Ausgewählte spezielle Notfälle und Populationen

Werbung
Ausgewählte spezielle Notfälle und Populationen
Schock: die Zentralisation des Kreislaufs beim Schock bedingt, dass Sedativa und Opioide in
den zentralen Kompartimenten angereichert werden. Die Organe oberster Priorität reagieren
daher besonders sensitiv (ZNS → starke Effekte auf Bewusstsein und zentrale
Atemregulation, kardiovaskuläres System → starke Blutdrucksenkung). Schocktherapie hat
absolute Priorität vor Sedierung. Wird jedoch ein Schockzustand durch Schmerzen aufrecht
erhalten oder verstärkt (z.B. Atemnot durch schmerzbedingte Schonatmung bei
Serienrippenfrakturen), so sind Analgetika dringend angezeigt (31). Keinesfalls sollten in
dieser Situation Sedativa eingesetzt werden (z.B. Unruhe des Patienten durch Schmerzen,
Atemnot, Hypoxie etc.), da sonst die Ateminsuffizienz verstärkt wird, die Kooperation
verloren geht und der Notarzt gezwungen wird, rasch eine Intubation durchzuführen.
Extremitätenfrakturen: zur Analgesie ist ein peripher angreifendes Analgetikum (z.B.
Diclofenac) indiziert (31), eine titrierende Opioidtherapie ist sinnvoll (Piritramid in
Inkrementen von 1,5-3mg, Fentanyl in Dosen von 0,05 mg). NSAR vom Typ des Diclofenac
hemmen die Thrombozytenaggregation reversibel, ASS hemmt sie irreversibel. Es existieren
noch immer keine Studien, die nachweisen könnten, dass es durch NSAR zu vermehrten
Blutverlusten kommt. Auf ASS sollte man verzichten, auch weil ein Patient (bei
pedantischenen Anästhesisten) bei einer späteren Operation um die Vorteile einer
Regionalanästhesie kommen kann. Wer auch gegen Diclofenac nicht ausräumbare Bedenken
hegt, kann zu Paracetamol oder Metamizol greifen.
Verbrennungen: die analgetische Therapie ist abhängig von a) Lokalisation b) verbrannter
Körperoberfläche c) Verbrennungsgrad. Verbrennungen werden prima vista in ihrem
Schweregrad unterschätzt. Bei schweren, ausgedehnten Verbrennungen, Betroffensein von
Gesicht oder Atemwegen und bei klinisch signifikanter Rauchgasinhalation ist eine
Notfallnarkose und Intubation indiziert. Bei geringerer Traumatisierung ist bei Erwachsenen
Metamizol empfehlenswert (31), eine Kombination mit einem potenten Opioid ist sinnvoll.
Für Kinder ist Ketamin ein Goldstandard.
Kopfschmerzen + Erbrechen + Unruhe: die Differentialdiagnostik ist unter präklinischen
Umständen sehr schwierig. Eine Subarachnoidalblutung (SAB) kann einen Migräneanfall
vortäuschen. Stärkste („noch nie da gewesene“) Kopfschmerzen müssen nicht immer im
Nacken lokalisiert sein, Meningismus kann bei der SAB auch fehlen. Beide Erkrankungen
können eine fokale neurologische Symptomatik haben. Erbrechen kann mit Metoclopramid
und/oder einem 5-HT3-Antagonisten (NW: Kopfschmerzen !) behandelt werden, sedierende
Antiemetika (sedierende Antipsychotika) sind in dieser Situation unerwünscht (Haloperidol
wäre akzeptabel). Paracetamol oder Metamizol sind in der präklinischen
Kopfschmerztherapie jedem anderen NSAR vorzuziehen, bis eine CT-Diagnostik vorliegt.
Acetylsalizylsäure wäre bei einer SAB, die man für einen Migräneanfall gehalten hat und die
operativ versorgt werden muss, kontraindiziert. Im Zweifelsfall sollte man eher mit einem
gering sedierenden Opioid (Piritramid) beginnen, auch wenn das bei einer Migräne keine
Therapie der Wahl ist (18).
