beiträge zur naturkunde in osthessen 52 3– 18 25 abb., 1 tab. Fulda, 2016 Inhalt Säulen nicht nur im Basalt ‒ Interpretation an Beispielen aus der hessischen Rhön Heiner Flick Säulen nicht nur im Basalt ‒ Interpretation an Beispielen aus der hessischen Rhön ........ 3 Peter SteinbacH, anna-lena GnaSS, karl tamino Steinert, Franz müller & mike HedderGott Nachweise von Hyperdontien bei Europäischen Dachsen Meles meles (Mammalia: Carnivora) in Osthessen .................................................................................... 19 micHael ScHneider Statistische Auswertungen und Modelle von historischen Temperaturdaten der Wetterstation Wasserkuppe (950 m) ...................................................................................... 23 Franz müller & HorSt bacHmann 85 Jahre phänologische Beobachtungen an der Grauammer (Emberiza calandra) im Landkreis Fulda und der näheren Umgebung – Erkenntnisse zum Zugverhalten und Brutbestand .............................................................................................................................. 33 Franz müller & HorSt bacHmann 82 Jahre phänologische Beobachtungen am Ziegenmelker (Caprimulgus europaeus) im Landkreis Fulda und der näheren Umgebung – Erkenntnisse über Verbreitung, Brutbestand und Zugverhalten ............................................................................................... 47 Buchbesprechungen ................................................................................................................. 59 Heiner Flick Kurzfassung die hessische rhön ist in ihrer landschaftsentwicklung in besonderem maße von vulkanischen Gesteinen aus der tertiärzeit geprägt. Häufig zeigen die Vulkanite säulige erstarrungsformen, die hier anhand mehrerer Vorkommen beispielhaft vorgestellt werden. die orientierung der Säulen kann dabei für die interpretation der betreffenden Vulkanstrukturen genutzt werden. dies bezieht sich sowohl auf Gesteine aus der basaltfamilie als auch aus der trachytfamilie. auf die entstehung der Säulen als Produkt der abkühlung und erstarrung magmatischer Schmelzen wird hierzu vorab eingegangen. Abstract the landscape of the rhön has by and large been shaped by tertiary volcanic activity. this can be appreciated from the compilation of geotopes of the Hessian part of the area. many of these display pronounced columnar jointing that can be used for the interpretation of volcanic processes responsible for the phenomenon. the origin of columnar jointing as a product of cooling and solidification of basaltic as well as trachytic magmatic melts is outlined in principle and demonstrated on twelve examples chosen from the geotopes. Einleitung die rhön als „land der offenen Fernen“ ist das ergebnis einer landschaftsentwicklung, in der sich im wesentlichen die geologische Geschichte der letzten 25 millionen Jahre widerspiegelt. der in diesem raum zu dieser zeit (spätes oligozän/alttertiär) einsetzende Vulkanismus hatte ein reliefarmes land weitgehend zugedeckt (s. rotHe 2009), ein zustand, wie er ähnlich im Vogelsberggebiet heute noch erhalten ist. in der rhön dagegen sorgte gegen ende des tertiärs die seitdem andauernde Hebung (für die zeitliche einordnung der Vorgänge s. abb. 1) für eine abtragung vielfach bis in die Wurzelbereiche der Vulkane hinunter. in der Folge nehmen die vulkanischen Gesteine heute nur noch einen kleinen Flächenanteil ein (abb. 2). aufgrund der tiefreichenden erosion fehlen typische Vulkanformen wie Schlackenkegel oder maarstrukturen, wie sie beispielsweise zahlreich in der eifel oder in der in zentralfrankreich gelegenen auvergne anzutreffen sind. dafür wird in der rhön ein andernorts seltener blick in den