Klimawandel im vollem Gang

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SPIEGEL ONLINE - 30. November 2005, 18:56
Klimawandel
Golfstrom hat sich stark abgeschwächt
Von Christian Stöcker
Es ist eines der Horrorszenarien, die im Zusammenhang mit dem Klimawandel immer
wieder benannt werden: Der Golfstrom, Nordeuropas Warmwasserheizung, könnte
versiegen. Messdaten zeigen jetzt erstmals, dass er tatsächlich an Kraft verliert.
Wenn man Detlef Quadfasel von der Universität Hamburg fragt, was passiert, wenn der
Golfstrom im Nordatlantik seine Arbeit einstellt, antwortet er hanseatisch-lakonisch. "Dann
wird's hier kalt." Dieses Szenario, von Wissenschaftlern in Modellen seit langem prognostiziert
und von Hollywood als Klima-Albtraum auf die Leinwand gebracht, erscheint nun plötzlich gar
nicht mehr abwegig. Denn ein wesentlicher Teil der gigantischen Wasserpumpe, die kaltes
Wasser in der Tiefe nach Süden und warmes an der Oberfläche nach Norden transportiert, läuft
nicht mehr rund. In den letzen 50 Jahren hat sie ein Drittel ihrer Kraft verloren.
Die Zirkulation habe "sich zwischen 1957 und 2004 um etwa 30
Prozent verlangsamt", berichten Harry Bryden vom National
Oceaonography Centre in Southampton und zwei seiner Kollegen in
der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Nature" (Bd.
438, S. 655). 30 Prozent in knapp 50 Jahren - "das ist eine ganze
Menge", findet Quadfasel.
Der Ozeanograph hat für "Nature" einen kommentierenden
Begleitartikel geschrieben, um die Ergebnisse von Brydens
DPA Arbeitsgruppe einzuordnen. Sein Fazit: "Zunehmender
Wärmebild des Golfstroms vor der
Süßwasserzufluss in die nördlichen Meere wird die Zirkulation
US-Ostküste (schwarz): Die
zunächst nur langsam schwächen. Wenn aber eine bestimmte
Wärmepumpe verliert an Leistung
Schwelle erreicht wird, könnte die Zirkulation abrupt zu einem
neuen Status wechseln, in dem es kaum oder keinen Wärmezufluss mehr nach Norden gibt."
Kein Wärmezufluss nach Norden - das würde für ganz Nordeuropa "verheerende Auswirkungen
auf die sozioökonomischen Bedingungen haben", schreibt Quadfasel. Im Gespräch mit SPIEGEL
ONLINE mahnt er: "Selbst eine neue Eiszeit ist denkbar." Die Ungenauigkeit der jetzt
veröffentlichten Abschätzungen sei allerdings "relativ groß" und die von Bryden und Kollegen
errechnete Verringerung um 30 Prozent ein Mittelwert. Der Golfstrom könnte also entweder
nicht ganz so stark ins Stocken gekommen sein - oder aber noch stärker. Und: Der
Klimawandel bremst nicht nur den Golfstrom, er lässt auch die globalen Temperaturen steigen,
was zu einem verstärkten Abschmelzen der Pole führt.
Erstmals Messdaten statt Modelle
Das Entscheidende an den jetzt publizierten Daten: Sie sind nicht die Ergebnisse eines
Rechenmodells, sondern über Jahre hinweg erhobene Messwerte. Es seien "die ersten
Beobachtungen, die zeigen, dass eine solche Abnahme der ozeanischen Zirkulation schon in
vollem Gange ist", schreibt Quadfasel. Von Forschungsschiffen aus wurden Sonden, bei den
ersten Messungen noch speziell präparierte Flaschen, auf den Grund des Atlantiks
hinabgelassen, in Tausende Meter Tiefe. Dort wurden Wassertemperatur und Salzgehalt
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gemessen, die beiden entscheidenden Faktoren für das Überleben des Golfstroms - zumindest
des Arms, der uns im Norden wärmt. In den Tropen kreist ein anderer, elliptischer Teil. Der
kommt auch ohne den Mechanismus aus, der zwischen Grönland und Norwegen am Werk ist.
Salzigeres Wasser ist schwerer. Im hohen Norden, weit vor der Küste
Norwegens, sinkt sehr dichtes, salzhaltiges Wasser von der Oberfläche
bis zum Meeresgrund ab und fließt, tief unten im Ozean, an der Küste
Grönlands und Nordamerikas vorbei, bis zum westlichen Rand des
südlichen Atlantischen Beckens, vor die Küste Südamerikas. Von dort
wiederum fließt an der Oberfläche warmes Wasser nach Norden. Das im
Norden versinkende, stark salzige Wasser saugt gewissermaßen ständig
neues, warmes Wasser aus tropischen Gefilden an und wird so zu
Europas Warmwasserheizung. Nur ihretwegen wachsen auf manchen
Inseln vor der britischen Küste Palmen, nur ihretwegen ist das Klima
hierzulande auch im Winter relativ mild.