Myocardinfarkt: die kausale Therapie hat die höchste Priorität. Der wesentliche Faktor ist
die Zeit, die bis zur Lysetherapie oder Revaskularisation verstreicht. Die zweite wichtige
Maßnahme ist die Analgesie mit Morphium, zeitgleich die Verabreichung von Sauerstoff und
Nitraten (3)∗. Betablocker und ASS werden immer verabreicht, außer es liegen absolute
Kontraindikationen vor (3). Eine medikamentöse Sedierung im engeren Sinn ist meistens
nicht notwendig, wenn der Schmerz erfolgreich titriert wird und der Patient wahrnimmt, dass
ihm kompetent geholfen wird. Sollte ein Patient mit akutem Koronarsyndrom auch eine
obstruktive Lungenerkrankung oder ein Asthma bronchiale haben, wäre es möglicherweise
∗
MONA: Morphine, oxygen, nitroglycerin, aspirin (3).
sinnvoller, statt Morphium Fentanyl zu verabreichen, da es durch Morphium häufig zur
Histaminfreisetzung kommt, bei Fentanyl hingegen nie.
Akutes Abdomen: die Ansicht, bei einem akuten Abdomen besser auf Analgesie zu
verzichten, da sonst die Diagnostik verschleiert wird, ist seit mindestens 10 Jahren verlassen.
Häufig handelt es sich um viszerale Schmerzen, die gering opioidsensitiv sind. Kolikartige
Schmerzen (wellenförmiges An- und Abschwellen, Pat. unruhig) sprechen gut auf
Spasmolytika (Buscopan®) und spasmolytisch wirkende Analgetika (Metamizol), mitunter
auch auf Nitroglyzerin an. Besteht der Verdacht auf Steinkoliken (Niere, Gallenblase,
Harnleiter) oder auf akutes Harnverhalten, so sind Opioide nicht indiziert. Die Unruhe eines
schmerzgeplagten Patienten ist keine Indikation für Sedativa. Hinter dem akuten Abdomen
steht differentialdiagnostisch eine Unzahl an Erkrankungen. Häufig sind obere
gastrointestinale Blutungen bzw. perforierte Ulzera des Magens und Zwölffingerdarms. Daher
sollte man mit NSAR bei entsprechendem Verdacht zurückhaltend sein. Eine seltenere
Erkrankung, die unter dem Bild des akuten Abdomens auftritt ist die akute hepatische
Porphyrie. Sie äußert sich durch Bauchschmerzen, verbunden mit neurologischen Symptomen
und psychischen Auffälligkeiten bis zur Psychose. Hier wäre Metamizol bei Bauchschmerzen
kontraindiziert. Zu den „erlaubten“ Medikamente bei Porphyrie gehören Opioide, ASS und
Chlorpromazin.
Phobien und Panikattacken: Phobien sind meistens mit konkreten Situationen oder
Objekten verknüpft. Häufig führt eine örtliche Distanzierung zur Entspannung. Das gilt auch
für Organphobien, da das soziale Umfeld in die Erkrankung involviert ist, mitreagiert und
einen Prozess aufschaukeln kann. Die Herzphobie ist eine geläufige Entität. Sie äußert sich
durch Tachykardie, Hypertension, Schwitzen und Beklemmungsgefühl (41) und ist von einer
morphologischen Erkrankung des Herzens nicht immer abgrenzbar.
Medizinische Aufklärungskampagnen dürften Themen für Phobien generieren. Seit ca. 1 Jahr
gibt es in Österreich die Kapagne „Schlaganfall ist Notfall“. Die Begegnung des Notarztes mit
der Entität „Apoplektophobie“ (Weixler) (39) wird wahrscheinlicher.
Panikattacken treten für ein Individuum unerwartet und plötzlich auf und gehen mit
deutlichen körperlichen Phänomenen einher (Herzrasen, Atemnot, Beklemmung, Übelkeit,
Parästhesien, etc.). Der Betroffene nimmt manchmal nur die Angst war, gleich sterben zu
müssen. Die Frage, ob dieses Ereignis schon zuvor im Leben dieses Menschen aufgetreten ist,
kann die Anamnese erhellen. Bei der ersten Attacke kann die Wahrnehmung des Affekts
hinter die körperlichen Empfindungen treten.
