Data: 15/04/2016 | Fonte: Südtiroler Wirtschaftszeitung | Pagina: 17 | Autore: Sigrid Hechenstetner | Categoria: EURAC il ritaglio del contenuto e' nella pagina seguente per migliorarne la visualizzazione Documento generato da EURAC press il 18/04/2016 alle 10:11:54 Pagina 1/2 Data: 15/04/2016 | Fonte: Südtiroler Wirtschaftszeitung | Pagina: 17 | Autore: Sigrid Hechenstetner | Categoria: EURAC Bozen - Was tun, wenn man sich als Arzt hundertprozentig sicher ist. dass Magengeschwüre von einem Bakterium verursacht werden - und nicht, wie bis dahin weitläufig angenommen, durch Stress, erhöhten Alkohol- oder Niko tinkonsum? Was tun, wenn man weiß, dass dieser Krankheitserreger, Helico bacter pylori genannt, ganz einfach mit Antibiotika in Schach gehalten werden kann, einem die Fachärzte aber keinen Glauben schenken? Was tun, wenn man den Beweis für seine These nicht durch Tierversuche erbringen kann, weil nur der Mensch Träger dieses einen, beson deren Bakteriums ist? Man greift als Arzt zur einzig verfüg baren und ethisch vertretbaren „Labor ratte": sich selber. Das war 1984. Barry Marshall, Internist am Royal Perth Hos pital, war es satt, einen Magenpatien ten nach dem anderen an die Chirurgie zu verlieren. Magengeschwüre wurden damals häufig operativ entfernt; also Am Anfang wollte es niemand glauben: ein Bakterium, das Gastritis, Magengeschwüre und im schlimmsten Fall Krebs verursacht? Als die Beweis rianten. „Die aggressive Variante sorgt immer für eine Infektion", erklärt Ro bin Warren. „Bei manchen Menschen ein Leben lang, ohne dass sie jemals Be schwerden haben, geschweige denn ei lage dann eindeutig war, wurde dem Helicobacter pylori der Kampf ange Das wirft eine Frage auf: Wenn die aggressive Variante des Bakteriums den sagt. In Zukunftsoll das Bakterium Menschen krank macht, warum ist er sie im Laufe der Evolution nicht los alsVerbündeter im Kampf gegen andere Krankheiten dienen. nen Tumor entwickeln." geworden? Neueste Studien zeigen, dass vor al lem der als gefährlich geltende Stamm für den Träger auch von Vorteil sein kann. So scheinen ihre Besitzer weniger anfällig für Lungenkrebs und Schlagan fall zu sein, entwickeln seltener Asth ma, Allergien, Diabetes oder Neuro dermitis. Was wiederum erklärt, war um die Träger der aggressiven Variante nicht einfach prophylaktisch mit An mixte er sich einen Cocktail aus der Ma genprobe eines Gastritis-Patienten. „Die Folgen waren äußerst schmerzhaft", er tibiotika behandelt werden, sondern erst dann, wenn tatsächlich Magenbe innert sich Mashalls Mitstreiter Robin schwerden auftreten. „Außerdem wäre Warren, der das Bakterium 1979 in einer es irrwitzig, Millionen Menschen ohne Symptome zu behandeln", fügt War Magenprobe entdeckt hatte. „Nach nur fünf Tagen setzten die Bauchschmerzen ein. Barry müsste sich immer wieder übergeben, fühlte sich schlapp, konnte kaum schlafen." Nach zehn Tagen zeig te eine Endoskopie, dass sich Helicobac ter pylori im gesamten Magen des In ren hinzu: „Auch Antibiotika haben schließlich Nebenwirkungen." Vom Zerstörer zum Heilbringen Auf dem Helicobacter ruhen große Hoff nungen ternisten ausgebreitet hatte. Als Folge bekam er eine Gastritis. Nun war es an der Zeit, sich selber das lindernde An tibiotikum zu verabreichen. und andere Forscher versucht, einen Heute ist dies die gängige Behand lung bei Patienten mit Magengeschwür wickeln. Ein Ding der Unmöglichkeit, und einer nachweislichen Helicobacter- das Immunsystem übernimmt, sobald es einen Körper besiedelt. Deshalb hat der Nobelpreisträger seine Strategie ge Zehn Jahre lang haben Barry Marshall Impfstoff gegen