IA VORWORT Liebe Leserin, lieber Leser, in jedem Jahr gibt es zwei wichtige, internationale Kongresse in der Reproduktionsbiologie und -medizin: Die Jahrestagung der europäischen ESHRE und die der amerikanischen ASRM. In den letzten Tagen fand in London die 29. Jahrestagung der ESHRE statt - im Mutterland der ersten erfolgreichen IVF vor inzwischen 35 Jahren. In Europa finden auch noch heute weltweit die meisten der ca. 1,5 Millionen dokumentierten IVF-Behandlungen pro Jahr statt. Über 9000 Teilnehmer aus über 115 Ländern trafen sich im überraschend sommerlichen London, um neueste Studienergebnisse und Entwicklungen im Bereich IVF vorzustellen und zu diskutieren. Die allermeisten Beiträge der über 600 Präsentationen widmeten sich auch diesmal wieder der Embryologie. Die Time-Lapse Video-Technologie im Inkubator wurde zunehmend für Studien verwendet. Die kontinuierliche Videoüberwachung der Eizellen und Embryonen lieferte spektakuläre Bilder sowie zahlreiche neue Einblicke und Fragen. Auch von den Ausstellern und den Ausrüstern für IVFLabore gibt es spannende Neuheiten zu berichten. Im Folgenden stellen wir Ihnen eine kleine Auswahl der beachtenswerten Neuigkeiten des Kongresses vor. Ihre Gynemed Informationen und Anregungen von GYNEMED Ausgabe Juli 2013 Neu: MIRI TL - Neuartiger Time-Lapse-Inkubator mit integriertem Gasmixer E SCO Medical hat in London erstmals ihren völlig neu entwickelten MIRI TL Time-Lapse IVF-Inkubator präsentiert. Auf Basis des bewährten MIRIInkubators wurde ein neuartiger Inkubator mit voller Time-Lapse Video-Funktionalität entwickelt. Der MIRI-Inkubator verfügt über eine reduzierte Sauerstoff-Atmosphäre und sechs voneinander unabhängige Inkubationskammern. Bis zu 84 Embryonen von insgesamt sechs verschiedenen Patienten können einzeln inkubiert werden. Der integrierte Gasmischer ermöglicht den Betrieb ohne kostspieliges Mischgas. MIRI TL Time-Lapse-Inkubator Das Gerät besitzt einen CO2und einen O2-Sensor sowie ein eingebautes ph-Meter für die Echtzeit-Überwachung. Die Temperatur wird in jeder Kammer von jeweils zwei unabhängigen Sensoren gemessen. Sämtliche Messdaten und evtl. Alarme werden in einem Datalogger gespeichert, der auch von extern abrufbar ist. Der Luftstrom im Inkubator wird mit HEPA/VOC-Filtrierung und MIRI TL Time-Lapse-Inkubator ESHRE / London anschließender UV-Sterilisation rein gehalten. Die spezielle Konstruktion erlaubt eine sehr schnelle Wiederherstellung der Temperatur im Schälchen nach Öffnung der Kammer (< 1min). Die in den Inkubator integrierte Kamera kann alle 5 min. automatisch Bilder der Zellen aufnehmen. Die Bilder werden mittels intuitiver Software auf einem TouchscreenMonitor direkt im Gerät und einem großen separaten Bildschirm zur Auswertung und einfachen Zuordnung bereitgestellt. Auf einen Blick können die Bildfolgen der einzelnen Kammern und die jeweiligen Inkubationsparameter schnell erfasst werden. Oberstes Gebot bei der Entwicklung der Inkubatortechnologie von ESCO ist es, Störungen für die Embryonen so weit wie irgend möglich zu reduzieren. Basierend auf der Hypothese, dass sich Embryonen um so besser entwickeln können je weniger sie gestört werden. GYNEMED ESHRE 2013 London: Erste Geburt nach Anwendung einer neuartigen Genom-Analyse-Technik an Embryonen D ie Gruppe um D. Wells berichtete von Ihren Erfahrungen mit der erstmaligen klinischen Anwendung der Next Generation Sequencing (NGS)-Technik an menschlichen Embryonen nach IVF. NGS ist eine mächtige Analysetechnik, die heute in der Genetik eingesetzt wird, um ganze und zeigten hohe Übereinstimmungswerte mit den Befunden nach herkömmlichen