inneren aufbau der Vulkangebäude geboten. darüber hinaus zeigt sich in diesem Gebiet deutlich, welche hervorragende rolle Gesteine aus der trachytfamilie neben denen aus der basaltfamilie spielen (näheres zum Vulkanismus der rhön und seinen Produkten bei eHrenberG & HicketHier 1994, 2002, Flick 2007, 2015 oder Flick & ScHraFt 2013). zu den auffälligsten durch vulkanische aktivität geschaffenen internen Strukturen gehören die bei der abkühlung und erstarrung der Schmelzen entstandenen Säulen. Ästhetisch ansprechend, wurden sie nicht selten zu naturdenkmälern erklärt und konnten so ihrem endgültigen abbau oder zuschütten entgehen. daher wird verständlich, dass ihre Vorkommen einen besonderen anteil unter den nationalen Geotopen (kurzgefasste definition: bedeutende und schützenswerte geologische objekte) einnehmen (ca. 10 %, s. look & Quade 2007). die Säulenbildung wird meist mit basalten in zusammenhang gebracht, den auf der erde häufigsten vulkanischen Gesteinen. dafür dass auch Schmelzen mit anderem chemismus zu solchen Formen erstarren können, bietet gerade die rhön gute beispiele, wie sich in der zusammenstellung der Geotope der hessischen rhön zeigt (Flick & ScHraFt 2013). Welche Schlüsse sich aus der orientierung der Säulen für die interpretation der Vorkommen ziehen lassen, soll hier an einigen beispielen vorgestellt werden. Entstehung der Säulen Säulen (mitunter auch als Prismen bezeichnet) entstehen, wenn bei vulkanischen Vorgängen Gesteinsschmelzen (magmen) aus der tiefe der erde zur oberfläche aufsteigen, abkühlen und erstarren. mit diesen erstar- 4 Abb. 1: Erdgeschichtliche Tabelle mit Einordnung der vulkanischen Aktivitäten im Gebiet der Rhön. Heiner Flick Säulen nicht nur im basalt Abb. 2: Vereinfachte geologische Karte der Rhön mit Kennzeichnung der vorgestellten Vorkommen (Nummern beziehen sich auf die Nummern der Geotope bei FlicK & SchRAFT 2013, s. Tab. 1). 5 8 Heiner Flick Abb. 8: Meilerstellung der Säulen bei Abkühlung eines basaltischen lavasees am Modell der Schlotfüllung eines Tuffkegels (aus FlicK 2012). Abb. 9: Modell der Fächerstellung der Säulen in einem endogenen Dom (Quellkuppe). dungskriterien. Hierzu dienen z. b. typische oberflächenformen für erstere oder kontaktbildungen im Hangenden für letztere. Staut sich eine Schmelze in einem krater innerhalb eines Vulkankegels oder in einem ausgesprengten trichter zu einem lavasee auf, entsteht bei der abkühlung eine als Meilerstellung bekannte Säulenorientierung (abb. 8), eine bezeichnung in analogie zur aufschichtung der Holzscheite eines kohlemeilers. typisch sind die zur mitte nach oben hin zusammenlaufenden Säulen. die meilerstellung scheint sich mehr oder weniger auf Gesteine aus der basaltfamilie zu beschränken, weil bei den zäheren kieselsäurereicheren Schmelzen andere aufstiegs- und ausbruchsphänomene vorherrschen, bei denen es zu keiner Füllung des kraters mit einem lavasee kommt. dass die meilerstellung kein seltenes Phänomen ist, wird an den über die rhön hinaus nicht wenigen als naturdenkmal ausgewiesenen relikten ehemaliger lavaseen deutlich (vgl. Flick 2012). bleibt allerdings die Schmelze im nebengestein stecken, was vor allem bei zäheren Schmelzen anzutreffen ist, und quillt dabei blasenförmig auf wie ein ballon, entsteht eine domstruktur (endogener dom oder Quellkuppe). Wenn darin bei der erstarrung Säulen gebildet werden, was bei zähen Schmelzen eher seltener der Fall ist, gehen diese fächerförmig nach außen auseinander (abb. 9). sind jederzeit gut zugänglich, ohne dass spezielle betretungsgenehmigungen eingeholt werden müssen. Sie sind zudem als Geotope (mit gleicher nummerierung wie hier im text) bei Flick & ScHraFt (2013) mit karte, zugang