Steiermärkische Krankenanstaltengesellschaft m.b.H. Institut für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie Hygiene Bakteriologie Serologie Molekularbiologie Tbc-Diagnostik Mykologie Parasitologie Ärztlicher Direktor: Prim. Dr. Klaus Vander (Multiresistente) Infektionen in Pflege- bzw. Alteneinrichtungen „Es liegt in Ihren Händen“ Prim. Dr. Klaus Vander FA Hygiene u. Mikrobiologie Institut für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie Stiftingtalstrasse 14, 8010- Graz Tel: 0316 340 5815 mail: [email protected] Gesundheitssystem assoziierte Infektionen Spannungsfeld- Pflegeheime • Gesundheitseinrichtung oder Sozialeinrichtung??? Gesundheitssystem assoz. Infektionen • Bei Bewohnern die bei der Aufnahme keine, jedoch 48 h nach Aufnahme in eine Einrichtung des Gesundheitssystems sichtbare Zeichen einer Infektion zeigen und die Inkubationszeit nicht deutlich dagegen spricht, gilt eine solche Krankheit als im Gesundheitssystem erworben. Gesundheitssystem assoziierte Infektionen Mit hohem Einfluss auf Morbidität / Letalität sowie Folgekosten des Gesundheitssystems 1. Pneumonie 2. Sepsis 3. Wundinfektion 4. Harnwegsinfekt Gesundheitssystem assoz. Infektionen… ……werden ihrer Pathogenese nach in endogenen und exogene Infektionen unterschieden: • Endogene Infektionen entstehen aus der bewohnereigenen Flora und werden vor allem durch bewohnerseitige Risikofaktoren (Alter, Grunderkrankung, Komorbidität, ...) sowie invasive und therapeutische Maßnahmen begünstigt. • Exogene Infektionen hingegen werden durch von außen auf den empfänglichen Bewohner übertragene Erreger verursacht, also durch Transmission. Man schätzt, dass der Anteil der exogenen Infektionen an der Gesamtanzahl der Gesundheitssystem assoz. Infektionen ca. 20- 30 % beträgt. Etwa 30 % aller nosokomialen Infektionen sind durch exogene Hygienemaßnahmen vermeidbar!!! Die Händedesinfektion steht als einfachste und effektivste Maßnahme an oberster Stelle aller Präventionsmaßnahmen!!! Nosokomiale Infektionen Europa: • 7,6 % aller Patienten erkranken im Rahmen ihres Aufenthaltes an einer NKI • Das entspricht ca. 4,1 Mio. NKI / Jahr • NKI verursachen 16 Mio. zusätzliche Belagstage* *Kosten eines Intensivbehandlungstages ~ 1200 € /die • NKI führen zu mehr als 37.000 attributablen Todesfällen / Jahr • Volkswirtschaftliche Folgekosten 7 Mrd. € pro Jahr Infektionen • Infektionserkrankungen werden ausgelöst, wenn die Schwelle von der Kolonisation zur Infektion überschritten wird. • Nicht jede Exposition führt zu einer Kolonisation, und nicht jede Kolonisation zu einer Infektion. Infektion = Inokulum x Exposition x Virulenz Disposition Übertragungswege nosokomialer Infektionen • Endogen • Exogen Exogen: • Direkt → Kontakt, Trauma, Tröpfchen • Indirekt → Aerogen, Injektabilien, …… Unter präventiven Aspekten ist bei nosokomialen Infektionen die Unterscheidung von drei Übertragungswegen von Bedeutung: • (direkte und indirekte) Kontaktübertragung • Tröpfchenübertragung • Aerogene Übertragung Übertragung durch Kontakt • Die Kontaktübertragung (contact transmission) ist der häufigste Übertragungsweg nosokomialer Infektionen. Übertragung durch direkten Kontakt • • Körperkontakt zwischen zwei Personen effektiver als die indirekte Übertragung z.B. • Hepatitis C Infektion eines operierten Patienten durch intraoperative Verletzung und Inokulation von Blut eines infizierten Chirurgen in