Wer fährt? Möglichkeiten und Grenzen von Fahrerinformations- und Fahrerassistenzsystemen Prof. Dr. J. Krems TU- Chemnitz [email protected] Übersicht 1. Information, Assistenz, Automatisierung (FAS/FIS) und d Sicherheit Si h h it 2. Ablenkung: Was ist das? 3. Ablenkung und Gefährdungspotential: Grenzen neuer Systeme 1 Assistenz und Automatisierung im Fahrzeug Die Geschichte des Automobils ist eine Geschichte der Automatisierung: E lektr. A nlasser E lektr. G em ischsteuerung B rem skraftverstärker L enkservo ABS E SP Assistenz und Information 1. Entlastung des Fahrers durch Fahrerassistenzsystem (FAS) Komfort: ACC ACC, Einparkhilfe etc. etc Sicherheit: Warnsysteme (z.B. ESP, Kollisionsvermeidung, Spurwechselassistent) 2. Mehr Information für den Fahrer durch Onboard Informationssysteme (FIS) verkehrsbezogen (Navigation, Staumeldung, Enhanced night vision, vision Fahrerzustand, Fahrerzustand car-to-car etc.) zusätzlich (Nachrichten, Werbung etc.) 2 Assistenzsysteme - aktuell Navigation ACC ESP Bremsassistenz Einparkhilfe Spurhalteassistenz Sp r echselassisten Spurwechselassistenz Nacht- und Nebelsichtverstärkung situative Geschwindigkeitsregulation Kollisionsvermeidung schön und gut, aber… Ausweitung des Umfangs an Funktionen und weitere Automatisierung Zunahme an Leistungsfähigkeit, Effizienz und Komfort Überforderung/Unterforderung/Ablenkung und Beeinträchtigung der Fahraufgabe ? Sicherheit ? 3 Übersicht 1. Information, Assistenz, Automatisierung (FAS/FIS) und d Sicherheit Si h h it 2. Ablenkung: Was ist das? 3. Ablenkung und Gefährdungspotential: Grenzen neuer Systeme Ablenkung „Fahren“ ist eine primär visuelle Aufgabe Visuelle Ablenkung Ursache bei ca ca. 30% der Unfälle; in 80% der Unfälle ist Ablenkung irgendwie beteiligt 50% aller Kollisionen wegen verspäteter Wahrnehmung der Gefahr Aber: einige Zweitaufgaben problemlos durchführbar (Radio, Zigarettenanzünder etc.) Ablenkung g ist g grundsätzlich kritisch;; Wie kann man visuellen und kognitive Ablenkung messen? Wo liegt die Toleranz-Schwelle? 4 Fahrerablenkung ‐ Definition “Distraction involves a diversion of attention from driving because the driver is temporarily focusing on driving, an object, person, task, or event not related to driving, which reduces the driver’s awareness, decisionmaking, and / or performance, leading to an increased risk of corrective actions, near-crashes, or crashes.” (Hedlund, Simpson, & Mayhew, 2006; p. 2). Also: Verlagerung der Aufmerksamkei weg von der primären Fahraufgabe hin zu konkurrierenden Tätigkeiten (Lee, Young & Regan, 2009) Fahrerablenkung - Auswirkungen Verengung des Gesichtsfeldes („Tunnelblick“; Schulterblick seltener) Geringe „situational awareness“ Verlangsamte Signalerkennung im peripheren Gesichtsfeld Erhöhung der Bremsreaktionszeit um bis zu 0 5sec 0.5sec. Schlechtere Geschwindigkeitskontrolle 5 Fahrerablenkung - Auswirkungen Mehr Steuerungsfehler (z.B. Blinken vergessen, Stoppschilder übersehen, in falsche Richtung lenken, Schalten vergessen,...) Regelungsfehler steigen (z.B. Spurwechsel, Schlingern, zu frühes oder zu spätes Bremsen, zu schnelles oder zu langsames Fahren,...) Aber: Erhebliche Trainingsg und Übungseffekte Übersicht 1. Information, Assistenz, Automatisierung (FAS/FIS) und d Sicherheit Si h h it 2. Ablenkung: Was ist das? 3. Ablenkung und Gefährdungspotential: Grenzen neuer Systeme 6 Problembereiche Ablenkung Risikokompensation Out-of-the-Loop: Kompetenzverlust Left-over-tasks Vigilanz Adaptation User – non-user … Wie „intelligent“ darf ein Auto sein? Grenzen von FAS und FIS Gesellschaft/Politik Ausbildung, Ausbildung „Erlaubnis Erlaubnis“ Datenschutz Verantwortung (juristisch) Herstellerseitig: Unzuverlässigkeit der Technik FAS und FIS sind eher Komfortelemente Produkthaftung Fahrerseitig: F h iti Überlastung und Ablenkung verminderte „Wachheit“ (out-of-the-loop) Einschränkung individueller Freiheit... 7 Wie intelligent darf ein Auto also sein? Übertragung der Aufgaben an das Fahrzeug Bedienfunktionen: Fahren im Verkehrsraum Navigieren ja nicht vollständig ja „Nutzer“orientierung wird wichtiger als „Funktions“orientierung Ergonomie und Human-Factors werden bedeutsamer Zurück zu den Potentialen… Kfz als ein Knoten im mobilen Internet Zugang zu globalen und lokalen web-Portalen Integrierte Bordelektronik Weitere Netzkomponenten (Büro (Büro, Wohnhaus Wohnhaus, etc.) Reise-planung (Stauwarnung, Parkplatzsuche, Routenoptimierung) Verminderung der Verlust-Zeit (Arbeit, Entertainment, Shopping,....) Tertiärfunktionen 8 Was wir also brauchen: „nutzergerechte“ Gestaltung von technischen Systemen, die Personen entlasten, ihnen aber nicht neue, noch schwierigere Aufgabe übertragen („left-over“ tasks) die fehlertolerant arbeiten deren Mensch-Maschine-Schnittstellen kognitiv unterstützend ausgelegt sind. dies wird nur in einer interdisziplinären Ausrichtung gelingen… li Literaturangaben Vollrath, M., & Krems, J. (2011). Verkehrspsychologie. Stuttgart: Kohlhammer 9