und Gesteinsbeschreibung aufgeführt. Säulen in der hessischen Rhön Wie angeführt, lässt sich nicht immer und überall aus der anordnung der Säulen die Gestalt des erstarrten magmenkörpers rekonstruieren. aber ein Versuch zur interpretation lohnt immer, wie an Vorkommen aus der hessischen rhön aufgezeigt werden soll und als anregung zu eigenen beobachtungen nicht nur dort dienen kann. die gewählten beispiele (zusammenstellung in tabelle) Flachliegende Säulen in Gangstrukturen beispiele für Gänge sind in der rhön verhältnismäßig rar, z. t. weil die oberirdischen Vulkane, in deren Schlacken- oder tuffkegeln radiale Gänge als Spaltenfüllungen erwartet werden können, schon längst der abtragung zum opfer gefallen sind. Füllungen von aufstiegsspalten im sedimentären unterbau aus dem erdmittelalter sind überdies noch wenig aufgeschlossen. ein brauchbares beispiel bietet der Phonolith (ein Gestein aus der trachytfamilie) des medensteins (Geotop 56), der über 300 m in nnW-SSe-licher richtung zu verfolgen ist und sich nach der Säulenorientierung (und senkrecht dazu orientierter Fließrichtung) als steil ene-fallender Gang interpretieren lässt (abb. 10). eine Sonderstellung nimmt die vom Wasserkuppenmassiv nach norden vorspringende abtsroder kuppe ein (Geotop 75). morphologisch schon entsprechend auffällig, ist sie auch geophysikalisch als Gangstruktur nachgewiesen (eHrenberG & HicketHier 1994). als besonderheit weist diese als Förderspalte für zwei verschieden alte decken eine zweiphasige entwicklung mit unterschiedlichen Gesteinen aus der basaltfamilie auf, wobei deren nördlicher abschnitt (alkalibasalt) durch seine markante zwiebelschalenstruktur prominenter erscheint. der südliche abschnitt des olivinnephelinits zeigt dagegen die für einen Gang zu erwartenden flach liegenden Säulen (abb. 11). ein Vorkommen, das nach der geologischen karte als Gang angesehen werden könnte und wurde (teufelstein, Geotop 60, s. eHrenberG et al. 1994, laemmlen 1994: 237), zeigt eine hiermit nicht verträgliche Säulenorientierung (näheres weiter unten). Säulen nicht nur im basalt 9 Abb. 10: Säulen im Phonolith des Medenstein, hofbieber (Geotop 55), mit interpretation als Gang (Grafik). Abb. 11: Flachliegende Säulen im Olivinnephelinit des Südabschnitts der Abtsroder Kuppe, Poppenhausen/Rhön-Abtsroda (Geotop 75). Peter SteinbacH & al. 20 die methode der Vermessung der Prämolaren richtete sich nach der von lüPS & roPer (1988). Hierbei erfolgte die Vermessung der zähne (länge/breite/kronenhöhe) unter einem binokular mit einer digitalen iP67-Schieblehre (Hogetex deutschland GmbH, nieder-olm, Germany) mit einer messgenauigkeit von 0,01 mm. alle messwerte werden in mm angegeben. eine Hyperdontie war bei drei der untersuchten dachse nachweisbar. dies macht an der Gesamtzahl der individuen einen anteil von 1,38 % aus. Von einer mehrfachanlage eines zahnes waren beide Geschlechter betroffen. in allen Fällen betraf es Prämolaren im oberkiefer. bei einer dachsfähe (cVm M.m. 252) aus Schlitzkarlshof im Vogelsbergkreis war der linke P3 doppelt angelegt (abb. 1). der distal liegende P3 ist nach palatinal und in einem 45° Winkel verschoben. der normal stehende P3 ist leicht nach mesial verschoben. bei beiden P3 fanden sich je 2 zahnwurzeln. die maße der beiden: 5,54/3,94/5,69 und 5,74/4,39/6,02. bei einem dachsrüden (cVm M.m. 295) aus reulbach im landkreis Fulda war ein zweifach angelegter linker P2 zu finden (abb. 2). ein P2 ist mesial verschoben und der zweite P2 ist leicht bukkal versetzt. die P2 hatten jeweils eine zahnwurzel. beide zähne wiesen folgende maße auf: 4,62/2,43/4,74 und 4,33/2,61/4,61. im Falle eines weiteren dachsrüden (cVm M.m. 209) aus büdingen im Wetteraukreis