Für diese Indikationen ist Clonazepam (Rivotril®) ein ausgezeichnetes Medikament. Wenn
man sich entschließt, es zu verwenden, muss man es sehr langsam injizieren. Der Dosisbedarf
ist a priori nicht abschätzbar. Das kleine Gebinde verleitet zur „Injektion im Schuß“.
Psychogener Stupor: ein ausgeprägter psychogener Stupor präsentiert in der Glasgow Coma
Scale einen Wert von 8 oder sogar weniger, je nachdem wie der Betroffene auf Schmerzreize
zu reagieren vermag. Bei der Untersuchung fällt auf, dass die Neurologie nicht zum
präsentierten Bewusstseinszustand „passt“: der Tonus der Extremitäten ist normal oder
erhöht, mitunter werden bizarre Haltungen eingenommen oder Bewegungen ausgeführt.
Häufig sind viele erschrockene Beobachter um den Patienten geschart, deren Erregung den
Zustand unterhält und unterstützt. Viele Patienten mit psychogenem Stupor sind jung, typisch
sind Adolezente.
Diagnostisch von größtem Wert ist die Untersuchung der Augen: die Lider werden
zusammengepresst, häufig sind schon bei geschlossenen Lidern lebhafte „rollende“
Augenbewegungen zu erkennen. Werden sie passiv geöffnet, so kann man einen Widerstand
dagegen bemerken. Schließlich werden die Bulbi (häufig nach oben) weggerollt, um
Fixierung und Einstellungsreaktion zu vermeiden. Auf diese Weise entziehen sich manchmal
die Pupillen einer Beurteilung. Die Pupillen sind von normaler Weite oder übermittelweit und
immer isocor. Die Lichtreaktion ist prompt und konsensuell. Das „Rollen der Bulbi“ darf
nicht fehlinterpretiert werden („schwimmende Bulbi“: diese Bewegungen wären viel
langsamer und nicht synchron bzw. konjugiert). Diagnostisch wesentlich ist die
Beeinflussbarkeit der Symptome (TRIAS: bizarre
Symptome/Beeinflussbarkeit/Augenbefund). Die Zuschauer müssen weggewiesen werden,
der Notarzt soll aber nie ganz allein mit dem Patienten sein. Ist es eine Patientin und der
Notarzt ist männlich, so sollte eine Frau anwesend sein. Eine Psychopharmakaintervention ist
nicht notwendig, drastische Maßnahmen sind zu unterlassen („Reißen Sie sich doch
zusammen !“). Man muss dem Betroffenen seine Würde lassen. Die sinnvollste Intervention
wäre, den Patienten durch hypnotische Desuggestion aus dem Zustand zu begleiten. Die
Aufnahme des Kontakts gelingt über die gesteigerte Atmung des Patienten, diese ist am
ehesten einer Beeinflussung zugänglich. Da der Hintergrund dieses körperlichen Ausdrucks
traumatisch sein kann (Gewalt in der Familie, Vergewaltigung etc.), ist gut zu überlegen, ob
man sich zu dieser Intervention entschließt und ob man den Patienten am Einsatzort belassen
kann. Midazolam und Amnesie sind für solche Konstellationen unerwünscht.
Differentialdiagnostisch abzugrenzen vom psychogenen Stupor sind der depressive Stupor
und der psychotische Stupor. Psychotischer Stupor ist keine Indikation für hypnotische
Kommunikation. Der Zustand ist lebensgefährlich, aber nicht unmittelbar. Vom Notarzt wird
keine spezifische Therapie erwartet werden. Wenn man sicher ist, dass ein Stupor psychotisch
ist, kann man eine Therapie mit Haloperidol und Lorazepam beginnen. Es wäre aber ein
Nonsens, einen psychogenen Stupor für einen psychotischen Stupor zu halten und einen
Menschen unnötig mit einem Antipsychotikum zu belasten.