die OP- Wunde • Primäres Herpes simplex Panaritium nach Untersuchung der Mundhöhle eines Patienten mit HSV- Rezidiv ohne Schutzhandschuhe • Übertragung von Krätzmilben bei Umlagerung eines Patienten Übertragung durch indirekten Kontakt • Die indirekte Kontaktübertragung ist der häufigste Übertragungsweg nosokomialer Infektionen und erfolgt in zwei Schritten: 1. Kontamination eines Übertragungsvehikels durch Kontakt mit einer infizierten / kolonisierten Person 2. Weitergabe des Erregers durch direkten Kontakt des kontaminierten Übertragungsvehikels mit einer empfänglichen Person → Hände, Instrumente, Lösungen, Katheter, …… Die Hände des medizinischen Personals sind nicht nur die wichtigsten Übertragungsvehikel indirekter Kontaktübertragungen, sondern allgemein das wichtigste Übertragungsvehikel nosokomialer Infektionen! z.B. • MRSA, ESBL • Rota-, Adeno-, Noroviren • Wundinfektionen, ……….. Übertragung durch respiratorische Tröpfchen • Die Tröpfchenübertragung (droplet transmisson) ist eine Sonderform der Kontaktübertragung erfordert jedoch gesonderte Präventionsmaßnahmen. • Beim Husten, Niesen, Sprechen, Bronchoskopie …. werden Tröpfchen > 5 µm freigesetzt, welche aufgrund ihrer Größe einer raschen Sedimentation (Reichweite ca. 1m) unterliegen. • Diese Tröpfchen können aufgrund ihrer aerodynamischen Eigenschaften nicht in die unteren Atemwege, sondern nur auf die Schleimhaut des Mund- Nasen- Rachenraumes sowie der Konjunktiven gelangen. • Diese anatomischen Strukturen sind auch die Eintrittspforte tröpfchenübertragbarer respiratorischer Infektionen. z.B. • Meningokokken, (Pneumokokken), Diphterie, Pertussis, Mycoplasmen, …. • RSV, Influenza, …. Aerogene Übertragung (Tröpfchenkerne/Aerosole) Aerogene Übertragung (Tröpfchenkerne/Aerosole) • Durch den verdunstungsbedingt ausgelöst osmotischen Stress verlieren viele Erreger bei der Entstehung von Tröpfchenkernen ihre Infektiosität (Meningokokken, RSV, Influenza,…). • Aerogen übertragbare Erreger bleiben auch in Tröpfchenkernen infektiös und können durch Luftströmungen über gewisse Distanzen transportiert werden. • Tröpfchenkerne sind alveolargängig. • Respiratorische Tröpfchen / Tröpfchenkerne können nach Sedimentation auf Oberflächen nicht mehr reaerosolisiert werden. z.B. • • • Mycobacterium tuberculosis Masernvirus Varicella- zoster Virus Standardhygiene Maßnahmen der Standardhygiene sollten vom gesamten Personal und bei allen Bewohnern konsequent durchgeführt werden! • Händehygiene, Schutzhandschuhe !!! • Gebrauch von persönlicher Schutzausrüstung bei Umgang mit Blut, Körperflüssigkeiten, Sekreten und Exkreten • Vermeidung von Verletzungen durch Kanülen und anderen spitzen/scharfen Gegenständen • Reinigung der Bewohnerumgebung-, Reinigung und Desinfektion patientennaher Flächen und nach Kontamination mit Blut, Körperflüssigkeiten, Sekreten und Exkreten • Standardisierte Handhabung von Pflegeutensilien und Bettwäsche Händehygiene • Bei/nach allen pflegerischen Maßnahmen muss die Möglichkeiten zur hygienischen Händedesinfektion gegeben sein . • Für die Händehygiene gelten grundsätzlich die gleichen Anforderungen wie im Krankenhaus. • Hygienische Händedesinfektion nach jedem Bewohnerkontakt! • unabhängig vom Besiedelungs-Status • WHO: 5 (4) Punkte der Händehygiene! Quelle 1) Händehygiene mobiler Bewohner Quelle 2) Händehygiene immobiler Bewohner Quelle 2) Persönliche Schutzausrüstung • Mund-Nasen-Schutz anlegen, bei Exposition gegenüber infektiösen Aerosolen (z.B. Absaugen tracheostomierter Bewohner). • Handschuhe anlegen, bei möglicher Exposition gegenüber Blut, Sekreten oder Exkreten (z.B. Verbandswechsel, Umgang mit Urindrainagesystemen). • Schürzen anlegen, bei wahrscheinlicher Kontamination der Berufskleidung durch Blut, Sekrete oder Exkrete (z.B. Urindrainagesystemen, Wundversorgung). • Schutzkittel (langer Arm mit Bündchen), wenn mit Kontamination der Arme zu rechnen ist (z.B. Pflegemaßnahmen bei Bewohnern mit Diarrhö, Versorgung größerer infizierter Wunden oder resistenter Keime). • Schutzkleidung bewohnerbezogen zu verwenden! Quelle 1) Multiresistente Erreger (MRE) Nach Angaben des European Center for Disease Control (ECDC) • verursachen MRE in Europa ca. 25.000 Todesfälle pro Jahr • verlängern die Hospitalisierungsdauer um 2,5 Millionen Tage • verursachen jährliche Zusatzkosten von 1,5 Milliarden Euro und werden somit zu einem zunehmenden sozio-ökonomischen Problem des Gesundheitswesens Multiresistente Erreger • Ein zunehmendes Problem stellt die Besiedlung mit multiresistenten Erregern dar. • Ähnlich wie in Krankenhäusern treten in Alten- und Pflegeeinrichtungen, aber auch im Bereich der ambulanten Pflege, vermehrt multiresistente Bakterien auf, die durch Antibiotikaanwendung selektiert werden können • Risikofaktoren für eine Kolonisation bzw. Infektion mit multiresistenten Erregern (z. B. MRSA, VRE, Enterobakterien) , sind: Quelle 1) MRGN in Alters- und Pflegeeinrichtungen • Jede Institution, die pflegebedürftige Personen betreut (also Krankenhäuser, Rehabilitationskliniken, Heime etc.), muss in der Lage sein, auch solche Menschen zu versorgen, die mit multiresistenten Erregern besiedelt oder infiziert sind. • Eine Ablehnung der Übernahme kolonisierter oder infizierter Personen mit Verweis auf den Nachweis von 3 negativen Abstrichergebnissen ist weder mit organisatorischen noch mit medizinischen Argumenten zu rechtfertigen! Quelle 1) MRGN = multiresistente gramnegative Erreger • Epidemiologisch relevante Multiresistenz wird derzeit beobachtet bei – der Familie der Enterobacteriaceae (E. coli, Klebsiella spp., Enterobacter spp., etc) – Pseudomonas aeruginosa – A. baumannii • Die wichtigsten Resistenzmechanismen hierbei sind – Betalaktamasen (z.B. ESBL, AmpC, Carbapenemasen, etc.) auf Plasmiden lokalisiert – Verminderte Expression von Membranproteinen bzw. Veränderung von Oberflächenmolekülen – Effluxpumpen MRGN • Die Einteilung in 3 MRGN (Multiresistente gramnegative Stäbchen mit Resistenz gegen 3 der 4 klinisch relevanten Antibiotikagruppen) und 4 MRGN (Multiresistente gramnegative Stäbchen mit Resistenz gegen 4 der 4 klinisch relevanten Antibiotikagruppen) richtet sich nicht nach den möglichen zugrunde liegenden Resistenzgenen und –enzymen (genotypisch), sondern leitet sich aus der im Antibiogramm sichtbaren Resistenz ab (phänotypisch). 