lag eine mehrfachanlage des rechten P2 vor (abb. 3). in diesem Fall ist ein P2 deutlich nach bukkal und der zweite P2 in einem Winkel von 30° nach palatinal verschoben. beide P2 hatten jeweils nur eine zahnwurzel. Folgende maße der beiden zähne wurden genommen: 4,34/2,82/5,22 bzw. 4,19/3,18/4,75. nach literaturangaben Prämolaren etwas häufiger von mehrfachanlagen betroffen zu sein. in der literatur gibt es angaben zum dachs mit einer mehrfachanlage eines zahnes bei FullaGar et al. (1960), Heráñ (1971), Stubbe (1980), lüPS (1986) und Hancox (1988). die doppelt angelegten zähne betrafen stets zähne im oberkiefers und hierbei die i2, i3, P2, P3 und m1. dabei handelte es sich immer um eine zusätzliche zahnanlage. nur in zwei Fällen war der m1 beidseitig doppelt angelegt (vgl. FullaGar et al. 1960; Hancox 1988). zusätzliche Prämolaren beim dachs wurden bereits beschrieben und betrafen ebenfalls den P2 und P3 und wurden bei individuen aus england (FullaGar et al. 1960), der ehemaligen ČSSr (Heráñ 1971), der Schweiz (lüPS 1986) und deutschland (Stubbe 1980) gefunden. lüPS & roPer (1988) ermittelten für den zweiten Prämolaren des oberkiefers der dachsrüden folgende durchschnittliche maße: 4,61/3,11/4,62 mm (länge/breite/Höhe). Für den dritten Prämolaren des oberkiefers bei den dachsfähen werden von den autoren folgende durchschnittsmaße mitgeteilt: 5,82/4,04/5,47 mm (länge/breite/Höhe). Somit liegen die von uns ermittelten maße der originalen Prämolaren sowie der zusätzlich angelegten Prämolaren in diesem rahmen. die Ähnlichkeit der zusätzlichen Prämolaren in Form und Größe lässt vermuten, dass es in einem frühen ontogenetischen Stadium zu einer aufspaltung oder Schaffung eines zweiten zahnkeimes gekommen ist. Ähnlich argumentiert WolSan (1984). Hauer (2002) vermutet, dass die unterschiedliche art der Prämolaren darauf hindeutet, dass der P2 und P3 seine eigene doppelanlage hat. reinWald (1958) vermutet, dass ursächlich für eine doppelanlage die Veränderung des zahnkeimes ist. Weiterhin gibt es die Hypothese, dass die aufteilung der zahnkeime vererbt wird oder aufgrund von mutationen oder Störungen eine Änderung der genetischen zahnentwicklung vorliegt (vgl. HitcHin 1971). Diskussion Literatur Gebisserkrankungen beim dachs, wie karies und Parodontitis, wurden bisher nur von dierkS (2001) beschrieben. mitteilungen zu zahnanomalien oder abweichungen zur normalen bezahnung fehlen. unsere befunde bestätigen die Seltenheit von Hyperdontien. überzählige zweite und dritte Prämolaren, wie in unserer Studie, wurden schon bei anderen marderartigen arten aus mitteleuropa beschrieben (Heráñ 1971; neuenScHWander & lüPS 1975; ruPrecHt 1978; WolSan 1984, 1989; Hauer 2002). allgemein scheinen anderSone, z. & J. ozoliņš (2000): craniometrical characteristics and dental anomalies in wolves canis lupus from latvia. – acta theriologica 45(4): 549–558. anSorGe, H. (1993): dentalverhältnisse des rotfuchses Vulpes vulpes in der oberlausitz. – beitr. Jagd- u. Wildforschung 18: 71–78. dierkS, k. (2001): dental caries and periodontitis in macerated skulls demonstrated in badgers (Meles meles linné 1758) and stone martens (Martes Fundbeschreibungen nachweise von Hyperdontien bei europäischen dachsen in osthessen Abb. 1: Eine hyperdontie des linken P3 bei einer Dachsfähe (Meles meles) (cVM M.m. 252) aus Schlitz-Karlshof im Vogelsbergkreis (Foto: M. heddergott). Abb. 2: Teil der oberen linken Zahnleiste des Dachsrüden (cVM M.m. 295) aus Reulbach im landkreis Fulda mit einem doppelt angelegten P2 (Foto: M. heddergott). Abb. 3: Doppelt angelegter rechter P2 bei einem Dachsrüden (cVM M.m. 209) aus Büdingen im Wetteraukreis im rechten Oberkiefer (Foto: M. heddergott). 21