Intoxikationen mit Erregungszuständen: abgesehen von Erregungszuständen, die durch
Äthanol hervorgerufen werden können, können Exzitationserscheinungen bei einer Vielzahl
von Substanzen, die auf das Bewusstsein wirken, hervorgerufen werden. Erregungszustände
durch Cannabis, Kokain und Amphetamine (Ecstasy) werden in den DetoxifikationsEinrichtungen der Städte häufiger gesehen. Kokain ist mit komplizierten ventrikulären
Arrhythmien und akuten Koronarsyndromen assoziiert, Betablocker sollten absolut vermieden
werden, da sie eine koronare Vasokonstriktion verursachen können (3). Die Behandlung der
Koronarsymptome mit Nitraten, kombiniert mit Benzodiazepinen ist eine Klasse-I-TherapieEmpfehlung der ILCOR (3). Hohe Dosen von Kokain können zu starker Erregung und
deliranten Symptomen mit Halluzinationen führen. Logorrhoe, Tremor, Hyperreflexie
Hyperthermie und Blässe durch die generalisierte Vasokonstriktion weisen den Weg zur
Diagnose. Es besteht das Bild einer maximalen Sympathikusstimulation, epileptische Anfälle
kommen vor. Lorazepam scheint ein geeignetes Medikament in der Therapie der
Kokainintoxikation zu sein. Delirante Zustände durch MDMA („Ecstasy“) oder Kokain sollen
nicht durch antipsychotisch wirksame Medikamente therapiert werden, da Antipsychotika in
typischer Weise im EKG das QT-Intervall verlängern. So könnte der Notarzt ventrikuläre
Arrhythmien provozieren. Intoxikationen mit Trizyklika werden durch eine systemische
Alkalisierung (Natriumbicarbonat, Hyperventilation) behandelt (3).Häufig sind
Mischintoxikationen, BZD kombiniert mit Trizyklika. Durch Injektion des BZD-Antagonisten
Flumazenil kann ein Krampfanfall ausgelöst werden, wenn die antikonvulsive Wirkung der
BZD aufgehoben wird und die prokonvulsive toxische Wirkung der Trizyklika verbleibt.
Wenn durch Cannabis Erregungszustände ausgelöst werden, wäre der „talk-down“ der
klassische Therapiezugang.
Unter besonderen Umständen könnte eine Sedierung notwendig werden. Bei ängstlich
agitierter Symptomatik oder Panikzuständen wären Diazepam oder Lorazepam vertretbar, bei
Halluzinationen Haloperidol (5-10mg). Opioidentzug ist keine Indikation für Antipsychotika.
Bei pathologischerm Rausch und sozial intraktabler Agitation durch Alkoholwirkung ist
pharmakologisch am ehesten Haloperidol vertretbar. In Extremsituationen (Gefahr in Verzug,
Eskalation von Gewalt) würde ich Midazolam in möglichst geringen Dosen (2,5-5mg)
injizieren und bei Beruhigung und zu starkem Effekt mit Flumazenil wegtitrieren und
gleichzeitig mit Haloperidol beginnen. Oft sind hohe Anfangsdosierungen notwendig, 20mg
Haloperidol oder mehr (41). Differentialdiagnostisch ist an Manie, Schizophrenie und
Kokainintoxikation (41), Persönlichkeitsstörungen (Borderline) und Angststörungen (PTSD,
Paniksymptome) (43) zu denken.
Tabelle 10: Übersicht über vertretbare Medikamente bei Agitation durch Substanzen
Äthanol
Kokain
Ecstasy
Cannabis
Haloperidol
Nitrate, Lorazepam
Nitrate, Lorazepam
Lorazepam/Diazepam, Haloperidol
Aggressivität und Gewalttätigkeit: 5 Faktoren, alleine oder in Kombination können
Gewaltbereitschaft auslösen: a) Substanzmissbrauch, -abhängigkeit, -intoxikation oder –
entzug b) Halluzinationen und Wahn c) geringe Impulskontrolle durch neuropsychiatrische
Erkrankungen d) Charakterpathologie e) die Atmosphäre des Notarzteinsatzes /Schockraums
(43). Wenn eine psychische Erkrankung mit Substanzmissbrauch kombiniert ist, besteht die
größte Wahrscheinlichkeit für Gewalttätigkeit. (43). Ehe man als Arzt auf einen solchen
Patienten zutritt, müssen alle Umstände, die eine Selbstgefährdung durch den Gewaltbereiten
verursachen können ausgeräumt sein. Ohne Anwesenheit der Exekutive wird man in einem
Bereich bleiben, der Sicherheit garantiert. Der Betroffene muss nach Bewaffnung inspiziert
werden, alle Gegenstände in seiner Umgebung könnten als Waffe in Gebrauch kommen.