Nun aber kommt der Klimawandel ins Spiel: Der sorgt für mehr
Niederschläge im Norden, lässt die Flüsse anschwellen und bringt noch
dazu Grönlands Eispanzer zum Schmelzen. All das bringt Süßwasser ins
Nordmeer - und nimmt der Wasserpumpe dort so ihren Antrieb. Das weniger dichte, weniger
salzige Wasser sinkt nicht mehr wie früher zum Meeresgrund.
DER SPIEGEL
Wasserpumpe: Wie der
Golfstrom funktioniert
Das Ergebnis dieses Prozesses haben Bryden und seine Kollegen nun in ihren Messungen
gefunden: Weniger Wasser läuft aus dem Becken nördlich von Schottland heraus, das durch ein
Unterwassergebirge zwischen Grönland und dem Norden der britischen Insel gebildet wird.
Millionen Kubikmeter weniger - die Leistung der Wasserpumpe nimmt ab.
Vier Grad kälter?
Was nun weiter geschehen wird, und vor allem in welchem Zeitrahmen, ist noch nicht
abzusehen. Eins aber prophezeien die Vorhersagemodelle, etwa die des Potsdamer Instituts für
Klimafolgenabschätzung: An einem bestimmten Punkt bricht das System plötzlich zusammen,
der Zustrom warmen Wassers nach Norden versiegt mit einem Schlag. Einen Temperaturabfall
von "schätzungsweise vier Grad Celsius" würde das zur Folge haben, sagt Quadfasel. In
gewisser Weise wirke der Klimawandel, der die Temperaturen ja eigentlich steigen lässt, sich
also selbst entgegen: "Es wird dann nicht ganz so warm in Europa."
Aufhalten könne man den Prozess kaum. Denn so viel Salz im Nordmeer zu versenken, dass es
den verstärkten Süßwasserzufluss ausgleicht, würde die Menschheit überfordern. Was man
ansonsten gegen den Klimawandel tun könne? Quadfasels Antwort: "Weniger Auto fahren."
© SPIEGEL ONLINE 2005
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FAZ Aktuell Natur und Wissenschaft Erde
Klima: Eiszeit noch in der Warteschleife
Von Joachim Müller-Jung
30. November 2005. Die Klimarechner haben solche oder so ähnliche Ergebnisse schon
dutzendfach vorweggenommen. Und weil man Klimamodellen heute ganz generell gerne
glaubt, werden viele, die wie Hollywoodregisseur Roland Emmerich (”The Day After Tomorrow”)
die Klimaentwicklung und vor allem die Klimapolitik verfolgen, ein großes Deja-vu erleben.
In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Nature” (Bd. 438, S. 655) berichtet eine britische
Forschergruppe über die beachtlichen Veränderungen der Ozeanzirkulation und über das
mögliche, stets mitgedachte Versiegen des wärmenden Golfstroms vor den Küsten Europas.
Von den Bahamas zur Westküste Afrikas
In seinen Ausläufern und Rändern freilich, dort, wo sich die warmen Oberflächenmassen aus
dem tropischen und subtropischen Westen ihren Weg suchen und im Norden auf eine Art
Staumauer an kalten Wassermassen treffen, und auch dort, wo die äußerst westlichen
Ausläufer des Golfstroms - vor der afrikanischen Westküste - im Uhrzeigersinn wieder in
Richtung Karibik zurückfließen, dort scheint sich in den vergangenen Jahren offenbar manches
verändert zu haben.
Festgestellt haben das vor knapp einem Jahr die drei Wissenschaftler um Harry Bryden vom
britischen National Oceanography Centre in Southampton, die an Bord eines Forschungsschiffes
den subtropischen Atlantik befuhren. Ziemlich exakt auf dem 25. Breitengrad bewegten sie sich
von den Bahamas bis zur Westküste Afrikas. In regelmäßigen Abständen ließen die Forscher
Meßbojen zu Wasser, die ihnen Auskunft über die Meeresströmungen in verschiedenen Tiefen
gaben. Ganz ähnlich waren Ozeanographen viermal vorher, nämlich in den Jahren 1957, 1981,
1992 und 1998, vorgegangen.
