Auszug aus dem Skript zur Vorlesung Ergänzung zur Einführung in die Physik 2 Udo Backhaus, Universität Duisburg-Essen Version Sommersemester 2007 e + Elektrische Feldlinien und die Richtung der elektrischen Kraft auf einen positiv geladenen Körper Lageenergie, Bewegungsenergie und Gesamtenergie eines hüpfenden Balles Inhaltsverzeichnis 1 Mechanik 1.1 Kinematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.1 Die Beschreibung von Bewegungen im Raum . . . . . . . 1.1.2 Bewegungsanalyse mit Viana . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.3 Beispiel 1: Die Schwingung eines Schraubenfederpendels 1.1.4 Beispiel 2: Der schiefe Wurf . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.5 Hausaufgaben 11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Dynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1 Die Newton’schen Gesetze der Mechanik . . . . . . . . . 1.2.2 Mechanische Wechselwirkungen . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3 Der Kraftbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.4 Hausaufgaben 12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.5 Die Kraft als Vektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.6 Trägheitssatz und Kräftegleichgewicht . . . . . . . . . . 1.2.7 Übungen zu Kräftegleichgewicht und -addition (nach [6]) 1.2.8 Hausaufgaben 13 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Der Energiebegriff 2.1 Elektromagnetische Induktion und Energieprinzip . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Elektromotor und Generator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Induktion und Energieerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Hausaufgaben 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Energiemessungen und thermische Energie . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Thermische Energie und ihre Messung . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Die spezifische Wärmekapazität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Hausaufgaben 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Wärmekapazität und Schmelzwärme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Die spezifische Wärmekapazität von festen Stoffen . . . . . . . . 2.3.2 Energieerhaltung beim Temperaturausgleich . . . . . . . . . . . 2.3.3 Hausaufgaben 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4 Die spezifische Schmelzwärme von Eis . . . . . . . . . . . . . . 2.3.5 Die spezifische Verdampfungswärme von Wasser . . . . . . . . . 2.3.6 Hausaufgaben 9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Energieumwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Lageenergie und thermische Energie: Das Joule’sche Experiment 2.4.2 Freier Fall: Umwandlung von Lageenergie in Bewegungsenergie . 2.4.3 Bewegungsenergie beim Pendel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.4 Kontinuierliche“ Messung durch Videoanalyse mit Viana . . . ” 2.4.5 Hausaufgaben 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur [1] Tipler, Physik für Naturwissenschaftler und Ingenieure i . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1 1 4 5 8 10 11 11 14 16 17 18 20 21 23 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 24 24 27 28 29 29 32 34 36 36 37 38 39 40 40 41 41 44 47 48 51 [2] U. Backhaus et al.: Physik plus, Gymnasium, Klasse 6, Nordrhein-Westfalen, Volk und Wissen: Berlin 1999 [3] U. Backhaus, L.-H. Schön: Physik plus, Gymnasium, Klasse 8, Nordrhein-Westfalen, Volk und Wissen: Berlin 2001 [4] U. Backhaus et al.: Physik plus, Gymnasium, Klasse 9/10, Nordrhein-Westfalen, Volk und Wissen: Berlin 2002 [5] U. Backhaus, Das 3. Newton’sche Gesetz und der physikalische Kraftbegriff, Naturwissenschaften im Unterricht/Physik 49/5 (2001) [6] U. Backhaus, Die Kraft ist ein Zwillingspaar, Beispiele zur Einführung des Wechselwirkungsprinzips in der Schule, Naturwissenschaften im Unterricht/Physik 49/5 (2001) ii 1 Mechanik 1.1 1.1.1 Kinematik Die Beschreibung von Bewegungen im Raum • Voraussetzung für die physikalische Beschreibung von Bewegungen sind ein räumliches Koordinatensystem und eine Uhr. Zur Festlegung des Koordinatensystems gehören 1. die Festlegung eines Ursprungs 0, 2. die Festlegung dreier vom Ursprung ausgehender Raumachsen und ihrer Richtungen und 3. die Festlegung von Maßstäben auf den drei Achsen. Da wir in dieser Veranstaltung nur zweidimensionale (ebene) Bewegungen untersuchen werden, reichen im Folgenden zwei Raumachsen. • Der Ort eines Körpers im Raum wird durch einen Vektor, seinen so genannten Ortsvektor, ~r = (x, y) = x~ex + y~ey beschrieben (Abb. 1), der von einem vorher gewählten Ursprung aus zum Körper zeigt. Die Komponenten x und y dieses Ortsvektors beziehen sich auf die beiden festgelegten Achsen. • Wenn sich der Körper bewegt, sich sein Ort also mit der Zeit ändert, ändert sich auch sein Ortsvektor, und damit dessen Komponenten, mit der Zeit: ~r = ~r(t) = (x(t), y(t)) • Wenn sich der Körper in der Zeitspanne ∆t = t2 − t1 von ~r1 (t1 ) nach ~r2 (t2 ) bewegt, dann ist seine Ortsveränderung der Vektor, der von ~r1 nach ~r2 zeigt: ∆~r = ~r2 (t2 ) − ~r1 (t1 ) = (x2 − x1 , y2 − y1 ) Die Länge dieses Vektors gibt an, wie weit sich der Körper in dieser Zeitspanne vom Ausgangspunkt entfernt hat (nicht: welche Strecke er zurückgelegt hat!). Die Richtung des Vektors beschreibt die Richtung, in der der Endpunkt vom Anfangspunkt aus gesehen liegt. • Die Durchschnittsgeschwindigkeit des Körpers im Zeitintervall ∆t ist der Quotient aus Ortsveränderung und zugehöriger Zeit: ~v = ∆~r 1 = ∆~r ∆t ∆t 1 (1) y-Achse v (t1 ) }~ ~v ∆~r ~r(t1 ) } ~v (t2 ) ~r(t2 ) 1m ~ey 0 x-Achse ~ex 1m Abbildung 1: Ort ~r(t), Durchschnittsgeschwindigkeit ~v und Momentangeschwindigkeit ~v (t) eines geworfenen Balles 2 Die Durchschnittsgeschwindigkeit ist ein Vektor, der vom Anfangsort zum Endort gerichtet ist. Ihr Betrag ist ein Maß dafür, wie schnell sich der Abstand zum Startpunkt geändert hat. • ACHTUNG Die Geschwindigkeit ist also in der Physik ein Vektor! Sie unterscheidet sich damit deutlich von dem, was man außerhalb des Physikraumes unter Geschwindigkeit versteht: – Die Geschwindigkeit kann in der Physik (im Falle einer linearen Bewegung) positive und negative Werte annehmen. – Die Geschwindigkeit kann sich ändern, obwohl sich die Schnelligkeit der Bewegung nicht ändert, z. B. bei der Fahrt durch eine Kurve. – Die Durchschnittsgeschwindigkeit in einem Zeitintervall kann null sein, obwohl sich der Körper ständig schnell bewegt hat. – Im täglichen Leben meint man mit Geschwindigkeit“ in der Regel Tempo“, ” ” Schnelligkeit“ oder Tacho-Anzeige“, also den Betrag der (physikalischen) Ge” ” schwindigkeit |~v|. • Die Momentangeschwindigkeit des Körpers ist seine Durchschnittsgeschwindigkeit für ein genügend kleines Zeitintervall1 d~r(t) dx dy ∆~r −→ =( , ) ∆t dt dt dt Die Ableitung nach der Zeit wird in der Physik oft durch einen Punkt über der entsprechenden Funktion gekennzeichnet: ~v ∆t klein = ~v(t) = ~r˙ (t) = (ẋ(t), ẏ(t)) Die Richtung des Vektors ~v ist immer tangential zur Bahnkurve des Körpers. Sie zeigt die Richtung an, in die sich der Körper gerade bewegt. • Ganz entsprechend wird der Begriff der Beschleunigung ~a mit Hilfe der Geschwindigkeit definiert: ∆~v ~v (t2 ) − ~v (t1) = ∆t t2 − t1 d ~a(t) = ~v (t) = ~v˙ (t) = (v̇x (t), v̇y (t), v̇z (t)) dt d2 = ~r(t) = ~¨r(t) = (ẍ(t), ÿ(t), z̈(t)) dt2 ~a = (2) (3) (4) Auch die Beschleunigung ist also ein Vektor. Die Richtung der Durchschnittsbeschleunigung stimmt mit der Richtung von ∆~v = ~v2 − ~v1 überein. 1 Genügend klein“ ist das Zeitintervall, wenn sich einerseits währenddessen die Geschwindigkeit (für ” das benutzte Messverfahren) nicht merkbar ändert, es aber andererseits nicht zu klein ist, damit die Fehler durch die Quotientenbildung nicht zu groß werden. 3 Abbildung 2: Logo des Programms Viana • ACHTUNG Auch hier einige Hinweise zum Vektorcharakter: – In einem Zeitintervall kann die Durchschnittsgeschwindigkeit null sein, obwohl der Körper während der ganzen Zeit seine Geschwindigkeit geändert hat (z. B. nach dem vollständigen Durchlauf einer Kreisbahn). – Die Richtungen von Geschwindigkeit und Beschleunigung brauchen nicht übereinzustimmen. An der Schreibweise ~v2 = ~v1 + ~a∆t kann man erkennen: ∗ Die Richtung der Bewegung ändert sich nicht, wenn ~v und ~a dieselbe Richtung haben. ∗ Die Bewegung wird langsamer, wenn ~v und ~a entgegengesetzte Richtung haben (genauer: . . . , wenn der Winkel zwischen den beiden Vektoren größer als 90◦ ist). ∗ Immer wenn ~v und ~a nicht dieselbe Richtung haben, hat die Endgeschwindigkeit nach einem Zeitintervall eine andere Richtung als die Anfangsgeschwindigkeit. Die Bewegung durchläuft eine Kurve“. ” 1.1.2 Bewegungsanalyse mit Viana Solange man Orte und Zeiten bei Bewegungen mit Hand, Stoppuhr, Lichtschranken usw. misst, erhält man nur wenige Messwerte und kann Veränderungen nur schwer messend erfassen. Eine komfortable Alternative bietet das Videoanalyse-Programm Viana, das von Thomas Kersting in Essen entwickelt wurde und im Internet frei verfügbar ist (http://www.didaktik.physik.uni-due.de/viana/). Die Idee von Viana ist folgende: Eine Bewegung wird mit einer Videokamera aufgenommen. Dadurch