Mechanische Fixierung kann vor der ärztlichen Intervention notwendig sein. Es gibt keine
spezifische pharmakologische Behandlung (43). Die Wahl des Pharmakons und der
Zugangsweg sind kritische Faktoren. Häufig bringt ein Verbringen vom Ort oder das
Wegschaffen der Zuseher eine Entspannung. Angehörige können die Situation verschärfen
oder entspannen. Manche Gewalttätige akzeptieren eine orale Medikation. Auf diese Weise
erkennen sie an, dass etwas getan wird und jemand ihre Bedürfnisse wahrnimmt, während der
Aufnahme der Medikamente sind sie beschäftigt und abgelenkt. Die Wahl der Medikamente
umfasst häufig ein Antipsychotikum (meistens Haloperidol) und ein Benzodiazepin (meistens
Lorazepam∗). Auch Betablocker wirken bei dieser Problemstellung beruhigend (43). Die
intramuskuläre Verabreichung bewirkt einen schnelleren Wirkungseintritt. Lorazepam ist das
einzige Benzodiazepin, das verlässlich aus Muskelgewebe resorbiert wird. 2mg Lorazepam
haben ca. die gleiche antiaggressive Wirkung wie 10mg Haloperidol. Es erfordert einige
Geduld, bis Lorazepam oder Haloperidol wirken. Wenn man als Notarzt in Zwang kommt,
eine raschere Wirkung zu erhalten (z.B. Gewalttäter sehr kräftig, Polizei hat größte Mühe ),
so kann mit Midazolam eine raschere Entspannung herbeigeführt werden.
Alle Medikamente bis auf Lorazepam können in eine Mischspritze aufgezogen werden.
Bevorzugt wird der M.deltoideus. Der Dosisbedarf von Lorazepam liegt bei 0,5-2mg/1-6
Stunden (43). Paradoxe Reaktionen sind in solchen Situationen extrem selten, Benzodiazepine
sind exzellente Werkzeuge für eine kurzfristige rasche Verminderung aggressiver Spannung
(43). Lorazepam wird auch bei Entzugstherapien favorisiert. Haloperidol wird wegen seiner
praktisch fehlenden vegetativen Wirkungen eingesetzt. Eine mögliche, wenn auch seltene
Ursache für Aggressivität ist Antipsychotika-Noncompliance wegen typischer unerwünschter
Wirkungen (z.B. Akathisie durch Antipsychotika). Für diese Konstellation wäre Haloperidol
nicht geeignet, sondern ein atypisches Antipsychotikum wie Ziprasidon (Zeldox®). Ziprasidon
ist als i.m.-Präparation erhältlich, die initiale Dosis beträgt 20mg. Droperidol (DHBP
Janssen®) erlebt eine Renaissance in der Akuttherapie von psychiatrischen Erkrankungen in
den USA, es wirkt rasch und stark sedierend. Ein Anästhesist wird den „alten Bekannten“ mit
weniger Scheu anwenden. Die Verwendung von Clozapin (Leponex®) sollte Fachärzten für
∗
Temesta expidet® bei Akzeptanz eines oral verabreichten Medikaments
Psychiatrie vorbehalten sein. Bei Gefahr in Verzug ist Midazolam i.v. der schnellste
Therapiestart. Dann kann man weitere Schritte setzen.
Tabelle 11: Möglichkeiten einer pharmakologischen notärztlichen Akuttherapie bei Aggressivität und
Gewalttätigkeit
Medikamente
Sedierungseffekt
Lorazepam 2mg + Haloperidol 10mg i.m.
Midazolam 5mg + Haloperidol 10mg i.m.
Midazolam 5mg + Droperidol 10mg i.m.