Helicobacter zu ent weil das Bakterium die Kontrolle über pylori-Infektion. Dank Barry Marshalls und Robin Warrens Entdeckung ist der Magenkrebs - einst die häufigste Form von bösartigem Tumor - heute in der westlichen Welt so gut wie ausgestor ben. Für ihre Errungenschaft erhielten die beiden 2005 den Medizinnobelpreis, nachdem sie über viele Jahre von ihren Kollegen weltweit als verrückte Labor- ändert: Zurzeit versuchen er und sein Eurac-Forscher Frank Maixner hat terien lebt im Magen von rund 52 Pro zent der Weltbevölkerung erst kürzlich in Ötzis Mageninhalt das Erbgut des Bakteriums Helicobacter pylori nachgewiesen. Wozu? Mikroor ganismen geben Aufschluss über den Heute zählt Helicobacter pylori zu den meisterforschten menschlichen Bakte in Ötzis Magen, siehe Infökasten). Doch terium als Transportmittel für Grippe- Grippeviren-Protein darauf. In flüssiger Form verabreicht würde dieser Impf stoffeinen lebenslangen Schutz gegen den entsprechenden Grippestamm bie ten, denn Helicobacter siedelt sich für den Rest des Menschenlebens in der Magenschleimhaut an. Helicobacter als Impfstofftranspor teur - damit hätte man gleich mehre re Fliegen aufeinen Streich erlegt. Zur zeit nimmt die Entwicklung von Grip pe-Impfstoffen in großen Dosen näm lich rund ein Jahr Zeit in Anspruch. Das heißt, die aktuellste Impfung schützt immer gegen den Virenstamm des Vor jahres. Doch Viren mutieren so schnell, dass Impfstoffe oft nicht mehr greifen - so geschehen im vergangenen Win ter. Wird hingegen Viren-DNA auf ein Helicobacter geklont, geschieht das in Echtzeit. „Allein in meiner Badewan ne, könnte ich in kürzester Zeit 100.000 Vakzine herstellen und obendrein spott billig", erzählt Barry Marshall in einem Discover-Magazine-Interview. Sein ehe maliger Nobelpreiskollege Robin War ren ist heute pensioniert, verfolgt Mar shalls Arbeit aber mit großem Interes se. „Nicht auszudenken, was das für ein Durchbruch in der Krankheitsbekämpfung wäre. Denn genauso wie Grippe könnte man zukünftig auch andere Krankheiten - etwa Malaria - mithil- fe von Helicobacter bekämpfen." Sigrid Hechensteiner [email protected] Die Autorin: Sigrid Hechensteiner ist Mitarbeiterin der Wissenschaftskom munikation bei der Eurac. Auch Otzi hatte Helicobacter ratten belächelt worden waren. rien. Schließlich lebt es im Magen von rund 52 Prozent der Weltbevölkerung, und das seit über 50.000Jahren (soauch Forscherteam in Australien, das Bak Impfstoffe zu nutzen. Hierzu nimmt er eine Helicobacter-Variante, die keine Symptome hervorruft, und klont das O Info Eines der ältesten menschlichen Bak Gesundheitszustand des Eismannes „Wir sehen nur das, was wir kennen." Der australische Arzt und Nobelpreisträger Robin Warren ist am kommenden Dienstag, 19. April, zu Gastan der Eurac in Bozen. DieVeranstaltung beginnt um 18 Uhr und steht allen Interessierten offen. Documento generato da EURAC press il 18/04/2016 alle 10:11:54 Powered by TCPDF (www.tcpdf.org) nicht jeder Wirt bekommt davon Ma genprobleme. Nur rund ein Prozent ent wickelt einen Tumor. Offenbar gibt es aggressive und weniger aggressive Va (wahrscheinlich litt er unter Gastri tis) und darüber, wie sich Bakterien über Tausende von Jahren entwickelt haben - eine wichtige Erkenntnis für die moderne Medizin. Spannend ist aber auch das neue Rät sel, das die Entschlüsselungder Forscher welt aufgibt: Überraschenderweise trug Ötzi nämlich nicht dieeuropäische Vari ante des Erregers, sondern eine aggres sive asiatische - was dazu führen könnte, dass ein paar Kapitelder Besiedlungsge schichte Europas neu geschrieben wer den müssen. Pagina 2/2