erhält man 25 Bilder in jeder Sekunde. Auf jedem dieser Bilder ist der sich bewegende Körper abgebildet. Jedes Videobild besteht aus einzelnen Punkten (Pixeln), und die Kanten des Bildes legen zwei Raumrichtungen fest. Nullpunkt und Maßstab können aber noch frei gewählt (bzw. bestimmt) werden. Auf jedem Bild kann die Position 4 des Körpers (die Nummer des Pixels“), genauer die seines geeignet definierten Mittel” punktes, bestimmt werden, auf dem der Körper gerade abgebildet ist. Diese Bestimmung kann entweder am Monitor für jedes Bild per Hand vorgenommen oder, wenn sich der Körper farblich deutlich von der Umgebung abhebt, automatisch durch das Programm durchgeführt werden. Das Programm kann die Messwerte selbst grafisch darstellen, sie aber auch als ExcelTabelle exportieren, sodass beliebige weitere Berechnungen damit angestellt und Diagramme erstellt werden können (wenn man mit Excel umgehen kann!). Dabei benutzt das Programm die folgenden Algorithmen, die man auch von Excel ausführen lassen kann: t in m x in m y in m ... ... ... ti−2 xi−2 yi−2 ti−1 xi−2 yi−1 ti xi yi ti+1 xi+1 yi+1 ti+2 xi+2 yi+2 ... ... ... vx in ... m s vy in ms ax in sm2 ay in sm2 ... ... ... vxi−1 vxi vxi+1 vyi−1 vyi vyi+1 axi ayi ... ... ... ... (5) mit xi+1 − xi−1 ti+1 − ti−1 yi+1 − yi−1 = vy (ti ) = ti+1 − ti−1 vxi+1 − vxi−1 = ax (ti ) = ti+1 − ti−1 vyi+1 − vyi−1 = ay (ti ) = ti+1 − ti−1 vxi = vx (ti ) = (6) vyi (7) axi ayi (8) (9) Im Folgenden werden die Begriffe Geschwindigkeit und Beschleunigung anhand der Analyse zweier Bewegungen eingeübt. Zwei weitere Bewegungen sind Gegenstand der Übungen. 1.1.3 Beispiel 1: Die Schwingung eines Schraubenfederpendels Eine an einer Schraubenfeder aufgehängte Kugel schwingt in vertikaler Richtung auf und ab (Federpendel.avi, Abb. 3). Da es sich um eine lineare Bewegung handelt, reicht zur Beschreibung eine Achse aus, die parallel zur Bewegung gerichtet ist. Der Nullpunkt wurde ungefähr in die Gleichgewichtsposition des Pendels gelegt, die Achse ist nach oben gerichtet. Die zugehörige Excel-Tabelle heißt Federpendel.xls. Sie enthält auch die folgenden Auswertungen und Diagramme. Mit Excel kann ein y(t)- Diagramm, ein vy (t)-Diagramm und ein ay (t)-Diagramm gezeichnet werden (Abb. 4). Den Diagrammen entnimmt man folgende Eigenschaften: 5 Abbildung 3: Das Schraubenfederpendel • Das Pendel schwingt (näherungsweise) periodisch um die Gleichgewichtslage. Dabei treten positive und negative Koordinatenwerte auf (wenn sich das Pendel über bzw. unter der Gleichgewichtslage befindet). • Auch die Geschwindigkeit nimmt positive und negative Werte an: Die Geschwindigkeit ist positiv, wenn die Koordinatenwerte größer werden, sich der Körper also in Richtung der Koordinatenachse bewegt (d.h. hier: nach oben!). (z. B. zu den Zeiten t = 1s und t = 2s in Abbildung 4). Entsprechend gilt: Die Geschwindigkeit ist negativ, wenn die Koordinatenwerte kleiner werden, sich der Körper also entgegen der Richtung der Achse bewegt. (z. B. zur Zeit t = 4s in Abbildung 4). • Auch die Beschleunigung a= v(t2 ) − v(t1 ) ∆v = ∆t t2 − t1 nimmt positive und negative Werte an: Die Beschleunigung ist positiv, wenn die Geschwindigkeit größer wird. Wenn die Geschwindigkeit gerade positiv ist, wird ihr Betrag dadurch größer (der Körper wird also schneller) (z. B. zur Zeit t = 2s in Abbildung 4). Wenn sie aber gerade negativ ist, wird sie dadurch weniger negativ“, ” ihr Betrag also kleiner (der Körper wird also langsamer!) (z. B. zur Zeit t = 4s in Abbildung 4; leider ist das aber wegen der Messfehler kaum zu erkennen!). • ACHTUNG Die oft zu lesende Bemerkung, Bremsen bedeute negative Beschleunigung, ist also im Allgemeinen falsch! An Beispielen mache man sich klar: Die Bewegung wird immer dann langsamer (d. h.: gebremst), wenn Geschwindigkeit und Beschleunigung unterschiedliche Vorzeichen haben. 6 Abbildung 4: Auslenkung (oben), Geschwindigkeit (Mitte) und Beschleunigung (unten) eines Schraubenfederpendels als Funktion der Zeit, aufgenommen mit Viana und gezeichnet mit Excel 7 Abbildung 5: Eine Wurfbewegung 1.1.4 Beispiel 2: Der schiefe Wurf Ein kleiner Ball wird schräg nach oben rechts geworfen (Wurf150705 2.avi, Abb. 5). Der Nullpunkt wurde auf den Boden gelegt, die x-Achse ist nach rechts, die y-Achse nach oben gerichtet. Die zugehörige Excel-Tabelle heißt Wurf150705.xls. Auch sie enthält die folgenden Auswertungen und Diagramme. Den Diagrammen in Abbildung 6 sieht man die folgenden Aussagen an (bzw. man kann sie rechnerisch prüfen): • Die Bahnkurve (ganz oben) ist in guter Näherung eine Parabel. • Die x-Koordinate wächst linear mit der Zeit. Die Horizontalgeschwindigkeit vx ist also (fast) konstant (vgl. das vx (t)-Diagramm). • Die y-Koordinate ändert sich quadratisch mit der Zeit, die Vertikalgeschwindigkeit vy = dy nimmt also linear mit der Zeit ab (vgl. das vy (t)-Diagramm). dt • Da sich die Horizontalgeschwindigkeit nicht ändert, ist die Horizontalbeschleunigung ax = dvdtx gleich null (nicht dargestellt). • Da sich die Vertikalgeschwindigkeit linear mit der Zeit ändert, ist die Vertikalbeschleunigung ax = dvdtx (negativ) konstant. Dem Diagramm kann man entnehmen: ay ≈ −9.1 sm2 . • Der Vektor der Beschleunigung ~a = (ax , ay ) ist also während der ganzen Bewegung senkrecht nach unten gerichtet und immer gleich groß. Daraus folgt nach dem 2. Newton’schen Gesetz (s. (10), S. 13), dass auf den Körper eine konstante Kraft nach unten wirkt: die Erdanziehungskraft! Machen Sie sich diese Aussagen anhand möglichst vieler Zeitpunkte gründlich klar! 8 Bahnkurve y(x) x(t) y(t) vx (t) vy (t) ay (t) Abbildung 6: Viana-Analyse eines schiefen Wurfs: Bahnkurve (oben Mitte), Horizontalbewegung (links) und Vertikalbewegung (rechts) 9 Die folgenden Eigenschaften der Wurfbewegung sind ziemlich erstaunlich, weil sie dem alltäglichen Verständnis von Geschwindigkeit und Beschleunigung widersprechen: Die Beschleunigung der Bewegung ist (vektoriell!) konstant. Trotzdem ist weder die Bewegung nicht geradlinig, noch ändert sich die Schnelligkeit (das Tempo) der Bewegung gleichmäßig: Die Bewegung wird zu Beginn immer langsamer, nach ihrem Scheitelpunkt aber immer schneller. 1.1.5 Hausaufgaben 11 1. Ein Auto bewegt sich auf der dargestellten Bahn. Dabei wird es auf dem halbkreisförmigen Teil der Bahn zwischen A und B von |~v1 | = 10 ms auf |~v2 | = 12 ms gleichmäßig immer schneller. Machen Sie für diesen Abschnitt der Bewegung qualitative und (wenn möglich) quantitative Aussagen über A 2m B (a) die Durchnittsgeschwindigkeit und (b) die Durchnittsbeschleunigung des Autos. 2. Im Internet finden Sie einen kurzen Film (SpringenAusschnitt.avi), der einen hüpfenden Ball zeigt, und die zugehörigen, mit Viana aufgenommenen, Messwerte (AufgabeSpringen.xls). Die Darstellung der Ortskurve ergibt das folgende Bild: 10 (a) Überlegen Sie sich, entsprechend der im Vorlesungsskript enthaltenen Analyse einer Wurfbewegung, das qualitative Aussehen der folgenden Diagramme: i. ii. iii. iv. v. vi. vii. viii. ix. x(t)-Kurve, y(t)-Kurve, vx (t)-Kurve, vy (t)-Kurve, ax (t)-Kurve, ay (t)-Kurve, Ekin (t)-Kurve, EL (t)-Kurve und Eges (t)-Kurve. (b) Versuchen Sie, einige dieser Diagramme mit Excel zu erzeugen: i. y(t)-Diagramm, ii. vy (t)-Diagramm und iii. ay (t)-Diagramm. (c) Was können Sie aus diesen Diagrammen ablesen? 1.2 Dynamik In der Dynamik wird der Zusammenhang zwischen Kräften und Bewegungen untersucht. 1.2.1 Die Newton’schen Gesetze der Mechanik Der zentrale physikalische Begriff der Dynamik ist der Kraftbegriff. Es ist einer der schwierigsten Begriffe der klassischen Physik. Der wesentliche Grund für die Schwierigkeiten, die Lernende mit dem Kraftbegriff haben, liegt darin begründet, dass in der Physik der Kraftbegriff ganz anders verwendet wird als im täglichen Leben. 11 Was in der Physik unter Kraft verstanden wird, wird im Wesentlichen durch die drei Newton’schen Gesetze beschrieben. Diese Gesetze werden deshalb zunächst zusammengefasst und kurz erläutert, bevor die zugrunde liegenden Ideen ausführlicher erläutert werden. • Das 3. Newton’sche Gesetz ist das Wechselwirkungsprinzip: 3. Newton’sches Gesetz: Immer wenn ein Körper A auf Körper B eine Kraft ausübt, übt umgekehrt Körper B auf A eine Kraft aus. Die beiden Kräfte sind gleich groß und haben entgegengesetzte Richtung. Das Besondere an diesem Gesetz ist, dass es keinen Unterschied zwischen den beiden beteiligten Körpern macht: Es unterscheidet nicht zwischen einem aktiven“ und ” einem passiven“ Körper, bezeichnet keinen der beiden Körper als Ursache“ für ” ” die Kraft. Körper wechselwirken miteinander; sie können gar nicht anders. Und sie tun das in völlig symmetrischer Weise2 . Und: Da Kräfte die Wechselwirkung(WW) zwischen Körpern beschreiben, treten sie immer zwischen verschiedenen Körpern auf: Körper können keine Kräfte auf sich selbst ausüben. • Das 1. Gesetz macht eine Aussage über das Kräftegleichgewicht bei einem Körper: 1. Newton’sches Gesetz: Ein Körper im Kräftegleichgewicht (bei dem die (Vektor-) Summe der angreifenden Kräfte null ist), ruht oder bewegt sich geradlinig mit konstanter Schnelligkeit.3 Das Besondere an diesem Gesetz ist, dass zwischen Ruhe und geradlinig gleichförmiger Bewegung nicht unterschieden wird. Es war das große Verdienst Galileo Galileis, dass er die Frage Warum bewegt sich dieser Körper?