Midazolam 5mg + Chlorprothixen 100mg i.m.
antipsychotischer Effekt
+
++
+++
+++
+++
+++
+++
(+)
Anmerkung: alle angegebenen Therapieformen sind nur für extreme Situationen konzipiert, in denen für einen
Menschen perakute Selbst- und/oder Fremdgefährdung besteht. Die Medikamente sollte nur in Anwesenheit von
Ärzten injiziert werden, welche Kompetenz und Übung in der Atemwegssicherung haben. Sobald es die
Umstände erlauben, muss eine lückenlose intensive Überwachung der Vitalparameter erfolgen. Die Übergabe
des Patienten zur definitiven Versorgung darf nur an Abteilungen mit entsprechender Kompetenz erfolgen
(Psychiatrie + Intensivtherapie vorhanden). Die Dosen müssen entsprechend der aktuellen Situation und der
vorliegenden physischen Konstitution angepasst werden.
Kinder: das Legen eines Venenweges wird von Kindern wie eine Operation erlebt (19).
Venenwege sollen nur bei vitaler Indikation gelegt werden. Bei Epiglottitis kann der Versuch,
einen Venenweg zu legen, durch Stresszunahme eine respiratorische Insuffizienz verursachen.
Die Kommunikation mit verletzten Kindern ist sicher schwierig, die Annäherung muss
besonders behutsam sein. Wenn immer möglich, soll die Mutter beim Kind bleiben können,
auch während des Transports. Venenwege können „nebenbei“ vom Notarzt ausgekundschaftet
werden. Wenn eine Indikation zum Venenweg gegeben ist und erfolglos bleibt, ist rasch und
konsequent eine Intraossärnadel zu legen. Die medikamentöse Sedierung erfolgt beim Kind,
wenn notwendig auch vor dem Venenweg (in absteigender Präferenz) durch orale, rektale
intranasale oder intramuskuläre Medikamentenapplikation. Mit einer verzögertem Wirkeintritt
ist zu rechnen. Bei Traumen, Verbrennungen, Asthma und im Schock ist Ketamin das
optimale Medikament, um eine medikamentöse Sedierung zu erwirken. Bei Kindern tritt
häufiger durch Ketamin (19) und nach rektaler Midazolamgabe Singultus auf. Die rektale
Applikation von Ketamin im Notarztmittel ist problematisch - man müsste Applikatoren
mitführen – der Wirkeintritt erfolgt zu spät (maximale Blutspiegel nach 45 Minuten).
Tabelle 12: Sedativa und Analgetika für Kindernotfälle (nach Twersky (20), Infosino (21) und Depta (19))
Freiname
Handelsname
Route
Dosis
S-+-Ketamin
Ketanest-S®
Midazolam
Dormicum®
Stesolid-Rektiole®
0,25-0,5mg/kg
3mg/kg
5mg/kg
0,02-0,1mg/kg
0,5-1mg/kg
0,2-0,4mg/kg
0,5mg/kg
0,1mg/kg
<15kg: 5mg
>15mg:10mg
1-2
10-15
3-5
5-10
10-20
5-12
10
15
4-7
4-7
3-8
?
20-30
30-60
60-90
?
30-75
Diazepam
i.v.
p.o.
i.m.
i.v.
p.o.
intranasal
rektal
i.m.
rektal
Fentanyl
Actiq®
p.o.
Fentanyl-Janssen® i.v.
i.m.
Dipidolor®
i.v.
Mexalen®
rektal
Perfalgan®
i.v.
5-15µg/kg (ab 15kg)
0,5-2µg/kg
0,5-1µg/kg
50-100µg/kg
30-40mg/kg
30mg/kg
10
2-4
2-4
5
60-120
120
150-300
15-60
30-60
240-360
360
6-12 Stunden
Pritramid
Paracetamol
Wirkeintritt (Minuten)
Wirkdauer
480
480
Metamizol
Diclofenac
Novalgin®
Voltaren®
i.v.
i.v.
10mg/kg
1mg/kg
8
10-20
180-300
12 Stunden
Eine weitere Möglichkeit bietet sich für exzeptionelle Notfälle in der i.m.-Verabreichung von Midazolam
0,05mg/kg + S-+-Ketamin 2mg/kg (Originalarbeit: ketamine 3-4mg kg-1 ∗ (40)). Coté (40) sieht für diese
„Mischung“ auch eine Zugabe von Atropin 0,02mg/kg vor, was mir aber für Notfallbedingungen angesichts der
beteiligten Helfer als zu sophistisch erscheint.
∗
razemisches Ketamin !
Herunterladen