Gewaltige Änderungen bei Strömungen
In keiner der vier Meßreihen waren den Wissenschaftlern besorgniserregende Veränderungen
aufgefallen. Das war nun ganz anders , als Bryden und seine Kollegen die Strömungen
analysierten. Der Vergleich mit früheren Meßdaten, so berichten die Forscher, habe gezeigt,
daß die Wassermassen, die an der Oberfläche nordwärts vor Europas Küsten und in der Tiefe
zurück nach Süden fließen, um schätzungsweise dreißig Prozent zwischen 1957 und 2004
abgenommen haben. Um fast ein Drittel also. Das sind gewaltige Veränderungen, wenn man
bedenkt, wieviel Wasser durch die verschiedenen natürlichen Wasserpumpen, die das „globale
thermohaline Förderband” und damit auch den Golfstrom antreiben, transportiert wird.
Der Golfstrom beispielsweise führt auf der Höhe Floridas - westlicher Referenzpunkt der
Meßreihe - sekündlich etwa 32 Millionen Kubikmeter warmen Meerwassers gen Nordosten. Von
dort strömt das Wasser quer über den Atlantik, wo es sich schließlich teilt: Ein Teil wird,
angetrieben vor allem durch den Nordostpassat, weiter nach Osten gelenkt und fließt im großen
Bogen wie ein riesiger Wirbel Richtung Äquator und zurück in Richtung Golf von Mexiko. Der
andere Teil der warmen Wassermassen aus der Golfregion nimmt die Abzweigung im mittleren
Atlantik nach Norden, angetrieben hauptsächlich von thermohalinen Wasserpumpen im
Nordatlantik, wo kaltes, salzreiches Meerwasser in die Tiefe sinkt. Ständig strömt aus dem
Arktischen Ozean kaltes, salzhaltiges Wasser durch die Grönlandstraße und die Baffin-Bai in die
tiefen Becken am Meeresboden des Nordatlantiks. Der dadurch entstehende Wasserverlust an
der Oberfläche wird durch das nach Norden strömende warme Wasser des Golfstroms
zumindest teilweise ausgeglichen.
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Tiefenwasserströme haben sich halbiert
Wie die Gruppe um Bryden nun bei ihren Messungen in verschiedenen Tiefen des subtropischen
Atlantiks ermittelt hat, haben sich die Abflüsse im Atlantik, dort, wo das Golfstromwasser
Richtung Äquator zurückströmt, überraschend schnell und dramatisch vergrößert - um fünfzig
Prozent in fünf Dekaden. Gleichzeitig, und das ist für den seit der letzten Eiszeit annähernd
konstanten Golfstrom besonders bemerkenswert, haben sich die gewaltigen, südwärts
gerichteten Tiefenwasserströme in drei- bis fünftausend Metern offenbar ebenfalls nahezu
halbiert.
Am Golfstrom selbst, vor dem tropischen Amerika, ist all das freilich noch weitgehend
unbemerkt vorbeigegangen - bisher zumindest. Ob das an Unwägbarkeiten ihrer Stichproben
liegt oder ob der Golfstrom doch bald den nachlassenden Sog zu spüren bekommt und Europa
womöglich der wärmende Zustrom an Tropenwasser demnächst versagt bleibt, vermochten die
Forscher nicht endgültig zu klären.
Text: F.A.Z., 01.12.2005, Nr. 280 / Seite 42
------------------------------------------------http://www.pm-magazin.de/de/wissensnews/wn_id1315.htm
2005 - ein Jahr mit extremen Hurrikanen?
Wetter-Experten der großen Versicherungen berechneten die Wahrscheinlichkeit, dass 2005 ein
Jahr mit einer schweren Hurrikanensaison wird. Die Wahrscheinlichkeit war groß, und die
traurige Wirklichkeit gab ihnen Recht.
Dafür sprach, dass bereits bis Mitte Juli 2005 fünf Hurrikane aufgetreten sind. So frühzeitig war
das seit 1850 nur in der Saison 1957 der Fall, wo sich bereits Anfang Juli vier Wirbelstürme in
der Karibik entwickelt hatten.
Im Mittel beginnt ja die Hurrikansaison im Juni und endet erst Ende November. Und in der
Regel bilden sich erst im August und September, wenn die Karibik am wärmsten ist, die
Hurrikane am häufigsten und am kräftigsten aus. Auch die Tatsache, dass sich unter den ersten
fünf der bisherigen Hurrikane mit "Dennis" und "Emily" bereits zwei sehr starke Wirbelstürme
(mit Geschwindigkeiten über 220 Stundenkilometern) ausgebildet haben, deutete auf eine
Saison mit vielen schweren Hurrikanen hin. Die beiden Hurrikane wurden in die zweithöchste
Gefahrenklasse vier eingestuft. "Dennis", der sich nach "Cindy" entwickelt hatte und über Kuba
gezogen ist, hat besonders auf Kuba und über den Süden der USA schwere Verwüstungen
angerichtet. Nach ersten Bilanzen hat er mehr als 60 Menschen getötet und Sachschäden in
Milliardenhöhe verursacht. Und "Katrin" verursachte in den USA durch die Zerstörung von New
Orleans sogar eine politische Katastrophe.