“ durch die Frage Warum be” ” wegt sich der Körper nicht mit konstanter Geschwindigkeit?“ ersetzt hat. Man muss nicht nach der Ursache einer Bewegung suchen, sondern nach der Ursache dafür, dass ein Körper (z.B.) schneller oder langsamer wird. • Das 1. Newton’sche Gesetz ist eine Idealisierung der Erfahrungen, die man mit abnehmender Reibung machen kann: – Ein durch einen Stoß in Bewegung gesetzter Körper kommt mehr oder weniger schnell zur Ruhe. Das täte er ohne äußere Einflüsse (im Weltraum) nicht. Also muss er durch Wechselwirkung mit einem anderen Körper gebremst werden (z.B. durch Reibung mit der Unterlage oder durch Luftreibung). 2 genauer: Wenn ein solcher Vorgang unsymmetrisch ist, dann ist der Kraftbegriff nicht geeignet, diese Unsymmetrie zu beschreiben. 3 Meist wird dieses Gesetz folgendermaßen formuliert: Ein kräftefreier Körper . . .“ oder Ein Körper, ” ” auf den von außen keine Kraft wirkt, . . .“. Die hier gewählte Formulierung ist deutlich allgemeiner. 12 – Man kann versuchen, diesen äußeren Einfluss immer weiter zu reduzieren (durch Gleitmittel, windschnittige Form, . . . ). Dann dauert es immer länger, bis der Körper zur Ruhe kommt. Könnte man die Reibung völlig verhindern, käme der Körper gar nicht mehr zur Ruhe. – Wenn sich ein Körper mit konstanter Geschwindigkeit bewegt, obwohl er durch Wechselwirkung mit einem anderen Körper gebremst wird, dann muss es einen weiteren Körper geben, der eine Kraft nach vorn auf ihn ausübt. Beispiel: Horizontales Ziehen eines Wagens • Das 2. Newton’sche Gesetz wird auch als Grundgesetz der Mechanik bezeichnet: 2. Newton’sches Gesetz: Wenn die Gesamtkraft auf einen Körper, d. h. die (Vektor-) Summe der auf ihn einwirkenden Kräfte, konstant ist, ist seine Beschleunigung konstant. Diese Beschleunigung ist proportional zur einwirkenden Gesamtkraft und hat dieselbe Richtung. Die Proportionalitätskonstante heißt die (träge) Masse des Körpers ~ges = m~ F a (10) Das Besondere an diesem Gesetz ist, dass es nicht einen Zusammenhang zwischen der auf einen Körper aufgeübten Kraft und seiner Geschwindigkeit herstellt, sondern zwischen Kraft und Beschleunigung: Ein Körper ändert durch eine auf ihn ausgeübte Kraft seine Bewegung, er wird beschleunigt. Erläuterungen: – Die Beschleunigung eines Körpers ist (bei konstanter Masse) proportional zur (Gesamt-) Kraft, die auf ihn ausgeübt wird. – Die Beschleunigung eines Körpers ist (bei konstanter (Gesamt-) Kraft) umgekehrt proportional zu seiner Masse. – Die Beschleunigung eines Körpers hat dieselbe Richtung wie die (Gesamt-) Kraft, die auf ihn ausgeübt wird! (Machen Sie sich diese Aussage klar!) – Die Kraft, die einem Körper der Masse m = 1kg die Beschleunigung a = 1 sm2 erteilt, hat die Größe F = 1N: 1N = 1kg 13 m s2 (11) Abbildung 7: Gewicht und Gewichtheber verformen sich gegenseitig. 1.2.2 Mechanische Wechselwirkungen Das WW-Prinzip, das oft erst am Ende des Abschnittes über den Kraftbegriff behandelt wird, macht deutlich, was in der Physik mit dem Begriff Kraft“ gemeint ist: Mit diesem ” Begriff werden Wechselwirkungen zwischen Körpern beschrieben. Immer wenn ein Vorgang mit dem Kraftbegriff beschrieben wird, müssen (mindestens) zwei Körper beteiligt sein! Die Konsequenzen und die dadurch entstehenden Unterschiede zu der alltäglichen Verwendung dieses Wortes werden in der PP-Präsentation Wechselwirkung.ppt durch Bilder aus Schulbüchern veranschaulicht (siehe auch [5] und [6], die auch in den Vorlesungsmaterialien im Internet enthalten sind). • Die Bilder betonen einen Aspekt mechanischer Vorgänge, der oft übersehen wird: Wenn ein Körper einen anderen beeinflusst, dann wird er seinerseits von dem anderen beeinflusst: – Wenn ein Fußballspieler einen Ball mit dem Kopf aus seiner Bewegung ablenkt, dann muss auch sein Kopf eine ganze Menge aushalten. – Wenn sich die Stange eines Gewichtes durchbiegt, weil ein Gewichtheber es in die Höhe stößt, dann wird der Sportler seinerseits durch das Gewicht (fast) zusammengedrückt (Abb. 7). – Wenn ein Kind an einem Hund zieht, zieht auch der Hund an dem Kind. – ... • Es scheint aber auch Gegenbeispiele zu geben, bei denen nur ein Körper verformt, beschleunigt oder abgelenkt wird – z. B. wenn ein Auto gegen eine Wand fährt, ein Pkw und ein Lkw zusammenstoßen, ein Kind sich an einem harten Gegenstand den Kopf stößt, . . . In allen diesen Fällen kann man aber, u. U. erst bei sehr genauem Hinsehen, bemerken, dass auch der zweite Körper eine (evtl. sehr kleine) Änderung erfährt: Er wird etwas verformt, etwas aus seiner Bahn abgelenkt, . . . . 14 Abbildung 8: Kann sich Münchhausen selbst aus dem Sumpf ziehen? • Verallgemeinerung: Körper wechselwirken miteinander: Immer wenn ein Körper einen anderen beeinflusst, beinflusst umgekehrt auch der andere den einen. Gemeint sind mechanische Wechselwirkungen, die an Verformungen oder Beschleunigungen erkennbar sind. • Dieser Satz unterscheidet nicht zwischen lebenden und unbelebten Partnern (Kind stößt sich von Geländer ab.), nicht zwischen aktiven und passiven Partnern (Karatekämpfer zerschlägt Holzstapel.). • Da es sich immer um eine Wechselwirkung zwischen verschiedenen Partnern handelt, – kann sich Münchhausen nicht selbst aus dem Sumpf ziehen (Abb. 8), – kann sich die Lokomotive Emma“ 4 nicht an einem mit ihr verbundenen Ma” gneten vorwärts (oder gar in die Höhe!) ziehen lassen. • Arten von Wechselwirkung: – bei Berührung: Stoß, Reibung – bei Entfernung mittels Seilen, Stangen, . . . – ohne Hilfsmittel bei Entfernung: Gravitation, elektromagnetische Wechselwirkung 4 M. Ende, Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer 15 1.2.3 Der Kraftbegriff • Die Kraft ist die physikalische Größe, mit der beschrieben wird, wie heftig zwei Körper miteinander wechselwirken: – Je stärker sich zwei Körper gegenseitig verformen, – je schneller sie gegenseitig ihren Bewegungszustand verändern, desto größer ist die Kraft, die sie gegenseitig aufeinander ausüben. • Sprechweisen: – Körper A und B wechselwirken mit einer Kraft F. – Körper A und B üben wechselseitig eine Kraft F aufeinander aus. – A übt eine Kraft auf B aus, und B übt eine Kraft auf A aus. • Kräfte zwischen zwei Körpern können mit Schraubenfedern gemessen werden (Federkraftmesser). Was zeigt eine gedehnte Schraubenfeder zwischen zwei Körpern A und B an, was misst ein Kraftmesser? – die Kraft, die A auf B ausübt, oder – die Kraft, die B auf A ausübt, oder – die Stärke, mit der die beiden wechselwirken? Ohne B könnte A die Feder nicht zusammendrücken, ohne A könnte B das aber auch nicht! • Verschiedene Sprechweisen: – B übt auf A eine Kraft aus. – Auf A wird eine Kraft ausgeübt. – Auf A wirkt eine Kraft; an A greift eine Kraft an. Diese Formulierungen meinen alle dasselbe, aber die in dem 3. Newton’schen Gesetz zum Ausdruck kommende Symmetrie wird zunehmend undeutlicher: In der letzten Sprechweise kommt der andere Körper überhaupt nicht mehr vor. • Für die im Wechselwirkungsprinzip vorkommenden WW-Kräfte gilt: WW-Kräfte – treten immer gleichzeitig auf. – sind immer von derselben Art (Gravitationskräfte, elektromagnetische Kräfte, Kontaktkräfte). – greifen immer an unterschiedlichen Körpern an. – sind immer gleich groß. – sind immer entgegengesetzt gerichtet. Zu jeder Kraft gibt es einen WW-Partner. 16 1.2.4 Hausaufgaben 12 1. Informieren Sie sich über das Wechselwirkungsprinzip! Lesen Sie dazu im Tipler und die beiden Aufsätze Das 3. Newton’sche Gesetz und der physikalische Kraftbegriff“ ” ([5]) und Die Kraft ist ein Zwillingspaar“ ([6]), die Sie im Internet finden. ” 2. Finden Sie (scheinbare) Gegenbeispiele zum WW-Prinzip! 3. Ein Kind zieht mit einem Seil an einem Baum. Mit einem Kraftmesser wird dabei die Kraft gemessen, mit der das Kind zieht. Anschließend löst ein zweites Kind das Seil vom Baum, sodass das erste Kind weiterhin gleich stark ziehen kann. Was zeigt der Kraftmesser an? 4. Ein Pferd weigert sich, einen Karren zu ziehen. Es argumentiert folgendermaßen: Nach dem WW-Prinzip führt jede Kraft, mit der ich den Karren ziehe, zu einer ” gleich großen und entgegengesetzt gerichteten Gegenkraft, mit der der Karren mich zurückzieht. Damit ist die Gesamtkraft null, und ich habe gar keine Chance, den Karren in Bewegung zu setzen.“ Was ist an dieser Argumentation falsch? 5. Ein Schlitten wird von einem Hund mit konstanter Geschwindigkeit über das Eis gezogen. (a) Fertigen Sie eine Zeichnung an, und zeichnen Sie Pfeile für alle auf den Schlitten wirkenden Kräfte. (b) Zeichnen Sie zu jeder dieser Kräfte die WW-Kraft. 6. Geben Sie Beispiele für Wechselwirkungen an, bei denen (a) beide Partner ihre Bewegung ändern, (b) beide Körper verformt werden, (c) ein Körper sowohl verformt wird als auch seine Bewegung ändert, (d) nur einer der Körper seine Bewegung ändert. 17 7. Eine Kraft F~0 beschleunige einen Körper der Masse m mit einer Beschleunigung von a = 5 sm2 . Bestimmen Sie die Größe und die Richtung der Beschleunigung des Körpers, wenn (a) eine zweite gleich große Kraft im rechten Winkel zu der ersten (b) eine zweite doppelt so große Kraft im Winkel von 45◦ zu der ersten an dem Körper angreift. 