Seite 6 · 14. Februar 2016 · Sonntags-Zeitung GLAUBE KONKRET Was wird daraus, wenn sie verschmolzen sind – ein Kind oder Forschungsmaterial? »Kein weiterer Tabubruch« Genmanipulationen: Laut Sozialethiker Dabrock haben britische Forscher schon 2015 Grenze überschritten • Von Stephan Cezanne FRANKFURT. Eine internationale Diskussion darüber, ob sich die Menschheit auf eine Veränderung ihrer Grundlagen einlassen will, fordert der Sozialethiker Peter Dabrock. N ach dem britischen Ja zu Genmanipulationen an Embryos warnt der evangelische Sozialethiker Peter Dabrock vor übertriebenen Befürchtungen. »Es ist kein weiterer Tabubruch«, sagte der Erlanger Theologieprofessor dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das Forschungsvorhaben stehe im Einklang mit der britischen Gesetzgebung. In Deutschland sei durch das Embryonenschutzgesetz die Herstellung von Embryonen für solche Zwecke untersagt. Dabrock ist stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ethikrates. Die britische Behörde für menschliche Befruchtung und Embryologie (HFEA) hatte vergangene Woche einen entsprechenden Antrag des Francis Crick Institutes aus London genehmigt. Danach können Wissenschaftler künftig an gesunden menschlichen Embryonen über die Behandlung von Unfruchtbarkeit und die Ursachen von Fehlgeburten forschen. Die Embryonen stammen von Paaren, die sich einer künstlichen Befruchtung unterzogen haben, wie das Institut mitteilte. Dabei reifen oft mehrere Embryos heran, die nicht alle in die Gebärmutter eingesetzt werden. Große Bedenken äußerte Dabrock dagegen mit Blick auf eine andere gentechnische Praxis in Großbritannien. So gebe es in England seit 2015 eine rechtliche Grundlage dafür, dass die DNA der Mitochondrien, also des Energiekraftwerkes der Zelle, verändert werden darf. Es sei trotz vieler Beschwichtigungen von Seiten der Forscher keineswegs ausgeschlossen, dass es eine »Interaktion zwischen der mitochondrialen DNA und des Zellkerns gibt«, fügte der Theologe hinzu: »Wenn man das wirklich nicht ausschließen kann, dann war diese Manipulation schon längst der Tabubruch in Großbritannien.« Denn schon damals gab es grünes Licht für Keimbahninterventionen. Grundsätzlich rechne er damit, dass aus therapeutischen Gründen genetisch manipulierte Embryonen »in nicht allzu ferner Zukunft« implantiert werden, sagte Dabrock: »Ich glaube, dass muss man ehrlicherweise sagen.« In der ethischen Debatte vor allem in Großbritannien, aber zum Teil auch in Deutschland gebe es Stimmen, die Embryonen so lange nicht verändern wollen, so lange die Risiken unkalkulierbar seien. In dieser Einschränkung klinge allerdings an, dass diese Vertreter einer liberalen Position jenseits der Risikoabschätzung keine grundsätzlichen Hemmnisse anerkennen würden, in das menschliche Genom einzugreifen. Dies bedeute, dass man grundsätzlich bereit sei, die Keimbahn als natürliche Grundlage des menschlichen Daseins zu verändern. Er sei sich sicher, dass die briti- schen Forscher keinen Rechtsbruch begehen, sagte Dabrock. Allerdings gebe es einen starken wissenschaftlichen Wettbewerb zwischen Großbritannien und China, dass man in »nicht allzuferner Zeit eben soweit kommt, dass die Forscher den Politikern sagen, wir haben jetzt eine so hohe Sicherheit, jetzt lasst uns auch einen solchen keimbahnveränderten Embryo implantieren«. Dann werde argumentiert, die Risiken seien inzwischen so gering, das man es tun könnte, warnte der Sozialethiker. Da die Konsequenzen aber weit über diese Länder hinausreichten, sei eine internationale Debatte dringend nötig, ob sich die Menschheit auf solche Veränderungen ihrer natürlichen Grundlagen einlassen dürfe. epd schaffenheit eines Embryos befinden könnten. Eine solche Manipulation an menschlichem Leben an seinem Anfang sei nicht statthaft, »weil wir über dieses Leben nicht verfügen dürfen«, unterstrich Maio. Deutschland sollte sich eine tiefsinnige Diskussionskultur bewahren und nicht in die »Falle der Harmonisierung des Rechts tappen«, forderte der Forscher. Alles andere wäre eine ethische Resignation. Politik, Wissenschaft und Gesellschaft sollten sich gegen Trends wenden, dass Forschung nur über nationale Grenzen hinweg funktioniere und daher globale Standards nötig seien. Dies bewirke lediglich, dass Standards nivelliert würden und nur ein Minimalstandard erreicht werde, gab Maio zu bedenken. epd Manipulation künftiger Generationen Medizinethiker kritisiert genetische Veränderung von Embryonen • Von Christine Süß-Demuth FREIBURG. Als eine »Totalinstrumentalisierung ungeborenen Lebens« bezeichnet der Medizinethiker Giovanni Maio die Absicht von Forschern, in Großbritannien, Embryonen genetisch zu verändern. Der Freiburger Medizinethiker Giovanni Maio bezeichnet die gentechnische Veränderung von Embryonen als ethische Grenzüberschreitung. Die vergangene Woche in Großbritannien zugelassenen Experimente öffneten »Tür und Tor für jedwede Manipulation des Embryos aus wohlmeinenden Gründen«, sagte der Wissenschaftler dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Embryo werde nach Belieben verändert, »je nachdem, was wir für richtig halten« und als verfügbares Gut benutzt. »Aus meiner Sicht ist das eine Totalinstrumentalisierung ungeborenen Lebens und mehr als fragwürdig,« sagte der Medizinethiker. Dies sei nicht nur eine Manipulation von Embryos, sondern auch ganzer zukünftiger Generationen, ohne dass man die Folgen abschätzen könne. Der Mediziner und Philosoph fragt, mit welchem Recht Menschen über die genetische Be-