CGH-Analysen. So ermutigt wurden insgesamt 7 Blastozysten von 2 verschiedenen IVF-Paaren (Alter der Frauen 35 und 39, mit vorheriger Aborterfahrung) einer NGS-Analyse unterzogen. Jeweils drei und zwei chromosomal völlig unauffällige Embryonen pro Paar konnten identifiziert werden und wurden im Single-Embryo-Transfer erfolgreich eingesetzt. Von beiden so entstandenen Schwangerschaften führte eine bereits zur Geburt eines gesunden Jungen im Juni dieses Jahres. Die neue NGS-Methode hat zwei entscheidende Vorteile: Schwere Gendefekte und die komplette chromosomale Information werden gleichzeitig in einem Schritt ermittelt und der Test kann deutlich kostengünstiger als bisherige Verfahren durchgeführt werden. Als nächstes sollen klinische Studien den möglichen Nutzen dieses vielversprechenden Ansatzes weiter aufklären. ESHRE 2013 in London Genome schnell und effizient zu entschlüsseln. Da mit NGS von einer Probe riesige Mengen DNA zur Analyse gebracht werden, können gleichzeitig weitreichende Informationen über erbliche Störungen, chromosomale Abnormalitäten sowie Mutationen in den Mitochondrien gewonnen werden. „Next Generation Sequencing ermöglicht noch nie dagewesene Einblicke in die Biologie des Embryos“, so D. Wells in London. Die NGS wurde so weiterentwickelt, dass sie mit einer einzigen Zelle und in weniger als 17 Stunden durchgeführt werden kann. Die Ergebnisse wurden zunächst in Validierungsversuchen an Zelllinien mit bekannten chromosomalen Auffälligkeiten verglichen Results - Oxford Biomedical Research Centre Results - chromosome analysis of MDA products Erfahrungen mit der Einführung eines elektronischen Witness-Systems in einem großen IVF-Zentrum Z ur Vermeidung von Verwechslungen bei den Abläufen im IVF-Labor kann ein elektronisches Überwachungssystem sehr hilfreich sein. Wie kompliziert ist es, ein IVF-Überwachungssystem (RI Witness) in einem viel beschäftigten Labor für die tägliche Routine einzuführen? Die Studie be- richtet von positiven Erfahrungen damit in Rom. Nach zweiwöchiger Installationsund Trainingsphase erfolgte eine etwa vierwöchige Validierung des Systems mit über 2000 einzelnen Wittnessing-Schritten. Danach wurden Erfahrungen damit bei über 800 Patienten gesam- melt und evaluiert. Die dokumentierte Mismatch-Rate wurde bis auf 0,1% reduziert. Eine Analyse der Anwenderzufriedenheit ergab hohe Akzeptanzwerte beim Personal. Die Autoren beurteilen das IVF-Witness-System als eine einfache und effektive Methode zur Reduzierung der Fehlerrate im IVF-Labor. Ergibt ICSI bei „poor respondern“ und normalem Samenbefund bessere klinische Ergebnisse? U m zu klären, ob die Fertilisation mit ICSI bei Frauen mit nur wenig Eizellen (< 4) und unauffälligem Samenbefund vorteilhafter für das Behandlungsergebnis ist, wurden 195 IVF-Zyklen retrospektiv ausgewertet. Es gab keinen Unterschied in den IVF- und ICSI-Gruppen hinsichtlich Alter, FSH, Zahl der MII-Eizellen und Teilungsrate. Die Samenparame- ter waren als normal eingestuft. Die Entscheidung, ob IVF oder ICSI durchgeführt wird, erfolgte durch die Patienten und den Arzt. Es wurden 148 IVF-Behandlungen und 47 ICSI-Behandlungen verglichen. In der IVF-Gruppe wurde eine höhere Befruchtungsrate als in der ICSI-Gruppe (81,5% vs 67,7%) festgestellt. In beiden Gruppen kam es auch zu kom- plettem Fertilisationsversagen. Es konnte kein signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen in der Schwangerschafts-und Geburtenrate nachgewiesen werden. Zusammenfassend konnte kein Vorteil von ICSI gegenüber IVF in Bezug auf das Behandlungsergebnis bei „poor respondern“ beobachtet werden. „Schöne“ Embryonen mit irregulärer Zellteilung haben ein reduziertes Einnistungspotential D r. Conaghan berichtete von seinen Beobachtungen beim Einsatz von Time-Lapse-Inkubatoren im IVF-Labor. Basierend auf der Erkenntnis, dass heute weltweit die meisten Embryonen am Tag 2 oder 3 transferiert werden, versuchte er mit einem neu entwickelten Inkubator mögliche Indikatoren für einen Implantationserfolg bereits in dieser Zeitphase der In-vitro-Kultur zu finden. Auch könnte man so möglicherweise die Kultivierung auf den minimal notwendigen Zeitraum reduzieren. Mittels spezieller Software wurden Bilderserien einzelner Embryonen ausgewertet und mit dem Einnistungserfolg korreliert. Die Kultivierung erfolgte bei reduzierter Sauerstoffatmosphäre. Es zeigte sich, dass der Zeitpunkt der 1. und 2. Zellteilung deutliche Hinweise auf den späteren Erfolg des einzelnen Embryos geben kann, unabhängig von dessen Morphologie. Spezifische Zeitfenster für eine optimale erste und zweite Zellteilung ließen sich so ermitteln. Auch Embryonen mit einem abweichenden Teilungsrhythmus können sich einnisten, allerdings deutlich seltener. Die Teilungszeitpunkte sind zusätzlich abhängig von den jeweiligen Kulturbedingungen und dem Alter der Frau. Weitere Untersuchungen laufen. Morphologie des Trophektoderm als wichtiger Prognosefaktor für den Schwangerschaftserfolg nach Transfer einzelner Blastozysten S chweden verfügt über langjährige Erfahrungen mit dem Single-Embryo-Transfer nach IVF. Dr. Ahlstrom analysierte die gesammelten Labordaten von über 1000 Single-Blastocyst-Transfers (Tag 5) der vergangenen Jahre ihres Labors. Von diesen Transfers führten 37,8% zu einer Lebendgeburt. Zahlreiche Parameter der Blastozysten und der Zyklen, die zu einer Geburt führten, wurden retrospektiv auf mögliche Voraussagekraft statistisch ausgewertet. Da nur einzelne Blastozysten übertragen wurden, ließen sich Morphologie und Behandlungserfolg unzweideutig zuordnen. Als einzige signifikante und unabhängige Faktoren zur Prognose einer erfolgreichen IVF wurden dabei die Erscheinung des Trophektoderms (Zellzahl und Zusammenhalt) und das Alter der Frau identifiziert. Das Trophektoderm scheint sogar möglicherweise wichtiger zu sein als das Erscheingsbild der inneren Zellmasse, um eine erfolgreiche Implantation zu ermöglichen. Prospektiv randomisierte Studien, die die Beobachtungen bestätigen, fehlen allerdings noch. Unterscheiden sich Neugeborene nach Eizellaktivierung von anderen ICSI-Kindern? E izellen wurden nach ICSI-Fertilisation mit zwei verschiedenen Verfahren aktiviert: entweder mit Ca-Ionophore oder mittels Elektroporation. Die entstandenen Embryonen wurden kultiviert und an Tag 3 oder 5 transferiert. Insgesamt wurden 1000 Eizellen mit Aktivierung und über 25000 Eizellen ohne Aktivierung für die Studie ausgewertet (2006-2012). Die Fertilisationsrate nach ICSI mit Ca-Ionophore war deutlich höher als nach Elektroporation. Bei Implantations- und Geburtenrate zeigte sich jedoch kein Un- terschied. Das Geburtsgewicht der Neugeborenen nach ICSI mit und ohne Eizellaktivierung zeigte keine Unterschiede. Die beobachtete kongenitale Fehlbildungsrate nach ICSI mit Eizellaktivierung war ähnlich wie die nach regulärer ICSI-Befruchtung. Neu: Integra 3 - das fortschrittlichste Mikromanipulationssystem der Welt R esearch Instruments (RI) präsentierte in London ihren komplett überarbeiteten und neugestalteten Integra Mikromanipulator mit einer weltweit einzigartigen Thermotechnik für den Objekttisch des Mikroskops. Bewährte RI-Technologie wurde mit einem neuartigen Ansatz zur sicheren Temperaturkontrolle der Arbeitsfläche