1.2.5 Die Kraft als Vektor • Der Kraftvektor hat einen Angriffspunkt und eine Richtung, die die Richtung der Einwirkung auf einen Körper beschreibt. Der Anfang des Vektors (nicht seine Spitze!) sollte in Zeichnungen immer an die Stelle des Körpers gezeichnet werden, an der ein anderer Körper an ihm zieht oder drückt. Gegen diese Regel wird in Bildern häufig verstoßen! • Die gemeinsame Wirkung zweier Kräfte, die an demselben (!) Körper angreifen, ergibt sich durch Vektoraddition der beiden Teilkräfte. Beispiele: 1. Das Halten eines Körpers an zwei Seilen (Abb. 9), 2. Wagen auf schiefer Ebene (Abb. 10) 18 Abbildung 9: Je größer der Winkel ist, den zwei an demselben Körper angreifenden Kräfte miteinander bilden, desto größer müssen sie sein, um dieselbe Gesamtwirkung zu erzielen. Abbildung 10: Auf einen Körper auf einer schiefen Ebene wirken zwei Kräfte: die Erdanziehungskraft und die Kraft, die die Unterlage auf den Körper ausübt. Letztere steht senkrecht auf der Ebene, wenn es zwischen Körper und Ebene keine Reibung gibt. 19 Die Wirkungen zweier Kräfte, die an einem Punkt eines Körpers angreifen, lässt sich auch mit einer einzigen Kraft erreichen. Diese Kraft heißt die Resultierende der beiden Kräfte. Richtung und Größe der Resultierenden ergeben sich durch Vektoraddition der Einzelkräfte (Parallelogrammregel). ACHTUNG Die Resultierende sollte immer in einer anderen Farbe gezeichnet werden, um den Eindruck zu vermeiden, es griffe eine zusätzliche kraft an dem Körper an. • Vorgehen bei der Analyse von Kräften bei bekannter Bewegung des Körpers: 1. Bewegt sich der betrachtete Körper mit konstanter Geschwindigkeit? – wenn ja, muss die Summe der angreifenden Kräfte null sein, – wenn nein, muss die Resultierende die Richtung der Beschleunigung haben. 2. Einzeichnen der bekannten Kräfte auf den Körper: Welcher andere Körper übt diese Kraft aus? 3. Wenn die Resultierende noch nicht richtig ist: Mit welchen weiteren Körpern wechselwirkt der betrachtete Körper? 4. Kräfte auf unterschiedliche Körper mit verschiedenen Farben! 5. Resultierende mit anderer Farbe als die Einzelkräfte! 1.2.6 Trägheitssatz und Kräftegleichgewicht • Der Trägheitssatz ist ein Spezialfall des 1. Newton’schen Gesetzes: Ein Körper, auf den keine Kraft ausgeübt wird, bewegt sich geradlinig gleichförmig. (Trägheitssatz) Er bezieht sich auf einen Körper, an dem gar keine Kräfte angreifen. • Kräftegleichgewicht Scheinbar muss als Umkehrung des Trägheitssatzes gelten: Jeder Körper, auf den eine Kraft ausgeübt wird, ändert seine Bewegung. Das gilt aber nicht, wenn weitere Körper im Spiel sind. Immer wenn ein Körper seine Bewegung nicht ändert, obwohl eine Kraft auf ihn ausgeübt wird, müssen weitere Körper mit ihm wechselwirken. Man sagt: Die auf den Körper ausgeübten Körper befinden sich im Gleichgewicht. Oder: Der Körper befindet sich im Kräftegleichgewicht. • Beispiele und Erläuterungen: 20 Abbildung 11: Beim Start wird das Auto von der Straße angeschoben“. (Muckenfuß) ” – Wenn Kinder auf Schlittschuhen sich gegenseitig stoßen, oder wenn ein Kind das andere stößt (das läuft auf dasselbe hinaus!), fahren sie auseinander, es sei denn, sie können sich an einer Bande oder durch Querstellen eines Schlittschuhs festhalten – durch WW mit einem dritten Körper! – Zum Fahren mit konstanter Geschwindigkeit ist fast immer eine Kraft in Bewegungsrichtung erforderlich. Ursache: Durch WW mit einem anderen Körper (Untergrund, Luft: Reibung) würde sonst die Bewegung gebremst. – Körper in Ruhe auf einem Tisch oder an einer Aufhängung: Der Körper bleibt in Ruhe, obwohl er von der Erde nach unten gezogen wird (Schwerkraft). Er muss also ebenso stark nach oben gedrückt (durch Tisch) oder gezogen (durch Aufhängung) werden. • Reibung als WW zwischen zwei Körpern: – Reibung als Ursache für Abbremsung (Experiment: Kraft auf Unterlage kann nachgewiesen werden: Bei schwerem Gewicht rutscht der Tisch. Leichter nachweisbar bei zwischengelegtem Papier) – Reibung als Ursache des Anfahrens: Auto wird von Straße nach vorn gescho” ben“, dafür wird die Straße vom Auto nach hinten gedrückt (Abb. 11). • Vergleich zwischen Gleichgewichtspaaren (nach Newton 1) und WW-Paaren (nach Newton 3): Gleichgewichts-Kraftpaare gleich groß. entgegengesetzt gerichtet. meist von unterschiedlicher Art greifen immer an demselben Körper an 1.2.7 WW-Kraftpaare gleich groß. entgegengesetzt gerichtet. immer von derselben Art greifen immer an verschiedenen Körpern an Übungen zu Kräftegleichgewicht und -addition (nach [6]) • Kräftegleichgewicht und WW-Prinzip beim Tauziehen (Abb. 12): Wenn zwei Personen über ein Seil aneinander ziehen, sind die Kräfte, die sie aufeinander ausüben, 21 Abbildung 12: Welche Mannschaft zieht stärker an der anderen? Abbildung 13: Zieht der Trecker den Anhänger oder der Anhänger den Trecker? grundsätzlich gleich groß (WW-Prinzip) – unabhängig davon, wer gewinnt“. Ob ” dabei eine Person umfällt, hängt davon ab, ob es ihr gelingt, aufgrund einer Kraft, die der Boden ausübt, im Kräftegleichgewicht zu bleiben. • Kräftegleichgewicht und WW-Prinzip bei Trecker und Anhänger (Abb. 13): – Wenn das Gespann ruht oder sich mit konstanter Geschwindigkeit bewegt, befinden sich Trecker und Anhänger im Kräftegleichgewicht. Die Summe der an ihnen angreifenden Kräfte muss also null sein. – Da Trecker und Anhänger über die Wagendeichsel aneinander ziehen, muss der Boden auf beide je eine weitere Kraft ausüben: eine Kraft nach vorn auf den Trecker, eine Kraft nach hinten auf den Hänger. Diese beiden Kräfte beruhen auf Reibung zwischen Boden und Reifen. – Im Falle des Kräftegleichgewichts sind alle diese Kräfte gleich groß. – Wenn das Gespann beschleunigt (sich gerade in Bewegung setzt), muss sowohl auf Trecker als auch auf Anhänger insgesamt eine Kraft nach vorm wirken. Beim Trecker muss die Reibungskraft also größer sein als die vom Hänger auf ihn ausgeübte Kraft. Beim Hänger muss die Reibungskraft kleiner sein als die Zugkraft des Treckers. 22 1.2.8 Hausaufgaben 13 1. Die Gravitationskraft, die von der Erde auf einen Körper ausgeübt wird, der sich in der Höhe h über der Erdoberfläche befindet, ist Fg = mg 2 RE (RE + h)2 Darin ist RE R ≈ 6370km der Erdradius und g die Fallbeschleunigung an der Erdoberfläche. (a) Welche Gewichtskraft wirkt auf einen Mann der Masse m = 80kg an der Erdoberfläche? (b) Wie groß ist seine Gewichtskraft in einer Höhe h = 300km über der Erde? (c) Wie groß ist dort seine Masse? 2. In den folgenden Bildern sind Körper mit Federkraftmessern verbunden. Was zeigen die Federkraftmesser in den Fällen a) bis d) an, wenn man die Masse der Seilstücke und die Reibung der Rollen und der schiefen Ebene vernachlässigt? 3. Force-Concept-Inventory- (FCI-) Test (im Netz): Fragen 2, 5, 11, 13, 14, 18, 19, 20, 28, 29 23 2 Der Energiebegriff 2.1 2.1.1 Elektromagnetische Induktion und Energieprinzip Elektromotor und Generator • Symmetrie von Elektromotor und Generator: – Experiment: Der Handgenerator kann sowohl als Generator, als auch als Motor betrieben werden. – Experiment: Ein Generator-/Motor-Demonstrationsgerät wirkt als Generator, wenn sich die Spule mit dreht, (Abb. 14, oben links und unten Mitte) und als Motor, wenn es an ein Gleichspannungsnetzgerät angeschlossen wird (Abb. 14, oben Mitte). – Experiment: Das Vorderrad eines Fahrrades kann mit dem Dynamo als Motor angetrieben werden, wenn der Dynamo an eine Wechselspannungsquelle angeschlossen und das Rad angeworfen“ wird (Abb. 15). ” • Analyse: – In dem Generator-Modell (Abb. 14) bewegen sich Spulen in der Nähe von Dauermagneten. – Experiment: Durch heftige Bewegung eines Dauermagneten in einer Spule mit 600 Windungen kann ein kleines Lämpchen zum Aufleuchten gebracht werden (Abb. 16). Wird umgekehrt ein Strom durch die Spule geschickt, wird sie von einem Pol des Dauermagneten angezogen, bzw. bei anderer Stromrichtung abgestoßen. – Information: Eine Spule wird zu einem Magneten, wenn ein elektrischer Strom hindurchfließt. Der Magnet ist umso stärker, je größer die Stromstärke ist. Wenn die elektrischen Anschlüsse vertauscht werden, der elektrische Strom also seine Richtung ändert, dann wird aus dem Nordpol ein Südpol und umgekehrt. Umfasst man die Wicklungen einer Spule so mit den Fingern der rechten Hand, dass die Finger in Richtung des elektrischen Stromes zeigen, dann zeigt der Daumen zum magnetischen Nordpol der Spule. – Generator und Motor können weiter vereinfacht werden, indem die Spule durch einige Kabelwindungen und schließlich durch eine einzige Kabelschlinge ersetzt werden (siehe die letzte Vorlesung Einführung in die Physik 1“ des Winterse” mesters!): Bei Bewegung zeigt ein empfindliches Messgerät einen Ausschlag, bei Stromfluss wird die Schlinge von einem Magnetpol angezogen oder abgestoßen. • Wenn durch eine Kabelschlinge ein elektrischer Strom fließt wird sie zu einem Magneten. Durch geeignetes Ein- und Abschalten des Stromes kann dadurch in der Nähe eines Magneten Bewegung erzeugt werden ( Motorprinzip“) ” 24 Abbildung 14: oben: Mit dem Generator (links) wird ein Motor (Mitte) betrieben. unten: Der laufende Motor (Mitte) wird durch Umlegen eines Schalters zum Generator und betreibt eine Zeitlang eine Glühlampe (rechts). 