Was erwartet uns in den nächsten Jahren? Der Hauptgrund für die frühe Ausbildung nicht nur
der Hurrikane, sondern auch der Taifune und der anderen tropischen Wirbelstürme, ist nach
Meinung der meisten Experten die globale Erwärmung durch den Treibhauseffekt. Mit dieser
Erwärmung des globalen Klimas bilden sich im Raum der Tropen und Subtropen immer häufiger
Stürme, Orkane und Unwetter aus, deren Intensität sich verstärkt. Durch den Treibhauseffekt
erwärmt sich auch das Wasser der Karibik schneller, was auch dazu führt, dass eine
Temperatur von 27 Grad Celsius – die als Kriterium für die Hurrikanentwicklung gilt –
bedeutend früher erreicht wird. Da der Treibhauseffekt in den nächsten Jahren unvermindert
andauert, muss nicht nur bei den Hurrikanen, sondern weltweit im äquatorialen Erdgürtel damit
gerechnet werden, dass sich die Anzahl und die Stärke der tropischen Wirbelstürme – wie
Taifune, Willy-Willys , Baguios, Mauritiusorkane und Zyklone – verstärken wird. Ähnlich wie mit
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den Hurrikanen verhält es sich auch mit den Tornados. Infolge des Treibhauseffektes erwärmt
sich auch ihr wichtigster Ausbildungsraum, das trockene subtropische Festland, immer früher
und immer stärker. Die Folge ist, dass auch die Tornadosaison früher beginnt und die
Verwüstung durch einzelne Tornados in der Zukunft noch zunehmen wird.
---------------------------------------------------------------------------------http://www.pm-magazin.de/de/wissensnews/wn_id1277.htm
Luftverschmutzung und Waldrodung gefährden indischen Monsun
Zunehmende Luftverschmutzung und Waldrodung in Südasien könnten zu einem Ausbleiben
des indischen Monsuns führen. Dies zeigen Wissenschaftler vom Potsdam-Institut für
Klimafolgenforschung (PIK) in einer Studie, in der sie die Stabilität des indischen Monsuns
untersuchten.
Die jährlich wiederkehrenden Monsunniederschläge bestimmen maßgeblich die
Lebensumstände der indischen Bevölkerung. Mit einem schwachen Monsun gehen häufig
Dürren einher; hierdurch können Ernten ausbleiben und Hungersnöte unter der ländlichen
Bevölkerung entstehen, die zwei Drittel der Gesamtbevölkerung Indiens ausmacht.
Monsunniederschläge, die stärker ausfallen als gewöhnlich, können ähnlich verheerende Folgen
haben, wie die Jahrhundert-Regenfälle der letzten Wochen in Mumbai (Bombay) gezeigt haben.
In der aktuellen PIK-Studie haben Wissenschaftler anhand eines einfachen Modells einen
Mechanismus entdeckt, der zu einem Ausbleiben des indischen Sommermonsuns führen
könnte: Durch die zunehmende Luftverschmutzung mit Schwebeteilchen (Aerosolen) über
Indien - verursacht durch Brände und den Verbrauch fossiler Brennstoffe - sowie
Waldrodungen, die regional zu einer helleren Landoberfläche führen, wird mehr Sonnenlicht
reflektiert (Zunahme der "Albedo"). Hierdurch sinkt die Temperatur über der Landmasse, da
weniger Sonnenlicht die Erde erreicht.
Die Zufuhr feuchter Luftmassen vom Indischen Ozean, die den Monsunregen speisen, wird
gestoppt und die Niederschläge nehmen dramatisch ab.
Wie wahrscheinlich das Ausbleiben des Sommermonsuns tatsächlich ist, kann aus der Studie
nicht geschlossen werden. Hierzu wären Analysen notwendig, die realistische Prognosen (so
genannte "Szenarien") berücksichtigen - von der Entwicklung der Luftverschmutzung sowie der
Veränderung der Landnutzung in Südasien. Auch ein weiterer Effekt müsste beachtet werden:
die steigenden Konzentrationen von Treibhausgasen.
Letztere haben einen entgegen gerichteten Effekt auf den Sommermonsun: Mehr
Treibhausgase in der Atmosphäre führen zu einer Temperaturzunahme über der Landmasse
und dadurch zu stärkeren Niederschlägen. Welcher der beiden Effekte letztendlich dominieren
wird, ist derzeit offen.
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