kombiniert. Die überlegene Thermosafe-Technik von RI gewährleistet eine völlig gleichmäßige Temperaturverteilung unterhalb des ICSI-Schälchens mittels eines neuen, speziell konstruierten Warmluftgebläses. Der unter dem Objekttisch vorbeifließende warme Luftstrom verhindert sicher und nachgewiesenermaßen die Entstehung von Zonen unterschiedlicher Temperaturen im ICSI- oder Biopsie-Schälchen. Besonders der negative thermische Effekt des sich in unmittelbarer Nähe der Eizellen befindlichen Objektives wird verhindert. Alle Eizellen in einem ICSI-Schälchen sind so noch besser vor unbeabsichtigten Temperaturgradienten geschützt. Die verfügbare Arbeitszone beim neuen Integra 3 wurde zusätzlich um fast 50% vergrößert. Auch die Bedienerfreundlichkeit des neuen Integra 3 wurde weiter optimiert: Gut erreichbare, integrierte Fotound Videoschalter erlauben eine schnelle und direkte Bilddokumentation aller Arbeitsschritte und Beobachtungen am Mikroskop. Klare optische Statusanzeigen und Alarme informieren auf einen Blick über den aktuellen Betriebszustand des Integra 3 und die kor- Integra 3 rekte Feinjustierung der Mikromanipulatoren. Beleuchtete Objektive und integrierte Timer und Zähler sind weitere ergonomische Verbesserungen. Der Integra 3 ist mit den meisten älteren und allen aktuellen Inversmikroskopen leicht kombinierbar. Was macht ein gutes Kulturmedium aus? D . Brison befasste sich mit den Anforderungen an IVF-Kulturmedien und den dazu noch offenen Fragen - 35 Jahre nach der Geburt des ersten IVF-Babys: Heute befinden sich zahlreiche Kulturmedien für menschliche Embryonen auf dem Markt, die im wesentlichen nach drei Ansätzen entwickelt wurden: „Zurück zur Natur“, „Lass den Embryo wählen“ und „Nach biochemischen Erkenntnissen ausgewählte Sub- stanzen“. Alle funktionieren, aber noch ist unklar, welches Medium am erfolgreichsten zum gewünschten Ziel führt. Viele Anstöße zur Medienentwicklung kamen bislang aus dem Maus-Modell. Die Medien unterscheiden sich wesentlich im Salzgehalt, der Energiequelle, der Zusammensetzung an Aminosäuren sowie in weiteren Bestandteilen, wie z. B. Wachstumsfaktoren oder Proteinsupplement. Auch die Kulturbedingungen beeinflussen stark die Wirkung eines Mediums auf den Embryo. Laut Brison wäre ein Medium ideal, dass einen gesunden lebensfähigen IVF-Embryo unterhält, der zu einem gesunden Baby und zu einem ähnlich gesunden Leben wie nach natürlicher Empfängnis führt. Entsprechende Untersuchungen stehen noch aus. Zukünftig werden auch die Langzeiteffekte eines Kulturmediums genauer beobachtet werden müssen. Beeinflusst Eizellaktivierung die morphokinetischen Parameter eines Embryos? K ünstliche Eizellaktivierung mit Ca-Ionophore kann Befruchtungsprobleme bei schlechter oder ausbleibender Fertilisation nach ICSI überwinden helfen. Um zu klären, ob eine Eizellaktivierung mit Ca-Ionophore nach ICSI das Entwicklungsverhalten der Embryonen verändert, wurden erstmals 320 ICSI-Embryonen und 41 Embryonen nach ICSI/Eizellaktivierung in einem Time-LapseInkubator nach gleichen Verfahren bis zum Tag 5 kultiviert. Die retro- spektive morphokinetische Analyse ergab keine Unterschiede in Bezug auf typische Entwicklungszeitpunkte zwischen beiden Gruppen. Auch ein Vergleich der resultierenden Schwangerschaftsraten beider Gruppen zeigte keinen signifikanten Unterschied. IMPRESSUM Herausgeber: GYNEMED Medizinprodukte - 23738 Lensahn Telefon: 04363/903290 Fax: 04363/90329-19 - E-mail: [email protected] Redaktion: Dr. Fabian Sell (V.i.S.d.P.) - 23738 Lensahn, Telefon: 04363/1231 Layout: Matthias Krajny, Lübeck Text: Dr. Thomas Jeziorowski, Berlin