25 Abbildung 15: Der Fahrraddynamo als Hilfsmotor Abbildung 16: Ein sehr einfacher Generator“ ” 26 Abbildung 17: Bei Annäherung des Magneten wird der Aluminiumring abgestoßen. • Wenn eine Kabelschlinge in der Nähe eines Magneten bewegt wird, wird in ihr (durch so genannte elektromagnetische Induktion) ein elektrischer Strom erzeugt ( in” duziert“) ( Generatorprinzip“). ” 2.1.2 Induktion und Energieerhaltung • Experiment: Einem beweglich aufgehängtem Ring aus Aluminium wird ein Stabmagnet mit einem Pol genähert (Abb. 17). Beobachtung: Bei Annäherung wird der Ring abgestoßen, bei Entfernung wird er angezogen. Erklärung: Durch die Annäherung des Magnetpoles wird in dem Ring ein elektrischer Strom induziert. Der dadurch entstandene Magnet ist offensichtlich so gepolt, dass er sich mit dem sich nähernden Dauermagneten abstößt. Anders kann es auch nicht sein: Mit dem Strom in dem Ring kann (im Prinzip) eine Lampe oder ein Motor betrieben werden. Wenn sich Magnet und Ring anziehen würden, würde die nur wenig angestoßene Bewegung von allein immer heftiger werden: Am einen Ende des Stromkreises würde eine Lampe zum Leuchten gebracht, am Ende ein Motor betrieben: Wir hätten ein Perpetuum mobile5 . • Der Versuch ist also ein Ausdruck der Tatsache, dass Energie nicht aus dem Nichts entsteht, sondern dass sie nur von einem anderen Körper übertragen werden kann: Man muss sich anstrengen, um die Lampe zum Leuchten zu bringen! Aus historischen Gründen wird dieser Ausdruck des Energieprinzips oft noch als Lenz’sche Regel bezeichnet: 5 Eine Vorrichtung, die ständig Energie liefert, ohne dass ihr Energie zugeführt wird, nennt man in der Physik ein Perpetuum mobile 1. Art. 27 Stromrichtung Stromrichtung Drehrichtung Drehrichtung Abbildung 18: Anwendung von Polregel und Lenz’scher Regel auf Elektromotor (links) und Generator (rechts) Bei der elektromagnetischen Induktion ist der induzierte elektrische Strom stets so gerichtet, dass durch ihn die Bewegung, die ihn hervorruft, gebremst wird. • Mit diesen Erkenntnissen lassen sich sowohl Elektromotor als auch Generator besser verstehen: – Beim Elektromotor muss die sich drehende Spule stets so gepolt sein, dass sich ihre Magnetpole in der Nähe gleichnamiger Pole eines anderen Magneten befinden und dadurch abgestoßen werden (Abb. 18 links). Wenn sich die Spule so weit gedreht hat, dass sich ihre Pole den ungleichnamigen gegenüber stehen, muss der Strom in der Spule die Richtung ändern oder zumindest abgeschaltet werden. – Beim Generator fließt der induzierte Strom immer so, dass die Pole des entstandenen Elektromagneten von den Polen des Dauermagneten angezogen werden (Abb. 18 rechts). Dadurch muss Energie aufgewendet werden, um die Spule zu drehen. 2.1.3 Hausaufgaben 6 1. Erläutern Sie anhand einiger Skizzen die prinzipielle Funktion eines Gleichstrommotors! 2. Erläutern Sie anhand einiger Skizzen die prinzipielle Funktion eines Wechselstromgenerators! 28 3. (Tipler, S. 925, Aufgabe 28.1) Zwei Leiterschleifen sind parallel zueinander angeordnet. In der (linken) Schleife A fließt, von links gegen die Ebenen der Schleifen gesehen, ein Strom entgegengesetzt dem Uhrzeigersinn. In welcher Richtung fließt der Strom in der Schleife B, wenn (a) die Schleife A der Schleife B genähert wird? (b) die Stromstärke in Schleife A zunimmt? (c) die Stromstärke in Schleife A abnimmt? Geben Sie jeweils an, ob die Schleifen einander abstoßen oder anziehen! 4. Stellen Sie aufgrund Ihres Ergebnisses in Teil a) der vorangehenden Aufgabe eine Hypothese über die Kraftwirkung zwischen zwei stromdurchflossenen Kabeln auf, die in der kommenden Vorlesung experimentell überprüft werden kann! 2.2 2.2.1 Energiemessungen und thermische Energie Thermische Energie und ihre Messung • Wenn elektrische Geräte betrieben werden, wird Energie von der Quelle zum Gerät übertragen. Bei vielen Vorgängen ist die Energie weg“, wenn das Gerät ausgeschal” tet wird, z.B. bei Lampen. In anderen Fällen dagegen hinterlässt die Energie eine leicht zu bemerkende Spur“, z.B. beim Erwärmen von Wasser. In diesen Fällen kann ” man versuchen, noch nachträglich zu bestimmen, wieviel Energie von der Quelle bezogen worden ist. • Am Beispiel der Erwärmung von Wasser kann dieses Problem in eine der folgenden Fragen gefasst werden: – Wie sieht“ man dem Wasser an“, wie viel Energie ihm zugeführt worden ist? ” ” – Wie viel Energie ist nötig, um Wasser zu erwärmen? – Wie ist der Zusammenhang zwischen der zugeführten Energie ∆E, der Temperaturerhöhung ∆ϑ des Wassers und der Menge des erwärmten Wassers (gemessen als Masse m)? • Experiment: Zur Untersuchung dieser Frage wird Wasser mit einem Tauchsieder erwärmt. Die Temperatur wird mit einem Temperaturfühler mit elektronischer Digitalanzeige, die zugeführte Energie mit einem Elektrizitätszähler gemessen, indem die Zahl n der Umdrehungen seiner Scheibe gezählt wird. U Der Zähler hat eine Zählerkonstante von 600 kWh , das bedeutet: Eine Umdrehung 1 1 der Zählerscheibe zeigt eine Energie von 600 kW h = 600 3600kJ = 6kJ an. 1. Zunächst wird Wasser der Masse m = 2.0kg erwärmt.6 6 Die Temperatur ϑ wird in Grad Celsius (◦ C) gemessen. Temperaturänderungen ∆ϑ werden dagegen in Kelvin (K) angegeben. Temperaturdifferenzen haben in ◦ C und in K denselben Zahlenwert. 29 ϑ in ◦ C 6 x x x 40 x x x 30 x 20 x x 10 - ∆E in kJ 100 200 Abbildung 19: Die Temperatur ϑ von 2 Liter Wasser als Funktion der zugeführten Energie ∆E n t in s ϑ in ◦ C 0 0 20.0 5 30 22.1 10 60 26.1 15 90 30.0 20 120 33.3 25 150 36.7 30 180 40.5 35 210 43.4 40 240 46.8 ∆E in kJ ∆ϑ in K 30 60 90 120 150 180 210 240 2.1 6.1 10.0 13.3 16.7 20.5 23.4 26.8 ∆E ∆ϑ in kJ K 14.3 9.8 9.0 9.0 8.9 8.8 9.0 9.0 Die grafische Darstellung der Temperatur über der zugeführten Energie ergibt in sehr guter Näherung eine Gerade (Abb. 19): Der Zusammenhang zwischen Temperatur und zugeführter Energie ist linear. Trägt man statt der Temperatur ϑ die Temperaturänderung ∆ϑ = ϑ − ϑAnf ang über der zugeführten Energie auf (Abb. 20), dann ergibt sich eine Gerade durch den Ursprung: Die Temperaturzunahme des Wassers ist proportional zur zugeführten Energie, d.h. der Quotient aus Energiezufuhr und Temperaturzunahme hat immer denselben Wert. ⇐⇒ 30 ∆ϑ ∼ ∆E ∆E = const. ∆ϑ (12) (13) ∆ϑ in K 6 x x x x 20 x x x x 10 x x x x x - ∆E x in kJ 100 200 Abbildung 20: Die Temperaturerhöhung ∆ϑ von 2 Liter (3 Liter) Wasser als Funktion der zugeführten Energie ∆E. Die gegenüber Abb. 19 größere Steigung der blauen Kurve ist die Folge eines geänderten Maßstabes. Diese Konstante nennt man die Wärmekapazität C. Für die untersuchte Wassermenge hat die Wärmekapazität den Wert C= kJ 240kJ = 9.0 . 26.8K K 2. Die Erwärmung von m = 3.0kg Wasser führt zu folgenden Ergebnissen: n t in s ϑ in ◦ C 0 0 21.9 10 60 26.0 20 120 31.1 30 180 35.1 40 240 40.4 50 300 44.5 ∆E in kJ ∆ϑ in K 60 120 180 240 300 4.1 9.2 13.2 18.5 22.6 ∆E ∆ϑ in kJ K 14.6 13.0 13.6 13.0 13.3 Ergebnis: Wieder sind Temperaturerhöhung und zugeführte Energie proportional zueinander. Allerdings hat die Wärmekapazität diesmal einen anderen Wert: C= 300kJ kJ = 13.3 22.6K K 3. Die Wärmekapazität der größeren Wassermenge ist größer als die der kleineren. (Das ist klar: Um mehr Wasser zu erwärmen, ist mehr Energie nötig.) Anscheinend ist sie proportional zur Masse: 31 C m C in kJ K 9.0 13.3 m in kg 2.0 3.0 kJ in kg·K 4.5 4.4 Das bedeutet: Bei der doppelten Wassermenge benötige ich doppelt so viel Energie, um dieselbe Temperaturerhöhung zu erzielen. Das konnte auch erwartet werden: Mit dem Tauchsieder könnte zunächst die eine Wassermenge und dann noch einmal dieselbe Wassermenge erwärmt werden. Beides dauert sicher gleich lange (weil der Tauchsieder gleichmäßig Energie abgibt). Es wird also insgesamt doppelt so viel Energie abgegeben. Die Wärmekapazität ist proportional zur Masse des erwärmten Stoffes, der Quotient aus Wärmekapazität und Masse ist also unabhängig von der Menge des erwärmten Stoffes. C ∼ m C = const. m ⇐⇒ 2.2.2 (14) (15) Die spezifische Wärmekapazität • Die Proportionalitätskonstante c in (15) heißt die (für einen bestimmten Stoff) spezifische Wärmekapazität. Sie hängt nur von der Art des erwärmten Stoffes, nicht aber von seiner Masse ab. C =: c m ⇐⇒ C = mc (16) Für die spezifische Wärmekapazität von Wasser hat sich im Experiment der folgende Wert ergeben: cW asser = 4.45 kJ kg · K Dieser Wert ist etwas zu groß, weil nicht alle Energie im Wasser bleibt, sondern an die Umgebung abgegeben wird. Dadurch muss mehr Energie zugeführt werden, um eine bestimmte Temperaturerhöhung zu erreichen. Der wirkliche Wert für die spezifische Wärmekapazität von Wasser ist cW asser = 4.19 kJ kg · K • Damit ist das zu Beginn gestellte Problem gelöst: 32 (17) Für Wasser (wie für andere Stoffe auch) wird der Zusammenhang zwischen Energiezufuhr und Temperaturerhöhung durch die folgende Gleichung beschrieben: ∆E = mc∆ϑ (18) Dabei ist c die so genannte spezifische Wärmekapazität des erwärmten Stoffes. • Mit Hilfe dieser Beziehung sieht“ man einem Topf Wasser (durch Temperaturmes” sung!) an“, wie viel Energie ihm zugeführt worden ist. Sie gibt Antworten auf (z. ” B.) die folgenden Fragen: 1. Wie viel Energie muss man einer bestimmten Menge Wasser zuführen, damit die Temperatur um einen vorgegebenen Betrag steigt? 