doppelt, wenn er sie wiederbringt, denn er sieht seinen Kunden furchtbar gern im Laden. Das ist eine neue Verkaufschance.“ Hanna Schönberg [email protected] Buchhandel im Visier: Mit buchnahen Zitaten auf Jutebeuteln wie „Facebook is not Franz Kaf ka“, „So many books, so little time“ und „Wenn es mir schlecht geht, gehe ich nicht in die Apotheke, sondern zu meinem Buchhändler“ versucht teNeues gezielt Buchhandelskunden anzusprechen.