3 MRGN/4 MRGN Die Einteilung erfolgt in Anlehnung an die KRINKO des Robert Koch-Instituts und bezieht sich ausschließlich auf das Resistenzverhalten der Bakterien ohne Berücksichtigung der Virulenzeigenschaften des jeweiligen Erregers. Hygienemaßnahmen bei Infektionen oder Besiedlung mit multiresistenten gramnegativen Stäbchen 2012 Hygienemaßnahmen bei MRGN • Die konsequent eingehaltenen StandardHygienemaßnahmen sind als Basis ausreichend, um eine Erregerübertragung zu vermeiden. • Sie müssen jedoch bei Vorliegen von Risikofaktoren situationsbezogen angepasst, d.h. ggf. ergänzt werden. Quelle 1) Unterbringung • Einzelzimmer sind nicht generell erforderlich, aber für MRGN-Träger mit Risikofaktoren zur Streuung (offenen Wunden, Diarrhoe, Atemwegsinfektion oder Tracheostoma) in Betracht zu ziehen, wobei allerdings mögliche negative Auswirkungen auf die psychosoziale Situation des betroffenen Bewohners zu berücksichtigen sind. • Mitbewohner im selben Zimmer sollten jedoch kein erhöhtes Risiko haben, nach einer eventuellen Besiedelung an MRGN zu erkranken, d.h. keine offenen Wunden haben, immunsupprimiert sein oder Katheter-, Sonden- oder Tracheostomaträger sein. • Ein Zusammenlegen mehrerer MRGN-Besiedelter ist möglich. Quelle 1) Quelle 3) 3 MRGN Maßnahmen Quelle 3) 4 MRGN Maßnahmen Quelle 3) Bei Verlassen des Zimmers: Mobile Bewohner können am Gemeinschaftsleben teilnehmen, wenn: • Hautläsionen oder offene Wunden sicher verbunden sind • Tracheostoma (ggf. mit einem HME-Beatmungsfilter bzw. Mund-, Nasenschutz) und/oder die Eintrittstelle einer PEG-Sonde mit Pflasterverband abgedeckt ist • geschlossenes Harnableitungssystem (nur bei med. Indikation!) • Bewohner kooperativ ist und selbst eine Händedesinfektion durchführen kann • Benutzung der Toilette sollte nur im eigenen Zimmer erfolgen Quelle 3) Soziale Kontakte • Soziale Kontakte zu Angehörigen, Besuchern und Mitbewohnern unterliegen keinen Einschränkungen • Besucher müssen keine Schutzkleidung und keine Einmalhandschuhe tragen • Besucher und Bewohner sollen zur regelmäßigen Händehygiene angeleitet werden Quelle 1) Sanierung • Antiseptische Körperwaschungen können in Erwägung gezogen werden. • Wenn bereits ein adäquater Sanierungsversuch in einer anderen Einrichtung erfolglos geblieben ist, kann in der Regel auf weitere Versuche verzichtet werden. • Routinemäßige Abstrichkontrollen von Bewohnern und Personal in Altenpflegeeinrichtungen werden nur nach Rücksprache mit der Krankenhaushygiene empfohlen. Quelle 1) Sanierungsmaßnahmen MRGN • Bei antiseptischen Körperwaschungen empfiehlt sich die Verwendung von Präparaten auf der Basis von Octenidin (z.B. OCTENISAN®), da Formulierungen auf der Basis von z.B. Guanidine bzw. Diguanidine Schwächen im gram- negativen Bereich aufweisen. • Wenn im Krankenhaus eine Sanierungsmaßnahme begonnen wurde, sollte diese in der Pflegeeinrichtung für gesamt 1 Woche fortgesetzt werden. Desinfektion • Mindestens täglich eine Flächendesinfektion der bewohnernahen und bewohnerfernen Flächen (laufende Desinfektion) durchführen. • Hier ist die Konzentration des 1-Stunden-Wertes einzusetzen. • Nach Antrocknung kann die Fläche wieder benutzt werden. • Bei Kontamination mit Blut, Sekreten oder Exkreten ist nach Entfernung der Kontamination eine sofortige gezielte Flächendesinfektion durchzuführen. • Nach Nutzung des Pflegebades ist eine umgehende Wischdesinfektion des Pflegebades und des gesamten Spritzbereiches durchzuführen. Quelle 3) Danke für die Aufmerksamkeit! Quellen 1) Infektionsprävention in Heimen; Bundesgesundheitsbl. – Gesundheitsforsch.Gesundheitsschutz 2005 · 48:1061–1080 DOI 10.1007/s00103-005-1126-2 2) Aktion Saubere Hände 3) Maßnahmenplan für multiresistente gramnegative Erreger (MRGN) in Gesundheits-/Pflege- und Betreuungseinrichtungen; Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene e. V.; Hyg Med 2016; 41– 4