2. Wie viel Energie kann man einer bestimmten erwärmten Wassermenge entnehmen, bis ihre Temperatur auf Umgebungstemperatur abgenommen hat? 3. Oder zusammengenommen: Wie viel mehr (oder weniger) Energie enthält eine bestimmte Menge Wasser, wenn sich seine Temperatur um ∆ϑ geändert hat? Die Energiezufuhr ändert deshalb die Energie, die in dem Wasser enthalten ist. Das ist der Grund für die bereits verwendete Schreibweise: ∆E = EEnde − EAnf ang (= EA − EE = E2 − E1 ) (19) • Information: Wenn man entsprechende Experimente mit anderen Flüssigkeiten macht, erhält man ganz entsprechende Ergebnisse – nur mit anderen Werten für die spezifische Wärmekapazität: Flüssigkeit Wasser Alkohol Glycerin Petroleum Quecksilber kJ c in kg·K 4.19 2.40 2.39 2.00 0.14 Auffällig an diesen Werten ist, dass Wasser mit deutlichem Abstand die größte spezifische Wärmekapazität hat. • Beispiel: Wie viel Energie ist für die Erwärmung von Badewasser erforderlich? Wieviel kostet also ein Vollbad? Antwort: Für ein Bad müssen 200 Liter Leitungswasser der Temperatur ϑ1 = 15◦ C auf Badewassertemperatur ϑ2 = 38◦ C erwärmt werden. Die erforderliche Energie ist also 33 ∆E = 200kg · 4.19 kJ kJ (38◦ C − 15◦ C) = 838 = 19274kJ = 5.35kW h kg · K K · 23K Da eine Kilowattstunde etwa 15 Cent kostet, kostet das Vollbad etwa 80 Cent. 2.2.3 Hausaufgaben 7 1. Wie groß war die Leistung des in der Vorlesung benutzten Tauchsieders? 2. Ein Wasserkocher hat eine Leistung von 1750W. Wie lange braucht er, um ein Liter Wasser von 10◦ C zum Sieden zu bringen? 3. Ein Durchlauferhitzer erhöht die Temperatur des fließenden Wassers von 15◦ C auf 60◦ C. (a) Welche thermische Leistung muss er besitzen, damit pro Minute 10 Liter heißes Wasser gezapft werden können? (b) Wieviel Energie (in kJ und in kWh) gibt der Durchlauferhitzer pro Minute an das Wasser ab? 4. Ein Liter Wasser wird auf einer Elektroherdplatte mit der Leistung 1500W erwärmt. (a) Zeichnen Sie das zugehörige Temperatur-Zeit-Diagramm. (b) Zeichnen Sie in das Diagramm zusätzlich den Verlauf der Kurven i. für die doppelte Wassermenge und ii. für eine Herdplatte doppelter Leistung ein. 5. 1 Liter Wasser der Temperatur ϑ1 = 20◦ C werden mit 1.5 Liter Wasser der Temperatur ϑ2 = 70◦ C gemischt. (a) Welche Endtemperatur stellt sich ein? (b) Wieviel Energie wird zwischen den beiden Wassermengen ausgetauscht? Tipp: Nehmen Sie an, dass bei dem Versuch keine Energie an das Gefäß oder die Umgebung abgegeben wird, sondern dass nur Energie von dem heißen an das kalte Wasser abgegeben wird. Ihr Ergebnis wird in der kommenden Vorlesung experimentell überprüft werden! 6. Ein Gewichtstück aus Eisen mit der Masse mF e = 1kg wird einige Zeit in siedendem Wasser untergetauscht. Anschließend wird es schnell vollständig in mW asser = 700g Wasser der Temperatur ϑ = 20◦ C eingetaucht. Welche Temperatur wird sich schließlich in dem Gefäß mit Wasser und Gewichtstück einstellen? 34 Tipp: Diese Frage geht etwas über den in der Vorlesung bereits behandelten Stoff hinaus. Informieren Sie sich deshalb über die spezifische Wärmekapazität fester Stoffe! Auch das Ergebnis dieser Aufgabe wird in der kommenden Vorlesung experimentell überprüft werden! 35 2.3 2.3.1 Wärmekapazität und Schmelzwärme Die spezifische Wärmekapazität von festen Stoffen • Information: Auch für feste Stoffe ergibt sich der gleiche Zusammenhang zwischen Temperaturänderung und erforderlicher Energiezufuhr. • Problem: Wie kann die spezifische Wärmekapazität fester Stoffe gemessen werden? • Möglichkeit 1: Wenn Körper aus festem Material, z.B. aus Eisen, mit Wasser bedeckt werden, dann haben der Körper und das Wasser (nach ausreichend langer Zeit) schließlich dieselbe Temperatur. Das kann man sich folgendermaßen zunutze machen: Man erwärmt das Wasser gemeinsam mit dem untergetauchten Körper. Durch die zugeführte Energie werden also Wasser und Körper erwärmt. Die zum Erwärmen des Wassers benötigte Energie ist aber bekannt! Die spezifische Wärmekapazität des Feststoffes kann aus einem solchen Experiment im Prinzip folgendermaßen bestimmt werden: =⇒ ∆Eges = ∆EW asser + ∆EF K mF K cF K ∆ϑ = ∆Eges − mW asser cW asser ∆ϑ ∆Eges − mW asser cW asser ∆ϑ =⇒ cF K = mF K ∆ϑ • Information: Dabei ergeben sich spezifische Wärmekapazitäten wie die folgenden7 : Feststoff Aluminium Stein Eisen Blei Gold Eis kJ c in kg·K 0.90 ca. 0.75 0.45 0.13 0.13 2.06 • Die spezifischen Wärmekapazitäten fester Stoffe sind wesentlich kleiner als die von Flüssigkeiten. Obige Experimente sind deshalb in Wirklichkeit nur schwierig auszuwerten.8 7 Das Experiment am 30.5.2007 ist leider fehlgeschlagen: Bei der gemeinsamen Erwärmung von mW = 1.5kg Wasser und mF e = 1.0kg Eisen ergaben sich die folgenden Messwerte: E in kW h 1.034 1.074 1.115 ϑ in ◦ C 21.3 40.0 60.0 ∆E in kJ 0 144 292 ∆ϑ in K 0 18.7 30.7 ∆E ∆ϑ in kJ K 7.7 7.6 kJ kg · K Die Ursache für diese große Abweichung vom Literaturwert konnte nicht gefunden werden. 8 An der Energiezufuhr ist kaum zu bemerken, dass ein anderer Körper im Wasser miterwärmt wird. =⇒ cF e = 1.26 36 2.3.2 Energieerhaltung beim Temperaturausgleich • Bei Hausaufgabe 4 der letzten Woche ergibt sich unter der Annahme, dass beim Mischen von 1.0 Liter kaltem Wasser (ϑ1 = 20◦ C) mit 1.5 Liter heißem Wasser (ϑ2 = 70◦ C) nur Energie vom heißen an das kalte Wasser abgegeben wird, eine Mischungstemperatur von ϑm = 50◦ C. • Ein Experiment führt zu folgendem Ergebnis9 : 1.0 Liter Wasser mit ϑ1 = 19.8◦ C und 1.5 Liter Wasser mit ϑ2 = 69.8◦ C ergeben 2.5 Liter Wasser mit ϑm = 48.7◦ C. Wenn man berücksichtigt, dass Energie nicht nur an das kalte Wasser, sondern auch an das Gefäß und an die Umgebungsluft abgegeben wird, stimmt dieses Ergebnis befriedigend mit der Vorhersage überein. • Folgerung: Beim Mischen von heißem und kaltem Wasser gilt ungefähr10 : ⇐⇒ ∆Eauf ∆Eauf + ∆Eab ∆Eges Eges = = = = −∆Eab 0 0 const Beim Mischen von kaltem und heißem Wasser, allgemeiner: beim Temperaturausgleich zwischen Körpern unterschiedlicher Anfangstemperatur, geht so lange Energie vom heißen auf den kälteren Körper über, bis beide Körper dieselbe Temperatur angenommen haben. Dabei ändert sich die Gesamtenergie (bis auf kleine Verluste) nicht (Energieerhaltung). Die Übereinstimmung des experimentellen Ergebnisses mit der Vorhersage ist also ein experimenteller Nachweis der Energieerhaltung. • Die Energieerhaltung bei Temperaturausgleichsvorgängen kann man nutzen, um die spezifische Wärmekapazität fester Stoffe zu bestimmen: Möglicheit 2 zur Messung der spezifischen Wärmekapazität von Feststoffen: Ein Körper aus dem zu untersuchenden festen Stoff wird in siedendem Wasser auf eine Anfangstemperatur von ϑF K = 100◦C gebracht und anschließend (schnell!) in kaltes Wasser bekannter Anfangstemperatur ϑW asser geworfen“. Die sich einstellende ” 9 In der Vorlesung am 30.5.2007 ergaben sich die folgenden Messwerte: mK = 1.0kg, ϑK = 22.2◦ C, mH = 1.5kg, ϑH = 74.3◦ C, ϑm = 54.5◦ C. Wenn man unter Annahme der Energieerhaltung die Mischungstemperatur berechnet, ergibt sich ϑm = 53.6◦ C. Es scheint, als sei nach dem Experiment mehr Energie in dem Gefäß als in beiden Gefäßen vor dem Experiment zusammen. Ein Ursache könnte sein, dass das erwärmte Glas zusätzlich Energie an das Wasser abgegeben hat. 10 Zugeführte Energiemengen werden gemäß ∆E = EEnde −EAnf ang positiv, abgegebene Energiemengen negativ gezählt. 37 Mischungstemperatur ϑm wird gemessen. Unter der Voraussetzung der Energieerhaltung kann man dann die vom Festkörper abgegebene Energie und daraus die spezifische Wärmekapazität des Feststoffes berechnen: =⇒ −∆Eab = ∆Eauf mF K cF K (ϑF K − ϑm ) = mW asser cW asser (ϑm − ϑW asser ) mW asser cW asser (ϑm − ϑW asser ) =⇒ cF K = mF K (ϑF K − ϑm ) (20) Experimente: In der Vorlesung am 30.5.2007 ergaben sich folgende Messwerte: 1. Messung der spez. Wärmekapazität von Eisen: mF e = 1.008kg, ϑF e = 100◦ C, mW = 1.0kg, ϑW = 22.2◦ C, ϑm = 30.2◦ C kJ =⇒ cF e = 0.43 kg·K 2. Messung der spez. Wärmekapazität von Aluminium: mAl = 1.010kg, ϑAl = 100◦ C, mW = 1.0kg, ϑW = 22.2◦ C, ϑm = 35.0◦ C kJ =⇒ cAl = 0.83 kg·K • Bei Hausaufgabe 5 der letzten Woche ergibt sich nach dieser Methode mit cF E = kJ 0.45 kg·K eine Mischungstemperatur von ϑm = 30.8◦ C. Experiment: 0.7l Wasser der Temperatur ϑW asser = 20.2◦ C werden durch ein Gewichtstück aus mF e = 1.0kg Eisen der Temperatur ϑF e = 100◦ C auf eine Endtemperatur ϑm = 30.7◦ C erwärmt – in vorzüglicher Übereinstimmung mit der Vorhersage! Auch beim Temperaturausgleich zwischen Flüssigkeiten und festen Stoffen ist die Gesamtenergie konstant, d.h. Energie wird lediglich ausgetauscht zwischen Körpern unterschiedlicher Temperatur. 2.3.3 Hausaufgaben 8 1. Kupferschrot der Masse mCu = 100g wird aus siedendem Wasser in 200cm3 Wasser der Temperatur ϑW asser = 15◦ C gefüllt, in dem sich schließlich eine Endtemperatur ϑm = 18.5◦ C einstellt. Berechnen Sie aus diesem Messergebnis die spezifische Wärmekapazität cCu von Kupfer. Wird der so erhaltene experimentelle Wert zu groß oder zu klein sein? 2. Welche Mischungstemperatur ϑm wird sich einstellen, wenn man mP b = 500g Bleischrot der Temperatur ϑP b = 100◦ C in 1l Wasser der Temperatur ϑW asser = 10◦ C füllt? 3. Vergleichen Sie Wasser, Aluminium, Stein und Blei hinsichtlich ihrer Wärmekapazität: 38 (a) Vergleichen Sie die für eine bestimmte Temperaturerhöhung ∆ϑ erforderlichen Energiemengen. (b) Vergleichen Sie die Temperaturänderungen ∆ϑ, die sich durch dieselbe Energiezufuhr ∆E erzielen lassen. 4. Arbeiten Sie im Tipler den Abschnitt über “Phasenübergänge und latente Wärme“ durch! 5. Ein mit 1l Wasser gefüllter Aluminiumtopf der Masse mAl = 500g wird auf einer Elektroherdplatte erwärmt. Dabei steigt die Temperatur zunächst um 19.0K/min. (a) Wie groß ist die Leistung der Herdplatte? (b) Wenn das Wasser zu sieden beginnt, steigt die Temperatur nicht weiter. i. Wo bleibt die weiterhin zugeführte Energie? ii. Wie schnell wird das Wasser im Topf weniger? 2.3.4 Die spezifische Schmelzwärme von Eis Frage: Warum kühlt man Getränke mit Eis statt mit eiskaltem Wasser? • Experiment, nahe an der gestellten Frage: Je 100g Wasser und Eis der Temperatur 0◦ C, beides aus Eiswasser (einer Mischung von Eis und Wasser, die lange Zeit zuvor bereitet wurde) entnommen, kühlen ein lauwarmes Getränk“ (m = 500g, ϑ ≈ ” 25◦ C). Die Endtemperatur wird gemessen (im Falle des Eises: wenn alles Eis geschmolzen ist!) Ergebnis: Das mit Eis gekühlte Getränk“ wird viel kälter. ” Folgerung: Wenn man mit Eis kühlt, muss man das Getränk viel weniger verdünnen“ ” als bei Kühlung mit kaltem Wasser! • messendes Experiment11 : 250g Eis der Temperatur ϑEis = 0◦ C wird in 250g siedendes Wasser gegeben. Die Endtemperatur wird gemessen, wenn alles Eis geschmolzen ist. Es stellt sich eine Endtemperatur von ϑm = 14◦ C ein. Aus dem Messergebnis kann die spezifische Schmelzwärme von Eis λS := ∆E m berechnet werden: ∆Eauf = ∆Eschmelzen + ∆Eerwärmen = mEis λS + mEis cW asser (ϑm − 0◦ C) = mEis λS = −∆Eab ∆Eabkühlen =⇒ mW asser cW asser (100◦ C − ϑm ) =⇒ (mW asser cW asser (100◦ C − ϑm ) − mEis cW asser (ϑm − 0◦ C)) 11 In der Vorlesung am 13. Juni 2007 wurden folgende Messwerte erhalten: Mit mEis = 288g Eis wurden mW = 647g Wasser von ϑ1 = 64◦ C auf ϑ2 = 25.3◦ C, also um ∆ϑ = −38.7K, abgekühlt. Daraus ergibt sich die spezifische Schmelzwärme von Eis zu λS = 273 kJ kg . 39 Mit dem Messergebnis ϑm = 14◦ C ergibt sich daraus für die erforderliche Schmelzwärme mEis λS = 75.5kJ. Da dieser Wert natürlich proportional zur Eismenge ist (so haben wir ihn schon geschrieben!), gilt für die zum Schmelzen von Eis erforderliche Energiemenge ∆Eschmelzen = mEisλS . (21) λS heißt die spezifische Schmelzwärme von Eis. Aus unserer Messung ergibt sich λS = 302 kJ . kg Der korrekte Wert beträgt λS = 335 2.3.5 kJ kg (spezifische Schmelzwärme von Eis) (22) Die spezifische Verdampfungswärme von Wasser Experiment: Wasser wird auf einer Elektroplatte zum Sieden gebracht. Während es siedet (dabei steigt die Temperatur des Wassers nicht weiter!), wird die zugeführte Energie mit einem Zähler und die Abnahmme der Masse des Wassers auf einer Waage gemessen. Interpretation: Die zugeführte Energie, die nicht zu einer Temperaturzunahme führt, muss mit dem Dampf entwichen sein. Messwerte: Die Masse von Topf und Wasser nahm von m1 = 999g auf m2 = 751g ab, während ∆E = 1.742kW h − 1.561kW h = 0.181kW h = 651kJ von der Platte auf den Topf übertragen wurde. ∆ED = mDampf λD. (23) λD heißt die spezifische Verdampfungswärme von Wasser. Aus unserer Messung ergibt sich λS = 2627 kJ . kg Der korrekte Wert beträgt λD = 2260 2.3.6 kJ kg (spezifische Verdampfungswärme von Wasser) (24) Hausaufgaben 9 1. (a) Wieviel Energie muss von Eis der Masse m = 720g aufgenommen werden, um es von einer Temperatur ϑ = −10◦ C in Wasser der Temperatur ϑ = 15◦ C zu überführen? (Information: Die spezifische Wärmekapazität von Eis beträgt cEis = 2.22 kJ .) kg (b) Angenommen, wir führen dem Eis nur eine Energie von ∆E = 210kJ zu. Welcher Endzustand stellt sich dann ein? 40 2. Wie viel Energie ist nötig, um 1.5kg Eis der Temperatur ϑEis = −20◦ C in Wasserdampf zu überführen? 3. Ein 2-l-Krug mit Limonade stand bei einer Temperatur von 33◦ C den ganzen Tag auf einem Gartentisch im Schatten. Sie gießen nun 0, 24kg der Limonade in einen Styroporbecher und geben zwei Eiswürfel hinein, die jeweils 0.025kg schwer sind und eine Temperatur von 0◦ C haben. (a) Welche Temperatur hat die Limonade im Becher, nachdem sich thermisches Gleichgewicht eingestellt hat? Nehmen Sie dabei an, dass keine Energie an die Umgebung abgegeben wird. (b) Wie hoch wird die Endtemperatur sein, wenn Sie sechs Eiswürfel in den Becher geben? 2.4 Energieumwandlungen Ausgangspunkt für Energiemessungen war der Zähler, mit dem in Haushalten die vom Elektrizitätswerk bezogene Energie gemessen wird. Durch Umwandlung der elektrisch bezogenen Energie in thermische Energie, z. B. bei der Erwärmung von Wasser mit einem Tauchsieder, ist es gelungen, den Energieinhalt von Wasser mit einem Thermometer messen zu können (siehe Kapitel 2.2.1, insbesondere Gleichung (18)). Der Versuch, auf die entsprechende Weise herauszufinden, wie mechanische Energie, zum Beispiel die Lageenergie eines hoch gehobenen Körpers, von der Höhe abhängt, ist zwar prinzipiell richtig, scheitert aber praktisch, weil sich die Zählerscheibe kaum oder gar nicht bewegt, wenn ein Gewichtstück mit einem Elektromotor hoch gehoben wird: Die dafür benötigte Energie ist zu klein. Historisch gelang die Messung erstmals dem Physiker Joule um 184012 , indem er Wasser umrührte“, also umgekehrt mechanische Energie in ” thermische Energie umwandelte und diese maß. Das Experiment war schwierig (und ist es heute noch), weil die Temperaturerhöhung sehr klein ist, auch wenn anscheinend viel mechanische Energie umgesetzt wird. 2.4.1 Lageenergie und thermische Energie: Das Joule’sche Experiment • Ein Gewichtstück der Masse m = 5kg hängt an einem Faden, der so um einen mit Wasser (m = 67mg) gefüllten Kupferzylinder gewickelt ist, dass der Fall des Gewichtstückes durch Reibung zu einem langsamen Hinabsinken gebremst wird. Dabei wird der Zylinder samt Wasser erwärmt (Abb. 21, unten). • Da die freie Fallhöhe nicht reicht, um das Wasser messbar zu erwärmen, wird stattdessen mit einer Kurbel der Zylinder so gedreht, dass das Gewichtstück in konstanter Höhe bleibt, obwohl das andere Ende des Fadens nicht festgehalten wird. Eine Umdrehung entspricht dann einem Absinken“ um den Zylinderumfang. ” • Diese Höhenänderung wird gemessen, indem das Gewichtstück mit 4 Kurbelumdrehungen hochgezogen wird: 12 Etwas mehr Einzelheiten findet man in [4]. 41 Abbildung 21: Joule’s Experiment zur Umwandlung mechanischer in thermische Energie (oben) und die entsprechende moderne Praktikumsversion 42 ∆h(4 Umdrehungen) = 58cm =⇒ ∆h0 = ∆h = 14.5cm 4 (bei einer Umdrehung) • Messung: Die Temperatur ϑ des Wassers wird in Abhängigkeit von der Anzahl n der Kurbelumdrehungen, also von der durchfallenen Höhe“ ∆h = n∆h0 gemes” sen13 : n ϑ in ◦ C 0 29.5 50 30.7 100 31.5 150 32.6 200 33.5 250 34.3 300 35.2 ∆ϑ in K 1.2 2.0 3.1 4.0 4.8 5.7 ∆h in m ∆Emech in J 0.725 1.450 2.175 2.900 3.625 4.350 356 711 1067 1422 1778 2154 ∆Eth in J ∆Eth ∆Emech 385 642 995 1284 1541 1830 Mittelwert: 1.10 0.90 0.93 0.90 0.87 0.86 0.93 Dabei wurde die mechanische Energie gemäß ∆Emech = mg∆h, die thermische Energie gemäß ∆Eth = (mW cW + mCu cCu )∆ϑ = (CW + CCu )∆ϑ berechnet, wobei J CW = mW cW = 281 K die Wärmekapazität des Wassers und CCu = 40 KJ (aus Geräteblatt) die des Kupferzylinders ist. • Ergebnisse: 1. Die Temperatur des Wassers steigt mit zunehmender Anzahl der Kurbeldrehungen. 2. Die Temperatur steigt ungefähr gleichmäßig, d.h. linear, d.h. zwischen n und ∆ϑ besteht ein proportionaler Zusammenhang. • Schlussfolgerungen: 1. Der Vorgang kann interpretiert werden als Umwandlung der Lageenergie des Gewichtstückes in thermische Energie des Wassers und des Kupfers. 2. Anscheinend kommt selbst bei Berücksichtigung der Wärmekapazität des Kupferzylinders nicht alle Energie im Zylinder an. Mögliche Fehlerquellen sind die Erwärmung des Fadens und der Umgebungsluft. 3. Aber: Ein Fehler von nur 7% ist für ein so einfaches Experiment sehr befriedigend. • Interpretation: 13 In der Vorlesung am 13. Juni 2007 wurden folgende Werte gemessen: Mit 300 Kurbeldrehungen wurde eine Temperaturerhöhung um 6K erreicht. Die gesamte Wärmekapazität von Wasser und Kupfer betrug J J CW + CCu (284 + 40) K . Damit ergibt sich aus mg∆h = −∆Eth der folgende Wert: g = 8.9 kg·m , und damit eine Abweichung vom Literaturwert von etwa 10%. 43 – Wenn man noch nicht weiß, wie mechanische Energie gemessen werden kann14 , ergibt sich aus diesem Experiment der Umrechnungskurs“ zwischen thermi” scher und mechanischer Energie15 : ∆Emech = mg∆h mit g = 9.12 J kg · m – Kann man aber Lageenergie bereits messen (mit dem richtigen Wert der Konstanten g), dann zeigt sich in dem Versuchsergebnis ein Energieverlust von etwa 7%. 2.4.2 Freier Fall: Umwandlung von Lageenergie in Bewegungsenergie • Wenn ein Körper nach unten fällt, verringert sich seine Lageenergie. Dafür aber wird er schneller. Dass dabei (fast) keine Energie verloren geht, kann man dadurch demonstrieren, dass im Idealfall (Flummy auf Steinboden, Stahlkugel auf Glas) der Körper nach dem Aufprall auf dem Boden näherungsweise die Ausgangshöhe wieder erreicht. Beim Wurf senkrecht nach oben wird Lageenergie in Bewegungsenergie umgewandelt. • Der freie Fall bietet also eine Gelegenheit zu untersuchen, wie die Bewegungsenergie des fallenden Körpers von seiner Geschwindigkeit abhängt16 : Experiment: Ein rechteckiges Brett der Länge l wird aus einer Anfangshöhe h2 fallen gelassen. Seine Geschwindigkeit kurz vor dem Auftreffen auf dem Boden wird dadurch bestimmt, dass die Zeit ∆t gemessen wird, die das Brett eine Lichtschranke unterbricht, die sich in der Höhe h0 über dem Boden befindet. 14 Der Zahlenwert der Konstanten g wurde in der Vorlesung Einführung in die Physik 2“ lediglich ” J . mitgeteilt : g = 9.81 kg·m 15 In dieser Beziehung könnte man, ganz entsprechend der spezifischen Wärmekapazität (18), den Faktor g als spezifische Lageenergie aller Körper bezeichnen. Diese Bezeichnung ist aber völlig unüblich. 16 In der Vorlesung Einführung in die Physik 2“ wurde dieser Zusammenhang bei Kugeln untersucht, ” die einen Hang hinabrollten. 44 6 6 6 l ? ∆h ∆h = h2 − h1 = h2 − (h0 + 2l ) h2 6 Lichtschranke ? 6 h1 h0 ? ? ? • Messergebnisse: h2 in m 1.00 1.00 1.00 1.25 1.25 1.25 1.25 1.50 1.50 1.50 ∆t in ms 46.3 45.8 46.5 39.7 37.8 36.5 36.1 34.0 34.7 32.5 ∆t in ms v in m s ∆h in m v 2 in m2 s2 v2 ∆h in m s2 46.8 3.25 -0.575 10.56 -18.37 37.9 3.96 -0.825 15.68 -19.01 33.4 4.49 -1.075 20.16 -18.75 Mittelwert: -18.7 • Auswertungen: – Je größer die Starthöhe h2 ist, desto kürzer ist die Zeit ∆t, die die Lichtschranke verdunkelt wird, desto schneller bewegt sich also das Brett. – Die Fallgeschwindigkeit v des Brettes17 lässt sich aus der Verdunklungszeit ∆t l . und der Länge l des Brettes berechnen: v = ∆t – Die Geschwindigkeit wächst nicht proportional zur Fallstrecke: Sonst müsste der 3. Geschwindigkeitswert etwa doppelt so groß wie der erste sein. 2 v – Quadriert man die Geschwindigkeiten, ergibt sich konstanter Quotient c = ∆h : Das Quadrat der Fallgeschwindigkeit ist proportional zur durchfallenen Strecke. 17 Genau genommen handelt es sich um die mittlere Geschwindigkeit des Brettes während der Verdunklungszeit. 45 – Das Ergebnis lässt sich folgendermaßen formulieren: v 2 = c∆h =⇒ 1 2 mv = −mg∆h 2 Dabei ist g = 2c = 9.35 sm2 . Der richtige Wert ist g = 9.81 sm2 . ∆h ist negativ, weil die Höhe zu Beginn größer ist als am Ende. Deshalb kann die letzte Gleichung auch folgendermaßen geschrieben werden: 1 2 mv + mg∆h = 0 2 oder noch besser, da zu Beginn die Geschwindigkeit null ist, 1 m∆(v 2 ) + mg∆h 2 ∆Ekin + ∆EL m 2 =⇒ v + mgh1 2 1 m 2 =⇒ v + mgh 2 =⇒ Ekin + EL = 0 = 0 m 2 = v + mgh2 2 2 = const = const – Damit hat sich mit hinreichender Genauigkeit ergeben: 1. Für die Bewegungsenergie Ekin eines Körpers der Masse m, der sich mit der Geschwindigkeit v bewegt, gilt: Ekin = m 2 v2 (25) 2. Beim freien Fall ist die Summe aus Lageenergie EL und Bewegungsenergie Ekin konstant. – Der Zusammenhang zwischen Starthöhe und Geschwindigkeit erweist sich in vielen Experimenten18 als unabhängig von der Masse des fallenden Körpers. Das bedeutet: Alle Körper fallen in gleicher Weise. Diese Aussage kann nicht aus einem einzigen Experiment mit nur einem Fallkörper geschlossen werden. Sie muss mit vielen anderen Körpern überprüft werden. Dabei erweist sie sich (wegen des Luftwiderstandes) in dieser Allgemeinheit als falsch! Sehr viel vorsichtiger könnte man formulieren: Kleine kompakte Körper fallen ungefähr in derselben Weise, solange ihre Geschwindigkeit nicht zu groß wird. 18 wenn Luftreibung keine wesentliche Rolle spielt, d. h. bei kleinen kompakten Körpern mit nicht zu hoher Geschwindigkeit 46 Abbildung 22: Überprüfung der Energieerhaltung beim Fadenpendel 2.4.3 Bewegungsenergie beim Pendel • Ein schwingendes Pendel erreicht nach jeder Schwingung nahezu seine Ausgangsposition wieder und hat dann näherungsweise wieder dieselbe Lageenergie. Problem: Wie kann man experimentell untersuchen, ob auch während der Schwingung eines Fadenpendels die Gesamtenergie, also die Summe aus Lage- und Bewegungsenergie, konstant bleibt? • Experiment: Bei einem Fadenpendel wird für verschiedene Auslenkungen die Geschwindigkeit am tiefsten Punkt der Bewegung bestimmt, indem die Zeit gemessen wird, die eine Lichtschranke durch den Pendelkörper verdunkelt wird (Abb. 22). • Messbeispiel aus der Vorbereitung zur Vorlesung: Ein Pendel der Länge l = 89.7cm wird um ∆x = 500mm ausgelenkt. Das entspricht einer Höhenänderung von ∆h = 130mm19 . Der zylinderförmige Pendelkörper mit einem Durchmesser von 38mm verdunkelt die Lichtschranke ∆t = 24.1ms. 38mm m = 1.57 24.1ms s v2 m g = = 9.5 2 2∆h s v = =⇒ • Gemeinsame Messungen durch TeilnehmerInnen in der Vorlesung (Abb. 22) ergaben folgende Ergebnisse: dP = 3.8cm, h2 = 24cm, 19 (∆x)2 + (l − ∆h)2 = l2 =⇒ ∆h = l − p l2 − (∆x)2 47 Abbildung 23: Ortskurve des schwingenden Fadenpendels h1 in m 0.334 0.374 0.287 0.300 t in ms 29.0 23.6 41.3 35.0 2 v 2 in ms2 1.7 2.6 0.8 1.18 2g(h1 − h2 ) in 1.8 2.6 0.9 1.18 m2 s2 2g∆h v2 1.06 1.00 1.13 1.00 2.4.4 Kontinuierliche“ Messung durch Videoanalyse mit Viana ” Damit ist gezeigt, dass die Energie des Pendels im tiefsten Punkt seiner Bewegung ebenso groß ist wie an seinen Umkehrpunkten: Es hat seine Lageenergie vollständig in Bewegungsenergie umgewandelt. Gilt eine entsprechende Aussage auch für beliebige Punkte der Bewegung? Ist auch dort die Summe aus Lage- und Bewegungsenergie gleich groß? Diese Frage ist mit einer Lichtschranke nur schwer zu beantworten. Deshalb wird die Bewegung des Pendels mit dem Programm Viana aufgenommen und ausgewertet, das in Abschnitt 1.1.2 (S. 4ff) genauer beschrieben wird. • Demonstration: Die Bewegung eines schwingenden Fadenpendels wird mit einer Videokamera aufgenommen. Anschließend wird der Film in das Programm Viana importiert. Nachdem dem Programm der Körper mitgeteilt worden ist, dessen Bewegung verfolgt werden soll, misst es selbstständig alle Positionen dieses Körpers aus und stellt sie anschließend grafisch dar. Dabei sind Darstellungen u.a. als Ortskurve (y(x)-Diagramm, Abb. 23) oder als Zeitdiagramme (x(t), Abb. 24, oder y(t), Abb. 25) möglich. • Messvorbereitung: – Die Kamera muss möglichst genau senkrecht zu der aufzunehmenden Bewegung ausgerichtet sein. 48 Abbildung 24: Horizontalauslenkung als Funktion der Zeit Abbildung 25: Vertikalauslenkung als Funktion der Zeit 49 Abbildung 26: Die Gesamtenergie des Pendels als Funktion der Horizontalauslenkung – Die Farbe des zu verfolgenden Körpers sollte sich möglichst deutlich vom Hintergrund abheben und im Bildfeld nicht noch einmal vorkommen. – Die Bewegung sollte das ganze Bildfeld ausnutzen, um Messfehler möglichst klein zu halten. – Die Beleuchtung sollte so gut sein, dass kurze Belichtungszeiten ausreichend sind. • Wenn mit den Messwerten weitere Berechnungen angestellt werden sollen, müssen sie nach Excel exportiert werden. • In Excel kann z.B. gemäß vi2 = (xi+1 − xi−1 )2 + (yi+1 − yi−1 )2 (ti+1 − ti−1 )2 die Geschwindigkeit des Körpers und gemäß m 2 v + mgy 2 seine Gesamtenergie berechnet und grafisch dargestellt werden (Abb. 26). Eges = Damit kann man zeigen, dass nicht nur in den Extrempunkten (höchste und tiefste Stelle), sondern an jedem Punkt der Bahn die Gesamtenergie ungefähr denselben Wert hat. Allerdings erkennt man deutlich, dass die Energie des Pendels abnimmt – ein Umstand, den man auch mit bloßen Augen an der abnehmenden Amplitude des Pendels erkennen kann. • Die vollständige Excel-Tabelle mit allen Daten und Diagrammen dieses Beispiels heißt Fadenpendel.xls und befindet sich auf der Materialseite zu dieser Vorlesung im Internet. 50 2.4.5 Hausaufgaben 10 1. Auswertung einer durch Videoanalyse gewonnenen Messtabelle Bei den Internetmaterialien finden Sie eine Excel-Tabelle AufgabeFadenpendel.xls20 . Sie enthält die mit dem Videoanlyseprogramm Viana gewonnenen und gemittelten Ortskoordinaten einer Schwingung des in der Vorlesung untersuchten Fadenpendels. (a) Stellen Sie die Ortskurve y(x) grafisch dar. (b) Berechnen Sie das Quadrat der Geschwindigkeit vi2 des Pendelkörpers zur Zeit ti gemäß vi2 = (xi+2 − xi−2 )2 + (yi+2 − yi−2 )2 (ti+2 − ti−1 )2 und daraus die Gesamtenergie des Pendelkörpers gemäß Eiges ∼ vi2 + ghi 2 (c) Stellen Sie die so gewonnenen Werte als Funktion der Zeit t und als Funktion der Horizontalauslenkung x grafisch dar. 2. (Tipler, S. 197, Aufgabe 7.7) Ein Pendel der Länge l mit einem Pendelkörper der Masse m wird so weit zur Seite gezogen, dass der Pendelkörper eine Höhe 4l über der Gleichgewichtslage hat. Daraufhin wird der Pendelkörper losgelassen. Mit welcher Geschwindigkeit schwingt der Pendelkörper durch die Gleichgewichtslage? 3. (Tipler, S. 198, Aufgabe 7.9) Das in der Abbildung gezeigte System ist anfangs in Ruhe. Nun wird der Faden zerschnitten. Wie schnell sind beide Gewichte, wenn sie die gleiche Höhe haben? Die Rolle sei reibungsfrei und ihre Masse vernachlässigbar. 20 TeilnehmerInnen, die mit einem anderen Programm als Excel, oder per Hand, auswerten wollen, finden dort auch eine Textdatei AufgabeFadenpendel.txt, die dieselben Daten enthält. 51 52